Die russische Flotte vor England: Ohne Signal durch den Kanal

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Auf hoher See ist es ähnlich wie… nein, nicht wie vor Gericht, sondern wie im internationalen Luftraum. Die Meldungen, dass ein russischer Flottenverband sich im Ärmelkanal tummelt, hat am (heutigen) Freitagmorgen eine öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, die an Invasionsvorbereitungen glauben ließ. Dabei war zunächst nur eine russische Agenturmeldung die Basis:

A squadron of ships from the Russian Navy’s Northern Fleet is holding drills in the English Channel, the Western Military District’s press service said Friday in a statement.
„Today, a squadron of ships and support vessels from the Northern Fleet … have passed the narrowest part of the English Channel in the Strait of Dover and have entered a bay near the mouth of the River Seine,“ the press service said.

Nun sind solche Schiffsbewegungen, auch von Kriegsschiffen, ebenso wie die Nutzung des internationalen Luftraums durch Kampfflugzeuge kein rechtliches Problem, sondern eines der – politischen und öffentlichen – Wahrnehmung. Und da war natürlich die Aussage veranstalten Manöver im Ärmelkanal genau das richtige. Auch wenn die russischen Schiffe vermutlich völlig in Übereinstimmung mit dem Seerecht entweder internationale Gewässer oder die vorgesehene innocent passage durch die Hoheitsgewässer anderer Staaten genutzt haben (was die USA übrigens weit exzessiver als zum Beispiel die Deutsche Marine ausnutzen).

Mittlerweile gibt’s auch die Bestätigung der Briten, dass eines ihrer Patrouillenboote den russischen Verband begleitet hat:

und das führt zu einer interessanten Beobachtung: Bei marinetraffic.com ist der Kurs der Tyne vom 27. November 1236z durch den Ärmelkanal bis zum Abdrehen Richtung Brighton am 28. November 0816z sehr schön nachzuvollziehen (siehe Screenshot oben). Nur: das AIS-Lagebild zeigt in der Nähe des britischen Kriegsschiffs keine russischen Schiffe…

Offensichtlich verhalten sich die russischen Kriegsschiffe ähnlich wie die Kampfflugzeuge auf ihren Flügen, die von den NATO-Alarmrotten beobachtet wurden, und schalten genau so ihre Transponder und Sender ab, die dem zivilen Verkehr Aufschluss über ihre Bewegungen geben. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Kann ja nicht jeder so gesetzestreu sein wie die Deutsche Marine, die bei der Route durch dieses Seegebiet gestern und heute den Kurs von U31 via AIS eindeutig nachvollziehen ließ.

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Aber es ist keine nette Geste der Russen. Und damit ebenso wie die Flüge vor der baltischen Küste der Versuch einer Machtdemonstration.

Nachtrag: Der Vollständigkeit halber die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz am Freitag; mit der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Wirtz und Oberstleutnant Uwe Roth für das Verteidigungsministerium:

Frage: Es geht eher um die russischen Schiffe, die derzeit anscheinend den Ärmelkanal durchqueren. Ich hätte ganz gerne gewusst – die Frage richtet sich eigentlich sowohl an Frau Wirtz als auch an das Auswärtige Amt und an das Verteidigungsministerium -, ob Sie das als ungewöhnlich empfinden, ob sie sich Sorgen machen und ob Sie das als eine Provokation ansehen.
SRS’in Wirtz: Vielleicht kann zuerst das BMVg etwas sagen, was die Erkenntnisse dazu anbelangt.
Roth: Nach meinem Kenntnisstand halten sich diese russischen Schiffe dort in internationalen Gewässern auf. So, wie dieser Verband zusammengestellt ist, sieht er wie ein ganz normaler Übungsverband aus. Insofern ist das für uns nicht weiter dramatisch und stellt auch keine besondere Situation dar.
(…)
Frage : Erst einmal würde ich gerne auf die Frage des Kollegen zurückkommen, was diese russische Flotte angeht. Gibt es abgesehen von einer militärischen Bewertung irgendeine politische Bewertung, ob dieses Vorgehen im Herzen Europas für den Dialog zwischen Russland und der EU dienlich ist?
SRS’in Wirtz: Zunächst einmal geht es darum, tatsächlich alles daran zu setzen – das haben wir ja gerade schon erörtert -, Gesprächsfäden aufrechtzuerhalten, den Dialog miteinander zu suchen und in jeder Hinsicht zu einer Deeskalation der Lage dort beizutragen. Dieses Manöver, auch wenn es sozusagen in internationalen Gewässern stattfindet, ist nicht unbedingt ein Zeichen, um diese Deeskalation und die Bereitschaft zur Deeskalation zu unterstreichen.

(Grafik oben: Screenshot von marinetraffic.com mit dem Kurs der HMS Tyne von 271236zNOV14 bis 280816zNOV14; Grafik unten: Screenshot von marinetraffic.com mit dem Kurs von U31 am 27.11.2014)