Dokumentation: Bundespressekonferenz 12. September 2014 zu ISIS

Aus technischen Gründen nehme ich die Dokumentation der Bundespressekonferenz vom (heutigen) Freitag zum Thema ISIS aus dem Nachrichten-Thread mal raus (der wird sonst zu lang und unlesbar) und stelle das hier ein. Kommentare aber bitte unter dem anderen Eintrag.

Die Fragen und Antworten zum Thema Irak; neben Wirtz äußern sich der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, und der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff:

FRAGE: Ich möchte zum Thema Irak das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium fragen: Am Montag wird in Paris die Irak-Konferenz stattfinden. Ich hätte gerne gewusst, ob die Bundesregierung über das, was ohnehin bisher geplant und bekannt ist, hinaus mit einem neuen, erweiterten Angebot nach Paris fahren möchte – entweder bezüglich der humanitären Hilfen oder möglicherweise bezüglich der Waffenlieferungen an die kurdische Peschmerga.

DR. SCHÄFER: Außenminister Steinmeier wird am Montag an der Konferenz teilnehmen, die auf Einladung des französischen Präsidenten und des französischen Außenministeriums im Quai d‘Orsay stattfinden wird. Wir sind froh darüber, dass es den französischen Gastgebern gelungen ist, in einer großen Breite wichtige Partner und wichtige Spieler der internationalen Gemeinschaft für eine Teilnahme auf Außenminister-Ebene an dieser Konferenz zu gewinnen. Aus unserer Sicht geht es am Montag darum, die jetzt in die Hände genommenen gemeinsamen Überlegungen für eine internationale Strategie im Kampf gegen ISIS fortzuschreiben, dabei Fortschritte zu erzielen und schnell zu einer Situation zu kommen, in der wir eben nicht nur diese Strategie haben, sondern sie auch schnell in die Tat umsetzen können.

Der Außenminister beabsichtigt nicht, über das, was Ihnen und was auch allen unseren Partnern bekannt ist, hinaus bereits vorweg öffentlich anzukündigen, was er mitzubringen gedenkt. Das alles werden wir prüfen und in dem Rahmen überlegen, den der Außenminister ja gestern gezogen hat, wenn diese internationale Strategie, die sich derzeit formiert, steht. Sie können sich darauf verlassen, dass sich Deutschland dann auch in angemessener und geeigneter Weise daran beteiligen wird.

ZUSATZFRAGE: Herr Schäfer, verstehe ich das so, dass es tatsächlich sein könnte, dass, was die humanitäre Hilfe angeht, am Montag Elemente vorgestellt werden, die wir noch nicht kennen, zumal der Außenminister gestern angedeutet hat, dass er vielleicht einen Nachschlag beim Etat braucht?

Herr Flosdorff, nachdem wir ja wissen, was der kurdischen Peschmerga jetzt geliefert werden soll, andere Länder wie Frankreich zum Beispiel aber in den letzten Tagen mit dem, was sie machen möchten, sehr viel weiter gehen, noch einmal die Frage: Ist es vorstellbar, dass die Kurden noch andere Waffentypen oder einfach mehr Ausrüstungsgegenstände bekommen können?

DR. SCHÄFER: Zum Umgang mit einer solchen Bedrohung wie der durch ISIS, der sich die internationale Gemeinschaft stellt, kann man, glaube ich, zu keinem Zeitpunkt auch nicht zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns jetzt befinden und an dem es darum geht, die gemeinsame Strategie zu verabschieden und dann umzusetzen genau sagen, wann und zu welchem Zeitpunkt was von uns sinnvoll, erforderlich oder notwendig ist. Klar ist, dass wir bereit sind, uns aktiv einzubringen. Klar ist auch, dass für uns eine politische Strategie gegen ISIS im Mittelpunkt steht. Dazu gehört eindeutig ein klarer Fokus auf humanitäre Fragen. Da hat die Bundesregierung wie andere auch bereits schnell reagiert und den Menschen, die von ISIS in unmittelbare Lebensgefahr gebracht worden sind, Hilfe geleistet.

Die deutsche Beteiligung an Maßnahmen im Kampf gegen ISIS hat, wie Sie wissen, auch einen Aspekt, der mit Militärischem zu tun hat, nämlich die Lieferung von Rüstungsgütern an die kurdischen Sicherheitskräfte, die zum Teil bereits in Gang gesetzt worden ist und die ansonsten in der nächsten Zeit umgesetzt werden wird. Alles, was darüber hinausgeht, muss jetzt intensiv im Kreise unserer Partner beraten und besprochen werden. Dabei gilt das, was der Außenminister gestern gesagt hat, nämlich dass es weder Anfragen noch irgendwelche Pläne der Bundesregierung gibt, sich etwa mit eigenen Truppen oder eigenem Militärgerät an einer militärischen Auseinandersetzung im Kampf gegen ISIS zu beteiligen, und zwar weder im Irak noch in Syrien.

FLOSDORFF: Ich kann an die Ausführungen von Herrn Schäfer anschließen: Wir sind im Moment in dem Stadium, dass sich eine breite internationale Allianz gegen den IS-Terror zu bilden beginnt. Das ist das Stadium, in dem wir sind. Deutschland hat einen ganz klar definierten Beitrag geleistet, der auch substanziell ist. Das sind die humanitären Lieferungen, das sind die Waffenlieferungen. Wir sind im Moment bei der Bundeswehr sehr mit dem Plan beschäftigt, die erste Tranche der Waffenlieferungen in diesem Monat abzuwickeln. Die nicht letalen Güter sind ausgeliefert worden. Das Training für diese Güter ist in dieser Woche auch abgeschlossen worden. Die nächsten Flüge werden voraussichtlich rund um den 24. stattfinden können. Am Ende des Monats wird parallel dazu in Hammelburg das beschäftigt die Bundeswehr zurzeit auch die Ausbildung von wahrscheinlich 30 Peschmerga-Kämpfern an Waffensystemen stattfinden können. Es sind ja bereits weitere Tranchen von Waffenlieferungen in Aussicht gestellt worden, die auch noch einmal andere Materialkategorien beinhalten. Das ist die Planung, die es im Augenblick gibt.

FRAGE: Herr Dr. Schäfer, nun hat der Außenminister gestern nach der Begegnung mit seinem britischen Kollegen auf die Frage nach einer möglichen Beteiligung an Luftschlägen in großer Eindeutigkeit gesagt: „Weder sind wir gefragt worden, das zu tun, noch werden wir es tun.“ Das heißt, das schlösse auch aus, dass Deutschland möglicherweise bei der Luftaufklärung helfen wird. Er hat das also im Prinzip bereits kategorisch ausgeschlossen.

DR. SCHÄFER: Sie haben das völlig korrekt zitiert. Deshalb kann ich das gar nicht ergänzen. Das ist also fast wie eine Antwort.

ZUSATZFRAGE: Aber Sie hatten vorher gesagt, bisher sei nichts auszuschließen, weil man erst einmal international prüfen müsse, was jeder beitragen könne. Dann könnte diese Anfrage ja kommen.

DR. SCHÄFER: Mein Versuch, auf die beiden Fragen zu antworten, hatte eigentlich zum Ziel, Ihnen deutlich zu machen, dass es um weit mehr als ausschließlich eine militärische Strategie geht. Hinsichtlich dieses Aspekts haben Sie den Außenminister richtig zitiert. In Bezug auf alles andere gilt, dass wir klare Vorstellungen haben, aber dass wir hinsichtlich dessen, was da gemeinsam zu besprechen ist, sehr offen sind. Das gehört sich so, wenn man sich mit Partnern zusammentut. Ich glaube, in Paris wird eine Gruppe von 25 bis 30 Außenministern aus der Region, aus dem Westen, sein. Die Franzosen sprechen von allen fünf permanenten Mitgliedern des Sicherheitsrates. Das ist sozusagen eine große Gruppe von ganz wichtigen Spielern. Da wollen wir hin, daran wollen wir uns beteiligen.

Wir wollen uns konstruktiv an den Diskussionen und Beratungen auf dem Weg zu einer gemeinsamen Strategie gegen ISIS beteiligen, die aber eben auch militärische Aspekte hat. Für uns stehen andere Aspekte, die hier in dieser Diskussion gerade schon angesprochen worden sind, genauso im Fokus. Dabei geht es um den humanitären Aspekt, bezüglich dessen sich Deutschland bereits, wie Sie wissen, eingebracht hat, und allem voran um den politischen Aspekt, ein echtes Bündnis der Länder der Region zusammenzubekommen, die in allererster Linie von ISIS bedroht sind und die ihre Politiken so miteinander verzahnen und koordinieren müssen, dass sie gemeinsam, Hand in Hand, gegen diese Bedrohung durch ISIS vorgehen.

Das Ganze hat aber auch andere Aspekte. Es geht letztlich darum, dem, was wir ISIS nennen, die Maske der religiösen Legitimität wegzureißen. Es geht darum, darzustellen: Das ist kein Ausfluss einer tiefen Religiosität, sondern das ist nichts anderes als eine Gruppe von Terroristen, die echte und große Gefahren für eine ganze Region auslösen.

Es geht auch darum, und darum werden wir uns auch bei den Vereinten Nationen in den nächsten beiden Wochen im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft kümmern, Schritte zu gehen, mit denen wir ISIS das Wasser abgraben können, nämlich verhindern können, dass es einen weiteren Zufluss von Geld, von Kämpfern und von Waffen an diese Organisation gibt. Dazu gibt es bereits Überlegungen und Beratungen in New York, an denen wir uns beteiligen und die genau dieses Ziel verfolgen.

Letzte Anmerkung: Der Außenminister hat gestern im Bundestag bereits darauf hingewiesen, dass es am Rande der Generalversammlung in New York in der übernächsten Woche unter deutscher Präsidentschaft Beratungen darüber geben wird. Das kann ich vielleicht, wenn Sie es möchten, etwas konkretisieren: In der Tat ist es gute Tradition, dass es unter dem Vorsitz der G7-Präsidentschaft die hat, wie Sie wissen, seit Juli Deutschland inne zu einem Treffen der G7-Außenminister in New York kommen wird. Die werden sich zunächst im kleinen Kreis treffen, also zu siebt, und danach ist geplant, dass wir uns im sogenannten Deauville-Format das ist ein G7-Format, bei dem alle wesentlichen Partner aus Nordafrika und aus dem Nahen und Mittleren Osten dabei sind zusammensetzen werden. Selbstverständlich wird es dabei auch um aktuelle Fragen im Kampf gegen ISIS gehen.

FRAGE: Ich habe zwei Fragen an Frau Wirtz. Zum einen hatten Sie vorhin den Besuch des Emirs von Katar angekündigt. Bei der Finanzierung spielt ja mutmaßlich auch Katar eine Rolle. Können Sie uns sagen, ob der Kampf gegen ISIS auch ein Thema dieses Gespräch der Kanzlerin mit dem Emir sein wird?

Zweitens hat gestern der britische Außenminister zunächst ein militärisches Eingreifen ausgeschlossen, ehe er vom Sprecher des Premierministers etwas korrigiert wurde. Schließen Sie oder schließt die Bundeskanzlerin ein militärisches Eingreifen Deutschlands im Irak und in Syrien auch aus?

SRS’IN WIRTZ: Zu Ihrer ersten Frage: Die Bundeskanzlerin wird am Mittwoch, wie eben angekündigt wurde, den Emir von Katar empfangen. In diesem Gespräch wird es mit Sicherheit auch um die Situation in der Region und damit auch um die Frage der Bedrohung durch ISIS gehen. Im Übrigen ist die Kanzlerin sehr daran interessiert, sozusagen aus allererster Hand darüber informiert zu werden, wie sich die Situation in der Region aus der Sicht Katars darstellt und welche Rolle Katar in diesem Konflikt einnimmt.

Zur zweiten Frage nach der Haltung der Bundeskanzlerin zum Kampf gegen ISIS oder einer Fortschreibung dessen, was die Bundesregierung dort zu tun bereit ist: Ich kann mich nur dem anschließen, was Herr Dr. Schäfer gesagt hat. Die Stabilisierung der Region ist ein großes Anliegen der Bundesregierung. Eine Beteiligung an militärischen Luftschlägen oder Ähnlichem kann ich aber ausschließen.

ZUSATZFRAGE: Herr Schäfer, sieht die Bundesregierung eigentlich völkerrechtlich eine unterschiedliche Situation hinsichtlich des militärischen Eingreifens der Amerikaner im Irak und in Syrien? Im Irak liegt nämlich auch die Bitte der Regierung vor, während man in Syrien aber mit dem syrischen Präsidenten Assad keine Kooperation pflegt.

DR. SCHÄFER: Welches militärische oder sonstige Eingreifen der Amerikaner meinen Sie?

ZUSATZ: Die angekündigten Luftschläge gegen IS auch in Syrien.

DR. SCHÄFER: Die gibt es ja noch nicht. Wir wissen auch nicht, in welchem politischen oder auch völkerrechtlichen Rahmen solche angekündigten Luftschläge tatsächlich stattfinden werden. Insofern stellen Sie mir eine Frage, die ich zwar gerne beantworten würde, aber beim besten Willen gar nicht beantworten kann. Ich weiß doch erstens gar nicht, ob das stattfinden wird, weil es ja bisher nur angekündigt worden ist, und zweitens nicht, unter welchen konkreten Umständen es stattfinden wird, ob vorher der Sicherheitsrat beteiligt wird, wie sich die syrische Regierung tatsächlich dazu stellen wird oder ob es andere Gesichtspunkte gibt, die bei einer solchen Bewertung eine Rolle spielen. Das alles scheint mir bislang pure Spekulation zu sein. Deshalb bin ich gar nicht in der Lage, Ihnen darauf eine Antwort zu geben.

ZUSATZFRAGE: Der Außenminister hatte gestern in seiner Rede gesagt, dass der UN -Sicherheitsrat durch die Ukraine-Krise blockiert sei. Von daher scheint ja zumindest der Außenminister nicht zu erwarten, dass ein gemeinsames Vorgehen auf Basis einer UN-Resolution möglich zu sein scheint.

DR. SCHÄFER: Ja, das hat der Außenminister gesagt; da haben Sie völlig recht. Man kann es ja vielleicht sogar noch ein wenig erweitern: Auch bereits in der gesamten Auseinandersetzung um den schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien war der Sicherheitsrat blockiert. Damals hat es mehrere Versuche gegeben, an denen wir uns beteiligt haben, Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu verabschieden. Aber noch einmal: Ich weiß nicht, was in den nächsten Wochen passieren wird. In der übernächsten Woche wird die Generalversammlung der Vereinten Nationen stattfinden. Da werden ganz wichtige Entscheidungsträger vor Ort in New York zusammentreffen. Sie haben recht, und der Außenminister hat auch recht: Es gibt und gab eine Blockade des Sicherheitsrates. Das mag sich fortsetzen. Aber vielleicht gibt es ja auch in irgendeiner Weise Bewegung. Deshalb noch einmal: Die Frage, die Sie stellen, könnte man nur dann beantworten, wenn man die Zukunft vorhersehen könnte, und das können wir hier nicht.