Bald ohne Hubschrauber: die Deutsche Marine?
Bei der Hubschrauberflotte der Deutschen Marine sieht es übel aus: Die älteren Sea King-Helikopter haben ohnehin einen bedrückend niedrigen Klarstand, und jetzt sind offensichtlich auch alle Sea Lynx-Hubschrauber der Marineflieger gegroundet. Das berichtete am (heutigen) Montag zuerst die Süddeutsche Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht), dann Spiegel Online.
Ich bemühe mich weiter um ergänzende Infos. Aber die bisherigen Informationen deuten darauf hin, dass die Marine in ein schwer wiegendes Problem läuft – selbst die (noch lange nicht entschiedene) Beschaffung neuer Marinehubschrauber vom Typ NH90 ist als Ersatz für die Sea King gedacht, während die Sea Lynx noch eine ganze Weile weiter betrieben werden sollen.
Aktuell wirkt sich das Problem auf die Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika aus – ohne die geplanten Bordhubschrauber fehlt der Atalanta-Mission was. Patrouillenflüge mit dem Seefernaufklärer Orion P-3C sind da kein Ersatz, denn das Flugzeug kann weder ein Boarding Team übersetzen noch kurzfristig bei Bedarf aus der Luft aufklären. Und langfristig sieht der Verlust dieser Fähigkeit auch nicht gut aus: U-Boot-Jagd, eine wichtige Aufgabe der Sea Lynx, könnte ja angesichts der neuen Orientierung der NATO nach Osten wieder eine gefragte Fähigkeit werden.
Mehr, wenn ich weitere Informationen habe.
(Archivbild April 2012: Sea Lynx Bordhubschrauber auf der Fregatte Sachsen in schwerer See – Bundeswehr/Jan Pahl via Flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz mit Freigabe für redaktionelle Verwendung)
Bzgl. Lynx: Es ist ja eine fiese Ironie der Geschichte, dass jetzt auf einmal das Hubschraubermuster größere Probleme (komplett gegroundet) zeigt als das noch ältere SeaKing-Modell, für den man immerhin zumindest im Prozess ist, einen Nachfolger zu beschaffen.
Ist über einen Lynx-Nachfolger überhaupt schon mal irgendwie nachgedacht worden?
Was ich bei der Meldung aus der SZ nicht so ganz verstehe: Der Flugbetrieb ist erst seit dem 7.8. „unter Auflagen wieder freigegeben worden“, aber trotzdem ist derzeit „keines dieser Luftfahrzeuge flugklar“?
Sorry, wenn ich trotz volatiler Faktenlage bei den Lynx noch einmal nachsetze…: Ggf. könnte man sich ja auch mal erkundigen, wie der Zustand der Lynx bei den anderen Nutzerstaaten aussieht – konkret Niederlanden, Dänemark oder Großbritannien.
Und zumindest generell mal die Idee wälzen, ob man dieses unschöne Ereignis nicht dazu benutzt, vllt. einmal einen ausländischen Lynx auf einer deutschen Atalanta-Fregatte einzuschiffen. Natürlich nur, wenn die anderen Staaten nicht dieselben Probleme mit dem Hubschrauber haben… ;-)
@ Fussgaenger
Das ist luftfahrtrechtliche Mengenlehre. Der Lynx als Muster an sich ist für generell nicht flugbereit erklärt. Nach eingehender Prüfung darf der einzelne Heli aber fliegen.
Der Mensch (als Muster) an sich darf auch erst nach erfolgter Prüfung ein Kraftfahrzeug führen. Der Umkehrschluss, der Mensch wäre deswegen generell nicht fähig ein Fahrzeug zu führen, ist im rechtlichen Sinn zu bejahen, erscheint aber im realen Umfeld als unsinnig da ja fast jeder (nach erfolgter Prüfung) im Auto rumfährt.
Dass der Lynx Alterungsprobleme hat war hier auf AG bereits vor mindestens 6-8 Wochen zu lesen. Ja, man hätte sich schon längst über einen Nachfolger Gedanken machen müssen, aber an den oberen Stellen scheint man zu glauben, was auf der Inventarliste steht, bliebe auf ewig in dem selben Zustand. Für solche Leute ist es natürlich kein Grund etwas nachzudenken, wenn die Briten zur Zeit den Lynx in der zweiten Generation beschaffen.
Hmmm, nach eingehender Prüfung scheint aber derzeit KEINER zu fliegen, oder habe ich das missverstanden?
@Fussgaenger: Wenn ich den Artikel der Süddeutschen richtig verstehe, dann dürften die Hubschrauber grundsätzlich wieder unter Auflagen fliegen, wie geringeres Abfluggewicht, und nur an 4 der 22 Hubschrauber gibt es die Risse, aber auch an den anderen Maschinen gibt es anderweitige Beanstandungen, aber weil die anderweitigen Beanstandungen noch nicht behoben sind, ist wohl im Moment kein einziger Hubschrauber flugbereit.
Was mir nicht klar ist, was ist damit gemeint, daß unter Einhaltung der Auflagen es zu einer Reduzierung der nutzbaren Flugstunden um 75 Prozent kommen würde?
Ist damit gemeint, daß nur ein Viertel der Flugstunden geflogen werden kann, weil man mehr Wartung und Kontrolle braucht oder ist damit gemeint, daß einzelne Einsatzarten unter den Auflagen nicht geflogen werden könnten, z.B. U-Bootbekämpfung, weil dann das zulässige Gewicht überschritten würde?
Ich glaube vor kurzem [in Flight International?!?] einen AugustaWestland „Strategen“ gelesen zu haben, laut dem Deutschland Interesse an LynxWildcat angemeldet haben sollte.
In wie weit das wirklich stimmt, und /oder wie weit dieses „Interesse“ ausgeprägt ist weiß ich nicht.
Aber die Bundeswehr ist „einsatzbereit“, gell, Frau Ministerin? *epic triple faceplam smiley*
Um die Lage richtig darzustellen (und damit mich wie auch Herrn Wiegold etwas zu korrigieren): der NH90 in der Marineversion MH90 (NFH, Sea Lion etc.) sollte in der deutschen Marine nicht nur den Sea King ablösen, sondern auch den Sea Lynx ersetzen. In sofern hatte man sich mit der Nachfolgefrage schon beschäftigt.
Wenn man natürlich mit einem Hubschraubermuster zwei bestehende Muster ersetzen möchte, dieser eine aber wegen zahlreicher Probleme nicht kommt und er eigentlich auch nicht die geforderte Leistung erbringt, hat man halt einige Zeit noch bedingt einsatzfähige Hubschrauber, dann aber bald gar nichts mehr was von Schiffen aus einzusetzen wäre. Da stehen wir jetzt und wundern uns.
Aber ist ja nicht so schlimm, die Marine hat ja noch ein Muster (P-3C) das fliegt, also sind wir voll einsatzfähig. Und da ist sie wieder, diese vermehrt verbreitete, zu kurz gedachte dilettantische Pseudo-Logik, die uns an mehr und mehr Stellen in die Misere treibt. Schön das Führungskräfte zwei Fremdsprachen und mehr als die Grundrechenarten beherrschen, Computer bedienen können und somit das Copy-&-Paste Prinzip verinnerlicht haben, und sonst noch einiges auswendig gelernt haben. Aber ohne Logik braucht sich keiner wundern, wenn nachher nichts funktioniert.
Soviel ich weiß soll der NH 90 in der Marine den Sea Lynx nur auf den Fregatten der Klasse F 124 und F 125 ersetzen, nicht aber auf den Fregatten der F 123 der Brandenburg-Klasse, weil der NH 90 für die Schiffe der Brandenburgklasse zu groß ist.
Soll der Sea Lynx noch auf der Brandenburgklasse eingesetzt werden bis diese in ein paar Jahrzehnten außer Dienst gestellt werden oder welcher neue Marinehubschrauber soll den Sea Lynx auf den Fregatten der Brandenburgklasse ersetzen?
Daß man einen Marinehubschrauber beschaffen will, der für die vorhandenen Kriegsschiffe teilweise zu groß ist, spricht aus meiner Sicht gegen das Beschaffungsvorhaben NH 90 bzw. die Idee, zwei verschiedene Hubschraubermodelle mit unterschiedlicher Größe durch nur ein neues Hubschraubermodell ersetzen zu wollen.
wie sieht es denn eigentlich mit SAR aus? Das wird doch seit Menschengedenken mit den Sea-Kings abgedeckt. Ist das im Istzustand mit den „altersschwachen“ und „nur sehr bedingt einsatzbereiten“ Fliegern überhaupt noch gewährleistet? Und spielen die SAR-Fähigkeiten bei den Neu-Beschaffungen überhaupt eine Rolle?
Könnte mich als Nordsee-Segler schlimmstenfalls mal persönlich betreffen…
@Foxtrott: Der „Light-International-AW-Stratege“ liegt ziemlich falsch. Da gibt es nämlich ein Hubschrauber-MoU im Zuge des sogen. Global-Deal, da steht Dr. Bertling (EADS) und Beemelmans (BMVg) drunter und in diesem MoU ist von 18 SEA LION als SEA KING-Ersatz und 22 weiteren optionierten NH90-NGEN die Rede. Das sind die 22 Fregatten-Hubschrauber!
In der 25 Mio-BMF-Vorlage sind diese 22 HC natürlich nicht genannt, das MoU war ja VS-nfD. erwähnt!
Nochmals, würde man alle 80 UH-TIGER, alle 122 NH90 wie bestellt und zu Vertragspreisen abnehmen und 30 MH92 Multi-Role -HC des GMRTH-Konsortiums beschaffen, wären alle glücklich und das Ganze käme auch noch preiswerter als der Global-Deal bei höherer Wirtschaftlichkeit sowie Klarstands- und Ersatzteilreserven, also deutlich höheren Nutzwerten.
Schönen Gruß an die Nachlaßverwalter von TdM, SB, DS & Co, die Damen UvdL und StSin-AIN K.Suder vom Vtg-Amtmann.
P.S. Die anderen Lynx-Betreiber haben die Problemabstellungen dort gelassen, wo diese hingehört, beim Rechtsnachfolger von Westland, nämlich AgustaWestland und haben m.M.n. mit dem Deutschen H&H-Lieferanten nichts am Hut. Letzterer will ja auch keine AW 159 Wild-Cat verkaufen, oder?
@F28: Als Nordseesegler können Sie sich schlimmsten Falles Ihre Fluglinie nicht mehr selber aussuchen! Da müssen Sie vielleicht zukünftig mit „BMVI-Airlines“ fliegen und da macht sich im zivilen ICAO-SAR ein Vogel mit Entwicklungs- und Zulassungsstandard FAA-FAR Part 29 Amdt 31 (aus 1990 namens SEA ANGEL NH90-NGEN-ESK-downgraded gem MoU) besonders gut, denn mit § 30 LuftVG und zDV 19/1 + Nachfolger geht da eigentlich nix!.
@Vtg-Amtmann:
hm, könnten Sie das mal übersetzen, so daß auch der Nicht-Drehflügler-Experte versteht, was Sie meinen?
@f28: Bitte mal in den Drehflügler-Threads und FAR Part 29 Amdt 31 suchen oder vielleicht ist ein Kamerad von der Marine bzw. ein SAR-Spezialist hilfreich. Das Zivile iCAO-SAR samt Havarie-Kdo ist _z_i_v_i_l_e_r_ Flugbetrieb unter der Verantwortung des BMVI!
Also, nach der Aussetzung der Kommentarfunktion für eine Woche, sollte es doch nicht genauso weitergehen wie vorher. Bitte dazu kurz mal „neue Woche, neuer Versuch“ mitsamt den Kommentaren lesen. Wenn man etwas mitzuteilen hat, sollte man sich bemühen es so zu formulieren, dass es eine grössere Gruppe (hier die Allgemeinheit) auch versteht.
Mir fällt es zwar auch schwer, mit jemanden ausserhalb meines Fachbereichs ohne eigene Fachbegriffe zu sprechen und die entsprechenden umgangs-deutschen Worte zu finden, aber die Mühe lohnt sich, wenn ich weiss dass ich verstanden werde.
Hm, das sollte jetzt nicht zum allgemeinen Drehflügler-Thread ausarten… ich sehe schon, so einen muss ich wieder auflegen. Aber bitte nicht (!) die aktuelle Lynx-Problematik zur generellen Debatte von wg. NH90/Sea Lion und so zweckentfremden.
/edit: Dafür gibt’s einen neuen Drehflügler-Thread
Die Piloten haben wohl auch große Probleme ihre Flugstunden zusammen zu bekommen. Stimmt es das eine zivile Maschine gemietet wurde um das Schlimmste zu verhindern?
Zu dem Thema zivile Schulung auf EC 135 in Nordholz ist in der Wilhelmshavener Zeitung vom 20.09.2014 auf S.66 ein ganzseitiger Bericht. Dort wird dieses von „klugen Köpfen“ erfundene Nutzungskonzept als „visionär“ bezeichnet.
2 Tage und ein paar Spiegel Online Meldungen später erscheint die Vision im rechten Licht. Nämlich als Nebelkerze.
Der Artikel ist bei Facebook in der offenen VBSK Gruppe am 21.09.2014 wortwörtlich abrufbar
Die Ausschreibung des BAAINBw vom 04.12.2012 hier:
http://ausschreibungen-deutschland.de/86694_Stundenweise_Anmietung_eines_zivilen_Hubschraubers_EC_135_2012_Koblenz
Danke für die Infos!
@f28
„könnten Sie das mal übersetzen“
Genau das hatte ich hier schon ein paar Mal als Problem angeführt.
Es gibt den ein oder anderen Insider, der mit allerlei Abkürzungen glänzt….aber selbst der, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, kann dem praktisch nicht mehr folgen.
Es macht dann keinen Sinn mehr, die Kommentare zu lesen….
Die Anmietung von LFZ ist für die Bw nichts neues.
Vor Jahren wurde in Altenstadt die Sprungausbildung mit gescharteten Flugzeugen durchgeführt, die Kosten waren gering, kamen aber on top, am Ende hat man nichts gespart, denn die Edakosten waren Immernochdakosten.
https://m.youtube.com/watch?v=pPbtwdm-MhE
Doch dies hilft uns beim aktuellen Problem nichts, hier wäre ein Flottenmix mit einsatztauglichen LFZ die Lösung.
Der Skandal ist doch nicht, dass Beanstandungen auftreten und diese im Rahmen der Flugsicherheit zu Sperrungen von LFZ Flotten führt. Der Skandal ist, das Management von Störbehebungen und die Abhängigkeit von den wenigen verfügbaren LFZ in ihrer Gesamtheit.
Sperrungen gab es immer, doch hier war es mit Ansage und dies berührt erheblich die Fähigkeiten der Marine (Aussage BMVg).
Sicher ist die Sache „peinlich“, aber auch im zivilen Bereich kommt es vor, daß Baumuster komplett gesperrt werden.
@ f28 und andere zum Thema SAR:
Der Nordseesegler und der Wattwanderer ebenso wie der der auf Insel, Hallig oder Schiff Erkrankte nehmen für sich gern die staatliche Daseinsvorsorge in Anspruch und erwartet, dass er/sie bei Bedarf mit Hubschraubern der Marine gesucht, gefunden und gerettet wird. Und die Männer und Frauen in Nordholz, vormals in Kiel, tun dies noch immer höchst professionell und gerne. Aber die Seenotrettung ist gem. enstprechenden Verwaltungsvereinbarungen zwischen BMVI (vormals BMVBS), BMVg und DGzRS als Aufgabe ebenso klar der DGzRS zugewiesen wie die Suche und Rettung für vermisste Luftfahrzeuge über See (zivil und militärisch) eindeutig dem BMVg. Mal ganz abgesehen davon, dass sich natürlich beide gegenseitig unterstützen, wenn Kapazitäten frei sind, hat kaum jemand diese Aufgabentrennung im Kopf, wenn über SAR geschrieben wird.
@ Sascha Vohwinkel: zu http://augengeradeaus.net/2014/09/bald-ohne-hubschrauber-die-deutsche-marine/comment-page-1/#comment-150848 siehe bällebad. Danke.