Ukraine: Sanktionen und so

Die Bundespressekonferenz mit den Vertretern der Ministerien am (heutigen) Mittwoch hat mich in Punkto Ukraine und Sanktionen, muss ich gestehen, nicht so viel schlauer gemacht. Neben der Betonung der grundsätzlichen Bedeutung der EU-Beschlüsse blieben dann doch einige Details merkwürdig unscharf. Die Audio-Datei mit den Fragen und Antworten unten; ein paar Punkte, die mir aufgefallen sind:

› Die neu beschlossenen Sanktionen für Rüstungsgüter sollen nur für künftige Verträge gelten (also unter anderem nicht für die Lieferung von französischen Kriegsschiffen der Mistral-Klasse nach Russland). Nicht so ganz klar wurde allerdings, ob die Rest-Lieferungen für das Gefechtsübungszentrum der Firma Rheinmetall an Russland nun vom Wirtschaftsministerium untersagt wurden, ob die bereits erteilte Genehmigung nur ruht und/oder ob sich Unternehmen und Ministerium erstmal auf Stillhalten geeinigt haben – weil ja sonst möglicherweise Regressansprüche von Rheinmetall gegen die Bundesregierung fällig werden könnten. (Dazu meine Frage an das Wirtschaftsministerium ab ca. 25:06)
› Die Initiative von US-Kongressabgeordneten, die Mistral-Schiffe sollte die NATO kaufen und gemeinsam betreiben, ist weiterhin im Auswärtigen Amt nicht angekommen. Jedenfalls sei dort keine solche Initiative bekannt. Dabei hatten die Abgeordneten ihr Schreiben an den NATO-Generalsekretär doch am 8. Juli auch an den deutschen Botschafter in Washington geschickt.

› Weiterhin hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse, dass von russischem Gebiet mit Artillerie auf ukrainisches Gebiet geschossen wurde, wie die USA behaupten.

Die Fragen und Antworten zum Nachhören – mit der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Wirtz, Außenamtssprecherin Sawsan Chebli und Tanja Alemany vom Wirtschaftsministerium:

BPK_UKR_30jul2014     

Und als Nachtrag das Wortprotokoll:

Dann könnte ich, wenn ich darf, noch etwas zur Ukraine und den Sanktionen gegen Russland sagen. Wie Sie alle mitbekommen haben, haben gestern die Ständigen Vertreter bei der EU ein weitgehendes Sanktionspaket verabschiedet. Die Bundeskanzlerin hat schon gestern in einer Pressemitteilung diese Maßnahmen ausdrücklich begrüßt, und ich möchte das an dieser Stelle noch einmal unterstreichen. Die Maßnahmen beziehen sich auf vier Bereiche: auf den Finanzmarkt, auf Dual-use-Güter, auf Rüstungsgeschäfte und auf Hochtechnologie.

Die Bundeskanzlerin betont, dass diese Sanktionen kein Selbstzweck sind; sie mussten beschlossen werden, sie waren in der Situation, wie sie sich jetzt darstellt, unvermeidlich. Denn seit vielen Monaten macht die Bundesregierung immer wieder deutlich, dass die völkerrechtswidrige Annexion der Krim nicht hinnehmbar ist. Gleiches gilt für die fortdauernde Destabilisierung der Ostukraine. Die Staats- und Regierungschefs haben gestern aber auch deutlich gemacht, dass die gestern verhängten Maßnahmen durchaus auch rückgängig gemacht werden können, wenn Russland dazu beiträgt, konstruktiv eine Lösung für die Ukraine-Krise zu finden.

Die Erklärung, die Herman Van Rompuy gestern herausgegeben hat, ist im Einvernehmen mit allen 28 Staats- und Regierungschefs getroffen worden und zeigt insofern auch die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Die Maßnahmen, die von den Ständigen Vertretern beschlossen worden sind – das habe ich an dieser Stelle auch schon oft erläutert -, beruhen auf dem Beschluss des Europäischen Rates vom 16. Juli und wurden dann durch den Beschluss der Außenminister vom 22. Juli weiter konkretisiert.

Vielleicht noch einige Worte zur Lage in der Ukraine allgemein. Nach wie vor stellt sich die Situation so dar, dass kein freier, ungehinderter, sicherer Zugang für internationale Experten zu der Absturzstelle von MH17 sichergestellt ist. Grund dafür sind die mangelnden Bemühungen der Separatisten und die mangelnde Bereitschaft Moskaus, in dieser Hinsicht auch auf die Separatisten einzuwirken. Die Bundesregierung erwartet aber genauso von der Regierung in Kiew, sich in dem betroffenen Gebiet beim Vorgehen gegen die Separatisten zurückzuhalten. Die Bundesregierung appelliert an die ukrainische Regierung und die Separatisten, einen lokalen Waffenstillstand zu vereinbaren – unabhängig von den Bemühungen um einen umfassenden Waffenstillstand -, damit die Experten ihre Arbeit an der Unglücksstelle aufnehmen können.

Darüber hinaus gibt es nach wie vor Berichte über den Zustrom von Waffen in die Ostukraine über die von den Separatisten kontrollierten Grenzabschnitte. Auch hier steht Moskau in der Pflicht, seinen Einfluss geltend zu machen und das zu unterbinden. Wichtig ist jetzt, dass die mit der OSZE vereinbarte Entsendung von Beobachtern an zwei Grenzübergänge als erster Schritt zur Herstellung internationaler Präsenz an der russisch-ukrainischen Grenze zügig umgesetzt wird. Zentrales Ziel ist und bleibt es, einen beidseitigen Waffenstillstand zu vereinbaren. Zu diesem Zweck versucht zur Stunde die Kontaktgruppe, bestehend aus Vertretern der OSZE, Russlands und der Ukraine, ein Treffen mit den Separatisten zustande zu bringen. Es gab bislang nur Treffen mit Videokonferenzen, aber es könnte sein, dass es Ende der Woche auch ein solches Treffen mit den genannten Vertretern geben wird.

Das wäre es erst einmal von meiner Seite. Ich stehe für Ihre Fragen zur Verfügung.

Frage: Ich würde gern mit den Sanktionen anfangen. Deswegen die Frage an das Wirtschaftsministerium: Nach dem, was in Bezug auf die Rüstungsgüter bekannt ist, soll es ja nur um künftige Geschäfte gehen. Ist das richtig? Ist damit im Hinblick auf Frankreich die Lieferung der beiden Mistral-Kriegsschiffe an Russland zulässig?

Außerdem eine Frage zur deutschen Seite: Das Geschäft von Rheinmetall mit dem Ausbildungszentrum für die russische Armee ist ja auch ein schon lange vereinbartes und vertraglich abgesichertes Geschäft. Bleibt Deutschland bei seiner Haltung, dass dieses Geschäft nicht weiter verfolgt werden soll, auch wenn das von den jetzt beschlossenen Sanktionen nicht erfasst wird?

Alemany: Danke für die Frage. Ich kann, was uns betrifft, vielleicht ein bisschen umfassender darüber berichten.

Zum einen gibt es zwei zuständige Stellen, was jetzt die ganzen Sanktionen angeht: Das ist zum einen das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle, das BAFA, und zum anderen die Deutsche Bundesbank und damit natürlich auch der Zoll sowie die Straf- und Ermittlungsbehörden. Natürlich stehen alle Behörden, was die Auslieferungen und die Sanktionen angeht, in engem Kontakt.

Bevor ich auf die Einzelheiten oder auf Ihre Frage zu sprechen komme: Die Bundesbank ist zuständig für Sanktionen im Kapitalmarkt und für weitere Listen. Sie wird jetzt per Rundschreiben, online und mit ihrem Servicezentrum alle notwendigen Stellen informieren. Das BAFA ist seinerseits zuständig für Sanktionen, für das Waffenembargo, für Dual-use und die Ausrüstung im Energiebereich über Genehmigungen. Neben der BAFA-Genehmigung bedarf es ja, wie Sie wissen, auch immer noch einer Anmeldung der Ausfuhr beim Zoll. So gesehen kann der Zoll hier auch immer noch Überprüfung vornehmen, zum Beispiel, ob für die Auslieferung auch wirklich ein BAFA-Bescheid oder gegebenenfalls ein Nullbescheid, also Erlaubnis eines Produkts, vorliegt, und kann sich in Zweifelsfragen immer eng mit der BAFA abstimmen.

Wer derzeit Geschäfte mit Russland tätigt, ist gut beraten, sich intensiv über die neuen Sanktionsmaßnahmen zu informieren, wenn diese nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU gelten, und kann das ganz leicht über die BAFA und über die Bundesbank machen. Zum Beispiel hat die BAFA eine Internetadresse, www.ausfuhrkontrolle.info, und auch das Servicezentrum Finanzsanktionen der Deutschen Bundesbank steht natürlich für alle Fragen und Informationen zur Verfügung.

Nun zu Ihrer Frage: Die neuen Sanktionen werden ja auch ein Waffenembargo mit einschließen. Für Russland kann ich sagen, dass für den Export von Rüstungsgütern sowieso stets eine Genehmigung des BAFA beziehungsweise der Bundesregierung erforderlich ist. Diese Genehmigungen werden nun für Russland auch weiterhin generell nicht erteilt, das war aber auch vorher so. Wer illegal Rüstungsgüter exportieren würde, macht sich nach den geltenden Regelungen strafbar. Die Auswirkungen des neuen Waffenembargos auf bestehende Genehmigungen – dahin zielt ja ihre Frage – müssen sorgfältig geprüft werden. Aber wie gesagt sorgt die Bundesregierung ja schon seit geraumer Zeit dafür, dass es auch bei Altgenehmigungen nicht zu einer Ausfuhr entsprechender Güter kommt.

Sie sprechen das GÜZ, das Gefechtsübungszentrum für Russland an: Auch hier hat das BMWi schon vor einiger Zeit die Entscheidung getroffen, dessen Ausfuhr zu stoppen. Daran hat sich nichts geändert.

Zusatzfrage: Zum einen: Nach meiner Kenntnis beruht der Ausfuhrstopp von weiteren Teilen des GÜZ nicht auf einer Verordnung oder Anordnung – wie auch immer – des BMWi, sondern auf einer Vereinbarung mit dem Unternehmen.

Zum anderen: Die deutschen Regelungen gehen damit weiterhin über das im EU-Rahmen Beschlossene hinaus, verstehe ich das richtig?

Alemany: Sie verstehen das dann richtig, wenn Sie es so verstehen, dass wir in Bezug auf Russland schon seit Langem eine sehr umsichtige Rüstungsexportkontrolle machen, die eben das Gefechtsübungszentrum mit einschließt. In der Tat gibt es da Genehmigungen über die BAFA und so gesehen Rechtssicherheit für das Unternehmen. Aber wie Sie auch wissen, sind wir in engem Kontakt mit dem Unternehmen und wirken weiterhin darauf hin, dass es nicht zur Ausfuhr kommt.

Zusatzfrage: Nur damit ich es richtig verstehe – ich bin da ja nicht so ganz firm -: Das bedeutet, es gibt keine Anordnung Ihres Hauses an Rheinmetall, nicht zu liefern, sondern es ist sozusagen eine freiwillige Vereinbarung zwischen Ihrem Haus und dem Unternehmen?

Alemany: Nein, es gibt Gespräche mit dem Unternehmen hinsichtlich unseres Wunsches, das nicht auszuführen, und es gibt natürlich die Möglichkeit, über BAFA und Zoll dafür zu sorgen, dass es nicht zur Ausfuhr kommt.

Zusatzfrage: Das verstehe ich jetzt nicht. Wenn ich noch einmal ganz kurz darf: Mein Eindruck ist, dass es keine Anordnung an das Unternehmen gibt, nach dem Motto „Du darfst nicht liefern“, sondern man ist im Gespräch darüber und das Unternehmen sagt „Wir liefern jetzt auch nicht“. Ist das richtig?

Alemany: Nein, Sie brauchen als Unternehmen, um irgendetwas auszuführen, eine Ausfuhrgenehmigung durch die BAFA, sonst können Sie das über den Zoll gar nicht ausführen. Es gibt bereits erteilte Genehmigungen, die derzeit im Einvernehmen mit dem Unternehmen stillstehen, und wir wirken darauf hin, dass diese Genehmigungen nicht gültig werden. Das heißt, derzeit kann nichts ausgeführt werden, was das GÜZ betrifft.

Frage: Vielleicht noch eine Nachfrage dazu: Wird im Wirtschaftsministerium geprüft, diese Genehmigung, die erteilt wurde, auch wieder zurückzunehmen? Geht das rechtlich überhaupt, oder müssen Sie quasi an diesem Punkt, den Sie eben beschrieben haben, stehenbleiben?

Meine eigentliche Frage: Frau Wirtz, Sie haben ja die Sanktionen beschrieben, die gestern auf EU-Ebene beschlossen wurden. Können Sie vielleicht noch erklären, warum Sie glauben, dass diese Sanktionen Russland nun zu einem Umlenken bringen sollten?

Alemany: Zum einen: Die neuen Regelungen, die jetzt beschlossen werden und ab Donnerstag oder Freitag – je nach Veröffentlichung – gültig werden, betreffen ja nicht Altfälle.

Zum Zweiten: Wir müssten nach den geltenden Regelungen aufgrund der Rechtssicherheit von Genehmigungen dann auch mit allen Regresspflichten in die Bütt.

SRS’in Wirtz: Zu Ihrer Frage, was diese Sanktionen jetzt bringen: Herr Rinke, wir sprechen seit dem 6. März immer über die Frage: Was kann Europa in Bezug auf die Situation in der Ukraine, in Bezug auf die Krim tun? Der Europäische Rat hat damals ein gewisses abgestuftes Verfahren beschlossen, nach dem man auf die Ereignisse in der Ukraine reagieren will. Jetzt sind die Sanktionen sozusagen entschieden worden, und es gibt natürlich keine Garantie dafür, dass sie wirken und zu dem führen, was sich Europa und auch die Bundesregierung versprechen, nämlich einer Stabilisierung der Ukraine.

Es ist so, dass es einerseits diese Möglichkeiten der Sanktionen gibt; anderseits gibt es parallel zu diesen Maßnahmen – das hat die Bundesregierung und das haben die Bundeskanzlerin und auch der Bundesaußenminister immer wieder deutlich gemacht – aber immer auch eine Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen beziehungsweise im Gespräch zu bleiben. Die Staats- und Regierungschefs haben in der Erklärung gestern ja auch noch einmal deutlich gemacht, dass man, wenn es ein Einlenken Russlands gibt, auch bereit ist und gewillt ist, die Sanktionen zu überprüfen und eventuell auch zurückzunehmen.

Zunächst einmal ist aber klar – und das ist auch der Bundeskanzlerin sehr wohl klar -, dass es einen langen Atem braucht, um diese Krise in der Ukraine beizulegen und zu einer Stabilisierung dieses Landes zu kommen.

Zusatzfrage: Meine Frage war vielleicht nicht ganz klar gestellt; sie zielte darauf, was passiert, wenn Russland – die Russen haben gestern ja sehr gelassen darauf reagiert – sein Verhalten nicht ändert. Ist die Bundesregierung dann schnell bereit, weitere Sanktionen zu beschließen?

SRS’in Wirtz: Wir sind jetzt erst einmal da, wo wir heute stehen. Gestern gab es diesen Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs. Das ist zunächst einmal die Lage, und im Moment ist nicht der Zeitpunkt, über weitere Sanktionen zu sprechen. Die Europäische Union ist bereit, auch weiterzugehen, aber zunächst einmal geht es jetzt darum, die vorhandene Situation zu beobachten und auch zu beobachten, ob sich vielleicht doch etwas tut.

Frage: Ich möchte doch noch einmal zurück zu dem Komplex bestehender Rüstungsgeschäfte mit Russland und würde gern noch einmal das Wirtschaftsministerium fragen: Sind die Gespräche, die das Ministerium mit der Firma, die das GÜZ exportiert, die einzigen Gespräche gewesen, oder hat es ähnliche Gespräche über laufende Verträge auch mit anderen Unternehmen gegeben?

Ich würde Sie des Weiteren gerne bitten, einmal zu erklären, was eine stillstehende Ausfuhrgenehmigung ist. Ist das eine gültige Genehmigung, mit der ich mit meinem Produkt zum Zollamt an die Grenze komme, und dann sagt mir der Zoll „Diese Genehmigung ist zwar erteilt worden, aber sie ist als Einzelfall widerrufen worden“, oder wie funktioniert das?

Alemany: Wie Sie wissen, ist der Minister – er hat sich auch schon mehrfach dazu geäußert – in engem Kontakt auch mit Firmen der Rüstung und entsprechenden Betriebsräten. Diese Gespräche laufen ja.

Zur zweiten Frage: Ich habe ja nicht „stillstehende Genehmigungen“ gesagt. Ich habe gesagt: Es gibt Altfälle, die jetzt im Rahmen des neuen Waffenembargos und der neuen Regelungen, die jetzt gültig werden, noch einmal überprüft werden. Wahrscheinlich ist es so, dass geltende, bestehende Genehmigungen davon ausgenommen sind. Dennoch hatte ich auch deutlich gemacht, dass wir seit Langem – also auch schon vor den Sanktionen, die jetzt beschlossen wurden – dafür gesorgt haben und darauf hingewirkt haben, dass es nicht zu einer Ausfuhr der weiteren Produkte für das GÜZ kommt – trotz Genehmigungen und im Einvernehmen mit der Firma.

Frage: Jetzt könnte Russland bei den Sanktionen ja auch den Spieß umdrehen. Inwiefern rechnet die Bundesregierung mit wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen, insbesondere, was die Gaslieferungen aus Russland betrifft?

Alemany: Das ist eine spekulative Frage, die ich nicht beantworten kann.

SRS’in Wirtz: Die Bundesregierung hat immer deutlich gemacht, dass es hier in erster Linie um politische und nicht um wirtschaftspolitische Fragen geht.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, die EU wäre bereit, bei den Sanktionen weiterzugehen. Der Gassektor wurde zuvor explizit ausgeschlossen. Ist das eine Sache, die auch für die Zukunft gelten wird, wenn es denn zu weiteren Sanktionen käme?

SRS’in Wirtz: Auch das ist eine spekulative Frage. Wir beschäftigen uns zunächst einmal mit dem Stand, den wir seit gestern Abend haben. Es ist ein tiefgreifendes Maßnahmenpaket beschlossen worden. Jetzt geht es darum, das umzusetzen. Die Kollegin hat ja sehr deutlich gemacht, wie das umgesetzt wird. Insofern muss man jetzt zunächst einmal beobachten, wie sich die Situation weiter entwickelt. Ich kann jetzt nicht dazu Stellung nehmen, welche Sanktionen möglicherweise unter welchen Voraussetzungen in naher oder ferner Zukunft noch ins Haus stehen.

Frage Ich habe eine Frage an Frau Wirtz und eine Frage an das Finanzministerium.

Frau Wirtz, ursprünglich war der Wunsch der Bundesregierung oder der Kanzlerin ja, einen EU-Sondergipfel abzuhalten – vielleicht auch aus dramaturgischen Gründen, um diese recht dramatischen Maßnahmen adäquat zu demonstrieren. Was hat die EU und auch die Kanzlerin jetzt eigentlich dazu bewogen, dieses Ziel nicht mehr zu verfolgen, sodass das jetzt einfach im Umlaufverfahren abgesegnet wird? Hat sie sich da einfach den Urlaubsplänen der anderen Staats- und Regierungschefs gebeugt, oder gab es da andere Erwägungen?

An das Finanzministerium – diese Frage hatte ich schon kürzlich gestellt -: Jetzt sind die Sanktionen ja sozusagen bekannt und werden verhängt. Wie bewertet das Finanzministerium die Sanktionen, die den Finanzmarkt betreffen?

SRS’in Wirtz: Im Grunde genommen standen diese Sanktionen, diese Maßnahmen, die gestern nun beschlossen worden sind und in der Tat noch durch das Umlaufverfahren gehen müssen, schon seit dem letzten Rat im Juli im Raum. Sie wurden dann durch die Außenminister bei deren Rat weiter ausgeführt, und insofern war es jetzt möglich, dass die Ständigen Vertreter in Brüssel weiter über diese Maßnahmen gesprochen haben. Sie sagen richtig, dass ein Europäischer Rat im Raum stand, insofern war es sicherlich auch nicht hinderlich, dass der politische Druck da war, dass man sich einigt. Das ist auf der Ebene der Ständigen Vertreter gelungen, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Ständigen Vertreter eine herausragende Arbeit gemacht haben. Gleiches gilt auch für die Europäische Kommission, die das, was gestern Abend beschlossen werden konnte, hervorragend vorbereitet hat.

Narzynski: Zu den Sanktionen im Finanzbereich: Das ist ja ein wichtiger Baustein des Sanktionspakets. Zu der Bedeutung des Sanktionspakets insgesamt hat die Regierungssprecherin gerade schon ausgeführt. Ich kann dazu nur ganz grundsätzlich sagen, dass das Verbot der Ausgabe und des Kaufs von Wertpapieren russischer Unternehmen, russischer Staatsbanken selbstverständlich ein wirksames Instrument ist, um die Refinanzierung dieser Institute zu erschweren, und insofern auch ein wirksames Sanktionsinstrument ist.

Zusatzfrage: Wird es noch einmal eine gesonderte Folgenabschätzung seitens des Finanzministeriums geben, gibt es da irgendwelche Zahlen? Oder schaut man sich das jetzt einfach erst einmal an?

Narzynski: Die Bundesregierung insgesamt wird sicherlich bewerten, wie sich diese Sanktionen auswirken. Die Zielsetzung der Sanktionen ist ja primär eine politische, insofern ist das eine Bewertung, die zunächst auch vonseiten des Auswärtigen Amts vorzunehmen ist.

Frage: Nachdem die EU jetzt diese Finanzsanktionen beschlossen hat: Ist das Finanzministerium in Verhandlungen mit anderen Finanzplätzen in Europa, wie zum Beispiel der Schweiz, um diese Länder dazu zu bewegen, sich diesem Embargo für die Finanzprodukte anzuschließen, oder haben Sie schon entsprechende Zusagen?

Dieselbe Frage möchte ich auch an das Wirtschaftsministerium richten: Führt das Wirtschaftsministerium angesichts des Verbots von Technologieexporten auch Gespräche mit anderen Nicht-EU-Regierungen, damit die Sanktionen auf möglichst breiter Basis gegen Russland verhängt werden?

Narzynski: Zunächst einmal: Das sind ja europäische Sanktionen und keine nationalen deutschen Sanktionen. Insofern ist das zunächst einmal eine Sache, die dann auch auf der europäischen Ebene zu führen ist.

Im Übrigen – auch im Anschluss an meine Antwort von eben – ist die Zielsetzung der Sanktionen ja nicht primär, Auswirkungen im Finanzsektor zu erzielen oder Finanzplätze in einer bestimmten Art und Weise zu beeinflussen, sondern die Zielsetzung ist eine politische Zielsetzung in dem derzeitigen Konflikt. Insofern ist die Frage, ob Gespräche mit anderen Staaten, die auch bedeutende Finanzplätze vertreten, darüber geführt werden, solche Sanktionen ebenfalls zu übernehmen, eine Frage, die primär eine außenpolitische Frage und keine Frage bestimmter Finanzplätze und ihres Verhältnisses zueinander ist.

Zusatzfrage: Dann würde ich die Frage gerne an das Auswärtige Amt weitergeben.

Chebli: Die Frage, ob wir dazu Gespräche mit der Schweiz oder anderen führen, kann ich Ihnen hier nicht beantworten. Sicherlich werden in den nächsten Tagen auch mit den europäischen Partnern Gespräche darüber geführt werden, inwiefern auch Maßnahmen, die finanzielle Auswirkungen haben, getroffen werden müssen. Ich habe dazu jetzt aber keine Erkenntnis, ich leite das gerne weiter und würde mich dazu gegebenenfalls noch einmal mit Ihnen in Verbindung setzen.

SRS’in Wirtz: Vielleicht kann ich noch allgemein hinzufügen: Wir haben ja schon – am Montag war es, glaube ich – darüber berichtet, dass es eine Telefonkonferenz unter anderem mit Obama, Merkel, Renzi, Hollande und Cameron gab. Es geht natürlich schon auch darum, dass man die Maßnahmen, die auf europäischer Ebene beschlossen werden, mit den Partnern abstimmt. Es wird auch im Rahmen der G7 intensiv darüber gesprochen, wie man diese Sanktionen aufeinander abstimmt. Insofern kann ich jetzt nichts ganz gezielt in Bezug auf die Schweiz sagen, aber ich kann Ihnen sagen, dass Europa durchaus auch in Kontakt mit anderen Partnern weltweit ist, was die Sanktionen anbelangt.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf eine in Russland verhaftete Kampfpilotin, Nadija Sawtschenko, die von Aufständischen in der Ostukraine festgehalten worden ist und dann auf eine ungeklärte Art und Weise in einem russischen Gefängnis aufgetaucht ist. Das ist auch nicht der einzige solche Fall, sondern es gibt noch den Fall eines Filmemachers und Maidan-Unterstützers aus der Krim, Oleg Sentsov, der ebenfalls nach Moskau verschleppt worden ist. Sind diese Fälle der deutschen Regierung bekannt? Macht man da möglicherweise Druck oder beteiligt man sich daran, eine Lösung zu finden?

Chebli: Die Fälle sind der deutschen Bundesregierung bekannt, und Außenminister Steinmeier hat dazu auch mit seinem russischen Kollegen gesprochen. Dieser hat zugesichert, dass man sich um eine Aufklärung der Fälle bemühe und daran interessiert sei, dass letztendlich auch eine gerechte – – dass ein Freispruch erzielt werden kann. Das war also Gegenstand eines Gesprächs, das Außenminister Steinmeier mit seinem Amtskollegen geführt hat.

Zusatzfrage: In einem Telefonat der Frau Bundeskanzlerin mit Herrn Putin ging es um den Austausch von Gefangenen. Kann man daraus schließen, dass auch dieser Fall behandelt worden ist? Hat Frau Merkel mit Putin also ausdrücklich über Nadija Sawtschenko gesprochen?

SRS’in Wirtz: Richtig ist: Die Forderung, Geiseln freizulassen, steht nach wie vor im Raum. Ob es genau um diesen Fall geht, kann ich Ihnen leider nicht sagen.

Frage: Noch einmal an das Wirtschaftsministerium: Sie haben das Wort „Regresspflichten“ in Umlauf gebracht. Können Sie vielleicht sagen, in welcher Höhe oder über was für ein Volumen wir bei anstehenden genehmigten Rüstungsexporten nach Russland möglicherweise reden?

Zum anderen ist vom vergangenen Montag noch ein bisschen etwas offen geblieben. Frau Chebli, haben die Vorschläge aus den USA, die umstrittenen französischen Kriegsschiffe nicht an Russland liefern zu lassen, sondern quasi von der Nato aufkaufen und als „common asset“ nutzen zu lassen, nach Ihren Kenntnissen irgendeine Rolle in der Bundesregierung gespielt?

Frau Wirtz, auch an Sie muss ich noch einmal nachfragen: Am Montag gab es ja die Aussage, von Artilleriebeschuss von russischem Gebiet in die Ukraine sei der Bundesregierung nichts bekannt. Hat sich daran etwas geändert?

Alemany: Zahlen kann ich Ihnen nicht nennen. Ich kann Ihnen aber sagen, was passiert beziehungsweise auf welche Regelungen wir uns beziehen: Die Bundesregierung kann einmal erteilte Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen laut § 7 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes jederzeit widerrufen, aber obwohl der Wortlaut des Gesetzes von „jederzeit“ spricht, gilt aber auch hier, dass die Bundesregierung ordnungsgemäßes Ermessen zu beachten hat und dass keine sachgrundlosen oder gar rein willkürlichen Änderungen oder Widerrufe erfolgen können. Dann greifen auch die entsprechenden Folgen nach § 7 des Kriegswaffenkontrollgesetzes, nämlich die Entschädigungen des Unternehmens. Das ist alles auch auf unserer Homepage nachzulesen.

Zu welchen regresspflichtigen Widerrufen es kommt beziehungsweise ob es überhaupt zu regresspflichtigen Widerrufen kommt, kann ich Ihnen derzeit nicht sagen. Wie gesagt, auch der von Ihnen angesprochene Fall ist derzeit ja noch in Prüfung und entwickelt sich eben je nachdem, wie sich das neue Waffenembargo auf Bestandsgenehmigungen auswirkt.

Zusatzfrage: Es gibt auch keine Hausnummer – eine halbe Milliarde Euro, 10 Millionen Euro?

Alemany: Nein.

SRS’in Wirtz: Gut, dass Sie so nachhaltig sind, ich muss aber meine Ausführungen von Montag wiederholen: Es gibt keine Erkenntnisse der Bundesregierung, dass es einen solchen Beschuss gegeben hat.

Chebli: Ich habe deswegen nicht an die große Runde gemailt, weil mir und uns keine Erkenntnisse vorliegen, dass sich bisher irgendein Bündnispartner mit dem Wunsch an die Allianz gewandt hätte, Mistral-Schiffe aufzukaufen.

Frage: Auch noch einmal zu den Mistral-Schiffen: Wahrscheinlich wird es im Herbst ja Fernsehbilder geben, die zeigen, wie die Franzosen diese Schiffe an die Russen übergeben. Das steht ja doch in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den jetzt beschlossenen Sanktionen. Wird sich die Bundesregierung vielleicht bemühen, diese Bilder am Ende doch noch zu vermeiden, indem man da eine Lösung findet, oder nimmt man das jetzt erst einmal in Kauf – auch wenn es ein bisschen seltsam aussieht?

SRS’in Wirtz: Die Haltung der Bundesregierung habe ich ja am Montag schon deutlich gemacht und heute wiederholt: Ich habe für die Bundesregierung gesagt, dass sich diese Sanktionen nach unserem Dafürhalten durchaus auch auf Altverträge beziehen könnten. Die Kollegin hat gerade ausgeführt, dass wir uns auch entsprechend verhalten, was unsere Ausfuhren anbelangt. Die Sanktionen sind gestern in Brüssel so gefasst worden, wie sie gefasst worden sind, nämlich im Hinblick auf zukünftige Rüstungsgeschäfte. Zur Frage, was die Bundesregierung tun wird: Sie wird weiter mit ihren europäischen Partnern im Gespräch über diese Fragen bleiben.

Nachtrag 2: Hier noch der O-Ton eines Pressestatements von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu den Sanktionen