Entführte Militärbeobachter: Merkel bittet Putin um Unterstützung
Im Fall der in der Ost-Ukraine entführten Militärbeobachter (unter OSZE-Dach) scheint es auch am (heutigen) Donnerstag bislang keine Bewegung zu geben – aber eine weitere politische Initiative: Bundeskanzlerin Angela Merkel bat den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einem Telefonat um Unterstützung für die Freilassung der Entführten, wie der Kreml mitteilte:
Vladimir Putin had a telephone conversation with Federal Chancellor of Germany Angela Merkel at the German side’s initiative.
The parties continued their discussion of the critical social and political developments in Ukraine. Ms Merkel made a request to assist Ukraine in releasing the military observers representing a number of European countries, including Germany, who were detained in the southeast of Ukraine.
Vladimir Putin stressed that the most important thing now is to withdraw all military units from the south-eastern parts, stop the violence, and immediately start a national dialogue that would involve all regions and all political forces within the framework of a constitutional reform.
Both parties noted the importance of a maximum involvement of the OSCE’s intermediary potential all over Ukraine.
The two leaders agreed to have another telephone conversation shortly.
Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte das im Wesentlichen (bislang nur via Twitter):
#Merkel telefonierte mit #Putin über Geiselnahme der OSZE-Beobachter, appellierte an ihn, seinen Einfluss für Freilassung geltend zu machen.
— Steffen Seibert (@RegSprecher) May 1, 2014
Ich stutze noch ein klein wenig bei der Wortwahl in der Kreml-Mitteilung: Merkel made a request to assist Ukraine in releasing the military observers (Merkel bat darum, die Ukraine bei der Freilassung der Militärbeobachter zu unterstützen) – die Ukraine ist nun die letzte der beteiligten Institutionen, die Hilfe bei der Freilassung bräuchten?
Nachtrag (danke für den Leserhinweis): Die Gespräche über die Freilassung scheinen weiterzugehen – Talks begin for release of OSCE observers in exchange for detained Sloviansk
… oder doch nicht?
„Bürgermeister“ sagt uns jetzt, er wurde v „interfax“ falsch verstanden. Weiterhin „zeitnahe Freilassung“ ohne Geiselaustausch #ukraine
— Paul Ronzheimer (@ronzheimer) May 1, 2014
oder doch?
Es wird immer absurder! „Bürgermeister“ sagt @bild : „Ich habe morgen Geburtstag, vielleicht können die Deutschen dann gehen“ #ukraine
— Paul Ronzheimer (@ronzheimer) May 1, 2014
Randbemerkung: Das Telefonat Merkel-Putin ist ein eindrucksvoller Beweis, wie das Sein das journalistische Bewusstsein bestimmt – auch meins:
Meine Überschrift: Entführte Militärbeobachter: Merkel bittet Putin um Unterstützung
SpOn: Ukraine-Konflikt: Kanzlerin bittet Putin um Hilfe für OSZE-Geiseln
Deutschlandfunk: Ukraine-Konflikt Merkel bittet Putin um Hilfe
und so ähnlich praktisch die gesamte deutsche Presselandschaft.
Dagegen
die New York Times: Putin Demands That Ukraine Pull Its Troops From Southeast
der Guardian: Vladimir Putin calls for Ukrainian troops to withdraw from south-east
In allen Fällen geht es um dieses Telefonat. Und das bei nicht gegensätzlichen Interessen… Der Hauptunterschied ist nicht, was als Hauptnachricht wahrgenommen wird – da haben deutsche Medien natürlich eine andere Leserschaft als britische oder amerikanische Zeitungen. Aber dass die Forderung Putins nach einem Rückzug der ukrainischen Truppen im eigenen Land in deutschen Medien keine Rolle spielt, kann doch nicht nur daran liegen, dass diese deutschen Medien sich nur auf die Aussagen einer deutschen Regierungssprecherin berufen und die russische Quelle ignorieren, oder?
Wie mir scheint, liegt Merkel in den Telefonaten mit Putin weit vorn, wie Grafik in diesem Tweet anzeigt:
Keine beneidenswerte Lage für Frau Merkel für ihren USA Besuch. Wenn ich das richtig lese, dann hat Putin bei dem Gespräch den Ball wieder zurück geschossen: er wird erst dann „helfen“, wenn die Regierung in Kiew unter dem Dach der OSZE direkte Gespräche mit den Separatisten in Sachen Verfassung und Referendum/Präsidentenwahlen aufnimmt. Und da die OSZE-Militäbeobachtermission ja zwischen Deutschland und Ukraine bilateral gelaufen ist, sollte Frau Merkel bilateral die Ukraine in diesem Sinne doch bitte erst mal schupsen.
@T.W.
Der Satz: „Merkel made a request to assist Ukraine in releasing the military observers (Merkel bat darum, die Ukraine bei der Freilassung der Militärbeobachter zu unterstützen)“ scheint mir darauf hinzudeuten, das Frau Merkel wohl direkte Gespräche zwischen Kiew und Moskau angeregt, bzw. vorgeschlagen hat. Falls dem so ist, dann wird Putin wohl kaum darauf eingehen (können), denn Putin verhandelt ganz bestimmt nicht mit einer von ihm als „Junta“ bezeichneten Regierung in Sachen „military observers representing a number of European countries, including Germany“.
Mit anderen Worten: Deine Suppe löffel mal selbst.
Der obige Nachtrag zeichnet eher das Bild vom völlig ahnungslosen „Bürgermeister“, der nicht den blassesten Schimmer hatte auf was er sich da eingelassen hat und nun versucht Poker zu spielen. Würde man demnach auf einen Gefangenenaustausch / die Erpressung eingehen, dann sieht sich der Herr Bürgermeister bereits als gefeierten Helden. Unnötig zu erwähnen das es dann nicht bei einem Vorfall bleiben wird, sondern immerzu damit gerechnet werden muss, dass weitere Journalisten, Beobachter, etc. entführt werden, um mit ihnen weitere Erpressungen möglich zu machen. Gleiches Prinzip greift bei der Forderung nach Aufhebung der gegen Russland gerichteten Sanktionen.
Putin hingegen ist es schnuppe; egal was passiert (Freilassung, Austausch, Drosselung der Sanktionen, gewaltsame Befreiung, Mord), er sieht sich eindeutig in der Siegerposition bzw. der vorteilhafteren Position. Er kann sogar alle möglichen Endungen dieser Geschichte für heimische Propagandazwecke ausnutzen ohne auch nur mit dem kleinen Finger zu zucken.
@-MK20-
Putin ist nur vermeintlich in der „besseren Position“, denn wenn irgendwas im Separatistenländle schief läuft in Sachen OSZE-Missionen, dann hat er ein echtes Problem, denn die nächste Sanktionsstufe wird ihm weh tun. Er wird sich also schon darum kümmern müssen, dass der „Bürgermeister“ nicht noch mehr Mist baut. Ich halte die Verhandlungstaktik des Westens für klug, und falls nun ein Mitglied der von Putin so genannten „Junta“ mit einem von Kiew so genannten „Terroristen“ unter OSZE-Monitoring verhandelt, dann ist das alle Mal besser als eine weitere Eskalation in der Rhetorik und Konfrontation der politischen und militärischen Kräfte on-the-ground.
Nicht nötig, morgen gehts los, laut RIA (französisch) – warten wir es ab. Interessant ist, daß Einheiten des Rechten Sektors eingesetzt werden sollen, in die Armee hat man wohl kein Vertrauen.
http://fr.ria.ru/world/20140501/201116607.html
Bedenklich ist das Wiederherstellen der öffentlichen Ordnung „koste es was es wolle“. Andererseits kann sich der Staat natürlich auch nicht so vorführen lassen.
@Thomas Melber
Merkwürdigerweise scheint diese Information nur auf der französischen RIA-Webseite zu existieren? Russische Aussagen, dass der Rechte Sektor eingesetzt werden soll, gibt es zwar auch in der deutschen Fassung, aber ohne diese klare Datumsangabe…
http://de.ria.ru/politics/20140501/268400548.html
… und auch sonst ein bisschen distanzierter, ohne Berufung auf die Insiderinformationen in der französischen Version:
Wenn russische Medien vom Rechten Sektor reden, meinen sie meist irgendwelche vermutlich loyalen Einheiten von Polizei, SBU und Nationalgarde. Der rechte Sektor selbst ist nach wie entwaffnet und marginalisiert und beschwert sich entsprechend laut darüber.
Sonstige Meldungen: zum 1 Mai herrscht, wie schon vor Wochen vorhergesagt, der Wahnsinn. Weitere Angriffe auf strategisch wichtige Gebäude im ganzen Land. Eine Gruppe wurde gemäß Kiewpost vom SBU ausgehoben, die Bombenanschläge auf die Paraden zum 9.Mai ausführen sollte.
Bis zum 11.Mai dürfte auch in Kiew und Odessa Chaos herrschen.
Auf der spanischsprachigen Seite steht der Artikel auch.
Quelle kann auch Telefonüberwachung sein, RUS kann wohl fast alles mithören (Festnetz, Mobilfunk) und sich auch das Stromnetz einhacken.
Tymchuk, ein zur Zeit vielverlinkter ukrainischer Milblogger, verbreitet gerade das Gerücht, für diese Nacht wäre wieder ein inszenierter Angriff mit Toten in Slowiansk geplant. Beschuldigt werden soll natürlich der Pravy Sektor. Mal schauen, ob die Inszenierung, so sie denn stattfindet, diesmal besser ist als die letzte.
„………….Der IWF greift der Ukraine mit Hilfen in Höhe von 17 Milliarden Dollar (12,3 Milliarden Euro) für zwei Jahre unter die Arme………auf Druck des IWF erhöhte die nahezu bankrotte Ukraine die Gaspreise drastisch. Privathaushalte müssen seit Donnerstag 40 Prozent mehr bezahlen. Zum 1. Mai 2016 und zum 1. Mai 2017 sind Aufschläge von jeweils 20 Prozent geplant.“
Quelle: Zeit
Das wird den sozialen Frieden aber mächtig fördern.
Die Ukraine führt die allgemeine Wehrpflicht wieder ein. Der entsprechende Erlass wurde heute unterzeichnet. Für einen möglichen offenen Krieg kommt das zu spät. Aber eventuell taugt es als Maßnahme, die sich bildenden Partisanengruppen unter Kontrolle zu kriegen.
@califax
Wie soll denn die Ukraine eine allgemeine Wehrpflicht gegenwärtig finanzieren und ein allgemeiner Wehrpflichterlass durch eine Übergangsregierung? Es wird immer merkwürdiger. So langsam hab ich den Eindruck, dass die Ukraine ausgeweidet und filetiert wird wie ein gestrandeter Wal bevor er aufgrund inneren Verwesungsüberdrucks explodieren kann.
Offensichtlich erwartet man für die nächsten Tage den offenen Kriegsausbruch. Lange finanzieren wird man die Armee sowieso nicht müssen. Sobald die russische Armee zuschlägt, bricht ja alles zusammen. Ich glaube nicht, daß man ernsthaft erwartet, damit eine Maßnahme für die nächsten Jahrzehnte getroffen zu haben.
Und möglicherweise erhofft man sich offene oder verdeckte Finanzhilfe fürs Militär. Schließlich spielt die Ukraine gerade den Puffer für Baltikum, Georgien und so weiter.
Die nächsten Tage werden vermutlich blutig.
Vereitelte Bombenanschläge und Angriffe auf Maiparaden; eine russische Forderung, das Militär aus dem gesamten Südosten abzuziehen , was praktisch einem Ultimatum gleichkommt; angekündigtes Blutvergießen im Raum Luhansk und Slowiansk; Gefechtsbereitschaft der russischen Truppen an der Grenze und Einberufung der russischen Militärärzte für den Einsatz in der Ukraine; eine überraschend scharf formulierte amerikanische Warnung vor einer Invasion; das Parlament wurde auf Urlaub geschickt; es werden im Eiltempo neue Einheiten ausgehoben; in Kiew wird nachts Häuserkampf geübt; ganz offenes Auftreten der Russen inzwischen,…
Worauf läuft das wohl hinaus?
@califax
Das läuft natürlich auf das failed-state-Szenario hinaus. Fragt sich nur in wessen Interesse das ist.
Muß man da wirklich dreimal raten?
Ja, und mit allen drei Antworten läge man vermutlich richtig ,-(
@califax:
Quellen zu den Anschlägen auf Maidemonstrationen, Ultimatum zur Räumung von Gebieten, Einberufung von russischen Militärärzten, etc.?
Es wird alles halb so warm gegessen als es gekocht wird.
Die letzten Wochen zeigen ja auch, dass man mind. 50% der Gerüchte ohne Basis sind.
Und selbst wenn Russland ansetzt:
Sie beherrschen ja die Gewaltandrohung virtous – die Ukraine wird dann wieder zurückzucken.
@Memoria
Zu den Anschlägen schon:
http://fr.ria.ru/world/20140501/201116918.html
Leider auch (bisher) nur auf französisch.
Einberufung von Militärärzten war ukrainische Regierung irgendwo. Vereitelte Anschläge Kievpost unter Berufung auf SBU. Forderung zum Abzug der Truppen aus Südosten: Außenministerium der Russischen Föderation.
@Thomas Melber:
Russische Gerüchteküche.
Die im Donbass und im Westen nochmal das Leitthema „Kampf gegen die Faschisten“ ausweiten soll.
Passend zu den Mai-Feiertagen.
Die regulären Streitkräfte und Sondereinheiten haben ihre Anti-Terror-Einsätze abgebrochen, dabei sogar eingenommene Checkpoints geräumt. Jetzt kommt der Volkssturm und räumt auf??? Das ist mir alles etwas zu viel Aufregung, um recht wenig Substanz.
Ich wurde hier wegen meiner Annahme, dass die Geiselnehmer der russischen Regierung besonders nahe stehen, vor einigen Tagen ja bereits der „Lüge“ gescholten, aber offenbar geht die Bundesregierung mittlerweile ebenfalls davon aus. Ich möchte dies „just for the record“ festhalten, wie der Angelsachse sagen würde.
@califax:
Das meine ich eben mit der Quellenlage:
Die Ukrainer behaupten, die Russen würden Militärärzte einberufen. Der SBU behauptet auch was Neues. Soso.
Die Forderung vom Abzug aus dem Südosten wäre im O-Ton mit Quelle interessant.
Etwas mehr Quellenkritik und Gelassenheit würden der Diskussion hier gut tun.
RIA beruft sich auf eine Meldung des (der ?) SBU, den müßte es ja dann geben.
Hier zur Forderung nach Räumung der angegriffenen Gebiete die New York Times. Offenbar hat Putin diese Forderung auch direkt im telefongespräch mit Merkel gestellt:
http://www.nytimes.com/2014/05/02/world/europe/ukraine-expels-russian-naval-attache.html?smid=tw-share
Der Infowar tobt natürlich auf allen Kanälen/Ebenen und es fällt wohl allen Beteiligten/Betroffenen sehr schwer Krisen-SPAM von solider intelligence zu trennen. Das bedeutet natürlich auch ein Führungs-, bzw. Kontrollproblem für die strategic players.
Und zwar für alle.
Die Tage bis zum 9. Mai werden wohl sehr viel Nervenstärke von den strategic playern verlangen und so kann ich @Memoria nur zustimmen.
@califax:
Danke für den Hinweis. Was Merkel wohl dazu gesagt hat?
Will man wohl besser nicht wissen…
@califax et al
Da muss man nicht die NYT zitieren, da muss man nur gucken, was oben im Text als Mitteilung des Kreml steht…
Manchmal hilft Lesen wirklich…
Sind die „Selbstverteidigungskräfte“ dann auch „military units“?
Von den Genfer Beschlüssen ist gar keine Rede mehr.
Ein Ultimatum ist damit auch nicht verbunden.
Aber sehr geschickt: Schritt für Schritt.
Am Ende jedoch wirtschaftlich eine Sackgasse.
Ja, lesen! Lesen geht doch. Aber merken! Und erinnern!
Da das ja doch zu einem Ukraine-Lagethread wird… (grummel) – die aktuelle Nachrichtenzusammenfassung von Reuters:
Prorussische Separatisten weiten Macht in Ostukraine aus
Wieso stellt die BUREG kein Ultimatum sonst holt das KSK sie raus?
@Senator
Diese Diskussion hatten wir die vergangenen Tage ausführlichst, bitte keine Wiederholung. (Alles dazu wandert sofort ins Bällebad.)
Ich glaube, dass Merkel den Putin gefragt hat, wo das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2018 stattfindet, und Putin hat gesagt:
„Wenn alles klappt, dann in Dresden.“
;-)
P.S.: Sorry @T.W.
Putin scheint direkten Zugang zu den Geiselnehmern von Sloviansk zu haben.
Der dortige selbsternannte „Militärische Befehlshaber“ Strelkow ist Offizier des russischen Geheimdienstes.
Die „Sueddeutsche“ schreibt:
“ Igor Strelkow, nicht nur vom ukrainischen Geheimdienst, sondern am 28. April auch von der EU offiziell als Offizier der GRU identifiziert, des für Aufklärung und Auslandseinsätze zuständigen Geheimdienstes des russischen Generalstabs. “
Der „Volksbürgermeister“ ist eine Marionette, die „Sueddeutsche“ schreibt weiter:
„Anfang dieser Woche erzählte ein hochgerüsteter Elitesoldat am Rathaus von Slawjansk der Süddeutschen Zeitung beiläufig, er sei zuvor in Tschetschenien und gerade erst auf der Krim eingesetzt worden.
Den „Volksbürgermeister“ von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, tat der Soldat mit einer Handbewegung ab. „Der ist ein Niemand – hier entscheiden jetzt wir.“
aus der „Sueddeutschen-online 1.5., Artikel: Das unausgesprochene Motiv, warum Polizisten die Seiten wechseln
So ein Mist.
Auch die Russen haben einen Oliver North ? Oder sogar mehrere ?
Der Russe Igor Girkin alias Strelkow (http://www.20min.ch/ausland/news/story/20856622) ist ja ein richtiger kleiner Strelnikow (http://www.youtube.com/watch?v=1f-jzGNpUmo).