Grundgesetzänderung für die Luftsicherheit? Warten wir mal die Details ab

Jagtflugzeug F-4F PHANTOM der Luftwaffe

Die schwarz-rote Koalition unternimmt angeblich einen neuen Vorstoß, den Einsatz von Kampfflugzeugen gegen entführte Zivilmaschinen neu zu regeln – und plant dafür eine Grundgesetzänderung. Das berichtete jedenfalls Spiegel Online am (gestrigen) Montagabend, eine Minute vor Mitternacht:

Berlin – Die Bundesregierung will einen jahrelangen Streitfall in der Sicherheitspolitik lösen und den Einsatz der Bundeswehr im Inland zur Abwehr von Terrorflugzeugen genauer regeln. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen strebt die Koalition dazu eine baldige Änderung von Artikel 35 des Grundgesetzes an. Angesichts der großen schwarz-roten Mehrheit dürfte es dabei keine Schwierigkeiten geben. Der Vorstoß des Bundesinnenministeriums befinde sich derzeit in der Vorabstimmung zwischen den Ressorts, heißt es in Regierungskreisen. (…)
So soll in der Verfassung geregelt werden, dass im Eilfall der Bundesverteidigungsminister oder die -ministerin der Bundeswehr den Einsatzbefehl gegen von Terroristen gekaperte Flugzeuge geben darf, die als Waffe eingesetzt werden sollen.

Bislang allerdings ist dazu nirgendwo was Konkreteres zu bekommen – auch und gerade nicht beim Koalitionspartner SPD, den der Innenminister (und frühere Verteidigungsminister) Thomas de Maizière, CDU, dazu mit ins Boot holen müsste. Auch berufen sich bislang alle anderen Medien (oder hab‘ ich was übersehen?) allein auf die SpOn-Meldung. (Nachtrag: Das Innenministerium hat der ARD bestätigt, dass an einem Gesetzentwurf gearbeitet werde; Details gibt es da aber nicht.)

Nun ist es nicht das erste Mal, dass die Union einen entsprechenden Vorstoß macht, der mehr Möglichkeiten für den Einsatz militärischer Mittel bei Notfällen im Inland erlauben soll. Der frühere Verteidigungsminister Franz-Josef Jung hatte öffentlich darüber nachgedacht, in solchen Fällen praktisch den Verteidigungsfall auszurufen. 2007, in der damaligen großen Koalition, überlegte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble eine Grundgesetzänderung –die Bundeswehr solle, so eine geplante neue Passage im Artikel 87a, künftig auch „zur unmittelbaren Abwehr eines sonstigen Angriffs auf die Grundlagen des Gemeinwesens“ eingesetzt werden können. Das wurde mit dem Koalitionspartner SPD nichts. 2008 schien es schon mal so, als hätten sich Union und SPD auf eine Grundgesetzänderung verständigt – doch auch das wurde nichts.

Die jetzige Überlegung, so erzählten Unionspolitiker den Kollegen von SpOn, orientiert sich an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr. Danach darf der Waffeneinsatz von Kampfjets gegen ein entführtes Flugzeug nur vom Bundeskabinett insgesamt, nicht von der Chefin (oder dem Chef) des Wehrressorts alleine entschieden werden. Das solle mit einer Grundgesetzänderung möglich werden. Grundsätzlich hatte bereits im August 2012 das höchste deutsche Gericht in einer ungewöhnlichen Plenarentscheidung befunden, dass die Bundeswehr  auch mit militärischen Mitteln und ihren Waffen eingesetzt werden könne, wenn es eine ungewöhnliche Ausnahmesituation von katastrophischen Dimensionen gibt.

Nun scheint bislang das Ziel, die Entscheidungswege zu verkürzen, die tragende Absicht hinter dem Vorstoß für die Grundgesetzänderung. Entscheidend wird aber, was in dem Änderungsvorschlag des Bundesinnenministeriums konkret drin steht – vorher sind alle Debatten darüber mehr oder weniger heiße Luft.

(Archivbild 2004: Start einer Alarmrotte mit dem Jagdflugzeug F-4F PHANTOM der Luftwaffe vom Jagtgeschwader 71 „Richthofen“ in Wittmund – ©Thomas Imo/photothek.net)