Piraten vor Westafrika: Nigerianische Marine tötet zwölf Piraten
Die Piraterie vor Somalia geht deutlich zurück, aber – wie hier auch schon mehrfach angesprochen – auf der anderen Seite Afrikas wird die Lage zunehmend härter und auch unübersichtlicher. Eine Reuters-Meldung vom (gestrigen) Montag:
The Nigerian navy killed 12 pirates in a gun battle as they tried to flee from a fuel tanker they hijacked off the coast of the Gulf of Guinea last week, the navy said on Monday.
Pirates took control of the St. Kitts and Nevis-flagged MT Notre on August 15, but an emergency signal was sent to the navy and several gunships were deployed to recover the vessel, Navy Flag Officer Rear Admiral Sidi-Ali Hassan told reporters.
Navy gunships caught up with the vessel and forced it into Nigerian waters but while negotiating the ship’s release, the pirates tried to escape on a speed boat. The navy boats pursued but were fired upon by the hijackers.
Langsam wird das auch in Europa und Deutschland wahrgenommen. Auch wenn nach wie vor die Bereitschaft gering scheint, sich dort – militärisch? – zu engagieren. Die Nigerianer könnten als Regionalmacht vielleicht in den Griff bekommen. Für andere Staaten in der Region sieht das deutlich düsterer aus.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Nigerianer es sich ausdrücklich verbitten, dass fremde Kriegsschiffe in ihren Hoheitsgewässern operieren, und seien deren Motive auch noch so gutartig.
Aktuell auch ein Artikel auf der Homepage der International Crisis Group: West Africa: Where Navies Are Not Enough – Fighting Piracy in the Gulf of Guinea
Mal schauen, wie sich das entwickelt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Piraten in Westafrika einen deutlich schwereren Stand haben werden als vor Somalia. Und zwar deshalb, weil ein Großteil des europäischen Kokains aus Südamerika über Westafrika nach Europa kommt – unter tatkräftiger Unterstützung der örtlichen Eliten und Machthaber. Man schaue sich nur mal Guinea-Bisseau an, den ersten afrikanischen „Narco-Staat“, der quasi von den südamerikanischen Kartellen beherrscht wird. Bevor die sich eine internationale Anti-Piratenmission vor ihrer Küste einfangen, die dann ja auch den Drogenhandel stören würde, werden sie das Piratenproblem vermutlich selbst lösen…
Nigeria könnte den Piraten das Leben sehr schwer machen, aber Piraterie wird es solange geben, wie die Ursachen existieren und Nigeria nicht in der Lage ist, das komplette Gebiet zu sichern (was so gut wie unmöglich ist und woran Nigeria im eigenen Land scheitert).
m.E. wird auch der fehlende „Leidensdruck“ an der westafrikanischen Küste nicht mit Somalia vergleichbar sein. Im Gegensatz zu den neuralgischen „Choke-Points“ (Bab-el-Mandeb, GoA) deren Passage im Fernhandel EUR-ASIEN (zumindest aus wirtschaftlicher Sicht) alternativlos ist, verlaufen die SLOC´s an der westafrikanischen Küste zumindest aus europäischer Sicht , im gefühlten „Nirgendwo“.
Ja, absolute Aussagen sind immer angreifbar und es mag einige wenige Ausnahmen geben. Auf jeden Fall bieten sich im Südatlantik zahlreiche, vergleichsweise „günstige“ Alternativrouten an, die Hotspots im Golf von Guinea zu umfahren (Brasilien und evtl. mit Abstrichen auch Argentinien) hat durchaus die maritimen Kapazitäten seine EEZ wirksam durchzusetzten.
Des weiteren fehlt der in Somalia gegebene „rechtsfreie“ Raum als Rückzugsgebiet, welcher langwierige (und medienwirksame) Geiselnahmen ála HANSA STAVANGER ermöglichen würde. Dies spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Taktiken der Piraten wieder: Ostafrika: vorrangig Entführungen von Besatzung und Schiff mit langwierigen Lösegeld Verhandlungen. Westafrika: Hit-and-run, ohne die Plattform zu kapern, stattdessen lieber Schiffskasse und Wertsachen mitgehen lassen, ggf. noch ein oder zwei (westliche) „Hochwert-Geiseln“ mitnehmen. (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel).
Zusammengefasst:
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in absehbarer Zukunft keine mit ATALANTA / OCEAN SHIELD vergleichbare Operation, erst recht nicht mit DEU Beteiligung, geben wird, weil:
1.: Minimale Betroffenheit = Minimales Engagement
2.: Keine verbleibenden (Marine) Ressourcen = Kein DEU Beitrag
3.: Umfahren ist (zumindest für die großen Reedereien) einfach wirtschaftlicher
Es lebe die Realpolitik. Auf der Strecke bleibt wahrscheinlich die wirtschaftliche Entwicklung der westafrikanischen Küstenstaaten.
Abgesehen von den bereits thematisierten Aspekten, fehlende deutsche Ressourcen/Wille zum Einsatz ist die Piraterie vor Westafrika mal wieder nur ein Symptom. Die Ursache dürfte eher in Abuja bzw. der generellen Nigeria Problematik liegen. (Nord/Süd, Christen/Moslems Konflikt, Öl rent seeking etc. liegen.)
Piraterie wurde in der Vergangenheit gern als Verhandlungsinstrument bei Konzessionsverlängerungen bzw. innenpolitischen Verteilungskämpfen usw. benutzt.
@Prometheus
…sehr präzise Analyse, keine Ergänzungen.
Gruß
@ Prometheus
Zustimmung, wenn man denn Realpolitik machen würde.
Auf dem Admiralsfriedhof hört man aber andere Stimmen.
Dies werde ich nicht vertiefen, aber schaun wir mal 1-2 Jahre weiter.
@ Les Großmann
Jetzt bin ich neugierig, bleibe aber skeptisch.
Kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man die notwendigen Ressourcen für so etwas (sagen wir mal drei „Fregatten-Äquivalente“ p.a.; plus erforderliche „Engpass-Augmenteés“, isb. BHS, (A)-VPD, MSK) generieren will, ohne dafür den LoA anderswo (und dass kann dann eigentlich nur ATALANTA selbst sein) massiv runter zu schrauben.
Aber wie sagt man so schön? „well above my paygrade, sir“ Ich verharre auf jeden Fall in gespannter Erwartung was sich der 11er Think-Tank da so ausdenkt :-)