EuroHawk-Untersuchungsausschuss: Der Rahmen steht

EURO HAWK®
(Northrop Grumman Pressefoto)

Der Untersuchungsausschuss zum Thema EuroHawk soll am (morgigen) Mittwoch eingesetzt werden und gleich seine Arbeit beginnen. Dafür wird sich der Verteidigungsausschuss zum Untersuchungsausschuss erklären, wie das Grundgesetz es vorsieht – und auch wenn die Initiative zu diesem Ausschuss, der das gescheiterte Riesendrohnen-Projekt durchleuchten soll, von der Opposition ausging: Die Vertreter von schwarz-gelber Koalition und rot-grün auf der anderen Seite haben sich auf einen Untersuchungsauftrag verständigen können. Und auf eine – mit 17 18 Personen vergleichsweise knappe – Zeugenliste.

Aber es drängt ja auch die Zeit: An nur sechs Tagen in den letzten beiden Juli-Wochen sollen die Zeugen angehört werden, angefangen vom früheren Verteidigungsminister Rudolf Scharping, unter dem das Projekt EuroHawk begann, bis zum heutigen Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der es beendete. Bis Ende August soll ein Zwischenbericht vorliegen, der faktisch ein Endbericht ist – denn dafür gibt es nur noch am 2. und 3. September die Möglichkeit zur Debatte im Parlament, an Sitzungstagen, die eigentlich für Haushaltsberatungen vorgesehen sind. Danach passiert voraussichtlich nichts mehr, weil am 22. September ein neuer Bundestag gewählt wird. Und spätestens mit dessen Zusammentreten voraussichtlich im Oktober ist alles aus der vorangegangenen Legislaturperiode erledigt.

Zum Ablauf unten mehr; zunächst zur Dokumentation der Entwurf für den Antrag, der voraussichtlich am Mittwochmorgen gebilligt wird:

Antrag
aller Fraktionen im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages

Der Verteidigungsausschuss möge beschließen:

Der Verteidigungsausschuss im Deutschen Bundestag konstituiert sich als Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Abs. 2 GG.

Der Ausschuss hat den Auftrag, bis zum 31. August 2013 den Umgang der Bundesregierung mit dem Entwicklungsvorhaben EURO HAWK unter vertraglichen, rechtlichen, haushälterischen, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten zu untersuchen sowie die Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung zu diesem Vorgang zu überprüfen Ein Schwerpunkt ist dabei die Aufklärung über den Umgang mit den seit Abschluss des Entwicklungsvertrages bekannt gewordenen schwerwiegenden Problemen.

Hierzu sollen insbesondere folgende Fragen geklärt werden:

1. Wie und auf Grundlage welcher Informationen und Konsultationen kam es zu dem Plan, das Entwicklungsprojekt EURO HAWK zu beauftragen und welche Kosten wurden für welche erwarteten Fähigkeiten des Aufklärungssystems damals geschätzt?

2. Wie, mit welcher Zweckbestimmung und auf Grundlage welcher Informationen und Konsultationen kam es zum Vertragsabschluss des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) mit der EURO HAWK GmbH im Januar
2007? Waren Verfahren, Vertragsgestaltung und vereinbarte Risikoverteilung damals sachgerecht und entsprachen sie den damals geltenden Rechtsvorschriften?

3. Was war zu welchem Zeitpunkt Vertragsgegenstand, insbesondere im Hinblick auf vertraglich geschuldete Erfolge, und inwieweit wurden gegebenenfalls wann welche Veränderungen am Vertragswerk vorgenommen?

4. Wie wurde seit Abschluss des Vertrages im Januar 2007 von Seiten der Vertragspartner an die Stellen des Bundes über den Verlauf des Entwicklungsvorhabens berichtet und wie wurde seitens der Bundesregierung der Projektverlauf überwacht?

5. Welche Probleme traten im Projektverlauf auf und welche Personen in Leitungsfunktionen in der Bundesregierung, insbesondere in den Bundesministerien der Verteidigung und der Finanzen, einschließlich der Hauptabteilungsleiter
und Abteilungsleiter sowie der Leitung des BWB/BAAINBw, hatten zu welchem Zeitpunkt welche Informationen über diese Probleme?

6. Wie wurde mit den Informationen über diese Probleme verfahren, wer wurde darüber wie informiert und auf Grundlage welcher Informationen und Konsultationen wurden welche Maßnahmen ergriffen, um die Probleme zu lösen?

7. Zu welchem Zeitpunkt hatte Bundesminister Dr. Thomas de Maizière Kenntnis über (lösbare oder unlösbare) Probleme beim Entwicklungsvorhaben EURO HAWK und welche Vorgaben machte der Minister gegebenenfalls hinsichtlich der Lösung dieser Probleme?

8. Welche der im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung vorliegenden Informationen über die Probleme beim Entwicklungsprojekt EURO HAWK wurden wann und aus welchem Anlass innerhalb der Bundesregierung, an den
Deutschen Bundestag und seine Fachausschüsse sowie an dritte Stellen und die Öffentlichkeit weitergegeben?

9. Wurden in diesem Zusammenhang Informationen zurückgehalten, verändert oder nicht weitergeleitet? Falls ja: Wie kam es hierzu und wer trägt hierfür die Verantwortung?

10. Welche Haushaltsmittel werden vom Beginn des Entwicklungsvorhabens bis zu seiner Beendigung Ende September 2013 für welche Zwecke und welche durch den Auftragnehmer erbrachten Leistungen aufgewendet worden sein? Welche Beträge werden davon aus welchen Gründen als Verlust zu verbuchen sein und wer trägt hierfür die Verantwortung? In welcher Projektphase und in welchen Entscheidungen liegen die Ursachen für einen gegebenenfalls eingetretenen Schaden? Wem auf Seiten der Bundesregierung wurde hierzu wann berichtet? Was wurde unternommen, was unterlassen, um während des Projekts Schäden zu vermeiden oder zu vermindern? Welche Mitwirkungsrechte und -pflichten hinsichtlich der nach dem Vertrag auszuzahlenden Mittel obliegen den beteiligten Ministerien? Wurden diese ausreichend wahrgenommen? Hat das Entwicklungsvorhaben Ergebnisse erbracht, die weiter genutzt werden können?

11. Welche Informationen und Erkenntnisse waren zu welchem Zeitpunkt Grundlage für Entscheidungen zum Verzicht auf die Serienbeschaffung des EURO HAWK, wurden diese Entscheidungen jeweils auf bestmöglicher Informationsgrundlage fachlich und sachlich angemessen vorgenommen. Auf welche Weise war der Minister in diese Entscheidungen einbezogen?

12. Welche Auswirkungen haben das Ende des Entwicklungsprojekts EURO HAWK und der Verzicht auf die Serienbeschaffung auf andere Rüstungsvorhaben der Bundeswehr, der NATO und der EU im Zusammenhang mit unbemannten fliegenden Systemen (AGS/Global Hawk/waffenfähige Drohnen)?

13. Welcher Änderungsbedarf in der Organisation des Beschaffungswesens der Bundeswehr folgt gegebenenfalls aus den Erfahrungen mit diesem Entwicklungsvorhaben?

14. Welche Maßnahmen wurden in der Bundesregierung auf welcher Informationsgrundlage durch wen ergriffen, um Haftungs- und Gewährleistungsansprüche gegenüber der Auftragnehmerin zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen?

Wie die Obleute Rainer Arnold (SPD) und Omid Nouripour (Grüne), aber auch der CDU/CSU-Obmann Markus Grübel – in getrennten Pressekonferenzen – heute deutlich machten, wird dieser Fragenkatalog von allen Fraktionen mitgetragen, auch wenn natürlich Regierungsseite und Opposition da unterschiedliche Schwerpunkte setzen werden. Gemeinsam wurde auch die Zeugenliste und der Zeitplan für die Befragung dieser Zeugen verabredet, der ebenfalls am Mittwoch beschlossen werden soll – einschießlich Ersatzzeugen, wenn der ursprünglich geplante Zeuge zu dem Datum nicht zur Verfügung stehen sollte (in Klammern):

22. Juli 2013
9:00 h General a.D. Wolfgang Schneiderhan, Ex-Generalinspekteur
12:00 h Verteidigungsminister a.D. Rudolf Scharping (StS a.D. Walther Stützle)
15:00 h Verteidigungsminister a.D. Franz-Josef Jung (StS a.D.Peter Eickenboom)

23. Juli 2013
9:00 h OTL Richter, Projektleiter EuroHawk im BAAINBw
12:00 h Herbert Hauck, Dienststellenleiter WTD 61
15:00 h N.N., Personalratsvorsitzender BAAINBw
und anschl. 16:00 h MDg Harald Stein (Wardecki,Vizepräsident BAAINBw)

24. Juli 2013
9:00 h MRn Angelika Bauch, Bundesrechnungshof
12:00 h MDg Paul Jansen, Abteilungsleiter BMVg
15:00 h StS Werner Gatzer (MR Ottenburger, ehem. RefL II D 1, BMF)

29. Juli 2013
9:00 h Bernhard Gerwert, CEO Cassidian (Stefan Zoller, CEO Cassidian)
12:00 h Janis Pamilijans, Senior Vice President Northrop Grumman (Ekkerhardt Keip,  Geschäftsführer Northrop Grumman NG LITEF)
15:00 h MDg Selhausen, Abteilungsleiter Ausrüstung, IT, Nutzung

30. Juli 2013
9:00 h StS Stéphane Beemelmans
12:00 h StS Rüdiger Wolf
15:00 h General Volker Wieker (Inspekteur Luftwaffe Karl Müllner)

31. Juli 2013
9:00 h Verteidigungsminister Thomas de Maizière
12:00 h Prof. Dr. Engels, Präsident Bundesrechnungshof

Die Zeugenbefragungen, das versprachen heute alle drei Obleute in ihren Pressekonferenzen, sollten grundsätzlich für Zuhörer und damit auch für die Medien öffentlich sein – natürlich immer mit der Möglichkeit, dass ein Zeuge auf eingestufte Papiere Bezug nimmt und dann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden muss. Allerdings sicherten die Vertreter der drei Fraktionen zu, ihr Ziel sei es, dass das möglichst nicht oder wenig passieren sollte. Allerdings wird es keine TV-Übertragung dieser Zeugenanhörungen geben.

Bei der Zeugenliste gab es offensichtlich ein zähes Ringen zwischen beiden Seiten; die Union verzichtete auf ihre Forderung nach einer Befragung des früheren Bundesfinanzministers (und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten) Peer Steinbrück, die SPD und die Grünen brachten dann Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr ins Gespräch. Beides hätte natürlich noch mehr nach Wahlkampf ausgesehen, und so sei der Verzicht ausgehandelt worden – obwohl, sagt CDU-Mann Grübel, der Unterhaltungswert eines genervten Peer Steinbrück möglicherweise sehr hoch gewesen wäre.

In den Fragen an die verschiedenen Zeugen wird sich dann sicherlich recht schnell auch der unterschiedliche Schwerpunkt von Regierungsparteien und Opposition zeigen. Im Fokus bleibt natürlich schon die Verantwortung der amtierenden Bundesregierung, des amtierenden Bundesministers, sagte SPD-Mann Arnold. Grünen-Verteidigungspolitiker Nouripour betont: Natürlich wollen wir wissen, warum er (gemeint ist de Maizière, T.W) sich erst dann mit einem Problem beschäftigt, wenn es nicht mehr lösbar ist.

Beim CDU-Vertreter Grübel klingt das naturgemäß anders: Ein möglicher Sinn des Untersuchungsausschusses werde sicherlich sein herauszufinden, wo es Veränderungen bei Beschaffungen für die Bundeswehr geben müsse.

Die Akten, so hoffen die Obleute, werden bis zum 12. Juli vorliegen – also gut eine Woche vor Beginn der Zeugenbefragungen. Das, so die einhellige Hoffnung, sollte kein allzu großes Problem sein, weil die meisten Papiere im Verteidigungsministerium bereits für den Bundesrechnungshof und für den Verteidigungsausschuss zusammengestellt wurden.

Für das Verfahren haben die Parlamentarier übrigens Rücksicht auf die Abgeordneten genommen, die gerade in den Wochen der Zeugenbefragungen in ihren Wahlkreisen um den Wiedereinzug in den Bundestag kämpfen müssen: Zwar wird der gesamte Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss eingerichtet; bei Abstimmungen gilt jedoch das Verfahren in einem Unterausschuss: Insgesamt haben elf Mitglieder eine Stimme; vier von der CDU, drei von der SPD, zwei von der FDP und je einer von Grünen und Linkspartei. Damit sollen Zufallsmehrheiten bei Abwesenheit einzelner Parlamentarier aus dem insgesamt 34-köpfigen Gremium verhindert werden.