Keine Piraterie mehr? Gekaperter Tanker nach einem Jahr frei
Piraterie vor der Küste Somalias, bis weit in den Indischen Ozean und das Arabische Meer hinein, ist kein Thema mehr? Welch ein Irrtum. Am (gestrigen) Freitag wurde der Frachter Chemikalientanker Royal Grace von somalischen Piraten freigelassen – mehr als ein Jahr nach der Kaperung Anfang März 2012. Die Freilassung kam offensichtlich überraschend, wie bei der EU-Antipirateriemission Atalanta nachzulesen ist: Die spanische Fregatte Méndez Núnez entdeckte den von den Seeräubern aufgegebenen Frachter eher zufällig bei einer Patrouillenfahrt. Vermutlich wurde für die Freilassung ein Lösegeld gezahlt.
Die Umstände der Freilassung der Royal Grace sind bislang ebenso unklar wie bei dem ebenfalls frei gelassenen Frachter Smyrni. Nach der jüngsten Statistik der europäischen Seestreitmacht am Horn von Afrika (EUNAVFOR) sind ohne diese beiden Schiffe noch zwei in der Hand somalischer Piraten: Der Frachter Albedo, der zwischenzeitlich schon mal als befreit gemeldet worden war, und das omanische Fischereischiff Naham 3. Diese Statistik berüchsichtigt allerdings nicht diverse Fischerboote und Dhaus aus der Region, die ebenfalls gekapert wurden und den Piraten nun als Mutterschiff dienen – mit der Besatzung als Geiseln an Bord.
Mit der drastisch gesunkenen Erfolgsquote der somalischen Piraten im vergangenen Jahr ist allerdings das internationale Interesse an dem Geschehen am Horn von Afrika ebenso drastisch zurückgegangen. Und die Seeleute, die als Geiseln in Piratenhand sind, kommen fast nur noch aus Ländern Asiens – kein Grund mehr für eine öffentliche Wahrnehmung des Geschehens, scheint es. Is High Sea Piracy Unprofitable? fragt die International Business Times. Die Antwort dürfte sein: Ja, so lange Kriegsschiffe in der Region kreuzen und vor allem immer mehr Handelsschiffe (private) bewaffnete Sicherheitsteams an Bord haben. Das Potenzial für Piraterie dürfte aber bleiben, so lange Somalia nicht ein stabiler Staat geworden ist.
(Foto: EUNAVFOR)
Die Gewährleistung von Sicherheit ist ein ökonomisches Gut wie jedes andere. Wer dazu finanziell in der Lage ist, kauft sich Sicherheit. Genau das machen die (westlichen) Reeder und heuern bewaffnete Sicherheitsteams an.
Dasselbe Prinzip sehen wir übrigens auf dem Feld der inneren Sicherheit: Als im noblen Kölner Villen-Vorort Hahnwald die Anzahl der Wohnungseinbrüche dramatisch zunahm, legten die Bewohner zusammen und engagierten einen privaten Wachdienst. Der fährt seitdem dort nächtens Streife, Wohnungseinbrüche kommen nicht mehr vor.
In anderen Stadtteilen hingegen können die Häusle-Besitzer nicht einfach jeden Monat einige Hundert Euro abzweigen. Resultat: Kein Sicherheitsdienst fährt Streife, es wird in die Häuser eingebrochen.
Selbstverständlich kann man und sollte man darüber diskutieren, ob Sicherheit nicht eigentlich etwas ist, wofür der Staat Sorge tragen sollte. Aber die Realitäten sind nun einmal wie sie sind. Da nehmen die Reeder, die den Indischen Ozean befahren (lassen) und die Villen-Besitzer von Hahnwald das Heft lieber in die eigene Hand.
KEINE Piraterie ist utopisch. Es wird immer irgendwelchen armen Seelen geben, die ihr Leben bis zu 1000 sm! vor der Küste für so ein Himmelfahrtskommando riskieren.
Aber der Rückgang ist schon sehr deutlich. Hier mal das Factsheet der gleichzeitig stattfindenden NATO Operation OCEAN SHIELD: http://www.mc.nato.int/about/Pages/Operation%20Ocean%20Shield.aspx
Das Resultat ist eine Gesamtleistung von NATO, EU, zig weitern Nationen in diesem Seegebiet und letztlich trägt natürlich die Anwesenheit der Sicherheitsteams dazu bei.
Am 18.03. läuft übrigens die Fregatte Augsburg aus WHV in Richtung ATALANTA Einsatzgebiet aus.
@chickenhawk: Klar, wenn das Kleingeld stimmt, kann man sich schützen und die Ganoven damit in die Häuser der weniger begüterten treiben. Reiner Verdrängungswettbewerb. Der Staat verlangt einerseits, daß wir ihm das Gewaltmonopol überlassen und verspricht dafür, uns zu schützen. Das übrigens ohne Ansehen von Person und Stand. Sie kennen ja die Realität…
Kleiner Exkurs: Das Pfadfindermesser, das ich als 8-Jähriger am Gürtel trug, fällt heute unter das Waffengesetz.