Geschenkpanik in letzter Minute? Drei Bücher.
Aus der Graphic Novel „Wave and Smile“
Ok, inzwischen haben alle mitbekommen, dass sehr bald Weihnachten ist. Und es sollte mich wundern, wenn dem einen oder anderen nicht noch dringend ein Geschenk fehlt…
Nun zögere ich immer etwas, Bücher aus dem Themenfeld Krieg und Militär als Bücher für den Gabentisch zu empfehlen. Will der Beschenkte an den Weihnachtstagen etwas über Krieg lesen? Aber das ist sehr subjektiv; und außerdem halten Bücher länger als Lebkuchen. Über die Weihnachtstage hinaus.
Also hier für die Geschenkidee in letzter Minute drei Bücher, die in diesem Jahr erschienen sind und die ich für die besten in diesem Themenbereich halte. Mit ein bisschen Glück hat der Buchhändler des Vertrauens die auch vorrätig (Ich gebe zu, die Chance ist um so größer, je größer die Stadt ist):
Johannes Clairs Vier Tage im November. Das Buch über den Afghanistan-Einsatz, das mich bislang am meisten beeindruckt hat. Was zu diesem Bericht aus der Schlammzone zu sagen ist, habe ich hier gesagt.
Als Afghanistan-Roman in 3Farb-Flecktarn habe ich Arne Jyschs Graphic Novel Wave and Smile bezeichnet – ein Comic mit Liebe zum Einsatzdetail. Obwohl der Zeichner noch nie in Afghanistan war. Das Buch für die Leute, die ein Sachbuch über die Afghanistan-Mission nicht in die Hand nehmen würden (und natürlich nicht nur für die).
Die 11 drohenden Kriege von Andreas Rinke und Christian Schwägerl empfehle ich mit einem Hauch schlechten Gewissens – eine Rezension hatte ich seit Monaten vorgehabt und doch immer wieder aufgeschoben…. Also empfehle ich es einfach mal. Die beiden Autoren (Disclosure: sie sind beide Journalisten, und ich kenne sie) haben sehr fundiert und realistisch aufgearbeitet, welche Konfliktlinien in den nächsten Jahren in heiße Kriege münden können: Nicht in erster Linie die allgemein bekannten Krisenherde, sondern viel grundlegendere Probleme wie Kriege um Wasser, die Macht multinationaler und von Regierung und Staatsform unabhängiger Unternehmen. Oder die tickende demographische Zeitbombe in den USA.
Vielleicht könnte diese Rezension ja helfen, Thomas:
http://www.offiziere.ch/?p=9264
Ich fand „11 drohende Kriege“ nur teilweise überzeugend. Den Verweis auf „Kriege“ empfand ich als unnötig sensationsheischend. Vielleicht hätte man besser von „11 sicherheitsrelevanten globalen Trends“ gesprochen, wobei die Auswahl der Themen sich eng an bereits laufenden Diskussionen orientiert und wenig neues zu Tage gefördert wird. Fast alles zu den angesprochenen Themen ist an anderer Stelle bereits gesagt worden. Hier hätte man auf unkonventionellere Themen eingehen können, wobei dies natürlich auch provokativer gewesen und das Risiko unfreundlicher Rezensionen beinhaltet hätte. Statt dessen bewegt man sich auf ausgetretenen Pfaden wie „Wasserkriegen“, vor denen sich spektakulär warnen läßt, die es aber seit Beginn dieser Warnungen nicht gab und aus vielen Gründen (das würde hier zu weit führen) zumindest zwischen Staaten vermutlich auch so bald nicht geben wird.
Zudem fehlt den Darstellungen teilweise analytische Tiefe: Man erkennt zwar manche Trends, projiziert sie aber linear in die Zukunft und denkt sie dabei nicht zuende. Die behaupteten Zusammenhänge sind dabei teilweise viel zu simpel dargestellt, etwa was den Arabischen Frühling angeht, der auf den Tod des Gemüsehändlers in Tunesien zurückgeführt und dessen Wirkung als „Demokratisierung der islamischen Welt“ beschrieben wird. Ein aktueller Blick nach Ägypten zeigt, daß die Dinge nicht so einfach sind, wie sie leider viele deutsche Journalisten zunächst dargetellt haben.
Die narrativen Darstellungen fand ich hingegen stellenweise interessant und glaubwürdiger als z.B. beim ansonsten stellenweise ähnliche Themen ansprechenden „The next 100 years“ von George Friedman.
Die in Richtung welt- und menschheitsverbesserung zielenden Ansätze der Autoren diesen z.T. ernstzunehmenden Entwicklungen zu begegnen empfand ich als utopisch. Realistischer wäre es gewesen zu überlegen, wie sich eine einzelne Gesellschaft auf diese Entwicklungen vorbereiten kann, aber da wären die Ansätze wohl nicht so wohlklingend idealistisch ausgefallen.
Insgeamt ist das Buch aber tatsächlich als Geschenk geeignet, wenn man es als sehr leicht verdauliche Einführung in geopolitische Themen für absolute Laien versteht.
„Wave and Smile“ kann ich hingegen fast uneingeschränkt empfehlen, da das Buch trotz der fiktiven Handlung einige reale Stimmungen m.E. gut einfängt und darstellt.
„Vier Tage im November“ – unbedingt lesen!!!
Noch ein Buch-Tipp: „Weil der Krieg unsere Seelen frisst“
Hilke Lorenz, Redakteuerin der Stuttgarter Zeitung, hat nach ihren Bestsellern „Kriegskinder. Das Schicksal einer Generation (2003) und „Heimat aus dem Koffer“ (2009) hat im Oktober d. J. im Ullstein-Verlag ihr neustes Buch herausgegeben: „Weil der Krieg unsere Seelen frisst – Wie die blinden Flecken der Vergangenheit bis heute nachwirken“. Erstmalig beleuchtet sie nicht nur die Wunden des Zweiten Weltkriegs, die bis in die Generation der 50- und 60er Geborenen – die Kriegsenkel – ihre Auswirkungen haben, sondern in ihrem letzten Kapitel „Angst“ spricht sie aus, was immer noch zu viele nicht wahrhaben wollen: Deutschland befindet sich auch im Jahr 2012 in einem Krieg und auch dieser „frisst wieder Seelen“ – so berichtet es eine Soldatenfamilie, der Sohn als Soldat in Afghanistan war. Keinen Trauerfall, keine körperliche und (noch?) keine seelische Verwundung – ein ganz „normaler Einsatz“. An Weihnachten führen die über 80jährige Großmutter und der junge Soldat ein Gespräch über ihre Kriegserlebnisse – die Generation dazwischen – die Eltern – sitzen dabei und können nur zuhören: Denn sie haben in einer Ära zwar eines „kalten Krieges“, aber letztlich doch im Frieden gelebt – bis der Krieg aktuell auch in ihr Haus Einzug gehalten hat.
„Hilke Lorenz ist eine Zuhörerin, die bei den erzählenden Personen nie ungeduldig fordert, erzählt mal endlich, nein, sie hört zu, fragt behutsam, lässt reden und sie urteilt nie. Egal, ob als Kriegswaise oder Soldat, die Autorin wechselt Blickwinkel und Einsichten, ihr Thema aber nie. Schnell wird klar, dass die Aufarbeitung des Krieges lange nicht vorbei ist. Periodisch oder auch sporadisch kommt das Thema immer wieder innerhalb der Familien hoch. Es ist schmerzlich, aber Hilke Lorenz lehr: Reden bringt weiter!“
(Auszug aus einer Rezension).
„4 Tage im November“ empfehle ich allen Eltern und Elterninnen (Familienministerin lässt grüssen), dessen Kinder mit dem Gedanken spielen zur Bundeswehr zu gehen. Zumindest dürfte der Eindruck dieses Buches nicht so schnell seine Wirkung verlieren wie ein 35-Sekunden Beitrag im heute-journal.
Ich durfte mich zur Bescherung glücklich schätzen, als ich tatsächlich das Buch von Johannes Clair in den Händen hielt. Normalerweise lasse ich mir beim Lesen oft und viel Zeit, aber dieses Buch hat mich so sehr gefesselt, dass ich es innerhalb von zwei Tagen durchgelesen habe. Auch wenn der Schreibstil nicht der Allerbeste ist (Stichwort fehlende Redezeichen etc.) und der Autor viele Einzelheiten unnötig oft wiederholt, stellt dieses Buch im Gegensatz zu gewissen anderen Fallschirmjäger-Autoren einen unschätzbaren Wert dar und sollte jedem, der in seinen ersten Auslandseinsatz geht, empfohlen werden.
Schade, dass der Kamerad aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist – er wäre bei der Bundeswehr in einer Führungsposition sicherlich eine erhebliche Bereicherung gewesen.