Weniger gelieferte Waffen, mehr Genehmigungen
Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch, wie schon angekündigt, den Rüstungsexportbericht 2011 verabschiedet. Und, weil mich das natürlich interessierte: Nein, die Genehmigung eines Panzerexports nach Saudi-Arabien findet sich in dem dicken Papier natürlich (noch) nicht – die Entscheidung des Bundessicherheitsrats im vergangenen Jahr, die offiziell nach wie vor nicht bestätigt wird, war die Entscheidung über eine Voranfrage, noch keine konkrete Ausfuhrgenehmigung. Da werden wir wohl noch ein paar dieser Berichte abwarten müssen…
Das zeigt auch ein Grundproblem: Die große zeitliche Distanz zwischen einer Regierungsentscheidung, einen Waffenexport zu erlauben, und dem Bekanntwerden im jährlichen Bericht. Vielleicht, das ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen, in der Hoffnung, dass manches einfach in Vergessenheit gerät. Wer erinnert sich schon daran, dass unter der großen Koalition (mit einem SPD-Außenminister) eine Gewehrfabrik für Saudi-Arabien genehmigt wurde?
Zu den Zahlen: Im vergangenen Jahr wurden Kriegswaffen im Wert von 1,285 Milliarden Euro ausgeführt, deutlich weniger als die 2,119 Milliarden Euro im Jahr zuvor, die Deutschland auf den dritten Platz der Rüstungsexporteure weltweit katapultiert hatten. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass es in den Vorjahren Großprojekte wie U-Boote für Griechenland und Portugal gab, die natürlich als teures Gerät die Gesamtsumme kräftig nach oben trieben. 32 Prozent gingen an Bündnispartner in EU und NATO sowie gleichgestellte Länder (z.B. Japan und Australien) – das heißt im Umkehrschluss natürlich auch, dass mehr als zwei Drittel der Ausfuhren an so genannte Drittländer gingen. 13 Prozent der Kriegswaffen, für gut 160 Millionen Euro, gingen an Entwicklungsländer – allerdings, das betont das federführende Wirtschaftsministerium, vor allem in erster Linie für Lieferungen an den Irak im Wert von fast 160 Millionen Euro.
Interessanter als die tatsächlichen Ausfuhren im vergangenen Jahr ist der Umfang der Genehmigungen, die die Bundesregierung 2010 für den Export – über die kommenden Jahre verteilt – zugesagt hat, und zwar in erster Linie die so genannten Einzelausfuhrgenehmigungen (im Gegensatz zu Sammelausfuhrgenehmigungen, die meist für multilaterale Rüstungsprojekte erteilt werden, z.B. beim Bau des Vier-Nationen-Flugzeugs Eurofighter). Der Wert dieser Genehmigungen für Rüstungsgüter (das umfasst mehr als Kriegswaffen) betrug im vergangenen Jahr 5,414 Milliarden Euro und damit deutlich mehr als die 4,754 Milliarden Euro im Jahr 2010. Exporterlaubnisse im Wert von immerhin 2,298 Milliarden Euro betreffen Drittländer – und unter den Entwicklungsländern liegt erneut der Irak vorne, mit Genehmigungen im Wert von 244,3 Millionen Euro für Hubschrauber, gefolgt von Indien mit 90 Millionen Euro und Ägypten mit 74,2 Millionen Euro.
Übrigens lohnt ein Blick auf die größten Empfängerländer erteilter Ausfuhrgenehmigungen: An erster Stelle stehen die Niederlande – wegen geplanter Lieferungen von Munition für mehr als 800 Millionen Euro, gefolgt von den USA mit 632 Millionen Euro. (Da überrascht mich am meisten, dass die USA Tarnfarbe in Deutschland kaufen.)
Bereits auf dem dritten Platz folgt ein Drittland, aus der sensiblen Region am Golf: Für die Vereinigten Arabischen Emirate wurden Genehmigungen im Wert von 356,9 Millionen Euro erteilt, für die Lieferung von Torpedos, Seeminenräumgeräte, Teilen für Patrouillenboote. An vierter Stelle steht Singapur mit 344 Millionen Euro für Pionier- und Brückenlegepanzer und anderen Fahrzeugteilen; an sechster der bereits oben erwähnte Irak, der Kampfhubschrauber bestellt hat. Auf Platz 8 dann Algerien mit 217,4 Millionen Euro vor allem für Transportpanzer. Saudi-Arabien steht mit der vergleichsweise bescheidenen Summe von 140 Millionen Euro auf Platz 12, da geht es um eine breite Palette von Flugkörpern bis zu Grenzsicherungsanlage, aber auch um Munition für Granatmaschinenwaffen (interessant, mir war bislang nicht klar, dass die Saudis über GraMaWas verfügen). Ägypten auf Platz 18 erhielt die Erlaubnis vor allem für Panzerteile und gepanzerte Fahrzeuge.
Unterm Strich: Dass Deutschland nicht mehr auf dem dritten Platz der weltweiten Rüstungsexportländer steht, wird an der Kritik an der Exportpolitik der Bundesregierung wenig ändern. Auffällig ist in der Tat: Ein nicht unerheblicher Teil der so genannten Drittländer unter den Top 20 der Empfängerländer genehmigter künftiger Ausfuhren liegt in Regionen, die sicherheitspolitisch, äh, interessant sind: VAE, Irak, Algerien, Ägypten. Und auf die Drittländer entfällt mehr als ein Drittel des Wertes aller Ausfuhrgenehmigungen 2011. Das ist auch eine politische Aussage.
Letzte Kommentare