Und dann waren die Piraten weg…
Ich hab’s ja nicht glauben wollen – aber hier in den Kommentaren haben einige genau das vorhergesagt:
Nach über 72 Stunden dauernder konsequenter Verfolgung durch die Fregatte Lübeck haben die Piraten die Dhau Mother aufgegeben und sich von Bord zurückgezogen. Die 15-köpfige Stammbesatzung der Dhau verblieb an Bord.
In der Nacht vom 19. auf den 20. Januar verließen die Piraten die Dhau und stiegen auf das von ihnen zur Hilfe gerufene, bereits am 27. Dezember gekaperte, italienische Handelsschiff Enrico Ievoli um. Die Fregatte Lübeck konnte dieses aufgrund der Geisellage an Bord der Enrico Ievoli nicht verhindern.
Fregatte Lübeck leistet derzeit der befreiten Besatzung an Bord der Dhow technische und medizinische Hilfe.
Der Chemikalientanker Enrico Ievoli war Ende vergangenen Jahres dicht vor der Küste Omans gekapert worden. Dass er als Mutterschiff eingesetzt wurde, war meines Wissens noch nicht als Warnmeldung verbreitet worden. Inzwischen gibt es dazu eine Warnung der NATO: The pirated merchant ship Enrico Ievoli (Alert 009) may be used as a mother ship. See the picture on the left. The ship was last reported in the Somali Basin in the vicinity of 1110N 05325E heading in a SW direction.
Tja. Jetzt wüsste ich nur zu gerne, was aus dem ursprünglichen Auftrag an die Lübeck, die Dhau zu boarden, geworden ist. Wer davon Abstand genommen hat und warum (es gibt ja durchaus gute Gründe, wie die 15 als Geiseln genommenen Besatzungsmitglieder). Ob das Umsteigen der Piraten auf das andere, größere Mutterschiff nur beobachtet oder, sagen wir mal, mit irgendwas begleitet wurde…
Die offizielle Meldung auf bundeswehr.de: Piraten geben auf. Dhau nach mehrtägiger Verfolgung durch Fregatte Lübeck frei
Nachtrag: Von EUNAVFOR (der EU-Antipirateriemission Atalanta) gibt es auch eine Mitteilung dazu (in der übrigens von dem Hinweis in der ursprünglichen Bundeswehr-Meldung Die deutsche Fregatte Lübeck erhielt den Auftrag das Piratenmutterschiff aufzuspüren und zu boarden an keiner Stelle die Rede ist; dafür aber von 18 Geiseln an Bord der Enrico Ievoli):
After three days of persistent pressure, FGS LUEBECK has forced Somali pirates to release an Indian dhow with 15 Indian mariners held as hostages.
On the 17 January 2012 the EU NAVFOR warship FGS LUEBECK re-located an Indian registered dhow which had been used as pirate mother-ship involved in the attack on M/V FLINTSTONE early the same day. A Dutch Vessel Protection Detachment (VPD) stationed on the Dutch-registered civilian fall-pipe vessel had repelled the attack following a gun-fight and caused the attack skiffs to retreat back to the pirate mother ship with injuries to the suspected pirates.
Having positively identified the dhow and sighted the attack skiffs and other pirate paraphernalia on deck of the dhow, FSG LUEBECK approached the dhow demanding that they comply via radio messages.
The vessel did not react to radio calls or to subsequent warning gunshots. Sustained pressure was applied to the dhow through the presence of FGS LUEBECK including direct shots fired into the bow of the dhow and use of the ship’s helicopter to neutralise the attack skiffs secured on the upper deck.
Throughout the action the safety of the hostages was the primary consideration, especially as the suspect pirates threatened to kill all crew members and to fire on anyone attempting to board the dhow.
During the night of 19 January 2012, FGS LUEBECK established control of the situation to allow the M/V ENRICO IEVOLI, an Italian tanker which had been pirated in December 2011, and has 18 hostages onboard to rendezvous with the Indian dhow. On arrival the pirates again threatened that they would harm all the hostages if any military action was taken to prevent a transfer of pirates who had been injured during the initial attack on the M/V FLINTSTONE.
The FGS LUEBECK maintained an overt presence and following the transfer, was able to board the Indian dhow to assure the health and safety of the crew as well as providing technical assistance. The 15 released crewmembers were all in good health. This action has denied the suspect pirates the use of the dhow as a mother-ship and freed the crew from what could have become months of captivity. The injured suspected pirates were seen to have transferred to the M/V ENRICO IEVOLI which is being shadowed as it returns towards Somalia.
Ich bin schockiert.
Das mit dem „Korken“ auf der Mündung wird ja immer schlimmer.
Unsere Leute auf der Lübeck müssen sich doch jetzt vorkommen, wie Papiertiger. ….
Das wäre nun schon der zweite Fall (Nr. 1 war der amerikanische Kapitän der Maersk) bei dem wegen Geiseln an Board keine Gewalt angewendet werden durfte, und offenbar keiner das RGES – Kleinwasserfahrzeugstoppsystem kennt / besitzt :-(
Siehe http://www.youtube.com/watch?v=CqkY626J2a8
Die gute Nachricht: Falls ich mal als Geisel auf eine Dhau gerate, muß ich nicht befürchten, dass die deutsche Marine den Schiffrumpf unter der Wasserlinie perforiert………
„Dass er als Mutterschiff eingesetzt wurde, war meines Wissens noch nicht als Warnmeldung verbreitet worden.“
Das ist mW nach zum ersten Mal erst gestern Nachmittag als Alert 009 Somalian Basin/ 2012 (15:57) ueber den Ticker gelaufen, also recht spaet und auch nur als „suspected mothervessel“. Ist leider nur ueber Einloggen per Passwort bei mschoa.org einsehbar, sonst haette ich gerne den Link eingestellt.
Bzgl. der Hintergruende des „Umsteigen lassens“ habe zZt leider keine Info.
Vlt. @ Marinekenner?
Auf jeden Fall kann ich mir gut vorstellen, wie frustriert die Kameraden im Moment auf der „Luebeck“ sind.
Zu Recht – ich aerger‘ mich auch.
@Mittendrin41
Danke, ist nunmehr (genau genommen seit gestern, mein Fehler…) auch bei der NATO als Warnung aufgeführt; habe ich oben ergänzt.
Da machen also 2 Piratenmutterschiffe unter dem Schutz der Deutschen Marine, ein nettes Rendevous…..
Dieses Treffen war relativ lang im vorraus bekannt – so schnell sind die Schiffe nicht und Stealth-Technik ist bei dem Tanker auch nicht verbaut worden. Statt diesen Vorgang auszunutzen, spielt man Zuschauer …
Wenn es sich bei dem deutschen Schiff um die Gorch Fock gehandelt hätte, wäre dies noch zu verstehen gewesen – aber eine Fregatte!
Die Lübeck sollte sofort dem OHQ Atalanta entzogen werden – verlegt sie nach Mallorca, und baut die Besatzung wieder etwas auf.
Lächerlich.
Herr Niebergall, bei der Mærsk Alabama lag die Sache anders. Immerhin ist der Kapitän aus der Geiselhaft durch gezielten Scharfschützeneinsatz befreit worden. Andere Situation = andere Mittel = andere Lösung…
Aus Piratensicht ist es sicherlich sinnvoll sich ein paar Geiseln immer in Reserve zu halten. 2-3 Geiseln werden dann auf jede Kaperfahrt mitgenommen und die Piraten sind somit durchgehend unangreifbar. Zumindest durch die deutsche Marine.
zum Trost:
1. es waren wenigsten tatsächlich Geiseln an Bord der Dhau, also war es nicht reiner Bluff
2. Schießen ist ja schließlich auch teurer als Zugucken, also wurden Steuergelder gespart
Aber mal im Ernst: als Außenstehender frage ich mich ernsthaft, was unsere Verbündeten eigentlich davon halten. Nach außen wird offiziell ja immer Verständnis für die, nun ja, zurückhaltenden Deutschen geäußert. Weiß jemand, wie „inoffiziell“ die Meinung über den deutschen Beitrag bei diesen Aktionen gedacht bzw. gesprochen wird?
@f28
„Weiß jemand, wie “inoffiziell” die Meinung über den deutschen Beitrag bei diesen Aktionen gedacht bzw. gesprochen wird?“
Ich hörte bei anderen, nicht weniger beschämenden landbezogenen Anlässen Kommentare wie „die Umerziehung der Deutschen zu Pazifisten ist uns wohl zu gründlich gelungen“. Allerdings sind auch diese Verbündeten nicht immer kompetenter (siehe u.a. http://en.wikipedia.org/wiki/2007_Iranian_seizure_of_Royal_Navy_personnel). Für wichtiger als die Meinung Verbündeter halte ich aber die Wahrnehmung der Piraten, die spätestens ab heute wissen, dass die deutsche Marine für sie absolut keine Gefahr darstellt, wenn sie ein paar einfache Prinzipien berücksichtigen. Der Einsatz der Marine muss daher wirkungslos bleiben; er erzeugt nicht einmal mehr Abschreckungswirkung. Diese wird auch kaum mehr herzustellen sein, insbesondere nicht durch Pseudomaßnahmen wie die ab und zu als Zeichen vorgeblicher Entschlossenheit präsentierte Versenkung aufgegebener Piratenboote. Der Einsatz reiht sich ein in die sinnlosen militärischen Vorhaben Deutschlands in aller Welt, die nichts bringen außer Kosten für den Steuerzahler.
Dann kann man jetz doch die Enrico Ievoli platt machen und hat nen ganzen Haufen Probleme beseitigt, aber stimmt der Warenwert, daran ging ja die Weltwirtschafft zugrunde.
@Orontes
„Für wichtiger als die Meinung Verbündeter halte ich aber die Wahrnehmung der Piraten“
Wieso, ist doch alles in bester Ordnung! „Bundeswehr.de“ titelt nämlich: „PIRATEN GEBEN AUF“. Die Dhau wurde nach dieser Darstellung „befreit“ – also haben wir doch sozusagen gewonnen, oder?
Vielleicht lesen Piraten ja auch „bundeswehr.de“ – und erfahren dort, daß sie sozusagen „besiegt“ wurden…wird bestimmt zur weiteren Abschreckung beitragen.
@f28: Früher nannte man sowas Frontverkürzung…
ich mußte auch boshafterweise an Wochenschauen von Anfang ’45 denken – da wurde auch noch gesiegt, an allen Fronten.
Ich glaube, auf bundeswehr.de werde ich ab jetzt nur noch klicken, um mich zu amüsieren.
Es ist ohne Frage alles sehr ärgerlich und sicherlich wird der Umgang mit Geisellagen zu diskutieren sein. Ich verstehe aber nicht, weshalb hier auf die deutsche Marine geschimpft wird. Bei der letzten Geisellage, über die in der Presse nicht berichtet wurde, kam aus dem Atalanta-Hauptquartier die Anweisung, daß den Geiseln nichts geschehen dürfe (ein an Bord der Dhau befindliches Skiff aber bitte trotzdem unschädlich zu machen sei). Auch wenn sich die Piraten jetzt vorerst ins Fäustchen lachen und das schwer auszuhaltlen ist – die „Schieß-drauf-Mentalität“ einiger Kommentatoren finde ich etwas voreilig, so sehr eine gewisse Wut verständlich ist. Eine Geisellage scheint beim Einsatz der Dhaus durch die Piraten der NOrmalfall zu sein, die seemännisch erfahrene Stammbesatzung wird von den Piraten zur Handhabung des Schiffes gebraucht. Wenn nun geschossen wird, wer will sicher sein, daß nun bei der auf der Dhau herrschenden Enge nicht gerade in dem zu perforierenden Schiffsrumpf ein paar Geiseln hocken? Selbstverständlich müßten sie eigentlich befreit werden, aber auch um den Preis, daß einige dabei ums Leben kommen? Ist die Bestrafung/Abschreckung der Piraten (die momentan übrigens kein Land haben will) wichtiger als das Leben der Geiseln? Ich habe immer das Gefühl, das hier zu leicht mit zweierlei Maß gemessen wird, man stelle sich nur vor, es handele sich um europäische Geiseln. Ich finde daher, wenn auch zähneknirschend, die militärische Zurückhaltung absolut vertretbar, insbesondere angesichts eines fehlenden Gesamtkonzepts für die Piratenproblematik. Und nicht zuletzt: der Einsatz ist nicht sinnlos: wie immer wieder gerne vergessen wird, besteht er im ganz wesentlichen auch in der Begleitung der Nahrungsmitteltransporte und alle Nahrungsmitteltransporte für Afrika haben ihr Ziel (oder zumindest das Land) erreicht.
auf dem land werden geiselnehmer die entnervt aufgeben gestellt. warum wird die enrico nicht abgefangen wenn dort anscheinend keine geiseln drauf sind?
@thetis
„Ist die Bestrafung/Abschreckung der Piraten (die momentan übrigens kein Land haben will) wichtiger als das Leben der Geiseln?“
Was das Leben der Geiseln angeht, so hat die Haltung, hier keine Risiken eingehen zu wollen, dazu geführt, dass die Piraten nun hunderte Geiseln in ihrer Gewalt haben. Hätte man frühzeitig und hart durchgegriffen, wäre die Lage nie soweit eskaliert. Ähnliche Situationen aus der Vergangenheit zeigen, dass es stets negative Folgen hatte, sich durch Geiseln erpressen zu lassen. In Deutschland hat man das spätestens nach Geiselnahmen durch die Baader-Meinhof-Bande in den 70ern gelernt, als man zunächst zur Schonung einer Einzelgeisel den Forderungen der Terroristen nachgab, worauf diese mit noch mehr Geiselnahmen und eskalierten Forderungen reagierten. Dabei wurden auch Geiseln von den Terroristen getötet. Danach brauchte man mehrere Anläufe auch bewaffneten Vorgehens unter hohem Risiko für teilweise dreistellige Geiselzahlen, bis die verloren gegangen Glaubwürdigkeit wieder hergestellt war und Geiselnahmen eingestellt wurden. Insgesamt hatte die falsche Politik der Zurückhaltung (wie aktuell bei den Piraten) zu mehr Geiselnahmen, größeren Risiken für Geiseln und mehreren toten Geiseln geführt. Von einer verantwortungsbewussten politischen Führung sollte man erwarten können, dass sie in der Lage ist, rechtzeitig notfalls auch härteste Maßnahmen zu ergreifen und Handeln nicht stets soweit zu verschieben, dass andere sich zu noch schwierigeren Bedingungen um das größer gewordene Problem kümmern müssen. Der scheinbare „Erfolg“ der Schonung der Geiseln im aktuellen Fall wird nun wohl nach sich ziehen, dass künftig mehr Geiseln auf den Booten der Piraten mitfahren werden, wobei einige schon den schwierigen Lebensbedingungen zum Opfer fallen dürften.
Eine Aufgabe der Politik der Zurückhaltung würde aber voraussetzen, dass das Mandat völkerrechtlich anders definiert wird und auch die Verfolgung der Piraten eine neue Grundlage bekommt, u.a. mit Behandlung der Piraten nach dem humanitären Völkerrecht. Das würde bedeuten: Keine Prozesse, sondern unbegrenzt mögliche Festhaltung in lokalen Lagern bis zum Ende des Konflikts sowie kinetische militärische Bekämpfung von erkannten Piratenzielen auf See und an Land unter Verzicht auf unkalkulierbare, „mission creep“-fördernde Risiken wie zivilen Wiederaufbau oder langfristige Präsenz an Land. Vermutlich würden wenige Tage von Luftangriffen und Spezialkräfteeinsätzen an Land genügen, um die eigene Glaubwürdigkeit wieder soweit herzustellen, dass von Angriffen auf Schiffsverkehr abgesehen wird. Piraterie ist letztlich ein Geschäft, und kein guter Geschäftsmann setzt ein Geschäft fort, bei dem die Risiken zu groß werden.
Als Nachtrag habe ich oben die Mitteilung von EUNAVFOR angehängt – die das auch unter dem Aspekt erfolgreiche Befreiung der Geiseln auf der Dhau kommunizieren.
@Orontes
Dem abstrakten Grundsatz, daß es grundsätzlich nicht gut ist, auf Gewaltanwendungen zu zögerlich zu reagieren, stimme ich durchaus zu. Der Terrorismus der 70er war eine besondere Herausforderung für den deutschen Staat. Allerdings hat dieser Staat bei Geiselnahmen, bei denen es um Geldforderungen ging, meines Wissens immer Lösegeld gezahlt- ohne daß sich daraus eine Zunahme der Geiselnahmen ergeben hätte. Ich habe große Zweifel, ob man mit bloßer Gewaltandwendung, ohne daß diese unverhältnismäßig wäre, der Piraterie beikommt.
„Piraterie ist letztlich ein Geschäft….“ Ja, nur sitzen die Geschäftsleute sicher in Nairobi, Genf, Kanada und gehen keinerlei Risiken ein. Die Piraten selber haben überhaupt nichts zu verlieren und nehmen jede geringe Chance war in dem Bewußtsein dabei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Alleine sich in diesen Nußschalen überhaupt auf See zu wagen grenzt nach europäischen Maßstäben an Wahnsinn und etliche kommen alleine deswegen nicht zurück.Es ist nach europäischen Maßstäben schwer nachvollziehbar, was für Risiken da eingegangen werden. Jeder , der sich von den Piraten anheuern läßt, weiß, daß er sein Leben riskiert und trotzdem boomt der Markt. Ein paar tote Piraten sind keine große Abschreckung. Tausende von Camps mit ihrer MIschung aus Fischerei und Piraterie ziehen sich die ganze Somalische Küste entlang- das kann man nicht mal eben ein paar Tage bombardieren.
Das internationale Schiffahrtsbüro hat gerade wieder bestätigt, daß die Zahl der erfolgreichen Piratenangriffe weiter zurückgegangen ist. Es könnte also durchaus sein, daß die gegenwärtigen Maßnahmen zur Eindämmung ausreichend sind. Das hier vielfach geforderte „härtere Durchgreifen“ mit Inkaufnahme von „zivilen“ Opfern verbietet sich daher in meinen Augen bis auf weiteres, zumal jeder Befehlsgeber das Risiko eingeht am Ende wie Oberst Klein dazustehn. Die Lübeck hat mit ihrem Vorgehen immerhin erreicht, daß die Piraten die Dhau aufgegeben haben.
Die Südkoreaner, die wesentlich robuster gegen die Piraten vorgegangen sind, haben jetzt folgendes Problem: bei einem von seiner Reederei freigekauften Schiff wurden die südkoreanischen Seeleute nicht mit von den Piraten freigelassen….
@Orontes
Häufig rege ich mich über Ihre Ansichten auf, aber hier haben Sie 100% recht.
@thetis
„Ich habe große Zweifel, ob man mit bloßer Gewaltandwendung, ohne daß diese unverhältnismäßig wäre, der Piraterie beikommt.“
Was soll eigentlich immer diese Diskussion über Verhältnismäßigkeit? Warum können wir nicht auch einfach mal asymmetrisch handeln, nur halt nicht vom unteren, sondern eher vom oberen Rand des Eskalationsspektrums, wenn es etwas nutzt?
Orontes: „Für wichtiger als die Meinung Verbündeter halte ich aber die Wahrnehmung der Piraten, die spätestens ab heute wissen, dass die deutsche Marine für sie absolut keine Gefahr darstellt, wenn sie ein paar einfache Prinzipien berücksichtigen. Der Einsatz der Marine muss daher wirkungslos bleiben; er erzeugt nicht einmal mehr Abschreckungswirkung.“
Ich finde, damit tappen wir in die Falle, gleichzeitig der Gegenseite zu viel und der eigenen zu wenig zuzutrauen. „Die Piraten“ sind ja kein monolithischer Block mit zentraler Führung, die jetzt eine allgemeine Dienstanweisung „Umgang mit Deutscher Marine“ herausgibt. Die Information wird an die diversen Piratengruppen sicher diffundieren, aber nach dem Stille-Post-Prinzip und mit jeweiliger lokaler Interpretation. Außerdem hat ja trotz des konkreten Ausgangs der aktuellen Aktion niemand die Garantie, dass es beim nächsten Mal nicht ganz anders aussieht. (Vielleicht ein Vorteil des politikgesteuerten Militäreinsatzes: das Zufallselement, das das Verhalten eigener Kräfte unvorhersehbar macht, wird verstärkt.)
An anderer Stelle schlugen Sie vor, bei Piratenbekämpfung mit einer „kleinen Bande“ (so ähnlich hatten Sie formuliert, glaube ich) anzufangen in der Erwartung, dass dann die anderen Banden nicht sofort ihre Geiseln ermorden würden – diese Strategie funktioniert aber nur, wenn die Piratengruppen ausreichend dezentral und heterogen sind. Das widerspricht der oben zitierten Schlussfolgerung „ab heute wissen die Piraten…“
@MFG
Ist das ernstgemeint? Die nervige Diskussion über die Verhältnismäßigkeit geht notwendigerweise der Entscheidung über das Handeln voraus. Das unterscheidet uns mit unserer Zivilisation und ihren ethischen Grundsätzen von den Piraten und das sind wir unseren Soldaten schuldig, denen wir zumuten andere zu töten und denen wir zumuten dann damit leben zu müssen. Und ob es was nutzt- das ist hier die große Frage….
@ Dante – 20. Januar 2012 – 17:42: „auf dem land werden geiselnehmer die entnervt aufgeben gestellt. warum wird die enrico nicht abgefangen wenn dort anscheinend keine geiseln drauf sind?“
Den Blogeintrag von T.Wiegold haben Sie komplett gelesen???:
„Die Fregatte Lübeck konnte dieses aufgrund der Geisellage an Bord der Enrico Ievoli nicht verhindern.“
Haha….eine wahrlich starke Truppe unsere Bundeswehr. Mein Gott, zieht doch endlich die Marine dort endlich ab. Wir haben uns doch nun lange genug lächerlich gemacht.
Ab nach Hause! Wollen wir uns denn wirklich jetzt in jedem Einsatzgebiet lächerlich machen und den Ruf der „useless idiots“ bei den Verbündeten verstärken?
@Jens: Das Problem liegt eindeutig NICHT bei der Bundeswehr.
Man kann ruhig davon ausgehen, dass die Männer und Frauen vor Ort sehr viel mehr angepisst sind als wir zu Hause.
Die Frage sollten sich die Parlamentarier gefallen lassen, die dem Mandat zugestimmt haben, aber offensichtlich nicht überblickt haben (oder es nicht wollten) welche Konsequenzen sich dahinter verstecken könnten.
Eine kurze Beschreibung des Vorfalls durch die Lübecker Nachrichten.
http://www.ln-online.de/nachrichten/3348277/die-luebeck-feuerte-auf-piratenschiff
@TomTom:
Das Mandat wird zwar vom Bundestag verabschiedet, formuliert wird es jedoch von der Bundesregierung (ohne Änderungsrecht des Bundestages). Also haben – wenn überhaupt – ein paar andere Herren (auch in Uniform) die Sache in erster Linie nicht überblickt.
Hinzukommt:
Zwischen „der Truppe“ (hier die Besatzung der Lübeck) und den Vorgaben des Mandates liegt ein weites Feld an Einschränkungen, die nicht durchs Mandat erfolgen, sondern vom eigenen Apparat (national oder international) erzeugt werden.
Paradebeispiel: Die ROE bei ISAF bis 2009. Das Mandat hat weitaus mehr erlaubt, aber das BMVg hat den Inhalt des Mandates komplett verdreht.
In der Öffentlichkeit und in der Truppe entsteht aber der Eindruck, diese Einschränkungen kämen vom Bundestag.
@New Dawn
Ja, die haben die offizielle Mitteilung ab- und umgeschrieben. Und?
@T.W.:
Ich fand es nur interessant, dass die Lübecker Nachrichten diese Meldung fast 1:1 wiedergeben ohne kritische Anmerkung.
Wo ist die famose „Lübeck“ jetzt?
Hat sich sich das Schiff wenigstens an die „Enrico levoli“ gehängt?
Oder fällt die Sache unter „Rückzug vor überlegenen Kräften“?
Oder vielleicht sogar im Hinblick auf die Alliierten unter „Hannemann geh Du voran“.
@Memoria: Eine selbst auferlegte Einschränkung durch die Kräfte vor Ort (Kommandant und CTG (Commander Task Group)) halte ich für wenig wahrscheinlich.
Sicherlich ist eine Geisellage immer heikel und ggfs war ein Eingreifen während der Geiselnahme nicht möglich (Sea Lynx und Speedboat als einzige Assetts).
Trotzdem machen wir uns zunehmend lächerlich.
@All: So verkauft die Marine die „Befreiung der Geiseln“:
http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYzNCsIwEITfKNuAoniz5CKeFMHWi2ybpSzmp6RbC8WHN4HOwMDMBwMvyA745QGFY0AHDbQ9n7pFdYulN3GYUNZc8SMzObdNJCupKXp0jPAsJ5ZUHwNJSaEgnHNIKDGpMSZxhcwpZaLYQltpU-vDrtqkf8fb42qavdbmUt9h9P78B7qOkWU!/