Und weiter kein Glück mit den Korvetten (mit Update)
Die Deutsche Marine ist schon gestraft mit ihren Korvetten: Bei diesem neuen Kriegsschiff-Typ der Bundeswehr scheint so alles schief zu gehen, was schief gehen kann. Nach den heftigen Problemen mit dem Getriebe – bei allen fünf Booten – und anderen Kleinigkeiten gibt es nun den – vorerst? – letzten großen Knall: Beim Eindocken in der P+S-Werft in Wolgast vergangene Woche knallte die Braunschweig, das Typschiff der Klasse, auf den Boden eines Transportwagens – eine der so genannten Pallungen hatte nachgegeben.
Das Ausmaß des Schadens ist noch völlig offen. Nach einem Bericht der Kieler Nachrichten wurde der Kiel der Braunschweig um bis zu 20 Zentimeter eingedrückt – jetzt soll der ganze Rumpf neu vermessen, der Antriebsstrang untersucht werden.
Der Unfall ist für die Marine nicht nur deshalb bitter, weil sich damit die Pannenserie bei den Korvetten fortsetzt. Die Braunschweig sollte demnächst in das Basic Operational Sea Training (BOST) vor der britischen Küste gehen und damit ihre Einsatz-Zertifizierung erhalten – um so bald wie möglich in den Einsatz gehen zu können. So entfällt das Boot erst einmal für die weitere Planung.
(Über den Vorfall hatte gestern als erste – und wenn ich das richtig sehe: bislang einzige – Zeitung die Kieler Nachrichten berichtet; leider stellen die ihre aktuellen Meldungen nicht online, so dass das auch mir ohne einen aufmerksamen Leser nicht aufgefallen wäre… )
Hier fuhren noch zwei Korvetten: Die Braunschweig und die Oldenburg im September 2011 beim Manöver Northern Coasts (Foto: Bundeswehr/Björn Wilke via flickr unter CC-Lizenz)
Update: Aus Marinekreisen höre ich jetzt , dass nach der bisherigen Untersuchung der Unfall keine Auswirkung auf die Struktur des Rumpfes hatte. Die Werftliegezeit müsse deshalb nicht verlängert werden – so dass die Braunschweig voraussichtlich wie geplant vor Weihnachten wieder aus dem Dock kommen soll.
Wenn das so weiter geht muss man die Fregatte Köln und Rheinland-Pfalz doch noch länger im Dienst lassen.
@Dobra
Warum? Die 130er sind Ersatz für die Schnellboote, nicht für die 122er. Oder erwarten Sie ein vergleichbares Desaster mit den 125ern?
Und bei der Piratenjagd gibt die „Köln“ doch eine gute „Vorstellung“…
Die Braunschweig ist damit nicht das erste „krumme“ Schiff in der Marine (Meck-Pomm)
@mwk
Es ist richtig das die 130er als Ersatz für die Schnellboote gedacht sind, aber wenn ich das richtig noch im Kopf haben wurde mal drüber geredet die Korvetten auch in Internationalen Verbänden z.B. Atalanta einzusetzen.
Wenn man überlegt das die Korvetten 2007 in Dienst gestellt werden sollten, wir fast 2012 haben und die sind noch immer nicht in der Truppe, sehe ich für die 125er schwarz.
Die 122er werden langsam aber sicher außer Dienst gestellt, die erste 125er wurde schon von 2014 auf 2016 verschoben, wenn es gut läuft sind 2018 im Einsatz und dürfen dann wahrscheinlich wieder für die Industrie lustig Verkaufsfahrten machen.
Wirklich rosig sieht das für mich nicht aus.
Mich würde es freuen wenn die Köln und Rheinland-Pfalz noch länger im Einsatz bleiben würden, da ich ja selber auf der Köln unterwegs war.
@T.Wiegold
Dafür hat die KN den folgenden Artikel eingestellt:
http://www.kn-online.de/lokales/kiel/262091-1900-Nachwuchssoldaten-fehlen.html
Bezüglich der Meldung für die Korvette schon mal Frank Behling angerufen, dass er das nach Möglichkeit online stellen soll?
Im o.g. Link zur kn-online steht auch etwas zum „geringfügig“ verlängerten Werftaufenthalt der Gorch Fock.
Das Thema ist ja eigentlich auch einen eigenen Threat wert. Hatte Herrn Wiegold schon vor einigen Tagen darauf aufmerksam gemacht.
@McKenzie
Ich weiß. Aber ich muss manchmal auch Dinge an mir vorbei laufen lassen, so als Einzelkämpfer…
@all
Siehe update oben im Eintrag.
Ohh…habe gerade dazu einen befreundeten Schiffsbauingeniur befragt. Das kann je nachdem wie der „Sturz“ ausgefallen ist, Totalschaden bedeuten. Wenn das Schiff z.b ein großes Biegemonent entlang der Längsachse erfahren hat, kann der ganze Rumpf plastische Verformungen erlitten haben. Es müsste wirklich jedes tragende Stahlteil überprüft werden, z.t mit Ultraschall. Erreichen die Verformungen eine gewisse Ausdehnung, kann man das Schiff demontieren und einen neuen Rumpf bauen.
@ T.Wiegold
Ich zolle Ihnen sowieso den größten Respekt. Kann es auch überhaupt nicht fassen wie Sie dass als Einzelkämpfer so alles hinkriegen.
Müsste meinen monatlichen Beitrag zum Projekt Straßenmusik alleine deswegen schon erhöhen.
Die Korvetten stehen wirklich unter keinem guten Stern!
Ein 20 cm eingedrückter Kiel und „keine Auswirkungen auf die Dauer der Werftliegezeit“ wiederspricht sich.
Entweder das eine oder das andere ist falsch.
Selbst wenn eine solche Beschädigung kein Totalverlust wäre würde sie in jedem Fall umfangreiche Arbeiten erfordern.
@T.Wiegold
Empfehle, hin- und wieder auf die facebook-Seite des Deutschen Marinebundes (DMB) zu schauen.
Aktuelles aus der Marine gibt’s dort oft sehr schnell und vor allem ungefiltert.
Der kurze Draht…
Mal ne andere Frage: was geschieht eigentlich genau mit den außer Dienst gestellten Fregatten? Werden die gleich verschrottet, verkauft oder erst mal in einem Zustand gehalten, der eine spätere wieder Indienststellung theoretisch ermöglichen würde (nicht dass das hier wirklich geschehen würde)?
Normalerweise werden sie im Internet versteigert (kein Witz)…unsere Lütjens (glaube das war sie) ist so auch über die Ladentheke gegangen.
@StefanS
Früher hat man alte Schiffe an die Griechen oder Türken abgegeben.
Das scheidet wohl heute aus weil die Griechen kein Geld haben und die Türken heute Schiffe bauen, die von den Spezifikationen besser sind als die vergleichbaren deutschen Typen (MILGEM vs K 130).
Später hat man auch Schiffe bei SINKEXen versenkt oder nach Indien zum Abwracken geschleppt.
@Hannes
Der DMB aktuell? Und vor allem ungefiltert? Au ha.
Das wäre ja was ganz Neues von diesem Sammelbecken der Protagonisten aus der Sendereihe „Wat war dat damals alles toll im Kalten Krieg, keine Ahnung warum die Marinesoldaten so jammern“…Seitdem ich einmal deren AO-Tagung begleiten musste(Boot im Hafen des Tagungsortes und das ganze Wochenende nur Gefechtsrudergänger der Bismark an Bord gehabt….) ist der Haufen für mich erledigt.
@JCR
Machen Sie sich bitte aber auch darüber schlau, wie lange die Türkische Marine daran rumbastelt. Eine Spezifikation macht noch lange kein Schiff. Wie lange hat MILGEM bei Instanbul Naval Shipyard (INSY) und anderswo auf Halde gelegen? Ohne das irgendetwas passiert ist?
Aber bitte, ich möchte Ihnen Ihre Sicht der Dinge natürlich nicht nehmen.
Gut aber wenn sie mit basteln fertig sind, haben sie ein Schiff daß Dinge kann, die in der dt. Marine bald verlorene Künste darstellen (ASW ;)).
Natürlich ist die Frage, wie die Verarbeitungsqualität bei den Türken so ist, aber nach der K 130 braucht die deutsche Schiffbauindustrie wohl nicht mehr so die Klappe aufzumachen.
Wie gesagt, von den Spezifikationen her sieht es besser aus. Inwieweit das tatsächlich funktioniert steht auf einem anderen Blatt.
Besser sich viel vornehmen und scheiter als sich wenig vornehmen und trotzdem scheitern ;)
Tatsache ist aber daß die gesamte Welt „klassische“ Kriegsschiffe baut während wir noch Schiffe für das „Ende der Geschichte“ in den 90ern bauen.
Probleme mit Getrieben und Antrieben haben übrigens auch andere. Die US Navy hatte da jahrelang Ärger mit den San Antonio Klasse, was mehrere Werftaufenthalte erforderlich machte. Die Überlebensfähigkeit in einem Gefecht wurde auch schon mal in Frage gestellt
http://en.wikipedia.org/wiki/USS_San_Antonio_%28LPD-17%29#Problems_and_incidents
@JCR
Ich weiß was man normalerweise mit ausgemusterten Kriegsschiffen macht. Ich meinte konkret die Schiffe die jetzt dran sind.
San Antonio und K130 haben Probleme aus den selben Gründen: Outsourcing.
Wobei die Probleme der San Antonio noch mal ne ganze Reihe schlimmer waren/sind.
Was die Schiffe angeht, die Auktion für Lütjens bei der VEBEG spezifizierte Verschrottung innerhalb der EU oder in der Türkei.
Also nicht nach Alang…
@Stefan S.
jau, manchmal sogar echte Scheißprobleme ;-))
@JCR
Da können wir jetzt lange drüber philosophieren. Bis der letzte hier keinen Bock mehr hat mitzulesen….;-)
Die Türken haben dabei viel von ihrer Kilic-Klasse mitgenommen und versucht in Eigenregie irgendwann umzusetzen. Zunächst waren ja auch noch ausländische Werften am Projekt beteiligt. Bis SSM (Undersecretariat for Defence Industries) dann alles an sich gerissen hat.
Die letzten wirklichen ASW-Schiffe in D sind die F122. Und nochmal: wenn man es nicht spezifiziert braucht man sich nachher nicht darüber zu beschweren, dass es nicht gebaut worden ist. Warum man ASW sterben lässt kann ich auch nicht verstehen. Genauso wie Minewarfare (Mineneinsatz und Minenabwehr). Alles Fähigkeiten in denen die Deutsche Marine mal echt gut war. U-Boote und Anti Surface Warfare durch Schnellboote auch nicht vergessen. Alles Gebiete die in den Littorals von großer Bedeutung sind. Aber wir sind ja jetzt Blue Water deluxe…oder so…oh mann…könnte mich noch stundenlang darüber aufregen….
Zum Thema klassische Kriegsschiffe:
Das ist nun aber doch ein wenig differenzierter zu sehen. Da haben wir zum Einen die Marinen die sich mit einer amphibischen Fähigkeit schmücken und diese entsprechend mit Einheiten füttern, die für Operationen hoher Intensität fähig sind. Mit allen Facetten der klassischen „Warfare Areas“. Wobei ich sage, dass diese kein Stück an Aktualität eingebüsst haben. Und bitte, wenn ich die Klassiker (ASW, ASuW, MW, AAW und EW) beherrsche, dann habe ich mit dem Modewort Asymetrie nun wirklich keine großen Probleme. Aber klingt halt nicht so schön. U-Boote und Minen sind seit jeher asymetisch eingesetzte Waffen. Aber das nur am Rande.
Die Ausplanung der Fähigkeiten nach Haushaltslage veranlasst viele Nationen dazu nun auf die Offshore Patrol Vessels (OPV) setzen. Nun haben diese OPV nur einen Bruchteil der Fähigkeiten die ein klassisches Marineschiff besitzt. Und das müssen sie auch gar nicht. Denn sie haben einen anderen Schwerpunkt als Aufgabe. Trotzdem neigen manche dazu sie für Aufgaben einzusetzen, als eigentlich gedacht. Spätestens wenn Surface to Surface Missiles (SSM) dazu kommen, ist ein OPV eigentlich kein OPV mehr. Viel zu offensiv. Das Thema Standkraft ist ein weiteres. Und wenn ich dann mir den Bereich der Signatur und Schockfestigkeit anschaue dann wird es kriminell.
Und nur weil Firmen wie ATLAS predigen, mit Missionscontainern ist die Welt wieder toll und mein OPV oder was auch immer ist flexibel für alles einzusetzen, muss das noch lange nicht stimmen. Denn das tut es nicht! Ein typischer Fehler. Nur der Trend ist überall, auch bei den Vertriebsnasen der Unternehmen, aber vor allem bei den Beschaffern zu sehen. Aber die machen ja eh das Gegenteil von dem, was Marinen spezifizieren bzw. fordern. Das BWB ist da keine Ausnhame.
Und das bringt mich nochmal zur K130 zurück. Ich wiederhole mich diesbezüglich gerne: Hier haben alle Dreck am Stecken. ALLE. Industrie, Marine und BWB.
@ NMWC
Ein wirklich guter Post :)
stimmt
@ NMWC
Nee Leute, das stimmt so nicht mehr.
Vor einigen Jahren hatte ich zwar auch so einige gruselige Erlebnisse an Bord mit den selbsternannten Erfindern der modernen Seekriegsführung. Aber mittlerweile ist dort ein erheblicher Generationswechsel zu bemerken. Vor allem muss man den DMB und die Kameradschaften unterscheiden. Bei letzteren muss ich dir großteils noch recht geben. Aber die alten herren sind mir immer noch lieber als die schnöseligen Wichtigtuer von der MOV…
@all
Zurück zur Braunschweig: Aus dem FlottenKdo hört man, dass der Schaden doch nicht so dramatisch sein soll. Das Boot soll planmäßig die Werft verlassen und der EAV für 2012 ist auch noch nicht gecancelt.
@Hannes
Habe jetzt mal auf die DMB-Facebook-Seite geschaut (gar nicht so einfach, es gibt nämlich mehrere, die unter dieser Flagge segeln…)
Die runtergeknallte Korvette hatten die auch erst gestern nachmittag aus den KN gebracht, und zwar später als der entsprechende Kommentar hier im Blog stand…
@mwk | 23. November 2011 – 15:25
Zitat: „Warum? Die 130er sind Ersatz für die Schnellboote, nicht für die 122er.“
Wie kann eine Korvette mit max. 26 Knoten ein Schnellboot mit max. 42 kn ersetzen???
@T.Wiegold
Jo, Frank Behling war diesmal der schnellste! ;-)
@Stefan
Ursprünglich waren Schnellboote mit Torpedos bewaffnet. Sie hatten eine hohe Geschwindigkeit um sich größeren Kriegsschiffen zu nähern, die Torpedos abzufeuern und zu entkommen. Mit heutigen Abstandswaffen ist diese Geschwindigkeit nicht mehr wirklich nötig. Außerdem waren die Gepard Klasse Schnellboote für die Küstenabwehr gebaut und sind daher wir heutige Einsätze nicht mehr wirklich geeignet. Man braucht statt dessen ein hochseetaugliches Schiff mit einer größeren Besatzung und längeren Einsatzzeiten.
Klar kann man sagen, dass Küstengewässer in Kriegen bedeutend werden. Aber dazu braucht man dann ein Schiff, dass man auch einfach dorthin verlegen kann. Nicht eines, dass eigentlich nur für defensive Aufgaben gedacht war.
Die Ersatzfrage kommt eher durch die geringere Anzahl der Schiffe Bedeutung