Zurück im Funkkreis – und was sonst noch so war….
Nach einer recht entspannten Woche versuche ich mal wieder aufzuschalten… und bedanke mich zunächst mal ganz herzlich bei den neuen Unterstützern von Augen geradeaus!, die in den vergangenen Tagen hinzugekommen sind – ob über einen Dauerauftrag oder über PayPal als EinzelUnterstüzer oder Abonnenten. Es bleibt noch ein langer Weg, bis dieses Blog irgendwie in den Bereich der Selbstfinanzierung vorstößt, aber jeder Schritt ist hilfreich!
Schon aus Eigeninteresse, quasi als Merkzettel, ein paar Dinge aus der zurückliegenden Woche, die von Bedeutung waren und vermutlich auch demnächst noch zum Nachschauen wichtig sind (wenn auch vermutlich unvollständig):
Zunächst mal, aus professioneller Sicht interessant: Nach der U.S. Navy und der U.S. Army haben jetzt auch die Marines ihr eigenes Social Media Handbook veröffentlicht. Lesenswert nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Diskussion über OpSec im Web 2.0.
Afghanistan.
Der 7. Oktober war der zehnte Jahrestag des – vor allem amerikanischen – Afghanistan-Einsatzes. Dieses Jubiläum (passt das Wort hier?) zusammen mit der in Deutschland an Fahrt aufnehmenden Diskussion über eine mögliche Truppenreduzierung und der Grundsatzfrage über Sinn und Erfolg nach zehn Jahren hat die Debatte bestimmt.
Unter anderem mit der Ankündigung der SPD, ohne deutsche Truppenreduzierung in einer substanziellen Größenordnung das nächste Parlamentsmandat abzulehnen.
Zum Thema Abzug/Reduzierung Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Brüssel mit dem mehrfach zitierten Vergleich, auf einen Baum raufzuklettern sei einfacher als runterzukommen, auch zum Anhören. Und im Stern-Interview.
Der Afghanistan-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Steiner, sagt im dpa-Gespräch, der Abzug der Kampftruppen bis 2014 sei endgültig. Allerdings weiß Steiner sehr genau, dass nicht so genau festgelegt ist, was in diesem Zusammenhang mit Kampftruppen gemeint ist.
Vor allem in der angelsächsischen Presse wird darüber spekuliert, ob die ganze Abzugs/Drawdown-Diskussion nicht die Vorbereitung für den Bürgerkrieg ist. Die Bürgerkriegsgefahr aus britischer Sicht. In Deutschland sieht als Prominentester der ehemalige Generalinspekteur und Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Harald Kujat, eine schnelle Machtübernahme der Taliban nach einem (Teil)Abzug 2014.
Ganz grundsätzlich fragt die FAZ: Was ist den Deutschen ein Krieg wert?
Und ein Nachtrag zum Jahr 2010: Nach einem Bericht des MDR-Magazins Fakt soll der Kommandeur der (deutschen) Quick Reaction Force gegen Einsatzregeln verstoßen haben. Das Ganze bleibt ein wenig mysteriös, und auch die Erklärung des stellvertretenden Sprechers des Verteidigungsministeriums am 5. Oktober, der den Bericht als Doku-Fiction bezeichnet, lässt manches im Unklaren:
FRAGE: Herr Dienst, das ARD-Magazin „FAKT“ hat gestern über ein von einem deutschen Offizier befohlenes Bombardement in Afghanistan berichtet, das es so der Bericht nicht hätte geben dürfen, weil gegen NATO-Einsatzregeln verstoßen worden sei. Das Ministerium hat diesen Bericht, wenn ich das richtig mitbekommen habe, bisher nicht kommentiert. Haben Sie heute eine Stellungnahme? Hat es diesen Vorfall gegeben, können Sie dazu etwas sagen?
DIENST: Wenn ich in diesem Zusammenhang das Wort Bombardement höre das ist natürlich dem investigativen Magazin geschuldet , dann kommt mir immer die Formulierung „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“ in den Sinn. Es ist so, dass die in der ARD-Sendung „FAKT“ genannten Vorhaltungen Gegenstand einer Eingabe eines Soldaten an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestag im Januar dieses Jahres waren. In der Eingabe ging es im Wesentlichen um den Verdacht der Nichteinhaltung von Einsatzregeln wie gesagt, des Verdachtes der Nichteinhaltung von Einsatzregeln. Die vorgebrachten Vorwürfe wurden umfassend untersucht. Im Ergebnis konnten die Behauptungen des Petenten in der vorgebrachten Form nicht bestätigt werden. Das Untersuchungsergebnis des BMVg wurde dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags im Mai mitgeteilt.
ZUSATZFRAGE: In dem Bericht wurde ein Soldat mit den Worten zitiert, es sei schon öfter zu ich sage es jetzt in meinen Worten falschen Befehlen durch deutsche Offiziere gekommen. Können Sie das bestätigen, liegen Ihnen entsprechende Erkenntnisse vor? Gibt es Zahlen dazu, wie oft so etwas vorkommt?
DIENST: Wir haben grundsätzlich immer Schwierigkeiten mit investigativen Magazinen, die Leute anonymisiert sprechen lassen, die Personen verdecken, die Stimmen verstellen und Ähnliches. Man kommt bei diesen Darstellungen vielleicht relativ schnell in den Bereich einer sogenannten Doku-Fiction das ist ja ein neueres Format, das angewandt wird. Da können Sie natürlich alles behaupten und erzählen, was Sie wollen, ohne dass es jemand gegenprüfen kann. Mit der Bemerkung will ich es bewenden lassen.
Hm. Ein Blick auf das Manuskript der Sendung – wohlgemerkt: ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen – legt nahe, dass da mehr war als die Eingabe eines Soldaten an den Wehrbeauftragten.
Piraterie.
Dass die Piraten Somalias mit kriminellen Aktivitäten zurück an Land gehen, ist für die Leser von Augen geradeaus! nicht so überraschend. Ganz offensichtlich sind jetzt aber die Touristengebiete im Norden Kenias so richtig im Visier – wie andere westliche Regierungen warnt auch das deutsche Auswärtige Amt:
Eine erhöhte Gefahr, Opfer von bewaffneten Überfällen und Entführungen zu werden, besteht in den nördlichen und nordöstlichen Landesteilen Kenias, in der Küstenregion nördlich von Malindi sowie auf den Straßen in die Nordostprovinz und die nördliche Küstenprovinz. Am 11. September 2011 wurden zwei britische Staatsangehörige in einer Ferienanlage nördlich von Lamu, nahe der Grenze zu Somalia, überfallen. Der Mann wurde getötet, die Frau augenscheinlich nach Somalia verschleppt. Am 1. Oktober 2011 wurde eine Französin von ihrem Privathaus auf Manda Island (gegenüber Lamu Island) von einer Gruppe entführt und vermutlich ebenfalls nach Somalia verschleppt. Beide Angriffe wurden auf dem Seeweg mit Schnellbooten durchgeführt. Häuser und Hotelanlagen mit direktem Meerzugang sind daher besonders gefährdet. Von Reisen in die genannten Gebiete, vor allem nach Lamu, wird aufgrund der aktuellen Lage derzeit abgeraten. Ebenso sollten Reisen, die näher als etwa 100 km an die somalische Grenze heranführen, vor dem Hintergrund einer Gefahr von Überfällen somalischer Banditen vermieden werden.
Die deutsche Fregatte Köln ist unterdessen heftig weiter vor der Küste Somalias aktiv. Ich bin gespannt, wie sich die Ankündigung des Force Commanders weiter auswirkt.
Ansonsten zu diesem Thema noch: Nimm das, Bundeswehr! Die Niederlande wollen im kommenden Jahr 50 (!) Vessel Protection Detachments (VPD) zum Schutz ihrer Handelsschiffe bereitstellen (die offizielle Mitteilung hier, die Gugel-Übersetzung hier). Zum Vergleich: Die Deutsche Marine stellt nach offizieller Auskunft durchhaltefähig zwei dieser VPDs.
Die Schifffahrtsindustrie erhöht unterdessen den Druck auf Regierungen, mehr gegen die Piraten vor allem am Horn von Afrika zu tun: Aktion SOS – Save our Seafarers. Samt dramatischem Video.
Kosovo.
Die gewalttätigen Ereignisse vom 27. September – seitdem scheint angeblich nichts mehr passiert zu sein? – wirken noch immer nach: Laut einem Bericht der serbischen Boulevardzeitung Blic http://english.blic.rs/News/8067/A-smuggler-led-attack wurden die Auseinandersetzungen von Kriminellen organisiert und gesteuert. Fast schon zu erwarten: Die Regierung in Belgrad widerspricht diesem Bericht.
(Nachtrag: Vergangene Woche hat KFOR-Kommandeur Erhard Drews der serbischen Agentur Tanjug dazu ein Interview gegeben; die englische Fassung gibt es unter anderem bei B92.)
Cyberwar.
Die Steuerung der amerikanischen Drohnen, nicht zuletzt der bewaffneten, ist nach einem Bericht der Kollegen von Danger Room von einem Virus befallen.
(Und nur der Vollständigkeit halber – es hat weder mit Verteidigungspolitik und äußerer Sicherheit zu tun, im engeren Sinne auch nicht mit Cyberwar, aber wichtig ist es allemal, was der Chaos Computer Club bei der Analyse des so genannten Bundestrojaners herausgefunden haben will und was der heutigen FAZ-Sonntagszeitung praktisch ihr ganzes Feuilleton Wert ist. Wenn das so stimmt, haben wir berechtigterweise eine sehr lustige Debatte über den Missbrauch der Instrumente innerer Sicherheit.)
Noch ein Jahrestag: am 7. Oktober 2010 ist der San Fw der Seedorfer FschJg OFw Florian Pauli gefallen in AFG. Er ist nicht vergessen!
Was Save Our Seafarers angeht, so ist die Seite schon länger im Betrieb und hat auch beim diesjährigen Day of the Seafarer mitgemischt. Da ist auch der Thinktank Oceans beyond Piracy beteiligt. Insgesamt gute Aktionen. Derzeit versuchen verschiedene Initiativen die Antipirateriekampagnen auf einander abzustimmen und zu bündeln. Ähnlich wie bei der Planung der Aktionen durch ‚viele Köche‘ bleibt auch hier zu hoffen, dass es eine zeitnahe Überorganisation der Anti Piraterie PR gibt. Die deutsche Medienlandschaft beschränkt sich nämlich leider auf den sehr zurückhaltenden VDR und selbst IMB oder IMO kommen bei Meldungen eher selten zu Wort.
und ich dachte sie hätten Urlaub gemacht…
@Sebastiabn
Hab‘ ich doch, das Blog eine Woche nicht angefasst ;-)
Mir ist neu dass es am 19.10.2010 noch eine QRF gab. Haben die die Mörser aus dem Flugzeug abgeworfen, weil hier ja was von „Bombardement“ gesagt wird?
German Drone Crashes in Northern Afghanistan
http://english.farsnews.com/newstext.php?nn=9007160034
Sehr gutes update zum Thema Piraterie!
Aber warum werden bei den vor Ort befindlichen Kräften immer nur die Fregatten genannt? Ich denke, dass es sehr wichtig zu erwähnen ist, dass die Marine auch mit ihrem Seefernaufklärer P-3C Orion vor Ort ist, der sicherlich hier und da einige Lücken schließen kann…
Die „Fakt-Geschichte“ über das vermeintliche ROE-widrige Bombardement der QRF5 in Afghanistan zeigt einmal mehr das Dilemma der Bundeswehr als Armee im Gefecht. Unsere Kameraden müssen Krieg führen, während diejenigen, die unsere Kameraden in diese (umgangssprachlichen) Kriege schicken, im tiefsten Frieden auf den nächsten Wahlkampf hinarbeiten und die Schwerpunkte der Operationsführung bei Mülltrennung, Abgassonderuntersuchungen und gegenderten Vorschriften zu liegen scheinen. Gut, daß es noch entschlossene Kommandeure gibt, die nicht dem Irrglauben unterliegen, Gefechte oder gar umgangssprachliche Kriege ließen sich mit RechtberaterInnen und VerwalterInnen gewinnen. Und es ist gut, daß man von höchster Seite entschlossene (und dadurch im Gefecht erfolgreiche) Kommandeure dann auch entsprechend auszeichnet. JPW
Konsultieren die Alliierten eigentlich auch immer einen Rechtsberater, bevor scharf geschossen wird ?
@EK:
Ganz klar: JA, zumindest bei Luft-Boden bzw. Angriffen jenseits einer akuten Verteidigung!
@JPW: das ist wieder ein klassischer Fall von „Wenn man keine Ahnung hat…“
Der Kommandeur musste kein Gefecht führen, der wollte nur einfach was kaputt machen, vielleicht hätten Sie sich doch einmal mit der Geschichte auseinander setzen sollen.
Es ging hier zu keinem Zeitpunkt um eine akute Gefechtssituation.
Insofern finde ich die Kommentare auf Welt auch hier mal wieder unterirdisch – ja „scheiss Bürokraten“ mal wieder. Ich habe eher das Gegenteil erlebt im Einsatz, soll heißen „go“ vom Rechtsberater und Kommandeure die trotzdem Kneifen.
Auf jeden Fall eine Sache, zu der man sich nicht äußern sollte, wenn man nur eine Meinung hat und eben nicht die Fakten, diese zu hinterlegen, geschweige denn den Willen, auf die Geschcihte, wie sie bei Fakt geschildert wird, einzugehen
[Jetzt haben wir ein technisches Problem – nämlich zwei Kommentatoren, die mit „V“ zeichnen, aber offensichtlich unterschiedlich sind. Können Sie bei weiteren Kommentaren bitte ein anderes Kürzel/Pseudonym wählen, weil schon ein V vor Ihnen da war? Danke, T.W.]
@T.W.
aber natürlich…