Militärischer Schutz für Hilfe gegen Hunger in Ostafrika?
Noch ist nicht klar, ob es wirklich eine Diskussion wird – aber man sollte ein Auge darauf haben: Angesichts des Ausmaßes der Hungersnot in Ostafrika und der Probleme, die Hilfe zu den Hungernden zu bringen, sind die ersten Forderungen nach einer militärischen Absicherung von Hilfslieferungen zu hören. Vor allem deshalb, weil offensichtlich die islamistischen Milizen in Somalia trotz der katastrophalen Situation die Hilfe behindern und/oder versuchen, ihren Schnitt dabei zu machen.
Bundeswehr soll in Ostafrika helfen – Hannoversche Allgemeine Zeitung
Somalia helfen, notfalls militärisch – Zeit Online/Tagesspiegel
Nun gibt es natürlich schon eine militärische Mission, nämlich die African Union Mission in Somalia (AMISOM), die sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um genau so eine Hilfe bemüht.
Und der Westen steht auch 18 Jahre später noch unter dem Eindruck von Blackhawk down: Die Ansätze der Operation Restore Hope, die im Chaos endeten. Der damalige Ansatz: to create a protected environment for conducting humanitarian operations in the southern half of Somalia.
Vor diesem Hintergrund wird sich natürlich die Frage stellen: Gibt es Länder, die nicht nur in der Lage wären, zur Unterstützung der Hungerhilfe militärisch zu intervernieren – sondern dazu auch willens sind?
Archivbild: Ein Bundeswehrsoldat mit somalischen Kindern in Belet Weyne (Foto: DefenseImagery via Wikimedia Commons)
@sd
„….selbst in islamischen Laendern ist die Religion in die Defensive geraten. “
Wo genau soll das der Fall sein? Ich habe den gegenteiligen Eindruck: Von Ägypten über die Türkei bis Indonesien wird die religiöse Stimmung jedes Jahr ein Stück islamisch-konservativer, so wie außerhalb Europas häufig als Reaktion darauf evangelikales Christentum immer größeren Einfluss gewinnt.
„In Afrika und auch zunehmend in Suedamerika wird der akademische theologische Unterbau weitgehend Ignoriert im besten fall und abgelehnt im schlimmsten Fall.“
Wer repräsentiert denn das „wahre“ Christentum? Der marxistische südamerikanische Befreiungstheologe, die ökofeministische deutsche Bischöfin oder der synkretistische, charismatische afrikanische Prediger? Sie alle finden in der Bibel, was sie gerade brauchen. Anständige Menschen sind unabhängig davon kaum zu verderben und finden in jeder Weltanschauung das, was sie brauchen, um in einer zynischen Welt an dem festzuhalten, was sie für richtig halten.
„Vergegenwaertigen sie sich doch nur einmal was fuer ein verantwortungsloer Zuendler man sein muss, wenn man in Afghanistan oder Indonesien eine christliche Missionstaetigkeit aufnimmt.“
Ich bin kein Christ mehr, habe aber unabhängig von deren weltanschaulichen Positionen einen gewissen Respekt für jene Christen, die ihre pazifistische Religion so ernst nehmen, dass sie für sie kompromisslos ihr Leben aufgeben. Ein sehr bewegender Film dazu, der auf einem realen Vorfall in Algerien beruht: http://www.freerepublic.com/focus/f-religion/2520767/posts
Dass christliche Mission so häufig mit Gewalt beantwortet wird, sollte von Menschen, die Toleranz als höchste Tugend betrachten, eigentlich nicht als Argument gegen das Christentum betrachtet werden, sondern als Argument gegen die Täter, deren Weltanschauung so schwach zu sein scheint, dass sie sie nur mit Gewalt verteidigen können.
“….selbst in islamischen Laendern ist die Religion in die Defensive geraten. ”
hier hab ich mich falsch ausgedrueckt, ich meinte den Islam. Unter Druck geraten waeren vermutlich auch ein besserer Ausdruck. Zum einen durch die verlockungen der modernen Konsumgesellschaft und Saekularisierung.
Orontes: „Wer repräsentiert denn das “wahre” Christentum? […]“
Oh, ueber so etwas denke ich garnicht nach, das ist nicht die Frage fuer mich. (fuer mich persoenlich ist alles gleich bloedsinnig) Wesentlich sind zwei Fragen fuer mich: Welche Gruppe akzeptiert das Primat der Politik und die Prinzipien eines laizistischen Staates. Vor wem muss ich mich in Acht nehmen.
„Ich bin kein Christ mehr, habe aber unabhängig von deren weltanschaulichen Positionen einen gewissen Respekt für jene Christen, die ihre pazifistische Religion so ernst nehmen, dass sie für sie kompromisslos ihr Leben aufgeben.“
Unabhaengig von der Intention, wenn Uebel daraus resultiert, kann ich keinen Respekt fuer deren Selbstaufopferung haben. Ich zweifel ja garnicht daran, dass sie ihre religion fuer pazifistisch halten und sehr friedliebend sind. Die Konsequenzen sind es nicht. Missionierung hat fast immer zu einer Polarisierung und religioesen Konflikten gefuehrt. Es ist auch gerade das letzte was man gebrauchen kann, Munition fuer die Kreuzfahrer Propaganda des fundamentalistischen Islam, bzw Nahrung fuer die latente Angst der muslimischen Gesellschaften vor Aufloesung.
Weil es grad so schoen auf die Misionare passt, Pascal (nicht woertlich): Alles Unglueck faengt damit an, dass die Menschen nicht daheim bleiben koennen.
@sd
„Missionierung hat fast immer zu einer Polarisierung und religioesen Konflikten gefuehrt.“
Wer eine Überzeugung hat und diese nicht versteckt, muss Polarisierung in Kauf nehmen. Ich fühle mich als Agnostiker jenen religiösen Menschen, die ihre weltanschauliche Position klar bekennen, grundsätzlich näher als unserer sterilen Konsensgesellschaft, die in ihrer totalitären Toleranz jegliches Bekenntnis verurteilt. Der fundamentale Christ oder Muslim ist allemal ehrlicher als die identitätslose dekadente Leere, welche unsere Gesellschaft dominert, und deren „Weltoffenheit“ und „Toleranz“ ohnehin meist nur geheuchelt sind und keinen wirklichen Widerspruch verkraften.
@Orontes: Was genau ist der Unfug? Und ich habe mir meine Texte nochmal durchgelesen: Der Begriff „schuld“ taucht darin nicht auf. Aber ich will Sie nicht bei Ihren Abgrenzungsversuchen irritieren, und während Sie Recht haben, macht der Rest der Welt anderen Mist.
@Sun Tzu
Zudem hat es auch etwas von Kolonialismus, wenn wir mit unseren Wertvorstellungen, was zB Humanität und Menschenrechte angeht, den in Somalia üblichen Naturrhythmus aus Leben und Sterben und dem Recht des Stärkeren durchbrechen.
Mit Verlaub, dieses „Bandenkriege liegen halt in der Natur des Afrikaners“ mieft geradezu nach der Geisteshaltung des Kolonialismus.
Zum AMISOM-Engagement gab es vor einigen Tagen einen recht interessanten Artikel (wurde hier im Blog ja bereits verlinkt): „We are winning in Somalia“. Derzeit sind wohl 9000 AU-Truppen im Land, die angeblich auf 12000 aufgestockt werden. (Hintergrund sind da wohl die Al-Shabab-Anschläge in Kampala, der Haupstadt Ugandas.)
Zur Natur der Hungersnot gab es einen interessanten Kommentar in der Zeit: „Die Hungersnot ist ein Verbrechen“. Fazit: Die Staatengemeinschaft hat zwar versagt, und auf deutliche Hinweise nicht reagiert. Aber die Hauptschuld liegt immer noch bei den Islamisten. Denn ohne das Zutun der Herrschenden ist eine Hungersnot heutzutage nicht möglich.
@Sascha Stoltenow
„Was genau ist der Unfug? Und ich habe mir meine Texte nochmal durchgelesen: Der Begriff “schuld” taucht darin nicht auf. Aber ich will Sie nicht bei Ihren Abgrenzungsversuchen irritieren, und während Sie Recht haben, macht der Rest der Welt anderen Mist.“
Ich bezog mich auf Ihre Aussage (unter Verweis auf Ziegler), derzufolge „wir auch eine Mitverantwortung haben“. Ziegler machte diese Verantwortung ja tatsächlich an einer „Schuld“ fest, und zwar wegen der gestiegenen Nahrungsmittelpreise, die als wichtigster Faktor dargestellt werden, der Somalia an wirksamer Krisenvorsorge hindere. Warum ich das für „Unfug“ handele, habe ich versucht zu erklären.
Was den gemutmaßten „Rest der Welt“ und dessen Position angeht, so halte ich dessen Heranziehung für ein bloßes rhetorisches Mittel. Wenn tatsächlich eine Mehrheit Zieglers Argument folgen würde, welches impliziert, dass es in Somalia einen funktionierenden Staat oder ähnliche Strukturen gibt, die nur durch Nahrungsmittelpreise am Handeln gehindert werden, so würde sich diese Mehrheit eben irren.
Ihr Argumentum ad Populum (Berufung auf Mehrheiten als Argument) ist übrigens ein anerkannter logischer Fehlschluss, dessen Anwendung den Verwender in einer ernsthaften Diskussion automatisch disqualifizieren würde. In der real existierenden deutschen Diskussionskultur muss man sich aber wohl damit abfinden, das auch zu solchen Mitteln gegriffen wird.
@Orontes: Dann trennen wir doch am besten a) zwischen Ziegler und Stoltenow und
b) unterscheiden, ob ich mich auf Mehrheiten berufe (ich tue das nicht) oder ob ich wahrnehmbares – was meistens medial vermitteltes ist – Handeln beschreibe.
Gibt es eigentlich konkrete Vorstellungen darüber, wie eine militärische Absicherung von Hilfslieferungen überhaupt durchgeführt werden soll/kann?
Ich stelle mir gerade vor, wie eine hungrige Menschenmenge einen Lkw voller Nahrungsmittel umdrängt (oder -eher unwahrscheinlich- schön geduldig in einer langen Schlange ansteht) und mittendrin sprengt sich jemand in die Luft, nur um zu zeigen „Ihr könnt keinen Schutz bieten“.
Da stellt sich mir die Frage, wie man so einen Vorfall verhindern will (wie die deutsche Öffentlichkeit reagieren würde, kann ich mir deutlicher vorstellen). Schließlich kann man zigtausende hungernder Menschen ja keinem body-check unterziehen, bevor sie ihr Essen erhalten (theoretisch schon, aber würde ich an deren Stelle mitmachen? -Nein).
Klaus Töpfer, einst UN-Umweltdirektor, fordert den Einsatz von UN-Truppen (was auch immer das bedeuten mag):
http://www.bild.de/news/standards/bild-kommentar/un-truppen-nach-somalia-19143834.bild.html
Rupert Neudecks Vorschlag, die Lebensmittel abzuwerfen, erscheint mir da sinnvoller.
Gibt es auf seiten der Al Shabab erwaehnenswerte luftabwehr? Beim Abwerfen von Ladung kann vieleicht schon eine ZSU gefaehrlich werden?