„I should never take war as normal“
Die Fotografin Anja Niedringhaus ist hier im Blog keine Unbekannte – ich habe schon mehrfach auf Ihre Bilder aus Afghanistan und bei anderen Einsätzen verwiesen.
Deshalb verweise ich auch gerne auf Anjas Interview mit der BBC – zu ihren ersten Konflikt-Erfahrungen als Fotografin auf dem Balkan. Das eine Menge über den Umgang einer erfahrenen Fotojournalistin aussagt (und ganz nebenbei deutlich macht, wie sich die Technik der Berichterstattung in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert hat).
„“The day I enter a war zone and think it is normal is the day I will stop covering wars.““
Und wenn Sie noch eine Schritt offener wäre, würde sie vielleicht zugeben, dass sie die Gefahr und den Ausnahmezustand mag und sie eventuell sogar davon abhängig geworden ist. Hätte sie das jedoch zugegeben, dann wäre es aber vermutlich von der BBC nicht berichtet worden. Man hört es in der Öffentlichkeit eben lieber, wenn man solche Gefühle hinter einer quasi-humanitären Maske verbirgt und so tut, als würde man aus Mitgefühl mit den armen Menschen vor Ort so handeln, auch wenn man an deren Situation überhaupt nichts ändert.
@Orontes
Kennen Sie Frau Niedringhaus persönlich, dass Sie sich dieses Urteil über Sie erlauben können?
@jugendoffizier
Ich schrieb bewusst im Konjunktiv, meine aber, die Szene der Krisenjunkies gut genug zu kennen, um in ihren Worten bestimmte Dinge wiederzuerkennen. Zudem habe ich ihr ja nur positive Motive unterstellt, indem ich ihren fimschigen Altruismus als Maske identifizierte. Viel schlimmer wäre es doch, wenn sie so etwas nach Jahren der Erfahrung in der realen Welt wirklich glauben würde!
Es gibt ähnliches übrigens auch bei Soldaten: Man weiss genau, welche Äußerungen zu den eigenen Motiven sozial erwünscht sind und welche nicht. Natürlich sind Infanteristen des Bundeswehr im Interview z.B. nur deshalb in Afghanistan, um den armen afghanischen Frauen und Kindern etc. eine Perspektive zu geben usw. Wenn man so etwas hört, sollte man sich stets fragen, warum die betreffende Person dann nicht den direkten Weg geht und z.B. als Sozialpädagoge arbeitet. Es muss da also noch einen anderen Faktor geben, der aber meist unausgesprochen bleibt.
So betrügt sich unsere Gesellschaft laufend selbst: Sie will Soldaten, die keine Soldaten sein dürfen, weshalb sich soldatische Strukturen in der Bundeswehr vorwiegend im Untergrund bewegen. Immerhin wird derjenige, der ein gefährliches Leben sucht, noch geduldet, solange er nach Außen hin brav so tut, als sei er in Wirklichkeit ja nur wegen des kostenlosen Studiums oder der armen afghanischen Kinder dabei. Don’t ask, don’t tell!
@Orontes: agree. Kann man so auch auf viele Leute im rettungspersonal umbrechen. Zu sagen man wurde Not-/Arzt wegen dem Kick, dem Adrenalin, der Situation… Das würde OttoNormal nicht verstehen… Lieber sagt man, um den lieben Menschen zu helfen, um gutes zu tun…
@Orontes
Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich wollte nur wissen, ob Sie Urteil aus persönlichen Gesprächen mit Frau Niedringhaus fällen oder nur auf Grundlage des Artikels.
Ich durfte Sie persönlich kennen lernen und ich denke nicht, dass Sie zu den „Krisenjunkies“ gehört. Sie arbeitet nicht nur in Krisengebieten und ihre Arbeit wirkte auf mich sehr professionell.
Eine humanitäre Maske trägt sie ganz sicherlich nicht – da schätzen Sie die Frau falsch ein.
Falls Sie aktiv in der Truppe sein sollten und Sie persönlich eine „Tour“ in Afghanistan erleben, könnten Sie Frau Niedringhaus durchaus persönlich kennen lernen und Ihr Urteil überprüfen.
„I love the smell of Napalm in the morning“
@jugendoffizier
Vielen Dank, da habe ich wohl zuviel in die Worte der Dame hineinterpretiert…..
“I should never take war as normal”
Das möchte ich erweitert sehen: We should never take war as normal.
stimmt b
@b & jetflyer: Nein. Bewaffnete Konflikte sind Teil der Menschheit und global betrachtet Normalität.
@ nico „bewaffnete Konflikte sind Teil der Menschheit..“ Das ist wahr, aber nicht richtig (E. Kästner), deshalb haben b & jetflyer nicht unrecht.
@Nico
So ist es leider. Und wer beruflich mit dem Thema zu tun hat, fährt m.E. gut mit der Einstellung, dass er früher oder später mit dieser Realität konfrontiert werden wird und mit ihr auch über längere Zeiträume zurechtkommen muss. Eine stoische Haltung, die akzeptiert was man ohnehin nicht ändern kann, macht den Einzelnen möglicherweise belastbarer. Menschen mit Helfer- und Rettersyndrom, die sich durch alles emotional mitnehmen lassen, halten dies m.E. nur begrenzt durch.
Auch für Zivilisten könnte die Einstellung, dass das Ende der Geschichte noch nicht erreicht wurde und Frieden und Wohlstand Anomalien zwischen den Krisen und Kriegen sind, noch hilfreich sein.
@Steiner: Zwischen dem was sein sollte und dem, was ist, liegt wie so oft auch hier ein deutlicher Unterschied. Das kann man finden wie man will, es ist nun mal so.
@Orontes: Ja. Wieder einmal bringen Sie die Sache auf den Punkt.
„Das kann man finden wie man will..“
Die Kluft zwischen Anspruch (dem wie es sein sollte) und Wirklichkeit (dem wie es ist) ist mir absolut bewußt. Diese Kluft zu spüren und zwar deutlich zu spüren, bis zur Schmerzgrenze (!), halte ich für nicht beliebig, sondern für (über-)lebenswichtig.
Auch ich war einmal zu der Auffassung gelangt, Friede sei ein Glücksfall, Konflikt und Krieg die Regel. Bis mir eines Tages klar wurde, daß diese Auffassung nicht Reflektion sondern Ursache dieser Wirklichkeit ist.
Niemand kann ernsthaft bestreiten, daß Streit und Kampf natürliche Phänomene sind, ebenso wie Versöhnung und Frieden. Beides sind zwei Seiten derselben Medaille und bedingen einander. Deshalb ist es wichtig, die Spannung zwischen dem was ist und dem, was sein könnte zu spüren, sie auszuhalten. Nur so kann ich angemessen handeln. Oft, aber eben nicht immer kommt es darauf an, schneller zu schiessen. Manchmal ist es richtig, nicht zu feuern.
Weder der „ewige Friede“ noch der „ewige Krieg“ ist Realität, sondern der stete Wechsel. Wer sich im Frieden der Möglichkeit des Krieges bewußt ist, wird achtsamer handeln, ebenso der, der im Krieg nicht vergißt, daß Versöhnung möglich bleiben muß. Besser kann ich es hier nicht ausdrücken.
Wer ein praktisches Beispiel möchte, kann ja mal bei wikipedia „Leutnant Friedrich Lengfeld“ eingeben. Dessen Grabstein steht in meiner Heimatgemeinde Hürtgenwald.
Ich kenne den Grabstein, stand selber schon davor. Und ich erinnere mich daran, wie mir mein Großvater diese Geschichte erzählte, als ich noch ein Kind war. Damals konnte ich die Beweggründe nicht verstehen, weil ich noch zu klein war. Später konnte ich sie nachvollziehen, und konnte und kann jetzt auch immer noch nur mit dem Kopf schütteln angesichts dessen, was dieser Leutnant getan hat.
Manchmal ist es richtig, nicht zu feuern, da haben Sie recht. Aber man sollte nie in die Position kommen, die Fähigkeit zu feuern zu verlieren, aus welchen Gründen auch immer. Das ist der Untergang.