Biometrie in Afghanistan? Kein Problem.

Da hätte man doch fast den Eindruck bekommen können, deutscher Datenschutz verhindere biometrische Erfassung und Überprüfung afghanischer Arbeitskräfte in den deutschen Feldlagern in Afghanistan. Weil es doch schien, dass die Bundeswehr im ISAF-Einsatz nicht an einem von den USA gestarteten Programm zur biometrischen Erfassung der afghanischen Ortskräfte mitmachen dürfte. Dem Verteidigungsminister ist das übrigens wichtig, er hat da – in einem Interview – Handlungsbedarf gesehen.

Aber am Datenschutz liegt es doch gar nicht, sagt mir das Bundesministerium der Verteidigung:

Einer Teilnahme der Bundeswehr am ISAF Biometrics Plan stehen keine rechtlichen Bedenken entgegen. Rechtsgrundlage des DEU Einsatzkontingentes ISAF zur Anwendung der entsprechenden ISAF-Regeln ist Art. 24 Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem entsprechenden völkerrechtlichen Mandat und dem Mandat des Deutschen Bundestages. Daneben sind nationale Regelungen zu beachten, soweit ihr Anwendungsbereich eröffnet ist. Hinsichtlich des Bundesdatenschutzgesetzes ist dies gegenüber Ausländern im Ausland grundsätzlich nicht der Fall.

A member of the Provincial Reconstruction Team uses the Handheld Interagency Identity Detection Equipment (HIIDE) to store biometric information of the Road Maintenance Team (RMT) workers at Forward Operating Base Kutschbach, Kapisa Province, Afghanistan, 30 March 2010. (U.S. Army photo by Staff Sgt. Horace Murray via ISAFmedia/flickr unter CC-Lizenz)

Also: Das Bundesdatenschutzgesetz gilt für Ausländer im Ausland nicht. Eigentlich logisch. Trotzdem, die Frage bleibt: hat die Bundeswehr seit gut einem Jahr die Beteiligung an diesem ISAF Biometrics Plan unterlassen, weil es rechtliche Bedenken gab? Genau danach hatte ich das Verteidigungsministerium gefragt – und darauf leider keine Antwort bekommen. Sondern eher allgemeine Aussagen zu dem Programm:

Auf amerikanische Initiative hat die International Security Assistance Force (ISAF) im Jahre 2010 mit der automatisierten Erfassung, Speicherung und Auswertung biometrischer Daten (ISAF Biometrics Plan) begonnen. Unter anderem zum Zweck der Zutrittskontrolle für Liegenschaften und der damit verbundenen Verbesserung des Schutzes eigener Kräfte sollen demnach Kräfte der ISAF auch von den in den Liegenschaften der ISAF angestellten Ortskräften biometrische Einzelmerkmale (i.d.R. Fingerabdrücke, Gesichtsgeometrie und Irisbild) erfassen. Der ISAF Biometrics Plan eröffnet somit verbesserte Möglichkeiten, Personen zu identifizieren und ihre Beteiligung an Angriffen gegen ISAF und die afghanischen Sicherheitskräfte nachzuweisen bzw. im günstigsten Fall ausschließen zu können. Aus diesem Grund beabsichtigt das Bundesministerium der Verteidigung, das deutsche Einsatzkontingent ISAF am ISAF Biometrics Plan aus operativen Gründen teilnehmen zu lassen.

Der ISAF Biometrics Plan sieht zunächst die datenbankgestützte Auswertung und den Abgleich der erhobenen Daten in nationalen Datenbanken der USA vor. Die Bundeswehr wird biometrische Daten in die entsprechenden Datenbanken mit der Maßgabe einbringen, dass sie nur zum Zwecke der ISAF-Mandatserfüllung verwendet werden.
Unter Berücksichtigung der ISAF-gemeinsamen Zielsetzung stellen die USA den beteiligten ISAF-Partnern die zur Erfassung der biometrischen Merkmale erforderliche Geräteausstattung zur Verfügung.

Da bin ich gespannt. Die amerikanischen Soldaten speisen das in die nationalen Datenbanken der USA ein. Aber verwendet werden dürfen die Daten nur, sagen die Deutschen, für ISAF-Zwecke. Nicht etwa dafür, dass die CIA oder eine andere US-Behörde darauf Zugriff hätte. (Vielleicht war das der Grund für das deutsche Zögern, das es offiziell ja gar nicht gab.)

Ich erinnere mich übrigens noch an die Aussage in der Bundespressekonferenz vom 3. Juni:

Wir brauchen die Teilnahme an diesem System auch, wie der Minister das in der jüngsten Vergangenheit mehrfach ausgeführt hat. Bisher standen dem durchaus datenschutzrechtliche Bedenken entgegen, die aber ausgeräumt sind. Wir hoffen, dass jede Stunde das entsprechende Memorandum of Understanding mit den Amerikanern gezeichnet werden kann, sodass wir an diesem Prozess teilhaben können.

Jede Stunde ist halt ein dehnbarer Begriff. Bis zum (gestrigen) 14. Juni war es jedenfalls noch nicht unterzeichnet.

Doch nicht etwa deswegen, weil die Bundeswehr sich derzeit mit Hochdruck bemüht, das Rad noch schnell selbst neu zu erfinden? Zwar werden künftig in Afghanistan bei ISAF, siehe oben, die US-Geräte verwendet. Aber das kann doch das deutsche Militär nicht ruhen lassen.

Zufällig geriet ein Rundschreiben einer Wehrtechnischen Dienststelle an Unternehmen der Rüstungsindustrie in meine Hände – darin fragt die Behörde, wer vielleicht sowas bauen mag:

Es wird ein mobiles System zur Erfassung,  Bearbeitung  und  zum Umgang mit biometrischen Daten gefordert, welches  auch  den  Merkmalvergleich  mit bereits vorhandenen biometrischen Daten  leisten  kann.  Dieses soll sich im Wesentlichen aus den Komponenten Messwertaufnehmer  (Sensor),  Merkmalsextraktion   und Merkmalsvergleich zusammensetzen.  Ferner  wird  ein  mobiles Sensorsystem gefordert, welches militärisch  relevante  Zielpersonen entdecken, erkennen und identifizieren können  soll. Festgelegte Gebiete sind damit auch über längere Zeiträume zu überwachen,  bewegliche Zielpersonen sind mit der Qualität „Identifizieren“ zu erfassen.

Hauptsache was Eigenes? Übrigens, deutsche Unternehmen – nicht aus dem Rüstungsbereich – arbeiten schon länger an dem Thema Biometrie. Da gibt’s bestimmt was am Markt. Aber vermutlich nicht in oliv.