PTBS – die Dunkelziffer
Wie viele deutsche Soldaten wirklich von Post-Traumatischen Belastungsstörungen nach einem Auslandseinsatz betroffen sind, ist nicht wirklich klar – und teilweise umstritten. Am kommenden Mittwoch gibt es vielleicht ein wenig mehr Klarheit, wenn Hans-Ulrich Wittchen von der TU Dresden im Bundeswehrkrankenhaus Berlin die Studie mit dem sperrigen Namen Prävalenz und Inzidenz von traumatischen Ereignissen, posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen psychischen Störungen bei Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz vorstellt.
Ich gehe da hin und empfehle vorerst dringend zum Lesen eine Geschichte des Kollegen Marco Seliger über einen PTBS-Betroffenen: Im Frühling kam der Tod. Darin wird die Studie aus Dresden bereits erwähnt: Nach Bundeswehrangaben wurden seit 1996 mehr als 2200 Soldaten mit PTBS behandelt. Die Dunkelziffer liegt laut einer Studie der TU Dresden doppelt so hoch.
100 Prozent Dunkelziffer? Das dürfte Auswirkungen haben.
Ich empfehle dringend, alle betroffenen Soldatinnen/Soldaten – also nach Gefechtsbeteiligung mit erlebten Personenschäden – sofort (quasi präventiv) als schwerbehindert i.S.d. Sozialgesetzbuch IX mit einer Heilungsbewährung (!) einzustufen (mit GdB 50%). Nur so können die erforderlichen Behandlungen/Therapien ggf. auch durch Stellen ausserhalb der Bw veranlasst und durchgeführt werden und die Betroffenen werden nicht unter dem Damoklesschwert der „Dienstunfähigkeit“ geführt.
Eine lediglich intern als Wehrdienstbeschädigung qualifizierte „Erkrankung“, um die man sich dazu auch noch nahezu selbständig kümmern muss, reicht in keinem Fall aus.
Strenggenommen besagt die zitierte Aussage, daß das Dunkelfeld sogar 200 % des Hellfelds ausmacht: 2200 im Hellen, doppelt so viele, also 4400, im Dunkeln, macht zusammen 6600.
Allerdings schätze ich die Möglichkeit, daß es sich um einen Formulierungsfehler handelt, als relativ groß ein. Schlechte Erfahrungen mit „dem Journalisten an sich“ und Mathematik. ;-)
Die Studie ist schon wichtig und ich denke auch das die 100% Dunkelziffer nicht aus der Luft gegriffen sind…sind einige die nicht darüber reden wollen und andere sehen es immernoch als Makel an einen Psychologen aufsuchen zu müssen. Bin aktuell ebenfalls bei der Studie als Interviewer dabei und da sieht man es schon häufiger…
Zum empfohlenen Beitrag „Im Frühling kam der Tod“ aus der FAS stellen sich mir ein paar Fragen:
Im Artikel heißt es über den an posttraumatischer Belastungsstörung leidenden Hauptgefreiter Huhn: „Mit diesen Händen hat er 23 Menschen erschossen, jeden einzelnen, sagt er, habe er gezählt.“
Ist diese Zahl denn -unabhängig von einer möglicherweise krankheitsbedingten Wahrnehmungsstörung des Betroffenen – realistisch ? Können aktive Soldaten dazu etwas sagen ?
Journalist Seliger schreibt dann über den Tod eines Soldaten ( Sergej Motz): „Motz war Maschinengewehrschütze in einem Transportpanzer, Version 1A4, ungepanzert. … Die Panzerfaust bohrte sich nicht nur durch den Stahl des „Fuchs“ sondern auch durch die Schutzweste und den Körper von Motz“ … „Ungepanzert, das ist doch unfassbar“ brüllt Huhn.“
Ein ungepanzerter TransportPANZER ? Der Fuchs ist in der Version A4 (STANAG 4569 Level1) meines Wissens nach gegen Handwaffen gepanzert, in der Version A7/A8 verfügt er über eine Zusatzpanzerung, die aber nicht gegen Panzerfaustbeschuss ausgelegt ist (STANAG 4569 Level 4 oder 4+). Dies hätte Herr Seliger ergänzen sollen.
Kleine Ungenauigkeit am Rande: An anderer Stelle schreibt Seliger, dass nach einem Gefecht mit 3 Gefallenen (ertrunken im „Fuchs“ bei Sturz in einen Wassergraben) ein Kompaniefeldwebel, der glaubte dass die Verluste durch Fehler von Vorgesetzten entstanden seien, fast überreagiert hätte:
„Die haben meine Jungs auf dem Gewissen“, zürnte der Kompaniefeldwebel in jener Nacht, hatte schon seine Pistole geladen und sich auf den Weg gemacht. „Ich bringe sie um!“. Nur mit Mühe konnten sie ihn aufhalten, ihn beruhigen und den Revolver abnehmen.
Hier verwandelt sich auf wundersame Weise eine Pistole in einen Revolver.
Gibt es eigentlich Zahlen von PTBS aus (kämpfenden) anderen Einsatzarmeen (bspw. USA)?
Hinweise zu Studien, Artikeln oder wissenschaftlichen Arbeiten, gerne auch aus dem Ausland.
@Hohenstaufen
Der Beitrag von Herrn Seliger bzw. die Darstellungen des HG Huhn enthalten einige Unstimmigkeiten. Überhaupt passt der Stil des Artikels nicht zur Qualität, die Seliger m.E. ansonsten liefert,und man sollte m.E. bei Traumatisierungsgeschichten vorsichtig sein. Manch SelbstdarstellerIn hat hier schon die Medien in die Irre geführt, auf Kosten der wenigen tatsächlich betroffenen Kameraden.
Einige der Unstimmigkeiten wurden ja bereits angesprochen („ungepanzerter Panzer“ etc.).
Der HG wird darüber hinaus den PzGrenBtl 391zugeordnet, der öffentlich bekannte und angeblich mit ihm eingesetzte Sergei Motz war aber beim JgBtl 292. Das ist zumindest auffällig.
Was feindliche Verluste in infanteristischen Gefechten mit Bw im angegebenen Zeitraum angeht, so lagen diese während des erwähnten Kontingents geschätzt in ihrer Größenordnung vielleicht ungefähr in dem Bereich, den der HG alleine vernichtet haben will. Wenn man die Verluste nur annähernd auf die Zahl der eingesetzten Infanteristen hochrechnet, kommen auf jeden Fall vollkommen unplausible Zahlen dabei heraus, die die Bundeswehr auch bei schärfster Zensur nach innen niemals hätte unterdrücken können.
@ dk meines wissens wurde so eine ähnliche Studie in den USA und in Israel durchgeführt…aber da müsste ich erst suchen um das zu finden…
Schwerbehinderter SaZ – Das bedeutet aber auch, dass viele Berufe, u.a. Polizist, wegfallen.
http://tu-dresden.de/aktuelles/news/bundeswehr_gesundheit/newsarticle_view für Herr Wiegold ;)
@Pille
Dann muss ich ja gar nicht mehr hingehen ;-)
Unabhängig von den sicherlich vorhandenen Widersprüchen in der Berichterstattung:
Die JOC hat die Jungs auf dem Präsentierteller stehen lassen. Später wurde hierzu vom BMVg mehr als dreist gelogen. Dies dient vielleicht auch zur Einordnung der BMVg-Behauptungen zu den jüngsten Vorfällen in MeS.