RC N Watch – zum Mitmachen
Die Lage im Norden Afghanistans interessiert, aus nachvollziehbaren Gründen, die Deutschen und natürlich die Leser dieses Blogs ganz besonders: Im Regionalkommando Nord sind (fast) alle deutschen Soldaten der ISAF-Mission im Einsatz, und das Regional Command North (RC N) wird von einem deutschen Zwei-Sterne-General geführt. Deswegen gibt es hier im Blog ja auch die Rubrik RC N Watch, wo ich gezielt Ereignisse aus dieser Region aufgreife.
Das ist allerdings nicht genug. Zum einen kann und will ich nicht alles, was aus dem RC North bekannt wird, hier thematisieren – nicht jeden Angriff auf eine deutsche Patrouille, nicht jede Meldung der ISAF über eine Aktion gegen Aufständische. Und zum anderen – selbst wenn ich das könnte: Eine zusammenhängende Übersicht aller bekannt gewordenen Vorfälle, aller incidents aus dieser Region ist mit dem Eintrags-Format eines Blogs nicht zu leisten.
Deshalb starte ich zum Jahresbeginn ein weiteres Experiment: Mit den Mitteln einer Crowdmapping-Plattform versuche ich, eine kontinuierliche Übersicht über bekanntgewordene Vorfälle, Aktionen usw. aus Nordafghanistan aufzustellen. (Das System wurde unter dem Namen Ushahidi ursprünglich entwickelt, um mit Hilfe von Informationen aus der Bevölkerung einen Überblick über die Gewalt nach Wahlen in Kenia zu schaffen.)
Mein bescheidener Versuch, so etwas wie intelligence fusion zu starten, findet sich unter http://rcnorth.crowdmap.com/.
Nun ist das System eigentlich für Einträge auf einer Karte konzipiert – und dieses Mapping stößt für Afghanistan sehr schnell auf Grenzen: Sowohl bei Google Maps als auch bei OpenStreetMap bestehen die Karten von Afghanistan überwiegend aus weißen Flecken. (Zwar könnte man geographische Koordinaten für die jeweiligen Vorfälle eintragen, wenn man sie denn hätte; aber diese Daten werden von der Bundeswehr und von ISAF verständlicherweise nicht veröffentlicht.)
Trotzdem scheint mir crowdmap.com ein brauchbares Werkzeug für den angestrebten Zweck: eine chronologisch sortierte Datensammlung von Informationen aus Nordafghanistan. Die sich aus den Meldungen der Bundeswehr (die leider im Nachhinein nur schwer auffindbar sind), den Meldungen von ISAF und aus den Berichten der verschiedensten Medien speist – und wenn vorhanden, auch aus anderen Quellen… . Sinn und Zweck ist es, neben der – spärlichen – Zuordnung auf einer Karte eine Liste der relevanten Zwischenfälle auf einen Blick zu bekommen.
Also starten wir mal diesen Versuch. Wir deshalb, weil das Werkzeug offen ist für Beiträge von allen: Über das Meldeformular können Informationen – auch anonym – eingespeist werden (für eine Veröffentlichung müssen sie allerdings von einem Administrator freigegeben werden). Und da ich nicht sieben Tage die Woche 24 Stunden die Lage im Blick behalten kann, ist das eine Möglichkeit, durch Gemeinschaftsanstrengung einen möglichst genauen Überblick zu bekommen und zu behalten.
An den Feinheiten muss ich noch ein bisschen arbeiten, z.B. was die Kategorien betrifft, die twitter-Implementation und ähnliches. Aber das wird hoffentlich mit der Zeit.
(Ein ähnliches Projekt habe ich parallel für Piraterie vor Somalia gestartet.)
Gute Idee! :)
Ich gehe schwer davon aus daß es ausschließlich um OSINT geht, oder? Aber klasse Idee, gab´s doch bei der ersten großen Wikileaks-Enthüllungsaktion auch.
@Thomsen
Primär OSINT. Aber muss doch nicht ausschließlich sein, oder?
Könnten wir nicht auch die OOB als crowd opint wieder aufleben lassen?
Mir isses unter´m Strich wurscht, nur kann man sich da ganz schnell in die Nesseln setzen und zu wikileaks light werden. Ich denke Sie verstehen was ich meine.
@Thomsen
yep, verstehe ich. Deshalb gibt’s ja auch den Filter, dass von einem Admin frei geschaltet wird. Als Journalist bin ich aber auch den Umgang mit Quellen gewohnt, die nicht identifiziert werden wollen/können/sollen/dürfen.
Finde die Idee super.
Würden noch Kategorien für „Zivil“ (womöglich aufgeteilt nach Akteuer) und evtl. „andere Akteuere“ (etwa Warlords und Milizen?) ins Konzept passen, oder geht es vor allem um Sicherheitszwischenfälle?
Wie ist der Kategorie-Filter gedacht, bzw. nach welchen Bedingungen wird ein Vorgang welcher Kategorie zugeördnet? Wenn ich auf „Bundeswehr“ klicke ist es meist ein Ereignis, bei welchem die Bundeswehr angegriffen wurde, oder?
Also klickt man auf eine Partei, welche angegriffen wurde und nicht agiert hat.
Ergo wird ein Angriff durch die Bundeswehr bei INS geführt?
Tolle Idee diese Map.
Mit den Kategorien bin ich noch nicht recht glücklich – irgendwie ist es mir bislang nicht gelungen, mehr als drei Kategorien einzurichten… Es fehlen natürlich Kategorien wie Wiederaufbau, zivile Opfer, evtl. NGO, andere Akteure.
Ein Angrif auf die Bundeswehr sollte nach meiner Ansicht in den Kategorien Bundeswehr> UND INS geführt werden, eine ISAF-Operation gegen Insurgents ebenso bei ISAF und INS gleichermaßen… Aber das habe ich auch gedanklich noch nicht feinsortiert und bin offen für Vorschläge.
Dann halt vier Kategorien:
– BW (bzw. DEU),
– ISAF bzw. Alliierte,
– ANSF,
– zivil
INS sind i.d.R. ja immer involviert.
yep, aber eine Kategorie INS wäre vielleicht dennoch nicht verkehrt? Mal gucken…
Übrigens kam auch schon der erste Beitrag, den ich jetzt freigeschaltet habe (die Meldung vom Angriff auf die Polizei in Kundus am 23. Dezember). Noch mal zur Klarstellung; wenn das Namensfeld frei gelassen wird, sehe ich nicht, von wem es kommt (das mag bisweilen sinnvoll sein, manchmal auch nicht).
Was weitere Meldungen angeht: Ich hatte es mit einigen Dezember–2010-incidents befüllt, damit schon etwas in der Liste steht. Vielleicht macht es aber jetzt Sinn, sozusagen ab 1. Januar 2011 einzutragen. Oder doch Schritt für Schritt incidents aus dem vergangenen Jahr nachtragen?
Ab jetzt auf jeden Fall, vergangene Ereignisse halt peu a peu, wenn was reinkommt.
„[…] eine Kategorie INS wäre vielleicht dennoch nicht verkehrt?“
Auf jeden Fall. Es gibt ja auch Vorkommnisse oder Meldungen, an denen ausschließlich INS beteiligt sind. Vielleicht ja auch Nachrichten über gemeldete, regionale Stärke. Wobei das natürlich nicht typisch wäre für die Map dann.
Ansonsten machen die Kategorien schon Sinn und deren Bedingungen.
Quasi „relevant für:“ und nicht „durch“.
Wenn Sie schon auf Ushahidi verweisen, empfehle ich natürlich auch die Seite http://www.aliveinafghanistan.org, die auf derselben Plattform basiert und zusammen mit Pajhwok Mitte 2009 gestartet wurde.
@Alexander
Danke, in der Tat (daran hatte ich nicht mehr gedacht…). Das Problem ist, dass die Pajhwok-Reports, auf denen das basiert, zum Teil nur für Abonnenten zugänglich sind (die sind ja dort auch nicht verlinkt).
Guten Morgen.
Haben sie etwas gegen Werbung für dieses Vorhaben, sprich Weitergabe des Links?
@Thomsen
Aber nein, wieso? (In einigen Foren läuft er auch schon.)
Dann isses ja gut und ich „streue“ mal ein wenig.
http://aliveinafghanistan.org/
Hier ist schon jemand früher auf die Idee gekommen, Incidents grafisch aufzuarbeiten.
@Stephan
Ihr lest aber schon die vorangegangenen Kommentare, einschließlich meiner Erwiderung darauf, oder?
An der Stelle will ich mal kurz etwas Werbung für OpenStreetMap machen. Das ist eine leicht zu editierende OpenSource-Geodatenbank. Gerade was Afghanistan angeht hat die in meinen Augen deutlich mehr Potiential hat als die GeoDaten von GoogleMaps.
Die GeoDaten von OpenStreetMap lassen sich auch mit anderen Quellen wie Satelliten-Bildern kombinieren (Beispiel hier, GoogleSatellite mit OSM Overlay auswählen).
Es scheint auch möglich zu sein OpenStreetMap in Ushahidi zu verwenden (Beispiel Haiti), aber mit Crowdmap dürfte das vermutlich nicht ganz so einfach sein.
Todd Huffman hat sich von AIMS die Straßendaten besorgt, und hat die zum Großteil bereits in OpenSteetMap eingepflegt. Siehe hierzu auch seine kurzen Vortrag auf der Internation Conference on Crisis Mapping 2010 im November.
Herr Huffman war als MIT-Student beim FabLab Jalalabad aktiv, kennt Afghanistan also aus erster Hand. Er hat auch bei Alive in Afghanistan mitgewirkt.
Auf Free Range International wird er ein paar mal unter dem Spitznamen Mulla Todd erwähnt, etwa in „One Step Forward Two Steps Back“.
Ich hab mir OpenStreetMap gestern mal angeschaut, und etwas mit dem Web-Editor „Potlach2“ in der Kunduz-Umgebung rumgespielt: Ist wirklich sehr einfach zu bedienen, und wäre eine super Möglichkeit nachhaltig die Informationslage zu Afghanistan zu verbessern.
@J.R.
Ich bin durchaus ein Fan von OpenStreetMap – und sei es nur, weil mir die CC-Lizenz die Verwendung dieser Karten hier im Blog erlaubt (was bei Google keineswegs der Fall ist).
Ich habe ja auch für die Piraten-Karte unter somalipirates.crowdmap.com die OSM-Karte als Basis genommen.
Das Grundproblem bleibt aber, dass für Nordafghanistan die Datenbasis sehr dünn ist – sowohl bei OSM als auch bei Googlemaps. Kundus selbst z.b. ist drin, aber die Orte in der Umgebung nicht. Man kann also nicht mit Ortsangaben operieren. Die AIMS-Straßendaten wären ein Schritt, aber auch da fehlen oft Distrikt- oder Ortsangaben (und ich bin mir über die Copyright/Lizenzlage bei AIMS nicht sicher; mir scheint nicht, dass die wie OSM unter einer Art CC-Lizenz stehen).
Ein Ausweg wäre allein, wenn mal zu jedem Vorfall in der Region auch die Koordinaten hätte, sei es Länge/Breite oder UTM oder was auch immer. Aber die bekommt man natürlich nicht.
Danke übrigens für den Hinweis auf das ICCM-Video. Aber gibt’s denn eine OSM-Karte mit eingepflegten AIMS-Daten? Auf OSM sind sie bislang offensichtlich nicht.
Die Straßen-Daten (und leider nur diese) sind in OSM eingepflegt (Todd Huffman konnte AIMS überzeugen diese Daten unter BSD-Lizenz zu stellen). Allerdings sind die fast durchgehend als „Tracks“ getaggt, und man muss recht weit reinzoomen damit diese angezeigt werden. Das läßt sich mit vergleichsweise leicht anpassen (etwa zu „Primary“ oder „Secondary“), indem man die Straße im Editor anklickt und in einem Dropdown-Menü die Straßenart auswählt.
Das muss natürlich auch jemand tun, und bis die Änderungen in alle Zoom-Stufen sichtbar werden scheint es auch eine Weile zu dauern. Von daher war das jetzt nicht als Aufforderung zum sofortigen Wechsel gemeint. ;)
Eher als Hinweis an die Afghanistan-Interessierten, dass es hier ein interessantes Projekt gibt, in dem sich mit vergleichsweise wenig Aufwand einiges erreichen läßt. Gerade von Leuten, die die Region aus erster Hand kennen, würde eine solche Karte wohl sehr profitieren. :)
Nebenbei: Die Distrikt-Grenzen scheint es als seperaten Datensatz auf GeoCommons zu geben, auch wieder von Todd Huffman mit Quelle AIMS. Wie da die Lizenz ist weiss ich aber selbst nicht, vom geschicktesten Einbinden ganz zu schweigen.