Wer lesen kann, bekommt ein Westauto
Also, vorweg gesagt: Bisweilen bin ich neidisch auf meine Bloggerkollegen in den USA. Die zum Beispiel regelmäßig zu einem “DOD Live” bloggers roundtable geladen werden, bei meist US-Kommandeure aus allen Teilen der Welt zugeschaltet werden. Wenn ich mir allerdings den Bericht über den diesen roundtable gestern ansehe, bei dem Oberst John Ferrari vortrug, stellvertretender Kommandeur der NATO Training Mission Afghanistan, bin ich doch ein wenig verblüfft.
Oberst Ferrari beklagt nämlich nicht nur den bisweilen unterirdischen Ausbildungsstand der Anwärter auf Posten in afghanischer Armee und Polizei, bis hin zum Analphabetentum – das ist ja eine bekannte Tatsache. Aber er erläutert auch, warum die USA zwar Waffen und Ausrüstung für die afghanischen Sicherheitskräfte finanzieren, mit diesem Geld aber dennoch russische Ausrüstung wie Kalaschnikows oder Mi-17-Hubschrauber kaufen: Im Fall der Mi-17, weil die Sowjets diesen Hubschraubertyp speziell für den Einsatz in Afghanistan entwickelt hätten. Im Fall der übrigen Ausrüstung aber, weil – vereinfacht gesagt – die nicht so gut vorgebildeten Afghanen damit nicht umgehen könnten.
Das mag ja sein. Aber heftig finde ich Ferraris Aussage: Plans call for moving toward Western equipment as literacy rates and availability rise. Wer lesen kann, bekommt ein amerikanisches Gewehr und ein Westauto. Für die anderen ist das Russen-Zeug gut genug?
(Ausrüstung soll ja nicht nur dem Wissensstand des Benutzers entsprechen. Sondern auch den Bedingungen, unter denen sie eingesetzt wird. Aber das habe ich vielleicht falsch verstanden.)
Übrigens hat besagter Oberst Ferrari den Bloggerkollegen von Danger Room mitgeteilt, dass noch in diesem Jahr ein Mega-Kontrakt für die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte an eine Privatfirma vergeben werde. Für 1,6 Milliarden US-Dollar. Da sind wir mal gespannt.
Russisches Equipment ist halt schon dafür bekannt, dass es mit einer Besatzung gemischt aus allen Teilen des Landes funktioniert. Bilder statt Schrift, Rüstungs-IKEA halt.
Liest man sich den Originalartikel durch, hört es sich dann doch ein bisschen anders an.
Wie im Artikel erwähnt, gibt es in Afghanistan auch noch eine ganze Reihe Leute die direkte Erfahrung mit der Mi-17 und anderen Fahrzeugen haben. Afghanistan hatte schließlich eine Pro-Sowjetische Regierung und eine entsprechende Armee.
Relativ einfach zu wartende Maschinen sind generell erst einmal besser für ein solches Land. Westliche Technik ist in der Wartung zu kompliziert. Logistik ist z.B. auch generell die Achillesverse von vielen arabischen Armeen, wie man jetzt wieder im Irak sieht. Das ganze System musste von Null aufgebaut werden. Und der Bildungsstand ist dort wesentlich höher als in AFG
Das die Amerikaner auf lange Sicht davon weg wollen bei den Russen für die ANA einzukaufen ist verständlich.
Ebenso das hochwertige Ausrüstung der Leistungselite zugeteilt wird. Wie ein AKM zu bedienen ist dürfte in Afghanistan schließlich jedes Kind wissen. Das geht auch ohne ballistische Tabellen oder sonstige Handbücher.
http://www.flickr.com/photos/isafmedia/5104617216/
http://www.flickr.com/photos/isafmedia/5166530070/
Also, als sooo kompliziert habe ich das M4 jetzt nicht kennengelernt als wir darauf eingewiesen wurden. Was die Anfälligkeit für Störungen bei Nässe angeht war ich jedoch froh, nicht damit in die Lage gekommen zu sein schießen zu müssen…
„Wer lesen kann, bekommt ein amerikanisches Gewehr und ein Westauto.“
Wenn dem auch hier so wäre dann hätte man mindestens einem in meiner Grundausbildung auch nur eine AK47 geben dürfen… Naja, so ist er in der MatGrp ausrangiert worden… ;-)
Für Störungsanfälligkeit bei Nässe ist das AR-15 System eigentlich nicht bekannt. Eher für Störungsanfälligkeit bei Verschmutzung. Nicht umsonst ist das AR-15 bei diversen maritimen Spezialeinheiten beliebt, die damit auch ins Wasser gehen. Natürlich kann man auch einem Analphabeten beibringen wie das M-16 zu handhaben ist, aber die ANA ist eine Armee die auf Quantität vor Qualität setzt, was das Personal betrifft. Da ist es doch verständlich das die Hochwertausrüstung nicht an bisweilen zweifelhafte Leute ausgegeben wird. Am Ende gibt es sonst wieder so unschöne Propagandafotos, wie letzte Woche, als sich eine Gruppe Taliban beim errichten eines Checkpoints fotografieren ließen und dabei stolz ihr fabrikneues FN MAG Maschinengewehr präsentiert haben.
Die Roundtables sind wirklich ’ne Sache, auf die man als Deutscher nur neidisch sein kann. Dass Verantwortliche, die bis vor kurzem im Einsatz waren, von Experten so werden wäre hier wohl immer noch undenkbar.
Mal noch ein Hinweis auf einen anderen Roundtable falls wer selber mal reinhören will: Roundtable mit COL Randy Newman (Regimentskommandeur in Helmand bis Oktober diesen Jahres). Neben viel zu Counterinsurgency kommt da nach einer Frage zum Einsatz von Panzern (25:30) auch die ANA zur Sprache (27:20). Interessant ist seine Einschätzung, dass das „Rohmaterial“ besser ist als es im Irak war, vor allem wegen dem in der Gesellschaft verbreiteten Ehrbegriff.
Also ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, dass wir damit massive Probleme hatten. Wir konnten kaum ein Magazin ohne Störung verschießen. Ich weiss natürlich nicht, inwiefern das an den äußeren Bedingungen lag – mit dem heftigen Regen kam natürlich auch Schlamm auf der Schießanlage – oder ob dabei der Transport der Waffen zu uns oder auch die Pflege eine Rolle spielten. Letztlich ist das auch nur eine subjektive Momentaufnahme eines einfachen Benutzers und mag nicht für die Zuverlässigkeit des Systems insgesamt sprechen. Aber soetwas ist uns beim G36 oder auch MP7 bei ähnlichen und auch schlechteren Bedingungen so noch nie passiert.
Danke nochmal für den Hinweis auf die Polizeiausbilder-Ausschreibung.
Ich weiß aber nicht, ob das wirklich ein „neues“ Programm ist, oder ob da nicht bestehende Programme umstrukturiert werden. In diesem recht kritischen Bericht wird das Volumen der Polizeiausbildung durch Privatfirmen bereits mit rund 7 Mrd. $ über 8 Jahre angegeben.
Für mich liest sich der Artikel eher so:
– Man will die Polizeiausbildung vom Außenministerium dem Militär unterstellen, vor allem damit die Aufsicht besser wird.
– Man hat das Konzept erweitert: Gewerbliche Ausbilder werden jetzt auch in die Einheiten embedded, statt sie wie zuvor auf die Trainingslager zu beschränken.
– Man will DynCorp loswerden
Diese Firma ist ja auch in Kundus aktiv, mit einem Trainingslager für die Polizeiausbildung. (Zumindest 2007 schien man von Bundeswehrseite von den dortigen 3-Wochen-Kurse nicht gerade begeistert.) Und der von DynCorp gemanagte Bau der ANA-Kaserne in Kundus scheint ja auch nicht richtig voranzugehen. „Untersuchung ergibt: DynCorp-Verzögerungen bei Kasernen-Komplex behinderten Ausbildung afghanischer Truppen. Anscheinend hat man da auch mit dem deutschen OMLT geredet:
Deutsche Militär-Mentoren, welche die afghanische Einheit ausbilden, sagten „sie seien enorm frustriert“, sagte Rachman. „Wir sind rausgefahren, und vor Ort durch den Schlamm gestapft und haben es uns aus erster Hand angeschaut. Die Auswirkung auf Training und Mentoring sind offensichtlich enorm.“
Und da stellt sich dann wieder die Frage: Warum erfährt man sowas über den deutschen Einsatz und die deutschen Soldaten nur über den Umweg englischsprachiger Medien, wenn überhaupt?
Zum Thema westliche Waffen in afghanischen Händen passt folgendes Zitat aus dem Essay „Why Arabs Lose Wars“ von Norvell B. De Atkine ganz gut:
„(…) A weapons system brings with it specific maintenance and logistics procedures, policies, and even a philosophy, all of them based on U.S. culture, with its expectations of a certain educational level, sense of small unit responsibility, tool allocation, and doctrine (…).“
Auch wenn’s etwas Off-Topic ist, das ganze Debakel um die Wahl eines potentiellen Ersatzes für das M4 bietet vermutlich genug Stoff für eine Doktorarbeit. Wen’s interessiert, kann sich ja mal folgenden Link zu Gemüte führen:
http://www.usni.org/magazines/proceedings/2010-07/what-really-happened-wanat
Entzaubert zu einem Großteil auch den Mythos über die „Staubkammertests“, in denen die angeblich so viel höhere Zuverlässigkeit des SCAR, XM8 und HK416 über das M4 demonstriert wurde.
„Also, vorweg gesagt: Bisweilen bin ich neidisch auf meine Bloggerkollegen in den USA. Die zum Beispiel regelmäßig zu einem “DOD Live” bloggers roundtable geladen werden, bei meist US-Kommandeure aus allen Teilen der Welt zugeschaltet werden.“
Auf das, bin ich auch neidisch. Es wird etwas dauern bis solche Amerikaniche Gewohnheiten nach Europa ankommen.
Das amerikanische M4 besitzt ein direktes Gassystem, welches die Verbrennungsgase direkt zum „boltcarrier“ weiterleitet. Diese System gelten als recht präzise, haben aber den Nachteil das sie „verschlacken“ deshalb ist gründliches reinigen der Waffe, oberste soldatische Pflicht. Eine gut gepflegtes M4 funktioniert genauso zuverlässig wie ein G36. Ein schlecht gepflegtes M4 neigt zu Ladehemmungen.
Hier liegt mit Sicherheit auch der Grund für das Vorgehen der Amerikaner.Um eine Ak47 aus z.t pakistanischer Produktion ist es einfach nicht schade wenn man einen vollkommen unqualifizierten, undisziplinierten und unfähigen Schützen darauf los lässt. Ein M4 Besitzer sollte hingegen bestrebt sein, die Waffe regelmässig zu reinigen, sie nicht als Brecheisen zu missbrauchen und den Lauf nicht in den Dreck zu rammen, um lange Freude an der besseren präszision im Vergleich zu einer Ak47 zu haben. z.t sind an den M4 welche die Amerikaner an die ANA ausgeben, ACOG Optiken verbaut, deren sachgemässer Gebrauch die Fähigkeit zu lesen und zu rechnen zwingend vorraussetzt.
Tja, die Qualität einer Waffe entscheidet sich jedoch auch darin, mit geringem oder gar keinem Aufwand funktionstüchtig zu bleiben. Und man kann einfach nicht immer wieder reinigen, ob man will oder nicht! Wer den verdammten afghanischen Sandstaub kennt weiss, dass der sich innerhalb von Minuten in jedem nur erdenklichen Winkel festsetzt. Wenn die Waffe das nicht aushält ist sie für solche Bedingungen ungeeignet. Ende Gelände.
@Dominik
Genau..deshalb statten wir in Zukunft die ANA mit Knüppeln aus. Da brauchen sie dann nichts pflegen und falsch bedienen kann man die auch nicht.
*role eyes*
@bang50
Andererseits braucht die ANA auch kein HK 416, denn alles was neu und teuer ist, landet in 90% der Fälle eh auf dem Schwarzmarkt.
In diesem Sommer hat die ANP im Zuständigkeitsbereich MeS nagelneue Schutzwesten von ihren FDD-Feldjägern bekommen, bessere und modernere, als die IdZ-Weste von uns – nach etwas über einer Woche waren sie nicht mehr vorhanden, sie wurden „verloren“ wie der Polizeichef beteuerte…
Und der durchschnittliche ANA-Soldat kümmert sich einen Dreck um seine Waffe, er hat keinen Antrieb dazu. Erst bei den kampferfahrenen Einheiten oder den SF sieht das anders aus, dort werden gehegt und gepflegt, fast so wie in jeder anderen Armee auch.
@Voosoo
genau das sage ich doch!
Für einen Soldaten bei dem (wie heist es so schön?) die sachgemässe Benutzung des Produktes ausgeschlossen ist, ist eine billige Ak47 gut genug. Weil er sie wieso in kürzester Zeit verschleißen wird.
Deshalb habe ich Verständnis dafür das die Amerikaner hier selektieren und nur denjenigen eine M4 überlassen, bei dem sie das Gefühl haben, sie könnten damit sachgemäß umgehen.
Aber jetzt mit dem Argument kommen, auf eine Waffe müsste man eh nicht aufpassen und eine M4 sei doch doof, weil man sie nicht 2 Tage in einer Pfütze liegen lassen kann, muss ich einfach nur den Kopf schütteln.
Jedes Produkt auf dieser Welt wurde für einen sachgemäßen Zweck entworfen. Die unsachgemäße Verwendung dieses Produktes, schließt nicht umsonst zuverlässig die Garantie aus.
Ein Produkt das Höchstleistungen erbringen soll und dementsprechend präzise oder komplex ist, will nun einmal sachgemäß gepflegt und gewartet werden.
Nicht umsonst sind Kampfjets so Wartungsintensiv (viel Leistung = viel Wartung = sachgemäße Verwendung).
Zum Wechsel auf NATO-Systeme hat es auf „Embedded in Afghanistan“ noch eine Perspektive, die hier etwas fehlt: M16.
Macht es für die ANA wirklich Sinn, sich an der NATO zu orientieren (die ja extreme Probleme mit dem Terrain hat, deren Logistik für die ANA noch in sehr weiter ferne liegt, und die jene Fertigkeiten besser drauf hat als die ANA), oder sollte man sie nicht eher am Feind ausrichten (leichte, gebirgstaugliche Infanterie mit geringen logistischen Anforderungen)?
Ein Vorteil des Umstiegs auf das M16-System ist aber nicht von der Hand zu weisen: Diese Waffen und ihre Munition sind für die INS nicht so nützlich wie die vorhandenen sov. Waffensysteme. Erbeuten die INS z. B. ein paar AKM nebst Munition, können sie diese direkt weiter verwenden. Bei einem unbekannten Waffensystem können sie dies nicht oder nur eingeschränkt. Da wäre ein Weiterverkauf eine bessere Alternative.
Und dem „Schwund“ schiebt man so in gewissem Maße auch einen Riegel vor.
Ich glaube, jeder INS lacht sich kaputt und schmeisst ein M-16 weg, wenn er es erbeutet – die kennen die Stories aus Vietnam und aus dem Irak 1&2 wahrscheinlich auch ;-)
Nein, die sind recht beliebt als Statussymbole bzw. als PR-Mittel. Eroberte Ausrüstung wird gerne genutzt, um zu zeigen, dass man den Feind in die Flucht geschlagen hat und er seine Ausrüstung zurücklassen musste. ;-)