Plan B für Afghanistan – Süd vs. Nord
Mal sehen, ob diese Vorabmeldung stimmt: Robert Blackwill, früher mal stellvertretender nationaler Sicherheitsberater der USA, will angeblich bei einem Vortrag heute vor dem renommierten International Institute for Strategic Studies in London vorschlagen, Afghanistan zu teilen – und damit den seiner Ansicht nach aussichtslosen Kampf gegen die Aufständischen im Süden zu beenden:
Nato urged to allow partition of Afghanistan.
Mal sehen, ob er das 1. so sagt und 2., welche Resonanz dieser Vorschlag findet. Im Moment sieht mir das nach einem Versuchsballon aus. Aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein zunächst als merkwürdig erscheinender Vorschlag plötzlich mehrheitsfähig wird – wenn er einen Ausstieg ohne Gesichtsverlust verspricht…
Manchmal sind die abwegigsten Vorschläge diejenigen, die am Erfolgreichsten sind. Nach dem Motto: Mehr Mut zur Lücke. Allerdings habe ich noch keine abschließende Meinung hierzu gewonnen, möchte das also noch völlig wertfrei bemerken. Nichtsdestotrotz ein Vorschlag, über den man nachdenken kann.
Interessante Idee. Und wer garantiert, das der Süden dann den Norden in Ruhe lässt, wenn man das Land geteilt hat? Wie war das nochmal in Vietnam mit Nord und Süd?
Der (östliche) Süden würde demnach wohl von den Taliban regiert. Nach meiner Kenntnis war deren Bezwingung mal offizieller Kriegsgrund. Das würde im Hinblick auf den zu vermeidenden Gesichtsverlust eine anspruchsvolle Begründung erfordern.
Dafür spricht allerdings, dass die wichtige Pipeline -unausgesprochener Kriegsgrund- nach Pakistan/Indischer Ozean nur durch das westliche Afghanistan, in der Nähe zur iranischen Grenze gebaut wird. Bin gespannt, wie sich die Grenzziehung darstellt.
Der etwas freizügige Blackwill war zumindest eine zeitlang Lobbyist für indische Interessen. Die Teilung Afghanistans hat er schon im Juli in Politico und in einem OpEd in der Financial Times vorgeschlagen. Ahmed Rashid hatte in August eine Entgegnung in der FT: Divide Afghanistan at your peril. Die Historie Afghanistans spricht ebenso gegen ein Teilung wie die Durchmischung der Ethnien in vielen der Gebieten. Die Afghanen würden da wohl schlicht nicht mitmachen.
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Rajiv Chandrasekaran hat heute ein nettes Stück in der WaPo: Karzai rift prompts U.S. to reevaluate anti-corruption strategy in Afghanistan.
Öffentliche anti-Korruptionsmassnahmen gegen Karzis Freunde werden jetzt eingestellt. Ist ja auch peinlich wenn das FBI Leute in Kabul wegen Korruption verhaftet die heimlich von der CIA bestochen werden. Öffentliche Korruptionsbekämpfung gilt nun als Gefährdung der strategischen Interessen der USA in Afghanistan.
Wie steht Berlin dazu?
Wer wird der „afghanische“ General Vo Nguyen Giap?
Nun ja, man will wohl unbedingt ein Vietnam 2.0!
Denn erinnern wir uns:
Vietnam war französische Kolonie. Nach der Schwächung durch den 2. Weltkrieg konnte Frankreich sein Kolonialreich nicht mehr sichern und zog sich im Verlauf des Französischen Indochinakrieg (1946–1954) nach der Niederlage in der Schlacht von Dien Bien Phu zurück.
Da Indochina längst ein Stellvertreterkrieg des kalten Krieges war, übernahmen die Amerikaner.
General Vo Nguyen Giap hatte also erfolgreich die Franzosen vom Schlachtfeld gejagt.
Nach den Schlachten im Ia-Drang-Tal und der Ted- Offensive, die strategisch von Giap geplant wurden, verloren auch die USA die Lust am kämpfen. Auch sie verließen das Schlachtfeld. Obwohl sie nie eine Schlacht verloren hatten, verloren sie den Krieg, weil sie ihre Heimatfront verloren hatten und das Format zahlreicher westlicher Politiker für die Anforderungen dieser Zeit nicht ausreichte.
Für die Bevölkerung in Indochina hatte der kommunistische Sieg fatale Folgen, mit Millionen unschuldiger Toter.
Für die Stellvertreterkriege des kalten Krieges hatte es zu Folge, dass der Kommunismus Indochina erfolgreich okkupiert hatte und die Stellvertreterkriege nun in Zentralasien und Afrika weiter gingen.
Auch in Vietnam dachte man, man könne durch die Teilung in Nord- und Südvietnam den Indochinakrieg beendet. 1954 wurde Vietnam entlang des 17. Breitengrades in einen kommunistischen Norden und einen nicht kommunistischen Süden geteilt.
Aber statt Indochina damit zu befrieden, setzten die apokalyptischen Reiter des kalten Kriegs bis Ende der 1970ger Jahre nicht nur Vietnam in Brand, sondern auch Laos und Cambodia, siehe Rote Khmer etc.
Weder die Teilung 1954, noch die Aufgabe des Kampfes beendeten die Stellvertreterkriege des kalten Krieges. Lediglich die Schlachtfelder wurden nach Zentralasien und Afrika verlagert. Und die westliche Kriegsführung veränderte sich vom Einsatz von Wehrpflichtigen zum Einsatz von Sondereinheiten.
Warum dieser Vergangenheitsbezug?
Wir müssen uns langsam fragen, wer bzw. was der Feind ist?
Ist der Feind eine Volksgruppe, die autonome Freiheit will?
Nun, wäre das der Fall bei den Paschtunen, könnte eine Teilung des Staatsgebiets Erfolg versprechend sein.
Ist der Feind jedoch eine Ideologie, die Weltherrschaft anstrebt, Menschen einteilt in Rechtgläubige und minderwertige Ungläubige etc., dann hat diese Ideologie mit einer solchen Teilung einen Sieg errungen, der zum weiteren Kampf zur Erringung der Weltherrschaft im Namen Mohammeds motiviert. Moderate Strömungen werden geschwächt, denn die Radialen haben ja gezeigt, dass sie ein weiteres Staatsgebiet mit nun vollends islamistischem Volk erkämpfen konnten.
An der Tatsache, dass in Afghanistan regelmäßig Kämpfer mit Herkunft aus anderen potenziellen islamistischen Eroberungsgebieten (Tschetschenien, Balkan, deutsche Islamisten etc.) gefangen bzw. getötet werden, sieht man die weltweite vernetzte Dimension dieser Bewegung.
Gewinnt diese Ideologie den Krieg in Afghanistan, wird sie die nächsten Schlachten in andere Länder tragen.
Wir bräuchten eher eine Rede wie die von Winston Churchill vom 5. März 1946 in Fulton, in der er der Welt die Augen über die Spaltung der Welt durch den Eisernen Vorhang öffnete. Und in der er klarmachte, dass die Freiheit der Welt auf dem Spiel steht.
Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.
In Afghanistan besteht diese Chance nicht mehr. Für andere potentielle Okkupationsgebiete können wir den heißen Krieg vielleicht noch durch kluge Politik verhindern und den Widerstand der Feinde der freien demokratischen aufgeklärten Welt ohne Gewalt brechen.
„Gewinnt diese Ideologie den Krieg in Afghanistan, wird sie die nächsten Schlachten in andere Länder tragen. “
Erst rufen sie Erinnerungen an Vietnam wach, wo sich die Dominothrorie ja eindeutig als falsch herausgestelt hat, um dann mit einer eigenen Dominotheorie, die natürlich ebenso falsch ist, von einer „Erringung der Weltherrschaft im Namen Mohammeds“ zu faseln.
Wenn ihr Namensgeber so etwas lesen müsste würde er sich wohl im Grab umdrehen.
Einen imho sehr guten Kommentar zu Robert Blackwells Plänen hat es von Ehsan Azari Stanizai.
In meinen Augen sprechen gleich mehrere Punkte gegen den Vorschlag:
– Afghanistan ist weder Irak noch der Balkan, Ethnien sind hier nicht der Kern des Problems.
– Eine Aufspaltung Afghanistans, erst recht durch irgendwelche Ausländer, scheint von den meisten Afghanen schlicht nicht gewünscht.
– Pakistan dürfte an einem afghanisch-paschtunischen Teilstaat ungefähr soviel Interesse haben wie die Türkei an einem irakisch-kurdischem.
Letztlich fällt der Vorschlag in die altbekannte Schublade: Ein billigst-mögliches An-der-Spitze-Ansetzen in bester Kolonialmarnier. Den Fehler hat man schon beim Einsetzen der Karzai-Präsidialregierung gemacht, und Bidens Drohnenstrategie schlägt in genau die gleiche Bresche.
An Reißbrettern irgendwelche Grenzen zu planen oder zu ignorieren hat doch außer verletztem Stolz und verlorenem Vertrauen keine Konsequenzen. Wenn man Afghanistan auf die Beine stellen will, dann sollte vielleicht auch mit den Beinen anfangen. Solange die nicht tragfähig sind kann man den Rest vergessen, gleichgültig wieviel Geld man in den Wasserkopf steckt. Und nein, die Afghanen wollen anscheind auch keine neuen Ersatzgliedmaßen verpaßt bekommen, dass ihre eigenen wieder gesund werden reicht ihnen schon, vielen Dank nochmals.
@ J.R.
right
Ich empfehle das Buch zu Afghanistan vom MGFA.
Dort wird ganz klar gemacht, dass eben das nationalstaatliche Prinzip in Afghanistan nicht viel zählt. Der Stamm zählt. Das heutige Afghanistan mit seinen Grenzen ist ein britisch-russisches Konstrukt. Eben das ist ja auch der Grund für die Schwierigkeiten, die die Menschen dort mit der Demokratie oder einem Staat haben. Sie haben eigentlich gar nicht das Verlangen danach.
@ b | 13. September 2010 – 18:38
Ich möchte Sie zuerst freundlich bitten, zukünftig auf Beschimpfungen der Person zu verzichten und stattdessen sachlich faktenorientiert zu argumentieren.
In aufgeklärten zivilisierten Gesellschaften orientiert man sich an sachlichen Argumenten und unterlässt Diffamierungen gegen Diskussionspartner.
Nun zum Thema:
Wo und wie hat sich angeblich die Dominotheorie in Vietnam als falsch herausgestellt?
Außerhalb des (deutschen?) Feuilletons wird das durchaus differenziert gesehen. Aber sicherheitspolitische Grundkenntnisse hat man der deutschen Bevölkerung offenbar erfolgreich aberzogen und so erst ermöglicht, dass Deutschland heute in der internationalen Sicherheitspolitik nicht mehr ernst genommen wird.
Zuerst hat der Vietnamkrieg Ländern wie den Philippinen etc. klar verdeutlicht, dass es für Wohl und Wohlstand eines Landes ausgesprochen dumm ist, sich mit Kommunisten einzulassen. Die Folgen der apokalyptischen Reiter des kalten Krieges wären auf eigenem Staatsgebiet nun mal fatal, sowohl für das Volk, als auch für die Eliten.
Dazu kommt, dass es ja sehr wohl weitere „Dominosteine“ gab, in denen der Kommunismus nach Abschluss der „Indochina-Operation“ einfiel.
Zu nennen wären da Afghanistan ab 1979, in Ägypten haben sie es auch versucht (Stichwort: Jom-Kippur-Krieg), dann wären da das sowjetische Expansionsstreben in Äthiopien oder Angola (hier schickte man „Kubaner“ vor) etc.
@ Sun Tzu
Zitat: „Zu nennen wären da Afghanistan ab 1979, in Ägypten haben sie es auch versucht (Stichwort: Jom-Kippur-Krieg), dann wären da das sowjetische Expansionsstreben in Äthiopien oder Angola (hier schickte man “Kubaner” vor) etc“
Frage: Was haben die erwähnten Ereignisse mit dem Fall von Süd-Vietnam an das kommunistische Nordvietnam zu tun ?
Georg | 13. September 2010 – 19:46
Auch die UdSSR konnte sich mit ihren begrenzten Ressourcen nicht zu viele Expansions-Abenteuer gleichzeitig leisten.
Erst als Militärberater und Waffenlieferungen in Indochina nicht mehr zwingend nötig waren, hatte man Ressourcen für anderes, was sich schnell in Zentralasien und Afrika zeigte.
@ Sun Tzu „Auch in Vietnam dachte man, man könne durch die Teilung in Nord- und Südvietnam den Indochinakrieg beendet. 1954 wurde Vietnam entlang des 17. Breitengrades in einen kommunistischen Norden und einen nicht kommunistischen Süden geteilt. “ Das ist sachlich falsch: Die Teilung Vietnams war nichts als ein letzter Winkelzug der französischen Kolonialpolitik, die Niederlage von Dien Bien Phu politisch-diplomatisch auszubügeln. Erst die US-Parsivals kamen auf die Idee, hier einen Ost-Wets-Stellvertreter-Krieg zu erfinden. Sie sind eben nur als nütztliche Idioten der Franzosen nach Vietnam gestolpert.
Und was diese rituelle Feindseligkeit gegenüber den Muslimen angeht, bitte ich doch einfach mal die Perspektive umzudrehen und zu fragen: Wie würden wir reagieren, wenn die Muslime aufgrund der ganze bekannten Kisten von Abu Ghraib bis zur Tötung harmloser U-Bahn-Passagiere durch die Londoner Polizei denn genauso hysterisch auf den Westen reagieren würden. „Die islamische Welt“ ist der islamistischen Terroristen so wenig „der Feind“ wie aufgrund der Vorgänge in den US-Gefängnissen mit ihren inzwischen ja auch eingestandenen verbrecherischen Foltermethoden gleich alle westlichen Soldaten in AFG einfach nur Verbrecher sind.
Wo wir selbst etwas mehr Differenzierung verlangen, sollten wir sie selbst erst einmal leisten.
@Sun Tzu
Zu den „sicherheitspolitische Grundkenntnissen“ gehört das die Dominotheorie (1954!) nix, aber auch garnix, mit Vorgängen in Ägypten (1973!), Afghanistan oder den Philippinen zu tun hatte.
/zitat/
President Eisenhower was the first to refer to countries in danger of Communist takeover as dominoes, in response to a journalist’s question about Indochina in an April 7, 1954 news conference, though he did not use the term „domino theory“.[2] If Communists succeeded in taking over the rest of Indochina, Eisenhower argued, local groups would then have the encouragement, material support and momentum to take over Burma, Thailand, Malaya and Indonesia; all of these countries had large popular Communist movements and insurgencies within their borders at the time.
/zitatende/
—
Zu ihrer These von der „Erringung der Weltherrschaft im Namen Mohammeds“ könnten sie mal nachschlagen wieviele muslimisch geprägten Ländern der „judäisch-christliche“ Westen in den letzten Jahrzehnten zerbombt hat und dieses mit der Anzahl der gegenteiligen Aktionen vergleichen. Dann merken Sie vielleicht mal was.
@ Zivi | 13. September 2010 – 20:55
Zu Ihren Einlassungen zu Indochina muss ich Sie bitten, noch mal in die Geschichtsbücher zu schauen, denn sie entsprechen nicht den historischen Tatsachen.
Ab 1950 war/wurde der (1.) Indochinakrieg zum Stellvertreterkrieg. Allein um die heiße Front in Korea zu entlasten, wurde man von kommunistischer Seite aus in Indochina aktiv.
Erst mit chinesischer/russischer Unterstützung war es Vo Nguyen Giap möglich, die Kampfkraft aufzubauen, die die Franzosen in Dien Bien Phu schlug.
Zu Ihren Islam-Äußerungen:
Natürlich muss man zwischen normalen Menschen islamischen Glaubens und islamistischen Verbrechern differenzieren.
Der Islam ist nicht das Problem, es sind seine extremistischen Strömungen, die ein dem Faschismus doch sehr ähnliches Menschenbild aufweisen.
Nur leider haben Extremisten in immer noch viel zu vielen islamischen Gemeinden Sympathisanten und Aufwuchspotential, leider auch in Deutschland.
Und leider gibt es unter Islamisten viele mit Geld ausgestattete intelligente Menschen, die mit hoch differenzierten Methoden an ihrem Ziel der islamistischen Weltherrschaft arbeiten.
Diesem Problem müssen wir uns stellen. Sonst stehen in einigen Jahren wieder viele da und sagen: „Wie konnte das passieren? Warum hat denn keiner was gemerkt? Warum hat denn niemand was getan?“
Aber zu Ihrer Frage nach Reaktionsmustern:
In Teilen der muslimischen Welt reicht es aus, dass irgendein durchgeknallter Provinzpfarrer ankündigt, er wolle den Koran verbrennen. Schon startet eine offenbar auch gesteuerte Empörungsmaschinerie, Fahnen brennen, Morddrohungen werden geäußert, Bibeln werden zerrissen, Menschen sterben.
Ich habe noch nie erlebt, dass Christen so durchticken, wenn wieder irgendein Depp von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch macht und diese Religion wie auch immer diffamiert.
Da müssen sich in meinen Augen viele Anhänger Mohammeds noch sehr viel mehr Toleranz und Souveränität angewöhnen, damit ein friedliches Miteinander nachhaltig funktioniert.
Im Grundsatz teile ich jedoch Ihre Auffassung, dass wir sehr aufpassen müssen, Freund und Feind nicht zu verwechseln. Nicht der Islam ist das Problem, es sind seine extremistischen Abspaltungen.
@ Sun Tzu: Der Verweis auf die Geschichtsbücher ist ja wohl ziemlich albern: Jeder weiß, dass wir jederzeit zu diesem Punkt immer gerade das Geschichtsbuch finden werden, dass unsere Sicht stützt.. Was also soll es? Ist da mehr als ein kindisches „ich hab aber recht?“ Ich sehe es nicht.
Und an dem einzig handfesten Punkt in der Sache kommen Sie doch nicht vorbei: Saigon und eer Süden hatte kaum je eine nennswerte eigenständige politische Rolle gespielt, Hauptstadt wurde Saigon (abgesehen von völlig irrelevanten Perioden in grauer Vorzeit) erst durch die Franzosen als Schachzug im Endspiel um das Kolonialreich, die mit dem Ex-Monarchen Bao Dai eine Gegenregierung gegen die Vietminh in der traditionellen Hauptstadt Hanoi installierten. Eine andere Grundlage, irgendeine Tradition hat das Saigoner Regime nie gehabt. Es war ein reiner Kunststaat, dessen Zweck es war, den Franzosen ein verbrämtes Stück Kolonie zu erhalten. Mehr war da nie außer vielleicht später noch weiteren Absichten anderer ausländischer Regierungen.
Was Ihre Bemerkungen zum Islam angeht, bin ich doch entsetzt, wie gründlich Sie sich selbst belügen können. Auch Ihnen dürfte nicht verborgen geblieben sein, dass man in diesem unserem ach so christlichen Land (“ . . . halte die andere Wange hin . . .“) nicht einmal von seinem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch machen muss, um zu sehen dass „Christen“ ausrasten wie durchgedrehte Tiere: Es reicht bekanntermaßen hierzulande bereits falsch auszusehen, um totgeschlagen zu werden oder Brandsätze in seine Wohnung fliegen sehen. Und das alles wissen auch Sie ganz genau. Wenn Sie trotzdem so etwas hinschreiben wie :
„In Teilen der muslimischen Welt reicht es aus, dass irgendein durchgeknallter Provinzpfarrer ankündigt, er wolle den Koran verbrennen. Schon startet eine offenbar auch gesteuerte Empörungsmaschinerie, Fahnen brennen, Morddrohungen werden geäußert, Bibeln werden zerrissen, Menschen sterben. Ich habe noch nie erlebt, dass Christen so durchticken, wenn wieder irgendein Depp von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch macht und diese Religion wie auch immer diffamiert. “
. . .. dann geht hier wohl etwas heftig daneben. Akuter Realitätsverlust scheint mir da mildeste Umschreibung.
Über eine mögliche Teilung des Landes können und dürfen nur die Bewohner Afghanistans selbst entscheiden. Mit ausländische Interessen, speziell britischen imperialen Interessen, begann dort das ganze Elend. Ich bezweifle jedoch, das dort ein ehrlicher Volksentscheid diesbezüglich überhaupt durchführbar wäre. In einem Land in dem, kritiklos durch die westliche Welt, ein überführter Wahlbetrüger innerhalb der Stadtgrenzen Kabuls „herrschen“ darf.
@ Niklas
Danke für den Hinweis auf den Wegweiser zur Geschichte Afghanistan.
Ich denke aber, dass sie hinsichtlich des Nationalgefühls der Afghanen nicht ganz richtig liegen. Zum einen scheinen sich die Afghanen ja durchaus als solche zu sehen, auch gerade in Abgrenzung zu den Nachbarstaaten („Sowjetunion“, Pakistan, aber auch Iran). Viele Deutsche enmpfinden sich wohl auch gerade dann als solche, wenn sich irgendwer von „außen“ versucht in „ihre“ Angelegenheiten einzumischen. ;)
Auch denke ich nicht, dass Afghanen kein Konzept von „Staat“ haben. Sie wissen sehr wohl, dass Ärzte und Lehrer, Elektrizität und Krankenhäusen nicht vom Himmel fallen. Nur ist halt das, was in Afghanistan als „Regierung“ firmiert wohl halt oft weder Volksvertreter noch öffentlicher Dienstleister, sondern schlicht Despot und Ausbeuter. Dass gerade auf Provinzebene die wichtigen Posten von der Zentralegierung vergeben werden, und nicht von der Provinzbevölkerung, ist da wohl ein großes Defizit.
Ich hab halt nicht den Eindruck, dass die Afghanen ein Problem mit „Staat“ haben. Sie wollen Sicherheit, sie wollen Schulen, sie wollen Ärzte, sie wollen Wasser und Strom. Aber sie haben wohl ein Problem mit „diesem Staat“, der eben all das kaum liefert, aber dessen Beamte fast überall die Hand aufhalten.
Same old story? Dieses Land wurde schon mehrmal geteilt. Teile heißen heute Indien, Pakistan und eben Afghanistan. Übrigens ist der Duran-Plan abgelaufen (auch wenn nach dem II WK schon mal für ungültig erklärt wurde). Afghanistan beansprucht Teile Pakistans. Da betrifft genau die heiße Grenzregion, welche ihren Namen nicht wirklich verdient, da eine Grenze dort sowieso nicht wirklich existiert.
Ich glaube, der hier diskutierte Vorschlag des IISS wurde allgemein mißverstanden. Es geht hier doch weniger um eine politische Aufteilung des Landes als eine Begrenzung des Einsatzes auf den Norden und Westen des Landes.
Dass ISAF vor dem Scheitern steht, ist ja keine neue Beobachtung. Die bisherige Diskussion über Alternativen konzentrierte sich auf Vorschläge, die ein Ende von ISAF und eine Schwerpunktsetzung auf Terrorismusbekämpfung bei minimaler Präsenz in stabilen Landesteilen vorsehen („Nachsorgeoperationen“). Der Vorschlag des IISS scheint ein Kompromissvorschlag zu sein, bei dem die NATO-Staaten ihr Gesicht wahren könnten, weil ISAF formal fortgesetzt werden könnte.
@ J.R.
Kann ich mit leben :) Ich bin mir sicher, dass die meisten Afghanen erst noch eine positive Erfahrung mit dem Staat sammeln müssen. Braucht alles Zeit und nette Leute ^^
@ S.W.
Okay. Allerdings muss er sich dennoch die Frage gefallen lassen, wie er sich das denkt.
Wenn man sich jetzt meinetwegen aus Helmand und Uruzgan usw. zurückzieht, etablieren sich ja vermutlich die üblichen Verdächtigen wieder recht schnell. Was sollte sie daran hindern, in die besetzten Landesteile einzusickern und weiterzumachen?
Letztenendes ist es aber positiv, wenn auch mal etwas ungewöhnlichere Ideen geäußert werden.
@ Streitender Haufen
Ich würde Islam und Kommunismus jetzt auch nicht unbedingt in einen Topf hauen, nech. Wenn man zu viele Dinge, die auf den ersten Blick Ähnlichkeiten aufweisen, vermengt, gibts ne Verwirrung. Das ist dann genauso hilfreich wie folgende Dauerschleife: „Schon Alexander der Große, die Briten und die Russen haben es in Afghanistan versucht und sind allesamt gescheitert. Nur Alexander war so clever und ist gleich weitergezogen.“ Boing.
@b und Zivi
Sie haben beide in der Geschichte dieses Blogs schon oft unter Beweis gestellt, dass Sie wertvolle Beiträge verfassen können, wenn auch mit einer sehr polarisierten politischen Ausrichtung.
In dieser Diskussion muss ich allerdings mit Bedauern feststellen, dass Sie die Vertreter anderer Auffassungen – hier Sun Tzu – persönlich zu sehr angreifen und mit teilweise überheblichen Bemerkungen eine sachliche Diskussion vergiften.
Man kann über die Äußerungen Sun Tzu’s sicher streiten, der Ton ist aber sehr unerfreulich gewesen, zumal sich Sun Tzu stets um einen vernünftigen Umgang in der Debatte bemüht hat.
Dieser(s) Blog zeichnet sich auch durch die konstruktiven Debatten und den vernünftigen Umgang der „Üblichen Verdächtigen“ – trotz divergierender Weltanschauungen – miteinander aus!
Da Sie zu den Urgesteinen dieses Blogs gehören, bitte ich Sie herzlich um ein wenig „Klimaschutz“ im Umgang.
@Niklas
„Wenn man sich jetzt meinetwegen aus Helmand und Uruzgan usw. zurückzieht, etablieren sich ja vermutlich die üblichen Verdächtigen wieder recht schnell. Was sollte sie daran hindern, in die besetzten Landesteile einzusickern und weiterzumachen?“
Eben die besagten „Nachsorgeoperationen“, oder in den Worten des IISS „targeted operations…against any re-concentration of international terrorist elements“. Hier wird das Konzept etwas deutlicher beschrieben: http://www.nytimes.com/2010/09/11/opinion/11iht-edchipman.html
Danke für den Artikel. Scheint auf jeden Fall sinnvoll. Ganz interessant ist das Unterlassen einer ständigen Präsenz in dem problematischen Gebieten, wenn ich das richtig gelesen habe.
Für viele gibt es ja zwei Beispiele gelungener Aufstandsbekämpfung. Das Austrocknen durch allgegenwärtige Präsenz (Nordirland) oder die knallharte Konfrontation (Massaker von Hama). Dass eine allgegenwärtige Präsenz nicht so recht funktioniert hat sich ja eigentlich gezeigt.
@Sun Tzu
Christen sind in einigen Teilen der Welt genauso engstirnig, hasserfüllt und beschränkt wie diese Muslime. Die großen Religionen geben sich nichts, wenn es um Ausgrenzung und Gewalt gegenüber andersdenkenden und andersartigen Menschen geht.
Der Unterschied ist rein sozialer und politischer Natur. Durch die Aufklärung haben wir in Europa eine Tradition geschaffen, die den Einfluss von Religion zurückgedrängt hat und sie mehr oder weniger strikt vom Staat fernhält. Diese Philosophie wurde dann nach Amerika exportiert (und damit meine ich den gesamten Kontinent). Gerade die US-Verfassung basiert wie kaum eine andere auf den Werten der Aufklärung, auch wenn es die religiösen Rechten nicht wahrhaben wollen.
Diese Tradition gab es der islamischen Welt nie. Mit der Ausnahme der Türkei sind alle islamischen Staaten mehr oder weniger theokratisch geprägt. Manche extrem (wie Saudi Arabien oder der heutige Iran), andere weniger. Säkularismus wird dort als etwas rein westliches gesehen.
Aber mach bitte nicht den Fehler zu denken, dass es keine Christen gibt, die nicht gerne die gleichen Zustände hätten. Sie benehmen sich nur, weil sie von den Gesetzen dazu gezwungen werden. Statt dessen suchen sie sich jedes erdenkliche Schlupfloch um anderen Menschen ihr Weltbild aufzudrängen. Im „Bible Belt“ der USA kannst du das am deutlichsten beobachten. Aber auch in Europa gibt es diese Extremisten. Im Gegensatz zu den USA sind nur sehr selten und werden zurecht als Spinner betrachtet.
@ Stefan2 | 14. September 2010 – 17:25
Weitgehende Zustimmung!
Ein wesentlicher Punkt der langfristigen sicherheitspolitischen Stabilisierung ist die Schaffung/Unterstützung aufgeklärter islamischer Religionsschulen, die eben das Denken der Aufklärung in die islamische Welt bringen und Extremisten weiter isolieren. Die Kairoer Schulen sind da z. B. auf einem sehr erfreulichen Weg. Für die Türkei muss man leider feststellen, dass sie schon mal weiter war, als heute. Die aktuellen „Reformen“ dort halte ich für ein von vielen unterschätztes möglicherweise gefährliches Kuckucksei.
Auch der Islam und viele von ihm geprägte Gesellschaften müssen eben eine Phase der Aufklärung durchleben und so zivilisatorische Werte und Strukturen annehmen. Die von Ihnen zitierte Trennung von Staat und Kirche ist hier ein wesentlicher Ansatzpunkt.
Die Tatsache, dass es in jeder Glaubensgemeinschaft auch Idioten gibt, muss man glaube ich nicht weiter diskutieren. Die christliche Welt hat es hier nur bereits geschafft, dass diesen Scharlatanen nur höchst selten gefolgt wird. Hier gibt es in der islamischen Welt noch Nachholbedarf.
Ihre Kritik am amerikanischen „Bible- Belt“ teile ich nicht. Der allergrößte Teil der damit beschriebenen Gläubigen sind ehrbare aufgeklärte Menschen, leistungsorientiert, familiär, zivilisiert. Sie wollen die Trennung von Staat und Kirche, nicht aber von Staat und Gott. (Atheisten können hier gern „Gott“ mit dem damit verbundenen Normen- und Wertekorsett bzw. dem aufgeklärten Rechtsstaat übersetzen.)
Hier ist die bundesdeutsche Mediendarstellung derart verzerrt, dass sie zu einem falschen Bild der Realität führt. Mediale Gesetzmäßigkeiten führen nun mal, dass überproportional über die paar Spinner berichtet wird, die jedoch faktisch keine Rolle spielen. Unter dem Schlagwort „Evangelikale“ wird dann eine so inhomogene Ansammlung unterschiedlichster Gruppen zusammengefasst, dass dieser Begriff jegliche Aussagekraft verloren hat.
Ich verfolge bei weitem mehr US-Medien und Blogs als deutsche. Darunter sind einige, die sich im speziellen mit Atheismus und anderen gesellschaftlichen Problemen beschäftigen. Dadurch ergibt sich natürlich eine Filterung der Meinungen, aber sie geschieht nicht durch die hiesige Medienlandschaft. Und ich bekomme die Informationen praktisch aus erster und zweiter Hand, sowie die persönlichen Erfahrungen von Menschen, die dort leben.
Dass man eine Trennung von Staat und Kirche will mag für die Durchschnittsmenschen vielleicht zutreffen, aber sicherlich nicht auf die Kirchen selbst. Das war interessanterweise im 18. Jahrhundert mal so, aber heute garantiert nicht. Der Einfluss der Kirchen auf die Politik und das tägliche Leben ist in manchen Gegenden geradezu erschreckend. Nicht nur aus europäischer Sicht, sondern auch für viele Amerikaner die dort aufgewachsen sind und sich nicht anpassen wollten oder konnten. Es gibt da viel zu viele Horrorgeschichten, die sich ständig in sehr ähnlicher Form wiederholen, als das man diese als Ausnahme abtun könnte.
Ich weiß zwar nicht, wie wir jetzt auf die Kirsche kommen…
Aber wussten Sie, dass die US-Gründerväter praktisch Atheisten waren und die Menschen damals viel seltener in die Kirche gegangen sind als heute?
Das ist doch ganz erstaunlich oder? Aber dies hier ist ja kein Reliblog… Zum Glück.
hm, kann’s sein, dass die Diskussion hier irgendwie abgedriftet ist? So in ganz andere Sphären?
Zur Abrundung des eigentlichen Themas:
Afghan partition a recipe for civil war, NATO says
Als einer, der selbst aus Afghanistan stammt und sich mit der Materie etwas besser auskennt, als viele andere hier, möchte ausdrücklich betonen, dass ich die Idee von Robert Blackwill voll und ganz unterstütze. Ich würde sogar weitergehen, und nicht nur (wie er) eine „de facto“ Teilung, sondern eine völlige, „de jure“ Teilung verlangen. Afghanistan ist ein Konstrukt der Kolonialzeit, auf dem Reisbrett entstanden, als Pufferstaat zwischen Britisch-Indien und Russisch-Zentralasien. Seitdem es diese Mächte nicht gibt, hat Afghanistan keine Funktion mehr und zerfällt im Bürgerkrieg. Solche die der Meinung sind, in Afghanistan würde es nicht um Ethnien und Sprachen gehen, solle doch mal bitte die Nachrichten verfolgen. Erst vor 2 Wochen sind Hazara und Paschtunen aufeinander los, es gab mehrere Tote. Im Parlament beschimpfen sich Tadschiken und Paschtunen gegenseitig. Es gibt immer wieder Konflikte um Land, Besitz, Geschichte – es geht immer um die Bevorzugung des einen oder anderen Volkes, oftmals ganz strikt Paschtunen gegen Nicht-Paschtunen. Schonmal darüber nachgedacht, warum es nur Paschtunen sind, die sich den Taliban anschließen?! Schonmal von einem Hazara gehört, der sich in die Luft sprengt?! Oder von einem Usbeken?! Der Grund, warum man die Taliban im Süden nciht besiegen kann, ist weil sie die volle Unterstützung der Bevölkerung haben. Und der Grund, warum es bei den Hazara oder im Norden des Landes kaum terroristische Aktivitäten gibt, ist, dass es dort keine Paschtunen gibt. Un wenn es zu solchen Aktivitäten kommt, handelt es sich zu 99% um Paschtunen. Wenn es also einen solchen Drift gibt, dann sollte man das endlich offiziell machen. Der Westen kann die Taliban im Süden nicht besiegen und die Taliban haben Mühe, aus dem Süden rauszukommen – bis auf wenige terroristische Attacken haben sie außerhalb der paschtunischen Gebiete nichts zu sagen. Und die afghanische Armee?! Die besteht fast ausschließlich aus Tadschiken und Hazara, die nicht daran denken, sich für die Sache der Paschtunen und im Namen eines völlig korrupten paschtunischen Präsidenten, der die Taliban als seine „lieben Brüder“ bezeichnet, zu opfern. Diese Tadschiken und Hazara werden aber kämpfen, wenn ihre eigenen Leute in Gefahr sind – das war so vor 2001, als die Taliban, trotz massiver Unterstützung Pakistans und Saudi-Arabiens, es nicht geschafft haben, die tadschikischen Gebiete zu erobern. Es wird endlich Zeit, das Land zu teilen.
Ein kleines Wort zu Ehsan Azari Stanizai: der Mann ist ein paschtunischer Ultranationalist, wurde schon des Öfteren als Sprachrohr der Taliban bloßgestellt. Sein Artikel ist in der Huffington Post veröffentlicht worden und wurde schon dort von den Lesern auseinandergenommen. Er zieht irgendwelche Zahlen aus dem Ärmel, verbreitet irgendwelche Mythen, u.a. dass Alexander der Große schon die Afghanen (Paschtunen) als „Löwenkinder“ bezeichnete. Völliger Unfug, da braucht man nichtmal Geschichtskenner zu sein, zumal er nach unzähligen Aufforderungen immernoch nicht der Bitte nachkommt, für seine kruden Thesen, Zahlen und Mythen endlich glaubwürdige Belege vorzulegen. Solche wie er sind Schuld daran, dass es einen solchen Bürgerkrieg gibt zwischen Paschtunen und Nicht-Paschtunen. Für Interessierte hier ein paar Artikel … das ist halt die Realität in Afghanistan:
1) http://www.nytimes.com/2010/01/04/world/asia/04hazaras.html?_r=1
2) http://www.isn.ethz.ch/isn/Current-Affairs/Security-Watch/Detail/?ots591=4888CAA0-B3DB-1461-98B9-E20E7B9C13D4&lng=en&id=92684
3) http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703720004575476913015061570.html
4) http://www.aan-afghanistan.org/index.asp?id=764
@S.W.
Ersteinmal Danke für den Hintergrund zu Ehsan Azari Stanizai. Aber er steht mit seiner Meinung zur Teilung Afghanistans ja nicht alleine. Der Bericht der Afghanisan Study Group schlägt ja in eine ähnliche Bresche wie Robert Blackwill, und die meisten Schreiber die ihn auf Registan.net sehr ausführlich kritisieren haben mit Sicherheit mit den Taliban nichts am Hut.
Ich will gar nicht behaupten, zu Afghanistan die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben – dazu bin ich schlicht nicht nah genug dran. Aber mein Eindruck ist halt, dass die die afghanische Gesellschaft deutlich weiter zersplittert ist als „nur“ nach Ethnien. Gerade in Afghanistan kann man ja einige sehr seltsame Bündnisse beobachten, die jeglicher ethnischer Einteilung widersprechen.
Gerade dass die Aufständischen im Norden keinen Zulauf haben, und dass es keine nicht-paschtunischen Aufständischen gibt, scheint ja nicht ganz zu stimmen. Gegenbeispiele wären die Islamische Bewegung Usbekistans (berüchtigt durch deutsche Konvertiten und Angriffe auf die Bundeswehr), und wenn ich mich nicht irre gibt es auch übergelaufene tadschikische Milizführer in Herat oder Imam Sahib.
Schon während der Belagerung von Kabul war glaub von ethnischem Zusammenhalt nicht viel zu spüren. Auch schon während der ersten Taliban-Invasion haben ja diverse Kriegsherren die Seiten gewechselt. Beides stimmt mich hinsichtlich eines „Konflikts der Ethnien“ halt eher skeptisch.
Auch was den tadschikischen Widerstand angeht bin ich eher skeptisch. Ich bin kein Experte für afghanische Ethnologie, aber sind nicht die Gebiete um Herat und Mazar-i-Sharif tadschikisch dominiert? Die wurden halt letztlich, wenn auch nach sehr blutigen Kämpfen, von den Taliban erobert. Was Badakschan angeht gibt es Leute, die behaupten, dass dessen Nicht-Eroberung auch sehr viel mit dem Gelände zu tun hatte. Sowas kann ich halt nicht beurteilen.
Auch im Süden selbst ist die Lage glaub nicht so einheitlich. Da gab es ja gleich mehrere Gruppen, die aktiv geholfen haben die Taliban zu vertreiben. Um Jalalabad scheint man mit den Taliban nur sehr wenig anfangen zu können. Und auch sonst scheint es für jede Gruppierung da unten eine konkurrierende zu geben, die für einen Vorteil zu einigem bereit wäre.
Das heißt nicht, dass es wohl keine Ressentiments gibt, oder dass die Probleme nicht verschärfen. Das wäre reichlich naiv. Aber von den Beispielen wirkt auf mich eins wie ein Flüchtlings-Rückkehrer-Problem, und das andere wie ein Konflikt zwischen Nomaden und Siedlern. Die irdische Geschichte ist voll davon. Im Kleinen konnte man das ja auch nach der Wende in Deutschland sehen, als vor Jahrzehnten zwangsenteignete Anspruch auf die mittlerweile längt wieder neu vergebenen Immobilien erhoben. Das ist dann auch gleich als Ossie-Wessie-Sache hochgekocht worden. Und trotzdem war es kein ethnisches Problem.
Ich denke, bei afghanischen Konflikten ist das ähnlich. Die Zusammenarbeit zwischen (Dostum (Usbeke) und Akbar Bai (Tadschike) düfte genausowenig als Beispiel für Weltfrieden taugen, wie ihr Rivalität als ethnischer Konflikt.
Das ist jetzt nur mal meine Sicht der Dinge, und ich behaupte beileibe nicht alle Unbekannten zu kennen. Eine wesentliche ist dabei „Paschtunistan“ als politisches Ziel. Ich kann zum Beispiel keine tatsächlichen Bestrebungen in diese Richtung erkennen, aber das hat halt nicht viel zu sagen. Als Idealvorstellung bzw. Feindbild dürfte es aber bei einigen Akteuren so oder so herhalten.
• Man kann Afghanistan nicht mit Vietnam vergleichen, da in Afghanistan verschiedene Ethnien zusammenleben. Zwischen dem Norden und dem Sueden gibt es einen grossen Unterschied. Afghanistan’s Grenzen wurden kuenstlich hergestellt, ein Resultat von “the great Game” zwischen dem Russischen Reich und dem Britischen Reich. Menschen verschiedener Kulturen wurden in einem Staat zum Zusammenleben gezwungen. Resultat, Paschtunen haben die Vorherrschaft fuer sich entschieden und die anderen Ethnien wurden dominiert.
Wie es Stephen Tanner es in seinem Buch beschrieben hat, Afghanistans Menschen halten nur dann Zusammen, wenn eine Bedrohung aus dem Ausland kommt, sonst gibt es zwischen den Ethnien keinen Zusammenhalt. Auch dieser Zusammenhalt besteht nicht mehr, da ich nur der Sueden gegen die westlichen Truppen wehrt.
Ich sehe auf die Dauer keine Zukunft fuer Afghanistan. Tatsache ist, es sind die Paschtunen, die die Unruhen in Afghanistan bringen. Hat der Norden kein Recht darauf, endlich mal in die Zukunft zu schauen und in Ruhe leben zu koennen?