Russen ziehen sich aus SALIS-Transport für NATO und EU zurück

Diese für die Bundeswehr, aber auch die NATO und die EU entscheidende Nachricht ist den meisten deutschen Medien bislang durchgegangen: Eine russische Gesellschaft, die ebenso wie eine ukrainische Gesellschaft für das westliche Militär Lufttransporte mit dem Großraumflugzeug Antonow-124 anbietet, will aus dem Vertrag aussteigen. Die russische Volga-Dnepr mit ihrer deutschen Gmbh Ruslan Salis wolle den Vertrag in der so genannten Strategic Airlift Interim Solution (SALIS) nicht verlängern, berichtete das Fachportal CargoForwarder Global bereits am (gestrigen) Sonntag:

Volga-Dnepr’s decision to quit SALIS doesn’t come unexpectedly, seen against the background of increasing tensions between Russia and western countries over Syria and other conflicting issues. In a message sent to the SALIS steering Board on 12 April, Volga-Dnepr Airlines has announced their intention to exit the deal. In spite of intense negotiations following the company’s SALIS notification, their contractual western partners could not motivate them to abandon their planned exit.

Officially, Volga-Dnepr told their counterparts that a decision had been taken by their headquarters to no longer carry any military equipment but focus on transporting civilian, humanitarian and commercial goods instead for which their western public clients have little demand.
During the SALIS negotiations, the carrier’s management indicated that its decision is also based on the 2017 signed Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act, which imposed new sanctions on North Korea, Russia and Iran.

Ein Ausstieg der Russen würde für die Streitkräfte in den europäischen NATO-Ländern und in der EU eine deutliche Fähigkeitseinschränkung bedeuten: Für den Transport von Großgerät wie Hubschraubern (s. Bild oben), Panzern, Panzerhaubitzen und ähnlich sperrigem Material in Auslandseinsätze sind sie auf die SALIS-Flugzeuge angewiesen. Nicht nur, weil entsprechend große Flugzeuge im Westen praktisch nicht zur Verfügung stehen – sondern auch, weil die Antonov-Maschinen in deutlich geringerem Umfang von verfügbarer Infrastruktur an Zielflugplätzen abhängig sind. Ohne die SALIS-Transporte mit den in Leipzig stationierten Maschinen hätte die Bundeswehr schon zu Hochzeiten des Afghanistan-Einsatzes Probleme gehabt, und auch für die Mission in Mali sind die Maschinen aus sowjetischen Zeiten praktisch unverzichtbar.

Laut CargoForwarder Global reduziert der Ausstieg der russischen Gesellschaft die vertraglich vereinbarten Flugstunden pro Jahr von derzeit 2.300 auf 900, die dann alleine von der ukrainischen Gesellschaft Antonov Airlines mit ihrer deutschen GmbH Antonov Salis erbracht werden – eine massive Einschränkung für die NATO-Streitkräfte.

Laut Leipziger Volkszeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) bestätigte das Verteidigungsministerium die Beendigung des Vertrages mit der russischen Gesellschaft. Bis Ende dieses Jahres sei aber der Zugriff auf die vereinbarte Transportleistung gesichert. Die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung liefen weiter.

Der russische Ausstieg sieht zwar nach einer Folge der zunehmenden politischen Kluft zwischen Russland und der NATO aus – allerdings, so spekulieren die Experten von CargoForwarder, könnte auch eine andere Strategie dahinter stecken, die der russischen Gesellschaft mehr Rechte in der EU einräumen würde:

However, when taking a second look, many aspects speak in favor of a tactical decision. In particular it is Isaikin’s plan to apply for a German AOC, to base an own cargo airline at LEJ. (…)
Once the AOC request is okayed by the German regulator Luftfahrt-Bundesamt, Volga-Dnepr’s AN-124s could return to Leipzig and resume traffic for NATO and European countries in the name of the new company registered under German law. Also, they would then no longer be affected by the boycott of spare parts of the Ukrainian manufacturer Antonov, because a Germany licensed carrier operating AN-124s will hardly be cut off of technical supplies by the Ukrainians.

Kurz gesagt: Mit einem deutschen Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator Certificate, AOC) würde dann eine deutsche Firma diese Transportleistungen erbringen – mit mehr Rechten innerhalb Europas, vor allem aber mit gesichertem Zugriff auf Ersatzteile des ukrainischen Herstellers Antonov.

(Korrektur: es geht um den gesicherten Zugriff auf Ersatzteile)

(Archivbild Januar 2017: Ankunft von NH90-Hubschraubern der Bundeswehr in Mali mit einer Antonov-124 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)