Ukraine/Russland/NATO: Machtkampf in Russland – der Sammler am 24. Juni 2023 (Update: Putsch beendet)
Angesichts der überraschenden (und noch ziemlich undurchsichtigen) Ereignisse in Russland selbst ein aktueller Sammler am 24. Juni: Der Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoischin, hat nach vorangegangenen Vorwürfen gegen die Führung der russischen Streitkräfte damit begonnen, in Russland selbst gegen die regulären Streitkräfte vorzugehen. Bislang sollen die Söldner militärische Einrichtungen in Rostow am Don unter Kontrolle gebracht haben; Präsident Wladimir Putin sprach von Hochverrat. Der – unvollständige – Überblick:
• Die Intel-Meldung des britischen Verteidigungsministeriums am (heutigen) Samstagmorgen:
In the early hours of 24 June 2023, the feud between Yevgeny Prigozhin’s Wagner Group and the Russian MoD escalated into outright military confrontation.
In an operation characterised by Prigozhin as a ‘march for freedom’, Wagner Group forces crossed from occupied Ukraine into Russia in at least two locations.
In Rostov-on-Don, Wagner has almost certainly occupied key security sites, including the HQ which runs Russia’s military operations in Ukraine.
Further Wagner units are moving north through Vorenezh Oblast, almost certainly aiming to get to Moscow. With very limited evidence of fighting between Wagner and Russian security forces, some have likely remained passive, acquiescing to Wagner.
Over the coming hours, the loyalty of Russia’s security forces, and especially the Russian National Guard, will be key to how the crisis plays out. This represents the most significant challenge to the Russian state in recent times.
• Putin reagierte mit einer vom Fernsehen übertragenen – und offensichtlich am Vorabend aufgezeichneten – Ansprache:
Ich appelliere an die Bürgerinnen und Bürger Russlands, an die Angehörigen der Streitkräfte, der Strafverfolgungsbehörden und der Sonderdienste, an die Soldaten und Kommandeure, die jetzt an ihren Kampfplätzen kämpfen, die Angriffe des Feindes abwehren und dies heldenhaft tun – ich weiß, ich habe heute Abend wieder zu den Kommandeuren aller Richtungen gesprochen. Ich wende mich auch an diejenigen, die durch Täuschung oder Drohungen in dieses kriminelle Abenteuer gelockt und auf den Weg des schwersten Verbrechens, der bewaffneten Meuterei, getrieben wurden.
Russland kämpft heute einen schweren Kampf um seine Zukunft, indem es die Aggression der Neonazis und ihrer Herren abwehrt. Praktisch die gesamte Militär-, Wirtschafts- und Informationsmaschinerie des Westens ist gegen uns gerichtet. Wir kämpfen für das Leben und die Sicherheit unseres Volkes, für unsere Souveränität und Unabhängigkeit. Für das Recht, Russland zu sein und zu bleiben – ein Staat mit einer tausendjährigen Geschichte.Dieser Kampf, in dem sich das Schicksal unseres Volkes entscheidet, erfordert die Einheit aller Kräfte, Einigkeit, Konsolidierung und Verantwortung. Wenn alles, was uns schwächt, jede Art von Zwietracht, die unsere äußeren Feinde nutzen können und nutzen, um uns von innen zu untergraben, beiseite geschoben werden muss.Und so sind die Aktionen, die unsere Einheit spalten, im Grunde genommen ein Abfall von unserem Volk, von unseren Mitstreitern, die jetzt an der Front kämpfen. Es ist ein Dolchstoß in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes.
Dies war der Schlag, der Russland 1917 versetzt wurde, als das Land den Ersten Weltkrieg führte. Doch der Sieg wurde dem Land gestohlen. Intrigen, Streitereien und politische Machenschaften hinter dem Rücken der Armee und des Volkes führten zu den größten Umwälzungen, zur Zerschlagung der Armee und zum Zusammenbruch des Staates, zum Verlust großer Gebiete. Das Ergebnis war die Tragödie des Bürgerkriegs.
Die Russen töteten die Russen, die Brüder töteten ihre Brüder, und die lukrativen Interessen wurden von allen möglichen politischen Abenteurern und ausländischen Kräften geerntet, die das Land spalteten und zerrissen.
Wir werden nicht zulassen, dass sich dies wiederholt. Wir werden sowohl unser Volk als auch unsere Staatlichkeit vor allen Bedrohungen schützen. Auch gegen internen Verrat.
Und genau das ist der Verrat, mit dem wir es zu tun haben. Übertriebener Ehrgeiz und Eigeninteressen haben zu Verrat geführt. Verrat an ihrem Land, an ihrem Volk und an der Sache, für die die Kämpfer und Kommandeure von Wagner an der Seite unserer anderen Einheiten gekämpft haben und gestorben sind. Die Helden, die Soledar und Artemovsk, Städte und Dörfer im Donbass befreit haben, kämpften und gaben ihr Leben für Noworossija, für die Einheit der russischen Welt. Ihr Name und ihr Ruhm wurden auch von denen verraten, die versuchen, einen Aufstand zu organisieren und das Land in Richtung Anarchie und Brudermord zu treiben. Letztendlich in Richtung Niederlage und Kapitulation.
Ich wiederhole: Jeder innere Aufruhr ist eine tödliche Bedrohung für unsere Staatlichkeit, für uns als Nation. Es ist ein Schlag für Russland, für unser Volk. Und unsere Maßnahmen zur Verteidigung des Vaterlandes gegen eine solche Bedrohung werden hart sein. All diejenigen, die bewusst den Weg des Verrats eingeschlagen haben, die einen bewaffneten Aufstand vorbereitet haben, die den Weg der Erpressung und der terroristischen Methoden eingeschlagen haben, werden die unvermeidliche Strafe erleiden, werden vor dem Gesetz und unserem Volk zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Streitkräfte und andere staatliche Stellen haben die erforderlichen Befehle erhalten, und in Moskau, im Moskauer Gebiet und in einer Reihe anderer Regionen werden zusätzliche Antiterrormaßnahmen ergriffen. Es werden auch entschlossene Anstrengungen unternommen, um die Lage in Rostow am Don zu stabilisieren. Die Lage ist nach wie vor kompliziert, da die Arbeit der zivilen und militärischen Behörden effektiv blockiert ist.
Als Präsident Russlands und Oberbefehlshaber, als Bürger Russlands werde ich alles tun, um das Land zu verteidigen, um die verfassungsmäßige Ordnung, das Leben, die Sicherheit und die Freiheit seiner Bürger zu schützen.
Diejenigen, die den militärischen Aufstand organisiert und vorbereitet haben, die die Waffen gegen ihre Mitstreiter erhoben haben, haben Russland verraten. Und sie werden dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Und ich fordere diejenigen, die in dieses Verbrechen hineingezogen werden, auf, nicht den fatalen und tragischen, einzigartigen Fehler zu begehen, die einzig richtige Entscheidung zu treffen – sich nicht mehr an kriminellen Aktionen zu beteiligen.
Ich glaube, dass wir das, was uns lieb und heilig ist, bewahren und verteidigen werden, und gemeinsam mit unserem Vaterland werden wir alle Prüfungen überwinden, wir werden noch stärker werden.
(übersetzt mit deepl.com)
• Update: Und nun scheint alles ganz anders, der Putschversuch ist abgeblasen… von der New York Times:
The Russian mercenary leader Yevgeny V. Prigozhin said late Saturday that he was turning around his fighters heading to Moscow to avoid Russian bloodshed, as the security crisis engulfing Russia showed signs of a possible resolution.
In an audio statement posted to Telegram, Mr. Prigozhin said that his forces were within 200 kilometers, or about 125 miles, of Moscow, and had reached that point without any bloodshed among his fighters.
“Now the moment has come when blood could be shed,” he said. “So, understanding all responsibility for the fact that Russian blood will be spilled, on one side, we are turning around our column and are leaving in the opposite direction to field camps in accordance with the plan.”
(Ggf. weiter nach Entwicklung)
@Observer:
Na wenn Sie 1. schonmal diese sinnlosen Meldungen Wagner wäre in dem Atomwaffenlager gewesen, was dann mit einem falschen SatBild vermeldet wird, glauben wollen…
Und 2. dürften hoffentlich auch russische Atomwaffen mit praktisch nicht zu knackenden Codes gesichert sein.
Und 3. kann Russland da überhaupt keine Verantwortung von sich schieben, weil Sie das jetzt nicht bekannt geben und Prigoschins und seine Leute angeblich ziehen lassen. Es wäre Russlands Verpflichtung eine gestohlene Atomwaffe zu sichern. Oder wollen die das im Zweifel erst in 2 Wochen gemerkt haben?
Einfach mal realistisch bleiben, das war kein 5D Schach.
Jetzt kommt Prigoschin um die Ecke und definiert das zueinem „Demonstrationszug“ um. Er wollte doch nur protestieren…
PS: Ich persönlich hätte kein Problem mit einem Russland in Chaos, schon allein weil es gut für die Ukraine wäre.
Aber damit stehe ich natürlich gegen die German Angst. Auch die Atommächte Frankreich und England haben sich entkolonialisiert.
@Nurso
„Nicht nur Putin ist kein Strategisches Genie…auch Prigoschin ist keines.
Das vergessen die meisten!
Man schaue sich seine Wutreden an.
Sein Marsch auf Moskau kam aus Wut und Hass gegen Schoigu. Eher also kurzfristig, ohne viel zu überlegen.
Daher auch das ganze Chaos.“
Sie behaupten gerade, Prigoschin sei das größte taktische Genie der Welt.
Das müßte er jedenfalls sein, um eine solche Aktion aus dem Stand, ohne Vorbereitung zu starten.
Selbstverständlich war das nicht so. Biden wurde mehr als eine Woche vorher gebrieft, daß Prigoschin etwas in dieser Richtung plane. Putin wird vermutlich etwas ungehalten sein, nicht zu dieser Zeit gebrieft worden zu sein.
Fragen Sie mal in der Bundeswehr, wieviel Vorbereitung in eine völlig friedliche Verlegung nach Litauen gesteckt wird. Wenn diese Aktion mit nur 2 Wochen Vorbereitung (oder so) gestartet worden sein sollte, zeigt dies, daß Wagner ein kompetenter Haufen ist.
Sicher ist Prigoschin ein impulsiver Mensch, der deshalb öfter mal über die eigenen Füße stolpert. Er ist aber auch, so sagen es ex-Wagnerianer, ein genialer Manipulator. Man kann sich deshalb nie völlig sicher sein, wieviel Anteil Wut und wieviel Anteil Skript in einem Prigoschin-Wutausbruch steckt.
@Metallkopf
„Ich weiß nicht, ob man die eigene innenpolitische Schwächung als „schlau“ bezeichnen kann. Dass Putin sich selbst und seine Glaubwürdigkeit demontiert, für eine bloße taktische Finte, halte ich für nahezu ausgeschlossen.“
Ich auch.
Aber … von welcher „taktischen Finte“ reden Sie? Andere Varianten hätten Rußland um eine fünfstellige Anzahl von Soldaten sowie jede Menge Material geschwächt – worauf ich gehofft habe und vermutlich auch die Ukrainer. Zum Beispiel der gute Mann in diesem etwas älteren Filmschnipsel:
https://twitter.com/Demoguardian/status/1672343219504402435
Putin hat ein Schlupfloch gefunden, um das zu vermeiden. Das Vorgehen bekommt keinen Schönheitspreis, aber er hat innerhalb eines Tages die Zahl der ihm künftig noch zur Verfügung stehenden Soldaten um eine fünfstellige Zahl erhöht. Das ist nicht nichts. Zur Erinnerung: Er möchte auch noch einen Krieg gewinnen bzw. wenigstens nicht verlieren. „Bürgerkrieg Putin-treue Truppen vs. Wagner“ => Thunder Run der Ukraine nach Sevastopol. (Wär das schön gewesen…)
@TomCat
„Aber warum hat Priogozhin zurück gezogen? Irgendwas muss Putin ja doch noch in der Hand gehabt haben. Hat Putin ihm ein Angebot gemacht, dass er nicht ablehnen konnte?“
Ich gehe davon aus, daß ein Prigoschin-Auftritt eine schwer durchschaubare Mischung aus Aufrichtigkeit und Berechnung / persönlichem Ehrgeiz ist.
Ja, er möchte was werden und geht dabei ohne Probleme über Leichen. Aber daneben halte ich ihn für einen aufrichtigen russischen Patrioten jener Sorte, deren Patriotismus das Unterjochen anderer Länder durch die geistig und kulturell überlegenen Russen einschließt. (Nicht vergessen: Diese Sorte Patriotismus ist in Deutschland erst kürzlich etwas aus der Mode gekommen.)
Diesem aufrichtigen russischen Patrioten fällt auf, daß Rußland zwar viele Gräben ausgehoben hat, es aber keineswegs so ist, daß in jedem dieser Gräben verteidigungsbereite Soldaten sitzen. Man hat Soldaten für einen Frontabschnitt, die sich mehrmals zurückfallen lassen können, aber dahinter kommt dann eben nur noch eine Linie für’s Deserteure-Erschießen plus einige kümmerliche Reserven, von denen einige nur deshalb existieren, weil man sie dank Staudamm-Sprengung aus Kherson abziehen konnte. Auf der anderen Seite verwendet die Ukraine bei weitem nicht ihr ganzes Potential, und bekommt weiteres hinzu, zum Beispiel sehr bald die Leopard1-Einheiten.
Das bedeutet: Die russische Front darf nirgends brechen, sonst fährt die Ukraine mit Panzerspitzen dort spazieren, wo es keine Minengürtel gibt, und schiebt Sicherungstruppen mit Stryker und AMX-10 hinterher. Das konnte sie in Kharkiv noch nicht, das kann sie jetzt. Wenn es schlecht läuft für Rußland, kann die Ukraine binnen 2 Tagen am Meer sein von einer Durchbruchsstelle aus.
Ich halte Prigoschin für jemanden, den die Wackeligkeit des Ganzen tatsächlich wütend macht, und der tatsächlich den Verantwortlichen mit ihren Beschwichtigungen in den Hintern treten möchte. Gleichzeitig soll auch für ihn etwas abfallen dabei.
Ich vermute deshalb, daß Putin auch Zugeständnisse bei Shoigu gemacht hat. (Wenn er die gemacht hat, bedeutet das natürlich noch nicht, daß dies auch so stattfindet.) Und daß Prigoschin von Belarus aus das Afrika- und Nahost-Business von Wagner weiter ausbauen darf.
@Schlammstapfer
„…Zum anderen ist es eben schon ein Unterschied, ob man Russland als eine Bedrohung für Staaten darstellt, deren Wirtschaftskraft auf dem Niveau von Marocco rangieren, die (ausrüstungstechnisch) zweitklassige, maximal durchschnittlich geschulte und personell vergleichsweise kleine Armeen haben oder ob man Russland als eine Bedrohung für Staaten darstellt, die über gut ausgebildete und ausgerüstete Soldaten verfügen und die im V-Fall auf die Hilfe von 30+ verbündeten Staaten bauen können, die zum Teil zu den wirtschaftlich stärksten Nationen zählen, die ebenfalls (zumindest überwiegend) gut ausgebildete und ausgerüstete Armeen haben und die zudem hoch motiviert sind, den Russen in den Hintern zu treten…“
1. Welche Armee könnte denn „die Russen“ in den Hintern treten? Bis auf die USA fallen mir da nicht viele ein.
2. In Art. 5 ist bei der NATO geregelt:
„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. “
Es ist also durchaus möglich, dass sich NATO-Staaten dafür entscheiden, nur diplomatisch tätig zu werden. Das hilft dem angegriffenen Staat natürlich in der konkreten Situation sehr viel. Ich erinnere daran, wie zögerlich anfangs Waffenlieferungen in die Ukraine erfolgten, Stichwort 5000 Stahlhelme.
3. Wurden die ukrainischen Streitkräfte nicht seit 2014 genau für die Abwehr eines solchen Angriffes ausgebildet und ausgerichtet?
4. Der Finanzbedarf der BW bleibt ja bestehen und kann/soll/muss auch damit kommuniziert werden, dass es eben nicht mehr zu einer sochlen Situation kommen kann. Dass es so natürlich nicht kommuniziert werden wird, da stimme ich leider zu, es wird dann wieder freidensdividendiert.
@FreeEurope
„…Der russische Imperialismus, Kolonialismus und die anti-westliche / anti-europäische Haltung sind eine Konstante in der russ. Politik seit 500 Jahren, seit Ivan dem IV. Und imperialistische, nationalistische, revanchistische und rassistische Überzeugungen finden (leider!!) bei einer Mehrheit der russ. Bevölkerung Anklang. Das merkt man sehr schnell, wenn man das Land bereist und öfter mit Russen zu tun hat…“
Es gab geschichtlich aber auch Phasen der Annäherung, und, um nicht politisch zu werden, beziehe ich diese Aussagen bewusst nur auf die Historie während des Zeitraumes, als Rußland noch von Zaren regiert wurde. Was ist mit Peter I., was mit Peter III./Katharine II. als herausragenden Beispielen? Und Imperialismus und Kolonisalismus war in den letzten 500 Jahren eher Staatsdoktrin als die Ausnahme. Den Begriff „antiwestliche/antieuropäische Haltung“ verorte ich persönlich eher als eine Wortschöpfung nach 1945.
@TW Ist OT, kann also gerne gelöscht werden, war mir aber wichtig.
Lukaschenko weiß ja genauso wie Prigozhin, dass Belarus ein Land ohne Zukunft ist, und demnächst nach Russland eingemeindet werden wird. Die Pläne und Verträge hierzu gibt es ja schon länger. Lukaschenko ist sich zweifellos bewusst, dass er aller Voraussicht nach der allerletzte belarussische Präsident ist.
All das lässt aber im Bezug auf das belarussische „Exil“ für Prigozhin aufhorchen. Wenn in Russland die Verfahren gegen Wagner-Mitglieder, einschließlich ihn selbst weitergeführt werden, wie unlängst bekannt geworden, müsste er ja wissen, dass ihm nach der Einverleibung von Belarus wieder dasselbe Ungemach droht, als wäre er in Russland geblieben. Mal abgesehen von der Möglichkeit, auch beim aktuellen Aufenthalt in einem Staat von Putins Gnaden aus einem höher gelegenen Fenster zu stolpern oder mit Polonium versetzten Tee serviert zu bekommen.
Wenn Prigozhin also noch lebendig und in Minsk oder Belarus aufhältig ist – wie ja im Übrigen auch möglicherweise einige der ihn auf dem „Marsch der Gerechtigkeit“ begleitenden Wagner-Söldner dorthin ausreisen dürfen sollen – dann m.E. ausschließlich deshalb, weil er dort dringend gebraucht wird. Sei es, um die dortige (und weitgehend kriegsunwillige) Bevölkerung und Truppe zum Kriegseintritt zu kujonieren, oder für was auch immer.
Der vollständige Eintritt von Belarus in den Krieg gegen die Ukraine wäre damit das aus meiner Sicht einzige denkbare Ziel, mit dem man diese Farce auch nur irgendwie rational erklären könnte.
@SGdR:
„Es gab geschichtlich aber auch Phasen der Annäherung, und, um nicht politisch zu werden, beziehe ich diese Aussagen bewusst nur auf die Historie während des Zeitraumes, als Rußland noch von Zaren regiert wurde. Was ist mit Peter I., was mit Peter III./Katharine II. als herausragenden Beispielen? “
Nun, Peter I (der Große) hat doch gerade mit seinen Nordischen Kriegen gegen Schweden klassisch imperialistische Eroberungspolitik betrieben, mit erheblicher strategisch wichtiger räumlicher Expansion.
Bei Katharina II war es die imperialistische Expansion nach Süden (Ukraine, Krim) und Westen (Polen).
Und Peter der III lebte einfach viel zu kurz (dank seiner Frau Katharina II), um signifikante Spuren in der Geschichte zu hinterlassen ;-).
„Den Begriff „antiwestliche/antieuropäische Haltung“ verorte ich persönlich eher als eine Wortschöpfung nach 1945.“
Nein, ist es nicht. Schauen Sie sich bitte einmal die Geschichte und Lehren der russisch-orthodoxen Kirche an, die über die gesamte Zarenzeit einen prägenden Einfluss auf die russ. Bevölkerung und Geistesleben hatte.
„Nein, ist es nicht. Schauen Sie sich bitte einmal die Geschichte und Lehren der russisch-orthodoxen Kirche an, die über die gesamte Zarenzeit einen prägenden Einfluss auf die russ. Bevölkerung und Geistesleben hatte.“
Meines Wissens war übersteigerter Nationalismus (wir toll, alle anderen doof) kein alleiniges Russisches Merkmal.
„Kein aufrechter Deutscher kann einen Franzmann leiden“ usw.
Noch dazu kommen mit Napoleon und Hitler 2 einschneidende Eroberungszüge von Europa nach Russland hinzu, die das Denken des einfachen Volkes geprägt haben.
Man könnte allenfalls noch sagen, dass Russland noch immer stark in diesem Denken festhängt, während der Rest Europas sich langsam mehr oder weniger davon gelöst hat.
Und ja, da muss „Russland“ als Staat klargemacht werden, dass das nicht mehr toleriert wird. Aber bitte keinen Kampf gegen alles „russische“. Denn das wäre genau jenes alte nationalistische Lagerdenken.
@lukan:
„Man könnte allenfalls noch sagen, dass Russland noch immer stark in diesem Denken festhängt, während der Rest Europas sich langsam mehr oder weniger davon gelöst hat.
Und ja, da muss „Russland“ als Staat klargemacht werden, dass das nicht mehr toleriert wird.“
Nichts anderes hatte ich geschrieben, wenn Sie meine bisherigen Beiträge zu diesem Thema durchlesen. Wir müssen aber die Realitäten und das herrschende Mindset der Mehrheitsbevölkerung in Russland im Auge behalten, um nicht wieder Opfer naiven Wunschdenkens zu werden.
@FreeEurope“
Nichts anderes hatte ich geschrieben, wenn Sie meine bisherigen Beiträge zu diesem Thema durchlesen“
Das hatte ich, dieser eine Post klang mir doch ein wenig anders, aber da hatte ich sie vielleicht missverstanden.
„Wir müssen aber die Realitäten und das herrschende Mindset der Mehrheitsbevölkerung in Russland im Auge behalten, um nicht wieder Opfer naiven Wunschdenkens zu werden.“
Und dazu natürlich Zustimmung. Aber eben nicht nur auf Russland bezogen. Ungarn, Türkei, Polen usw. haben ja bekanntermaßen auch sehr unschöne Tendenzen. Und ja eben auch die Ukraine selbst. Das ist gewissermaßen mein Punkt, nicht unbedingt auf sie bezogen, sondern mehr die allgemeine Tendenz sich jetzt auf Russland als Feind einzuschießen und die Augen bei den Verbündeten zu verschließen. So höre ich sehr oft den Standpunkt, dass Russland auf keinen Fall für Aggression belohnt werden dürfe und besetzte Gebiete behalten darf. Dem stimme ich zu. Aber bitte dann bei Marokko in der Westsahara und bei der Türkei in Syrien die gleichen Standards anwenden. Das sehe ich aber nicht.
@Lukan
Für die Westsahara soll es angeblich ja Abstimmungen geben.
Die Frage was Marroko mit dieser hoch defizitären Region, die sich noch dazu dank Klimawandel in eine Todeszone verwandelt, überhaupt will ist sowieso absurd.
Auf jeden Fall war die Aktion Westsahara eine typische Trumpel Aktion, mit einem Hauch typischer dreckiger Realpolitik, wenn auch zum Nutzen Israel, was ich nicht grundsätzlich schlecht finden will. Wir werden sehen, ob sogar Merkavas ihren Weg nach Marokko finden im Gegenzug.
Ich wüsste nicht, dass irgendjemand vor hätte Türkischen Anspruch auf syrische Regionen anzuerkennen.
@Dominik
„Wir werden sehen, ob sogar Merkavas ihren Weg nach Marokko finden im Gegenzug.“
Ich sehe die Merkavas in Zypern.
Die zypriotischen T-80 habe ich auch irgendwo erblickt vor meinem geistigen Auge, kann mich aber gerade nicht mehr erinnern, wo.
;-)