Fürs Archiv: Auftakt zur Bilanzdebatte Afghanistan des BMVg
Das Verteidigungsministerium hat am (heutigen) Mittwoch eine öffentliche Bilanz des Afghanistan-Einsatzes begonnen – ausdrücklich als Auftakt zu weiteren nötigen Veranstaltungen zu diesem Thema.
Ich habe dabei ein, eigentlich zwei Panels moderiert und bin deshalb nicht der richtige, über diese Veranstaltung zu berichten. Aber fürs Archiv das Video der mehrstündigen Debatte mit mehreren Podien hier:
(Medienberichte dazu sammele ich ggf. hier noch zusätzlich als Übersicht)
Interessant war erneut die Diskussion um Homogenität bzw. Kohärenz von Einheiten und Teileinheiten. Leider wurde daraus bis nicht wirklich gelernt, da weiterhin die Stellenbesetzungsliste (SBL) wichtiger ist als Kohäsion. Auch in Mali.
Das hätte man übrigens auch ohne 20 Jahre Einsatz wissen können (siehe Kampfkraft von van Creveld).
Wirkliche Selbstreflexion und Lernfähigkeit auf operativer und strategischer Ebene ist wahrscheinlich dann eh zu viel verlangt, wenn es schon bei fundamentalen Themen auf taktischer Ebene aufgrund einer ungebrochenen Dominanz der administrativen Perspektive (SBL) nicht gelingt echte Verbesserungen zu erreichen.
Nach dem Schaulaufen kommt dann wohl noch eine weitere (Enquete-)Kommission zum Einsatz. Auch da wird man die Nichtthemen der deutschen Sicherheitspolitik (Rolle von Gewalt zur Zielerreichung, Jasagerei, Schônrednerei, etc.) gewohnt elegant vermeiden.
Im Ergebnis wird dann auch übernächstes Jahr weiterhin keine geschlossene Infanteriekompanie mit seinem Großgerät in den Einsatz nach Mali gehen.
Aber schön, dass dann ganz viele über ganz viel gesprochen haben.
ich war positiv überrascht, sehr positiv sogar. Die Breite der Erfahrungen, die da repräsentiert waren, war schon eindrucksvoll. Habe mich gefragt: Warum nun erst?
Im Speziellen: Was Jens Arlt auf TW’s Fragen hin berichtete, was die alles an „robusten“ Polizeiartigen Einsätzen, im „Auftrag“ des Innenministeriums von AFG durchgeführt haben, wobei die „intelligence“ vom Innenministerium kam, hatte ich mir bislang nicht als möglich vorgestellt.
Meine persönliche Bewertung vorab. Bei den Beiträgen der aktiven Generale der Bundeswehr überkam mich ein Gefühl des Fremdschämens. Deren Beiträge völlig unstrukturiert und am Thema, konkret der Fragestellung vorbei. Um so vieles besser Nötzel und vor allem Wüstner! Ein beondererer Dank an General a.D. Glatz!! Ein Lichtblick in der Diskussion.
Die durch den GI formulierten Leitfragen hatten offensichtlich nur noch die Bedeutung einer Fensterrede.
Ich habe selten eine so zusammengewürfelte (Auftakt) Veranstaltung erlebt. Von strategischer Ebene oder gar ministeriellem Charakter einer breiten Eröffnungsveranstaltung war dies ganz weit weg. Das hätte mancher Reservistenverband auf dem flachen Land besser organisiert.
Insbesondere von Frau BM’n erlebten wir viele staatstragende Worte, emotionsgeladen, jedoch eine Aneinanderreihung von bereits Bekanntem.
Was die wirklich neuen Erkenntnisse sind, ist mir noch nicht klar.
Einige inhaltliche Aspekte:
Einsatzauswertung beinhaltet die Bereitschaft, aus eigenen und anderen Erfahrungen zu lernen, das Erkennen der Konsequenzen des eigenes Handelns bewusster zu machen, auch Fehler einzugestehen und bewährtes Handeln (anderer) zu übernehmen.
Grundsätzlich sind zwei Arten von Evaluation zu unterscheiden. Die Einsatzauswertung hinsichtlich Taktik, Verfahren, Ausstattung, Ausbildung, Erfahrungslernen, lessons learned.
Wirkungsanalysen: Analyse/Bewertung von Wirkungen und Erfolg bezogen auf das
Mandat.
Hier geht es in erster Linie um Wirkungsanalyse aber eben nicht nur allein!
Verschwiegen wurde lange, dass Deutschland mit sehr unklaren Vorstellungen in die Einsätze ging. Dieses bestätigte der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Peter Struck, retrospektiv in einem TV-Interview: „Wir sind da schon – das will ich gerne zugeben – etwas blauäugig oder auch etwas naiv an die Sache herangegangen, weil wir davon ausgingen, dass die Afghanen die ausländischen Truppen als Hilfe ansehen und uns für den Wiederaufbau des Landes natürlich freudig begrüßen würden.“
Es blieb nicht beim ‚rein’ Militärischen. 2001, ein gutes Jahrzehnt nach dem Triumph des demokratischen Modells über den Kommunismus, traute sich der Westen noch eine fast missionarische Weltverbesserung zu. In Afghanistan, ausgerechnet dort!
Damals wie heute fehlte in Deutschland zu der Zeit eine Debatte darüber, was unsere nationalen Interessen sind. Vielmehr wurden und werden Bündnisinteressen ohne weitere Diskussion mit deutschen Interessen gleichgesetzt. Somit bestimmte Multilateralismus bis in die jüngste Zeit hinein maßgeblich die deutschen Entscheidungen.
Ein paar militärische Aspekte:
Unter der Überschrift „Die Bundeswehr nach Afghanistan – Lessons Learned“ trafen sich z.B. im Januar 2013 im Rahmen des „3. Koblenzer Forums Verteidigungspolitik“ Spitzenmilitärs.
Ich möchte hier die Schlussfolgerungen des damaligen Verteidigungsministers de Maizière kurz referieren, weil sie von besonderer Relevanz sind. Er sagte laut Zusammenfassung des
Bundeswehrverbandes: „Alle Zeitpläne haben sich als zu kurz erwiesen, ISAF darf nicht strukturbestimmend für die Bundeswehr sein.“
Raus kam eine neue Überschrift: „Breite vorTiefe für Stabilisierungsoperationen.“ Sonst nichts!
Schon in dem im November 2010 verabschiedeten Strategischen Konzept bekundete die Nato die Absicht, »Doktrin und militärische Fähigkeiten für expeditionäre Operationen weiterzuent-
wickeln, darin eingeschlossen Counterinsurgency-, Stabilisierungs- und Wiederaufbau-Operationen«. Im Operations Plan wurden »umfassende, bevölkerungszentrierte Counterinsurgency-Operationen« als eine der Aufgaben von ISAF benannt.
Counterinsurgency und Counterterrorism blieben in Deutschland allerdings ausschließlich Überschriften, konzeptionell wurde es nie erschlossen, in der Ausbildung nie umgesetzt, im Einsatz erfolgte keine operativ- taktische Anwendung/Umsetzung.
Für z.B. „Embedded Partnering“ gab es nie ein entsprechendes Ausbildungskonzept.
……..
Man wird nun diese Tagung als großen Erfolg darstellen und auf das VERGESSEN setzen.
Richtig wäre, in der überfälligen Debatte über deutsche Sicherheitspolitik eine nachhaltige Neuorientierung anzustreben. Dazu ist diese aus dem Boden gestampfte Tagung nicht geeignet. Ein ganz schlechter Start! Warten wir ab, in welcher Form die „Schlüsse“ aufbereitet werden, wann und wie sie zur Verfügung stehen.
Ebenfalls interessant im zweiten Panel mit T.W. die kurze Diskussion um die Handlungsmöglichkeiten.
Da will der ehemalige Befehlshaber des EinsFüKdo von 2 ehemaligen Abgeordneten wissen, warum der Rechtsrahmen nach Kapitel VI nicht genutzt wurde (Gewaltanwendung nicht nur bei Notwehr/Nothilfe). Leider sind die Antworten eher allgemein und orientieren sich hin zum Thema politische Kommunikation. Lediglich der Hinweis von Herrn Nachtwei zu den Erfahrungen bei der G36-Kommission legt nahe, dass er hierüber besser verstanden hat, dass es hier ein echtes Problem gab. Das jedoch unter Verschluss gehalten wird. So viel damit auch zur Einleitung durch die Ministerin
Es fehlte dabei komplett die offene Diskussion um die Auslegung der Handlungsmöglichkeiten und der Interpretation der ROE durch das BMVg und das EinsFüKdo. Also hätte GenLt Glatz sich die Frage zumindest teilweise selbst beantworten können. Stattdessen scheint er die Einschränkung der Befugnisse weiterhin im Bundestag zu verorten.
Ob dieses Thema in der weiteren Bilanz mal eine echte Rolle spielt?
Passend zur Lehmschicht zwischen militärischer Führung und politischer Leitung vielleicht noch als Beispiel die Diskussion um die Befugnisse der QRF:
https://www.dw.com/de/bundeswehr-schickt-erstmals-kampfverband-nach-afghanistan/a-3383504
Der Gipfel der Absurdität („theoretische Diskussion in Berlin“) an angeblicher militärfachlicher Beratung der Politik.
Etwa ein Jahr später war das BMVg dann ganz stolz darauf, dass man die Rechtsauslegung (und damit auch die Taschenkarte) angepasst hat.
Aber wer will solche vorgeblichen Details heute noch wissen? Was haben wir daraus für Mali gelernt?
@ Memoria
Volle Zustimmung.
Beispiel EUTM:
Die ca. 70 Soldatinnen und Soldaten kamen aus ca. 40 Einheiten bzw. Dienststellen.
Es stellt sich die Frage nach dem Referenzpunkt. Ist es der Frieden oder der Krieg? Im Frieden kann man einen „Gemischtwarenladen“ hinnehmen, im Krieg bzw. Einsatz nicht.
Wie immer haben wir aber kein Erkenntnisproblem in der Bundeswehr. Die Bundeswehr ist nicht blöd oder besteht nicht aus geistigen Tieffliegern.
Erfolg besteht aus 3 Buchstaben: T U N.
@ Ökonom 06.10.2021 um 20:46 Uhr
…..“Was Jens Arlt auf TW’s Fragen hin berichtete, was die alles an „robusten“ Polizeiartigen Einsätzen, im „Auftrag“ des Innenministeriums von AFG durchgeführt haben, wobei die „intelligence“ vom Innenministerium kam, hatte ich mir bislang nicht als möglich vorgestellt.“…
Es ist schon interessant.
Mich wurde zusätzlich interessieren, ob alle dieser Einsätze mit dem jeweiligen Mandat vereinbar waren und/oder dem Parlament bekannt waren.
In Nordafghanistan hatten die KSK-Kämpfer die Einheit »ATF 888« ausgebildet. BIs zum Abschluss des DEU Kontingentes. Dazu weiß man fast gar nichts.
Ich finde es auch ungewöhnlich, dass deutsche MILITÄRISCHE Spezialkräfte offenbar weitere Polizeinheiten ausbildeten, ggf. mit diesen Operationen durchführten, welche eher nationalem AFG Polizeirecht als militärischen Vorgaben folgten.
Wen hat man denn ausgebildet? Mit welchem Erfolg? Wurde das im Nachgang begleitet? Wenn Polizei, gab es Abstimmung mit dem deutschen BMI, dem AA und der Bundespolizei vor Ort?Etc/Etc.
WEN hat man denn da „im Auftrag“ festgesetzt und was ist mit denen geschehen? Man hörte ja in AFG von groben Rechtsverstößen. Entweder rein national oder auch in Verbindung mit „Operationen“ von US Geheimdiensten.
Ein Kommando-Offizier der Bundeswehr hat in einem Brief an die Wehrbeauftragte Eva Högl schwere Missstände beim Einsatz in Afghanistan gemeldet. Was wurde daraus?
Ähnliche Schreiben aus dem KSK sollen angeblich auch im BMVg vorliegen, ob das wohl stimmt? Was steht da drin?
Vielleicht erfährt man ja nun mehr. Allerdings vermute ich, dass niemand damit gerechnet hat, dass General Arlt so bereitwillig in die Details ging.
Erinnert mich an: https://augengeradeaus.net/2020/05/debatte-ueber-bewaffnete-drohnen-das-line-up/
Bin gespannt, ob es ein besseres/anderes outcome gibt. Die Drohnendebatte des BMVg war ja eher ein Sturm im Wasserglas.
(Tut zwar nichts zu Debatte aber ich hätte hier Gebärdensprache als Bild-in-Bild erwartet)
@Florian Staudte:
Auf der taktischen Ebene gibt es sicherlich kaum ein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Die von der Generalität erwähnte Lernfähigkeit über die jeweiligen Kontingente deckt sich nicht wirklich mit meiner Wahrnehmung.
Auch der OStFw sah ja eher die Gefahr, dass viel Wissen im Bereich „Kampf gegen irreguläre Kräfte“ wieder verloren geht.
Operativ gab es aus meiner Sicht nie ein durchdachtes Konzept (siehe deutsche Position zu COIN). Aktuell geht dir Denkweise ja sogar wieder zurück wie vor 20 Jahren: Wer LV/BV kann, der kann alles.
Das mag für die kleine Kampfgemeinschaft richtig sein, aber schon auf Einheitsebene ist es falsch.
Eigentlich spätestens seit Vietnam bekannt.
Es fehlt an der Umsetzung der einfachsten Erkenntnisse auf taktischer Ebene und einer echten Diskussion auf operativer Ebene.
Leider gab es zu zweiterem bei der Auftaktveranstaltung von der militärischen Führung keinen echten Impuls. Teilweise hat man dazu auch nicht die theoretische Grundlage.
Entlarvend waren auch die Abschlussworte der Ministerin:
Sie fragte erneut ob Deutschland oder Europa den Flughafen in Kabul oder sonstwo alleine sichern könnte und auch bleiben würde, wenn es wie in Kabul Verluste gibt. Das sei der mindset der Amerikaner.
Das ist dann das Ergebnis von 16 Jahren unionsgeführter Verteidigungspolitik.
Also wenn man das bei der Evakuierung eigener Staatsbürger nicht mehr politisch aushalten will und militärisch sich kaum in der Lage sieht einen Flughafen abzusichern, dann sollte man sich ganz grundsätzlich mal fragen, was Politik, Streitkräfte und Verwaltung überhaupt noch können.
Es ist ja soviel von Kriegstauglichkeit die Rede. Da scheint man wohl weiterhin mental sehr weit weg von zu sein.
Gleichzeitig will man wesentliche Beiträge zur Abschreckung Rußlands leisten.
Das paßt alles gar nicht mehr zusammen, interessiert aber offensichtlich Bauch niemanden mehr.
Wurde die Methode zu dieser systematischen Einsatzanalyse und -bewertung vorgestellt?
WER macht WAS, WOZU?
Welche Ebenen?
Zum Beispiel:
-Strategische Planung und Führung.
-Operative Planung und Führung.
-Taktische Planung und Führung.
Wo kann man die Ergebnisse nachlesen?
Wieviel Zeit wurde für die Aufbereitung veranschlagt?
‚
Der Generalinspektuer der Bundeswehr, Zorn, hat davor ‚gewarnt‘ (!!), aus der raschen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan falsche Schlüsse zu ziehen. Der schnelle Fall der Regierung sei kein Beleg dafür, dass westliche Militärinterventionen generell zum Scheitern verurteilt seien. Doch konkreter wurde er nicht. Was belegt denn seine steilen Thesen?
Der Kommandeur des letzten deutschen Einsatzkontingentes der Ausbildungsmission „Resolute Support“ in Afghanistan, Gen Ansgar Meyer, sagte, es habe „sicher“ „Defizite“ bei den afghanischen Sicherheitskräften gegeben, etwa bei ihrer Logistik oder Durchhaltefähigkeit. Dennoch habe nicht das fehlende Durchhaltevermögen der lokalen Sicherheitskräfte zur schnellen Machtübernahme der Taliban geführt. Es habe auch an der militärischen Führung der afghanischen Streitkräfte gelegen. Und das hat keiner vorher gemerkt? Das ist der alleinige Grund? Das ging ja schnell, sein Erkenntnisgewinn!
Also, kann man nachprüfen, wer, wann, was gemeldet hat? Was ist damit geschehen? Wurden Meldungen geschönt?
Eine Veranstaltung, geprägt von Thesen, wohlgemeint und doch (noch) durch nichts belegt. Hoffentlich ändert sich das!
Die als Bilanzveranstaltung gedachte Veranstaltung der Bundesministerin der Verteidigung stand von Anbeginn an unter keinem guten Stern. Zu sehr wurde erkennbar, dass alle zusätzlich und weiteres vorgesehenen Veranstaltungen, Ehrenmal und Großer Zapfenstreich, der verkorksten „Begrüßung“ des letzen Kontingent ORS am Fliegerhorst Wunstorf geschuldet waren.
Eiligst wurde an Formaten geschnitzt, die eigentlich immer das gleiche bieten. Etwas außergewöhnliches viel niemanden ein. Und jeder, der dafür die ministeriellen Planungen vornahm wusste, dass dies alles in den Bundestagswahlkampf 2021 fallen wird. Das konnte nicht gut gehen. Dies belegen die ständig neuen Programme für die Bilanzveranstaltung, noch dazu auf einer äußerts unübersichtlichen Webseite BMVg.de. Nachdem auch alle Fraktionen abgesagt hatten blieb auch der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages nichts anders übrig als auch abzusagen. Dass in einer Programm PDF als letztes Panel eine Runde mit Staatssekretär Silberhorn, GI Zorn und G Glatz vorgesehen war, hielt sich auch nur wenige Zeit und wurde schnell wieder gelöscht. Verkorkst kann man da nur sagen.
Noch was Ärgerliches. Mehrmals wurde während durch den Moderator der geamten Veranstaltung gebeten, Fragen zu stellen. Meine Versuche, dafür einen Zugang zu finden, blieben ergebnislos. Als dann doch Brigadegeneral Bartscher als einsatzgeschädigte Soldaten und in Zivil zugeschaltet wurde war mir klar, Fragen darf nur der stellen, der dem BMVg genehm ist. Eine weitere Zuschaltung klappte aus tecchnischen Gründen nicht. Nicht gut für ein Bundesministerium.
Mein Fazit: Regierungshandeln durch und in Regierungsveranstaltungen zu bilanzieren ist weder schonungslos noch offen und schon garnicht vorbehaltslos. Es ist immer interessengeleitet. Weitgehend immer nur einen ständige Wiederholungen von mehrfach und vielerorts bereits Bekanntem und Gesagtem. Die Bilanzveranstaltung der Bundesministerin der Verteidigung hätte man sich auch sparen können. Ich zählte während der gesamten Dauer in YouTube so ungefährt 150 Zuschauer.
Mein Wunsch: In einer Koalitionsvereinbarung für eine neue Bundesregierung muss stehen: Einrichtung einer Unabhängigen Kommission (Enquete) für die Bilanzierung ISAF und ORS.
Grundsätzlich werden in allen Einsätzen der Bundeswehr Erfahrungen und gewonnene Erkenntnisse in Erfahrungsberichten dokumentiert und einer Auswertung auf den Hierarchieebenen zugeführt. Daneben werden anlassbezogene Einzelberichte, Dienst- und Fachaufsichtsberichte sowie Meldungen in diesen Auswerteprozess miteinbezogen.
Defizite und Problemfelder mit Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte sollten ja systematisch qualitativ und quantitativ erfasst und aufbereitet werden.
Die Bundeswehr verfügt also über zahlreiche Stränge der Einsatzauswertung. Die meisten sind offenbar nicht wirklich praxistauglich.
Es gibt zahlreiche strukturelle OrgEl, zahlreiche DP, oft hochdotiert: Einsatzauswertung in den OrgBer, jeder hat da seine eigene. Von 2** Generalen werden Abteilungen Einsatz in jedem MilOrgBer geführt!! Alle müde geworden :-)?
Wie ist der Stand verfügbarer Einsatzauswertetools z.B.„Informationssystem Einsatzerfahrungen der Bundeswehr“ oder „Aus dem Einsatz lernen xx/YYYY Einsatzauswertung Heer“
Wozu braucht man regelmäßig neue medial allzu prominent aufbereitete „Kick Off“ Veranstaltungen, anstelle verfügbare Instrumente zu nutzen oder bereit zu stellen?
Habe mal in meinen alten Unterlagen gesucht und folgendes gefunden:
Die Evaluierung von Einsatzerfahrungen in der Bundeswehr / Einsatzauswertung:
Ziel der Einsatzauswertung ist es, die im Auswerteprozess gewonnenen Erkenntnisse und vor allem auch Erfahrungen aus Einsatzvorbereitung, Einsatz und Einsatznachbereitung zielgerichtet in die Planung, Vorbereitung und Durchführung laufender und zukünftiger Einsätze einfließen zu lassen. Dies schließt die Optimierung von Fähigkeiten, Ausbildung und Verbesserung der personellen und materiellen Ausstattung ein. Verantwortliche Abteilungen veranlassen sogenannte Auswertebesprechungen. Die Gespräche werden im Anschluss an den Einsatz mit den Inhabern der sogenannten Spitzendienstposten geführt.
Die Ergebnisse der Einsatzauswertung werden bewertet und anschließend so umgesetzt, dass Planung, Vorbereitung und Durchführung laufender und zukünftiger Einsätze kontinuierlich angepasst und verbessert werden.
Aus dem Jahr 2009:
Der Begriff „Einsatzqualität“ ist von großer Bedeutung sei. Es geht bei den diesbezüglichen Überlegungen prinzipiell darum, „ob wir die Dinge tun und ob wir die Dinge richtig tun“. „Einsatzqualität“ beinhalte die Qualität der Auftragserfüllung, die Einsatzauswertung und das Einsatzcontrolling. Letzteres soll Aufschluss über das Verhältnis von Auftrag und Ressourcen und deren zielgerichtetem Einsatz geben. Jeder Einsatz hängt vor allem von den verfügbaren materiellen und personellen Ressourcen ab. Die Einsatzfähigkeit ist die Voraussetzung für die Auftragserfüllung, deren Effizienz ein Muss für die Zielerreichung darstellt. Der Einsatz selbst ist nach militärischen und vor allem nach politischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Für die Entsendung von Truppe der Bundeswehr müssen seitens der politisch Verantwortlichen und der militärischen Führung klare Ziele definiert werden.
Also – sicher alles da! In der Theorie, mal schauen….. Das BMVg hat die Bundeswehr in das Rampenlicht gestellt. Hoffentlich schauen Parlament aber auch Medien jetzt mal genau hin, was im BMVg und der Bundeswehr tatsächlich geleistet wurde. Irgendwie beschleicht einen das Gefühl, das sich dort über 2 Jahrzehnte ein Bürokratiemonster auftat, man sich unter dem Stichwort Einsatz hochdotierte Dienstposten schaffen konnte, obwohl in den Kommandobehörden man sehr weit weg war von den tatsächlichen Einsatzrealitäten.
@ w_rific 07.10.2021, um 17:51 Uhr
Die bundeswehrinterne Auswertung der Auslandseinsätze ist ein ein Kosntrukt aus Paradoxien, Bürokratien und widerwilligen Anpassungsprozessen.
Die Bundeswehr als heterogene und komplexe Organisation hatte nie ein wirklich professionelles Einsatz – Controlling unmittelbar bei der Leitung. Eine ausuferende Verantwortungsdiffusion im Ministerium machten eine gezielte, sachgerechte und energische Einsatzführung unmöglich. Man behinderte sich gegenseitig in Strukturen, die nie erfolgsfähig waren.
Es traut sich nur keiner zuzugeben. Aufgeblasene Strukturelemente der Bundeswehr, welche sich unter Führung von Generalen in ‚Endverwendung‘ eher mit sich selbst beschäftigten. Bestes Beispiel ist Kommando Heer. Da gibt es einen Kdr Einsatz, doch mit Einsatz hat der eigentlich nichts zu tun. Man schuf sich Konstrukte, welche nie wirklichen OUTPUT produzierten: Eine funktionierende zentrale Einsatzauswertung von Landoperationen für die schnellere und abgestimmte Maßnahmen gab es nur auf ppt Folien.
Ich empfehle da genau hinzuschauen, am besten durch unaghängige Beobacher.
Ich teile die Einschätzungen zum bürokratiserten Einsatzmanagment der Bundeswehr. Wir haben alle in Einsätzen erlebt, was am Ende des Tages wirklich umgesetzt wurde, wie sich die harte Einsatzrealität nach oben hin immer mehr ‚verbesserte‘.
Zur Lehmschicht des GI kann ich nichts sagen, bin ich zu weit weg. Doch wenn man die oberflächlichen Parlamentsdebatten zu Einsätzen vor Augen hat, wundert man sich schon – Desinteresse, Langeweile oder Informationsdefizite, was führte zu solcher Oberflächlichkeit?
Stil und Formulierungen der letzten Beiträge zur Einsatzauswertung legen allerdings den Verdacht nahe, dass sich nun mancher zu Wort meldet, der möglicherweise selbst in dieser Blase eine geruhsame Bürozeit hatte und nun einfach mal abrechnen will.
Wir brauchen jedoch nicht pauschale, neidbasierte Abrechnung, sondern eine evidenzbasierte Betrachtung. Bedeutet also eine Betrachtung, ob es z.B. klare und messbare Zielen gab, entsprechende Maßnahmen eingeleitet und anschließend kontinuierlich überprüft wurden, um gegebenenfalls Korrekturen vornehmen zu können. Also bitte Kritik, aber konstruktive Kritik.
@nsh.haw, hyassine, w_rific:
Die Berichte zeigen ja nicht selten sie fehlende Lernfähigkeit, da sich dort über Jahre die gleichen Themen finden. Teilweise sogar von den gleichen Personen im nächsten Einsatz.
Seit dem Ende von ISAF ist auch der Schwung in der Einsatzauswertung (Seminare, „Aus dem Einsatz lernen“, Schlüsselpersonal in KdoBeh) verloren gegangen. Im Ergebnis gibt weiterhin bei MINUSMA Probleme die bereits bei ISAF identifiziert würden, aber nie umgesetzt wurden.
Aus der Sicht der Protagonisten der obigen Veranstaltung ist das aber alles prima gelaufen.
Das ist dann schon ein institutioneller Realitätsverlust, statt institutionelle Lernfähigkeit.
Aber das Thema wird man auch weiterhin nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit betreiben, da dafür der Anspruch auf allen Ebenen sein müsste eine professionelle und kriegstaugliche Armee sein zu wollen.
Stattdessen gibt es aber mehr als genug Bedenkenträger (Zuständigkeiten, Prozesse, Vorschriften, Haushaltsmittel, Bedarfe, Planungsvorgaben, fehlendes Interesse der Führung, Personalengpässe, Ausbildung, Logistik, etc.).
Eine Auswertung auf operativer Ebene ist da noch nicht mal gemeint.
Ich war selbst im Einsatz und habe Erfahrungen durch Verwendungen im BMVg und Einsatzführungskommando.
Die Aufbereitung des Afghnaistaneinsatzes ist richtig und notwendig.
Allerdings war ich auch erschüttert über die Auftaktveranstaltung. Insbesondere der hier bereits erwähnte Auftritt der beiden Generale im Panel 1.
Ansgar Meyer versuchte auffallend unsicher bloß nichts Falsches zu sagen. Blumig füllte der den Raum mit Sprechblasen.
Jens Arlt sprach u.a. über den Einsatz von Spezialkräften.
Ich rege an, dort investigativen Jornalismus und genaueste parlamentarische Kontrolle anzusetzen. Das ist mehr als Geschichtesforschung. Aus meiner Zeit im EinsFüKdo gebe ich mal das Gerücht weiter, dass inbesondere das KSK sich Einsätze „suchte“ und „gestaltete“. Da halfen Bekanntschaften im In- und Ausland, Vernetzungen quer durch die Bundeswehr. Man wird es zunächst nicht glauben, aber es war ein merkwürdiger Weg vom Wunsch des KSK: „Wir müssten mal wieder in den Einsatz“ bis zur „Ausbildung ATF 888“.
Selbstreflexion und Lernfähigkeit auf operativer und strategischer Ebene konnte man von den beiden Generalen nicht erwarten. Die Fragen dazu gingen ins Leere, mangels Bereitschaft zur exkten Antwort und offenbar fehlendem Wissen. Die Bundeswehr verfüge für ihre Auslandseinsätze über eine grundsätzlich richtig aufgestellte und funktionierende Führungsstruktur, na klar! Die Wahrheit ist, Bürokratie und bürokratisches Handeln sind Teil der Bundeswehr. Wie aber gingen deutsche Soldaten mit ihr in Auslandseinsätzen in Afghanistan um? Keine Antworten.
Prof. Dr. Sönke Neitzel hatte die richtigen Denkansätze, doch seine Gedanken wurden kaum aufgenommen.
Oberstleutnant Wüstner sprach genau an, was Truppe denkt. Das war wirklich überzeugend.
Warum hat man eigentlich nur diese Brigadegenerale für Panel 1 eingeladen und nicht die Inhaber der Dienstposten „Chef des Stabes der Mission Resolute Support in Afghanistan“ (Poschwatta,Marlow,Mais, u.a) Die waren doch ganz dicht dran!
Ein abschließender Gedanke. Wer hat in diesem CDU geführten BMVg jetzt noch wirklich ein Interesse an schonungsloser Darlegung und strukturierter Auswertung? In einem BMVg in welchem über Jahre Behäbigkeit in einer Art regierte, als sei die Bundeswehr auf immer und ewig durch die CDU politisch zu leiten. Man hat CDU/CSU Politiker dorthin abgeschoben, manche haben sich bewährt, manche verheerendes Unheil angerichtet. Man schuf Strukturen, die nicht in die heutige Zeit passen und gerade bei Einsätzen nach dem Motto „Dienst nach Vorschrift“ wichtige Entscheidungen verzögerten. Das Gefühl bei den Soldaten im Einsatz, durch bestehende Regeln eingeengt zu sein und Probleme nicht lösen zu können, wurde nie wirklich angepackt.
Jetzt versorgt AKK noch ihre Getreuen mit Posten und versucht abschließend den Eindruck zu erwecken, dass ihre Zeit und ihr Wirken erfolgreich war. Dazu dienen ihr solche Veranstaltungen, Appelle und, und. …
Nach den Terroranschlägen von Al-Qaida auf die USA am 11. September 2001 begannen die USA und NATO-Verbündete wie Deutschland – mit Zustimmung der Regierung Schröder/Fischer – den Internationalen Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan, um die damalige Taliban-Regierung zu stürzen und die Terrororganisation Al-Qaida, die von den Taliban in ihrem islamischen Emirat beherbergt wurde, zu bekämpfen.
Ende 2014 lief das Mandat für die NATO-geführte ISAF-Truppe aus und ein Großteil der ausländischen Kampftruppen wurde abgezogen. Eine verkleinerte NATO-Mission verblieb im Land, um die afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin zu unterstützen. (ORS). Diese reduzierte Mission wurde von der westlichen Führungsmacht USA einseitig Hals über Kopf beendet. Den übrigen Verbündeten blieb nichts anderes übrig als ihre Truppen ebenfalls über Nacht abzuziehen, da ihre militärische Präsenz von der der USA abhing.
(Noch) CDU-Chef Armin Laschet sprach vom «grössten Debakel der Nato seit ihrer Gründung». Auf der britischen Insel bezeichnete der ehemalige Premierminister Tony Blair den Rückzug der Amerikaner aus Afghanistan als «idiotisch».
Die politische Debatte in Deutschland konzentriert sich gegenwärtig auf die Verantwortung für das chaotische Ende des Truppenabzuges aus Afghanistan. Das militärische und politische Desaster, das der Westen in Afghanistan angerichtet hat, bedarf aber in Gänze einer intensiven ganzheitlichen politischen aber auch militärischen Aufarbeitung. Es steht für mich außer Frage, dass sich die Unionsparteien, die SPD und die Grünen, die allesamt den Einsatz in Afghanistan mitgetragen haben, für dieses Komplett-Desaster politisch verantworten sollten. Aber auch militärische Verantwortlichkeiten müssen angesprochen werden, auch öffentlich!
Des Pudels Kern wurde aussen vor gelassen: Warum sind wir mit welchen Zielen und mit welchen Mitteln nach AFG gereist? WARUM haben wir WAS gemacht? Ueber das WIE wurde natuerlich gerne gesprochen, und was das fuer Einzelne fuer Folgen hatte, und wie immer und gerne wurde eine „Gesellschaftliche Debatte“ wahlweise vermisst oder gefordert, selbst von ehemaligen politischen Entscheidern, den beiden MdB aD. Gesellschaftliche Debatten werden in einer repraesentativen Demokratie im Parlament gefuehrt, sind dort auch kontrovers gefuehrt worden. Kann keiner behaupten, dass die Fragen & Fakten zu AFG dort nicht schon vor 10 Jahren auf den Tisch gekommen waeren. Aber BReg, AA & Bw hatten kein Interesse an oder keine Peilung zu einer Diskussion zu wahren strategischen Beweggruenden, die uns nach AFG haben ziehen und bis zum letzten Moment dort haben verweilen lassen. Und das wird sich fortsetzen. Egal auf welcher Ebene, egal in welchem Ressort, mEn werden wir regierungsamtlich keine selbstkritische Reflektion des deutschen Engagements in AFG zu sehen bekommen.
Eine Beobachtung: Mich wundert zwar nicht, wie sich das Auswaertige Amt als das eigentliche Leitressort in der Aussen- und Sicherheitspolitik wieder mal gaanz zurueckhaltend elegant nur als einer von vielen Teilnehmenden des Ansatzes von „vernetzter Sicherheit“ geriert. Richtig ist es aber dennoch nicht. Das AA sollte wenigtens als Co-Host einer solchen Veranstaltung fungieren; dann haette eine solche Kiste natuerlich nicht im politischen Vakuum 10 Tage nach der BT-Wahl stattgefunden. Was das soll? Aber am Werderschen Markt zu Berlin laechelt man wahrscheinlich stets & innerlich ueber die taktischen Wuehler in Uniform, die machen immer brav alles mit, erfreuen sich ihrem Taetigsein in der Fremde und uebernehmen in der Oeffentlichkeit de fakto dann auch noch die Verantwortung fuers Ganze.
Mit dieser Bilanzdebatte soll die weitgehend gescheiterte Mission aufgearbeitet werden.
An dieser Stelle ziehen also Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus der Politik, Expertinnen und Experten zum Thema Afghanistan sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft eine Bilanz des internationalen Engagements, ordnen seine Bedeutung für Afghanistan sowie Deutschland ein und richten einen Blick in die Zukunft. So der Plan.
Doch der Auftakt gestaltete sich holprig.
Es wurde in diesem Faden schon darauf hingewiesen, dass in Afghanistan nicht nur ein militärischer Einsatz scheiterte, der nach 2006 von einer Stabilisierungsmission zunehmend zu einer Counterinsurgency-Operation , also einer Mission der proaktiven Aufstandsbekämpfung mutierte. Mehr als 3500 ausländische Soldaten kostete der Afghanistan-Einsatz ihr Leben, unter ihnen auch 59 Deutsche.
Die Bilanz für Afghanistan fällt erschütternd aus. Weder wurde der internationale Terrorismus ausgemerzt. Er ist stark wie nie und global vernetzt.
Noch konnte Afghanistan stabilisiert werden. Zu Buche stehen bis zu 185 000 zivile Opfer, viele Frauen und Kinder, 66 000 tote afghanische Soldaten und Polizisten, 3 600 tote Soldaten der Allianz. Die Taliban verübten grausame Anschläge, der brutale Inlandsgeheimdienst der afghanischen Regierung, NDS, brachte hunderte Menschen um. Die humanitäre Situation ist katastrophal, wie die Berichte der UN-Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA) zeigen: Die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe im Land angewiesen sind, hat sich seit Anfang 2020 von 9,4 Millionen auf 18,4 Millionen verdoppelt. Allein im vergangenen Jahr sind laut aktuellen Zahlen von UN-OCHA knapp 380.000 Menschen innerhalb des Landes vor Kämpfen und Gefechten aus ihren Dörfern und Städten geflohen. Über 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge sind weltweit im Ausland registriert. Es gibt 4 Millionen Kinder, die nicht zur Schule gehen, die Korruption galoppiert, und nach 20 Jahren leben 72 Prozent der Afghanen unter der Armutsgrenze.
In Afghanistan scheiterte die Strategie, ein von Staatsversagen, sozialer, politischer und ethnischer Zerklüftung, Unterentwicklung und weitgehender Rechtslosigkeit gekennzeichnetes Land wiederaufzubauen, zu modernisieren und in ein demokratisches Gemeinwesen zu transformieren. Als Ziel des ISAF-Einsatzes formulierte die NATO die „emergence of a secure and stable Afghanistan, with a broad-based, gender-sensitive, multi-ethnic and fully representative government“.
Wenn nun einige argumentieren, die internationale Präsenz hätte viele Afghanen geschützt, so ist dies problematisch. Diese Argumentation ignoriert die vielen Opfer, die es ohne die internationale Intervention nicht gegeben hätte. Ebenso problematisch ist der Einwand, die Gesamtrechnung sei positiv, weil mehr Afghanen profitiert als gelitten hätten. Dieses Argument ist – da auf einer kontrafaktischen Argumentation basierend – nicht überprüfbar, und es basiert auf der gefährlichen Annahme, Menschenleben gegeneinander aufrechnen zu können.
Daher ist eine ergebnisoffene Evaluation geboten, die die Wirkungen des eigenen Handelns zu erfassen versucht. Angesichts der Opfer und Kosten des Afghanistan-Einsatzes ist sie geradezu zwingend. Eine wirkungsorientierte Evaluation hantiert notgedrungen mit kontrafaktischen Überlegungen. Sie ist deshalb, wie die oben skizzierten Argumentationen nahelegen, äußerst schwierig.
In ihrem Schlusswort unterstrich Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer: Die Bilanzierung sei noch lange nicht beendet. Konkreter wurde sie leider nicht.
Ich finde ja beeindruckend, was hier für Erkenntnisse in so kurzer Zeit zu lesen sind.
Ich frage mich, da doch die Bundeswehr so herausragende Bildungs- und Forschungseinrichtungen hat, wir der ganzen Welt erklären, dass die Deutschen eigentlich die Erfinder von bester Strategie und Taktik sind, warum also die Bundeswehr sehenden Auges in ein solches Desaster rammelt.
Evaluierung von Einsätzen ist nun wirklich nichts Neues und wurde immer wieder in Reden der Leitung/Führung eingebaut.
Schon in Hamburg lernte man Anfang der 2000 er Jahre:
„Evaluierung“ ist ein, im internen Sprachgebrauch der Bundeswehr, häufig verwendeter Begriff. Ganz allgemein bedeutet Evaluierung oder Evaluation (von lateinisch valere „stark bzw. geeignet sein“) eine sach- und fachgerechte Bewertung.
Entscheidend ist, dass Evaluierungen bestimmte Qualitätskriterien wie Glaubwürdigkeit der Evaluierenden, Zeitnähe, Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit etc. erfüllen, um mögliche Verbesserungspotenziale, aber auch Empfehlungen zur künftigen Umsetzung aufzuzeigen. Eine Evaluierung, die gegenüber der untersuchten Einsätze nur lobende Töne anschlägt, darf in diesem Sinne sogar mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden. Grundsätzlich eignen sich für eine Evaluierung sowohl quantitative Methoden (Datenbanken, Befragungen, statistische Methoden etc.) als auch qualitative Methoden (Interviews, Beispiele aus dem Einsatz etc.)
„Training without evaluation is a waste of time and ressources“ stellt ein U.S. Field Manual fest.
Um es mal klar zu sagen, am Wissen und am Prozess selbst kann es nicht liegen. Entweder es ist handfest gelogen worden oder man hat bewusst weggeschaut. Möglicherweise war nicht nur der GI „Lehmschicht“ sondern auch das gesamte BMVg und auch höhere Kommandobehörden.
Es ist mir zu billig, alles der Politik zuzuschieben.
Ergebnisse der Evaluierung sind zu dokumentieren (Qualitätssicherung). Man braucht doch also nur „den Schrank aufmachen und den entsprechenden Ordner ziehen!“
Zur Dokumentation gehören z.B. Ergebnisprotokolle. Die Protokolle dokumentieren die gefassten Entscheidungen/Maßnahmen/Beschlüsse und können zu jedem Zeitpunkt zum Nachschlagen von getroffenen Absprachen herangezogen werden.
Daneben gibt es – in der Theorie – einen übergeordenten und ständig verfügbaren Evaluationsplan, in dem die einzelnen Elemente der Einsatzevaluation samt Zeitplan, zuständigen OrgEl und insbesondere Verantwortlichen erfasst werden. Einen ausführlichen Bericht z.B. zu den ausgewerteten Frage- und Beobachtungsbögen oder Auswertegesprächen mit Kommandeuren ist im Evaluationsbericht integriert. Dieser beschreibt die zentralen Schritte der Einsatzevaluation. Er dient insbesondere der BMVg internen Verwendung.
Wo sind diese Datenbanken/Unterlagen? Platt gesagt: „Was steht drin?“
Wo sind die zusammengefassten Leitungsvorlagen? Mit den jeweiligen Anmerkungen und Namenszeichen?
Ich hoffe ja, dass diese, mit Blick auf eine neue politische Leitung des BMVg, nicht im Reißwolf landen und/oder gelöscht werden!
Nur nebenbei:
Damit eine Evaluation auch nachhaltig Wirkung entfaltet, sollten die Ergebnisse möglichst zeitnah bekannt gemacht werden. Bin gespannt.
Kontroversen über Auslandseinsätze stehen einer Demokratie gut an. Fehlentscheidungen über das Ob und Wie eines Auslandseinsatzes werden unwahrscheinlicher, wenn sich Bundesregierung und Bundestag durch eine differenzierte öffentliche Debatte dazu gedrängt sehen, möglichst genau zu begründen, welche Ziele der Einsatz verfolgt und wie die eingeplanten Mittel diese Ziele erreichen sollen.
Bereits Januar 2016 (!) legten die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD in diesem Sinne dem Bundestag einen Gesetzentwurf vor, der die Evaluierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr vorsieht (Bundestag Drucksache 18/7360).
Wer weiß, was daraus geworden ist?
Uff. Knapp 5 Stunden später. Das dritte Panel (ohne Beteiligung des Hausherrn) war teilweise schwer anzusehen, weil es so eine fürchterliche Vorahnung von dem vermittelt hat, was in der „Bilanzierung“ auf uns zukommen könnte: eine als Kind aus Afghanistan Geflüchtete darf einmal kurz sagen was für furchtbare Angst man vor den Entwicklungen einer erneuten Herrschaft der Taliban hat. Wenig später reicht sich der Rest der Runde gegenseitig das Mikrofon herum und man beglückwünscht sich selbst und gegenseitig, wie viel man doch gelernt hat aus den 20 Jahren. Ich hab nur noch auf die „High Fives“ gewartet. Wie schön für uns, wie viel wir gelernt haben. Werden die Afghanen nicht viel davon haben, aber was soll’s? C’est la vie.
Das ist, wovor ich bei der Auswertung des Einsatzes Angst habe: kurzzeitig scheinbar selbstkritisches Zähneknirschen, danach einfach ein „Tja, wieder was gelernt.“ und weiter wie gewohnt.
@dieandereMeinung:
Die Koalition hat es nicht geschafft den Entwurf bis zur nächsten Wahl abschließend zu beraten:
https://dip.bundestag.de/vorgang/…/71871
Oft geschieht dies, wenn ein Ressort da Bedenken hat und die Fraktionen zu schwach sind sich durchzusetzen.
Der Vorgang sagt schon sehr viel über die Ernsthaftigkeit der Einsatzauswertung auf strategischer Ebene.
[Link zur Bundestagsdrucksache ist leider verstümmelt, bitte noch mal einstellen. T.W.]
@T.W.:
https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-fortentwicklung-der-parlamentarischen-beteiligung-bei-der-entscheidung-%C3%BCber/71871
Hoffe jetzt funktioniert es.
Die Debatte lief einfach nach der 1. Lesung ins Leere. Obwohl die GroKo das Thema einfach hätte machen können.
Zitat: https://www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/zentrum-innere-fuehrung/unsere-angebote/if-zeitschrift-fuer-innere-fuehrung/agile-fehlerkultur-5100954
„Fehlerkultur meint die Art und Weise, wie wir mit Fehlern und den daraus erwachsenden Konsequenzen umgehen. Die einen unterlassen alles, was zu Fehlern führen könnte oder strafen die ab, denen Fehler passieren. Andere sehen Fehler als Teil des Lebens an und nutzen sie als Chance für Lernen wie auch kontinuierliche Verbesserungen und Weiterentwicklung. Ein in diesem Sinne positiv gelebter Umgang mit Fehlern setzt Empathie, Offenheit, Mut, Transparenz und natürlich gegenseitigen Respekt voraus und braucht einen lösungsorientierten Umgang miteinander. Was in der Konsequenz heißt, dass kalkulierbare Risiken zugelassen werden, um mutiges Entscheiden und Handeln zu fördern. „
Frustration entstand auch bei mir nach den 5 Stunden. Der dort sichtbare Kommunikationstil einer ‚Lobegemeinschaft‘ erinnert an überwunden geglaubte degenerierte Fehlerkultur in der Bundeswehr. Siehe Zitat.
Auftrag der Resolute Support Mission war es z.B, die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte zu befähigen, ihrer Sicherheitsverantwortung nachzukommen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht, doch alle Vertreter haben im Wesentlichen alles ruchtig gemacht, wie kann das sein?
Der 20-jährige Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist mit einer Niederlage beendet. Es gibt Forderungen nach mehr Ehrlichkeit im politischen Berlin, doch das ist bei dieser Veranstaltung nur in Teilen anhekommen.
Kritik an der mangelnden politischen Kommunikation der Aufgaben und Ziele von ISAF und ORS, da war man sich einig. Doch der kritische Blick nach innen, meist Fehlanzeige. Selbstkritik, kaum, im Grunde hat man selbst ja alles richtig gemacht.
So war es ja z.B. schon im Juni möglich gewesen, die afghanischen Helferinnen und Helfer nach Deutschland und damit vor den Taliban in Sicherheit zu bringen. Aber das war wohl (noch) nicht gewollt. Es wurde sogar im Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und der SPD abgelehnt. Aber MilEvakOp war ein Riesenerfolg.
Man zeigte sich im panel erschüttert von der Kurzlebigkeit der ‚Erfolge‘. Plötzlich und innerhalb kürzester Zeit sei das Land in eine immense humanitäre Katastrophe gerutscht. Plötzlich?
Der Höhepunkt waren die Aussagen der Gründerin der Organisation KinderBerg International, Suzana Lipovac: „Wir haben tolle Arbeit gemacht – und es ist nicht vorbei.“ Als zivilmilitärisches Projekt sei es ihnen gelungen, mit Hilfe der Bundeswehr sechs Millionen Patienten medizinisch zu versorgen. Sie seien dafür nie ins Fadenkreuz der Taliban geraten.
Dieser misslungene Auftakt zeigt, dass eine Aufarbeitung in einer Enquete-Kommission sinnvoller ist.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl forderte im Juli vom Parlament eine „ehrliche“ Analyse der Afghanistan-Mission der Bundeswehr. Hoffentlich vergisst man das nicht, wenn die ‚Ampel‘ antritt. Dieses BMVg kann es offenbar nicht besser.
@Cruzero07
wie kann das sein?
Einfach, gilt für gesamten Einsatz:
Kampfkraft ist durch Ausb und matVers beeinflussbar, der Gefechtswert, also u. a. die Kampfmotivation, gerade nicht.
@ Ökonom 06.10.2021 um 20:46 Uhr
@ drodr 07.10.2021 um 9:04 Uhr
Die Bundeswehr hat lokale Milizen gewähren lassen und so indirekt parallele Machtstrukturen gebilligt, gar gefördert. Kumpanei mit Kriminellen gehörte dazu.
Der grosse Fehler der NATO Militärs und Diplomaten war eben auch, dass sie abgehalfterte Mujahedin und Warlords an die Schaltstellen der Macht zurückbrachten. Damit unterminierten sie die Glaubwürdigkeit des jungen demokratischen Staates. Denn Gestalten wie der Usbeken-General Rashid Dostom oder die tadschikischen Kommandanten Mohammed Fahim und Ismail Khan waren genauso wenig an Demokratie und Frauenrechten interessiert wie die Taliban. Sie nutzten Ministerämter und Gouverneursposten einzig dazu, sich und ihre Clans zu bereichern.
Wir erinnern uns, dass die afghanische Regierung ein Friedensabkommen mit der radikal-islamischen Gruppe Hisb-e-Islami und ihrem Anführer, dem Warlord Gulbuddin Hekmatjar, unterzeichnet hat.
Da wird wieder die Aussage des General Arlt interessant.
Operationen nationaler und internationaler Spezialkräfte haben die Handlungs- und Bewegungsfreiheit der (Opposing Militant Forces, OMF) ‚eingeschränkt‘.
Man denke an die Task Force 47 an, der geheimen Einheit DEU Spezialkräfte, die in einem eigenen Camp im Feldlager Kundus stationiert war.
Schon damals hätten sie den Auftrag gehabt, Aufständische auszuspähen und festzunehmen.
(z.B. Festnahme von Maulawi Roshan)
Doch angeblich verhaftete man die Ergriffenen nicht einmal, dafür gab es auch keine gesetzliche Grundlage. Man hielt die Personen nur fest.Wieviele Leute wurden »festgehalten« und an Verbündete übergeben? Was geschah mit diesen?
Später wurden SOF Einsätze in der Nato ganz offiziell „Capture or Kill“ genannt. „Joint Priority Effects List“ (JPEL). Auf dieser Liste stehen Top-Taliban, die von der Isaf jederzeit festgenommen oder getötet werden können. Es ging darum, zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften ranghohe Taliban oder Terroristen gefangen zu nehmen oder zu töten, wenn sie Widerstand leisteten.
Afghanische Sicherheitskräfte (Afghan National Security Forces, ANSF) führten Operationen gegen regierungsfeindliche Kräfte (Opposing Militant Forces, OMF) durch. Sie wurden durch z.B. durch AFG Kräfte wie, Provincial Response Company’s verstärkt. Diese spezialisierte afghanische Polizeieinheiten wurde im Rahmen des Partnering seit 2011 von Angehörigen der deutschen Spezialkräfte (Task Force 47) unterstützt, also von Kräften der Task Force 47 begleitet und beraten.
Offiziell war der Umgang der deutschen Kräfte ISAF mit nichtstaatlichen lokalen Sicherheitskräften, sogenannten Milizen, ist durch die Weisung des BMVg vom 17. Februar 2010 geregelt. Danach ist keine Einbindung der Milizen in die eigene Operationsführung vorzunehmen.
Offensichtlich ist allerdings auch, dass die Bundeswehr in Afghanistan aber doch mit der milizähnlichen afghanischen Lokalpolizei (ALP) zusammen gearbeitet hat Bei dieser Zusammenarbeit handelte es sich um die notwendige Koordination zur Gewinnung eines Lagebildes sowie Kenntnisse über Operationen und Bewegungen von Kräften im Raum. Auch für den Auftrag, Aufständische auszuspähen und festzunehmen?
Die Kooperation wurde aus operativer und taktischer Sicht als geboten bezeichnet.
Military Assistance (MA, Zusammenarbeit und Ausbildungsunterstützung) in Kombination mit geheime Absprachen zwischen KSK und Milizen in Afghanistan? Auch zwischen KSK und privatem Militär und Sicherheitsdienstleistern ?
Was genaues beinhaltete MA der niederländischen und deutschen Spezialkräfte im Norden AFG? Offiziell hatte ein Special Operations Advisory Team (SOAT) drei Jahre Einheiten der Afghan Territorial Force 888 (ATF-888) begleitet, beraten und unterstützt.
Die Bundesrepublik hatte offiziell die Führungsfunktion für die Aufstellung einer afghanischen Polizei. Das wurde durch das BMI wahrgenommen. Doch das KSK agierte offensichtlich in einem anderen Strang. Warum?
Es ist unter den Fraktionsspitzen verabredet worden, dass die Chefs und deren Stellvertreter im Verteidigungs- und im Auswärtigen Ausschuss sowie die Obleute der Gremien auf vertraulicher Basis über Spezialkräfte informiert werden. Ob das tatsächlich so erfolgte? Da hat General Arlt viele Fragen aufgeworfen.
Jetzt gibt es überall Generale a.D., welche am Disaster maßgeblich mitwirkten und nun alles besser wissen.
Jetzt hält auf einmal hält sogar der frühere **** General Hans-Lothar Domröse den Afghanistaneinsatz der Nato für gescheitert. Man kann ihn jetzt in verschiedensten Dokumentationen sehen und hören.
Für das Chaos in der ANA macht er auch Fehler des Westens verantwortlich. „Wir haben offensichtlich die Seele vernachlässigt“, so Domröse. „Das wofür.“ Man habe die Armee ausgerüstet, sie fit gemacht an den Waffensystemen und die Logistik. Was man nicht gesehen habe, sei die Frage: „Wofür mache ich das alles“.
Das Konzept „train, assist, advise (trainieren, unterstützen, beraten)“ wäre nicht aufgegangen, sagte er. Obwohl die afghanische Armee gut ausgebildet und ausgestattet sei, setzte sie ihre Mittel nicht ein.
Die Soldaten haben offenbar gar nicht gewusst wofür sie kämpfen, sagte er bewertend.
Das hat also nie einer vorher gemerkt? Gemeldet?
Es stellte sich für ihn weiter die Frage, ob überhaupt ein afghanischer Staat existierte oder nicht einzelne Stammesfürsten das Land beherrschten.
Da kommt er JETZT drauf?
Achtung, Domröse war u.a.2008 Chef des Stabes ISAF Afghanistan unter US-General David D. McKiernan. Im Dezember 2012 übernahm er das Allied Joint Force Command Brunssum. 4**** !
Nun fordert er aus dem Ruhestand heraus, Lehren aus der Erfahrung zu ziehen, dass der Aufwand vergeblich gewesen sei. Die beiden einzigen sinnvollen Wege seien für ihn entweder ein unbefristetes Engagement oder „nicht mehr hingehen“.
Nun doch mal die Frage, war man blind, naiv? Dumm ja wohl nicht; Gab es vorsätzliche Schönfärberei?
@ J. Trembel
Bei uns in der Fliegerei heißt es „Über Fehler muss man offen reden“.
Seit Jahren wissen wir, dass wir wir eine neue Fehlerkultur in der BW brauchen. Wir müssen agiler und innovativer werden und in kleinen Schritten vorangehen, müssen früher Feedback einholen und dann den Kurs wenn nötig korrigieren, um so in kleinen Schritten voranzukommen. Nur so bewältigen wir in den kommenden Jahren die Herausforderungen. Das ist unser Anspruch. Das lernen wir. Nur in der Umsetzung sieht es düster aus.
Natürlich ist in AFG nicht alles reibungslos verlaufen, natürlich wurden auch Fehler gemacht. Aber man war meist nicht in der Lage, unmittelbar aus Fehlern zu lernen, diese zu korrigieren und sich entsprechend laufend zu verbessern.
Selbsttäuschung und Schönfärberei lernt man nicht an der FüAkBw und doch ist es so bestimmend für manche Führungskräfte. Bis hin zum 4 Sterner.
Dann bietet man auch noch eine solche Veranstaltung an. Als Auftakt einer Bilanzierung. Ich emfinde diese als Zumutung.
Da ist es fast besser, dass sich mal die ‚alten Herren‘ melden. Sie haben halt dazu gelernt. Besser als Teile dieser Bilanzierung.
Durch die Bundeswehr wurde versucht, die Counterinsurgency-Strategie (COIN) von
ISAF im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans umzusetzen. Das deutsche Einsatzkontingent wurde dafür reorganisiert und die Operationsweise an die veränderte Einsatzstrategie angepasst. So wurde die deutsche Quick Reaction Force (QRF) im Laufe des Einsatzes in die neu aufgestellten Ausbildungs- und Schutzbataillone (Task Forces) integriert. Sie sollten im Verbund mit ISAF-Truppen und afghanischen Einheiten (‚Partnering‘) eine stärkere Präsenz in der Fläche gewährleisten, um einerseits offensiv gegen Aufständische vorzugehen und Gebiete zurückzugewinnen sowie diese andererseits dauerhaft unter Kontrolle der afghanischen Regierung zu stellen.
Doch wir wissen scon 2019, die Taliban beherrschen die Fläche, die weiten wüsten Gegenden des Landes. Auf den Karten der Bundeswehr sind nur die städtischen Regionen blau markiert – dort hielt sich halbwegs die afghanische Armee.
Ich nehme vorherge Beiträge auf, „Fehlerkultur“ – das war ein seltsames Wort, das die neue politische LeitungdesVerteidigungsministeriums recht bald nach Amtsantritt dem militärischen Sprachgebrauch hinzufügte: Man wolle eine bessere Fehlerkultur in der Bundeswehr entwickeln.Das scheint heute erneut tatsächlich bitter nötig zu sein, denn der absolute Wille zur Fehlervermeidung in jedem Einzelfall führt allzu oft zur Vermeidung der Wahrnehmung von Verantwortung überhaupt. Wissen wir!
Auf der Suche nach noch besseren Verfahren und zur Fehlervermeidung hat die BW untersucht, ob und wie in der Luftfahrt etablierte Verfahren und Methoden des Fehlermanagements auch im BMVg und in der BW Anwendung finden können.
Erfolge sieht man kaum, bestes Beispiel ist die sogenannte Bilanzierung.
An den angepassten Ausführungen Generalinspekteurs sieht man, der Generalinspekteur ist bereits jetzt Teil der Leitungsebene. Also politisch gelenkt!
Es ist jetzt an der Zeit, die richtigen Schlüsse aus den im BMvg und die Bundeswehr vorliegenden Analysen zu ziehen. Die Bundeswehr hat schon lange kein Erkenntnisproblem mehr. Es hapert immer wieder an der Umsetzung.
Vermeidungsstrategien sind immer problematisch, aber so wie es jetzt im BMVg gehandhabt wird, sogar gefährlich.
Man sieht, durch diese eher unbeabsichtigte Oberflächlichkeit und Personenorientierung ist der 2014 verkündete Aufbruch zu einem Mehr auch an militärischer Verantwortung für LV/BV im Kern wahrscheinlich auch vorbei!
Bleibt die ehrliche Anpassung an die realpolitischen Gegebenheiten also aus? Der Verlauf dieser Veranstaltung aber auch die deutschen Debatte in jüngster Zeit legen dies nahe. Weiterhin gibt es wieder keine Verständigung darüber, was Deutschland bereit ist, militärisch zu leisten.
So entsteht sicherheitspolitischer Ansehens- und Vertrauensverlust. Was für ein beunruhigender Trend!
@ flawar.1u_09.10.2021 um 17:17 Uhr, @ all
Die Frage „gezieltes Töten“ und die Abarbeitung sogenannter „capture and kill lists“ muss dringend öffentlich aufbereitet werden.
Die Bundeswehr ist der Ansicht, dass die Rechtsgrundlage und Handlungsregeln für Bundeswehreinsätze ausreichend klar formuliert waren: durch Mandate des UN-Sicherheitsrates und des Bundestages sowie durch Regeln der NATO.
Durch Unklarheit im Mandat und die massive Ausweitung des US-Kampfeinsatzes wurde die Bundeswehr direkt, häufiger indirekt in Operationen offensiver Aufstandsbekämpfung hineingezogen, eineForm des militärischen Vorgehens, die einherging mit hohen zivilen Opferzahlen.
„capture and kill lists“, die sogenannte Joint Prioritized Effects List (JPEL)
Die Bundeswehr trug angeblich nur Taliban auf die Listen ein, die gefangen genommen und NICHT getötet werden sollten.
Wenn Bundeswehrsoldaten „konkrete menschliche Ziele“ ausgemacht hatten, wurde die Zielplanung an das Einsatzführungskommando in Potsdam weitergeleitet. Am Ende taucht dann stets die Alternative „Capture or kill“ auf. Lange wurden die Ersuche dem Vernehmen nach stets mit „Capture“ beantwortet und dann an das ISAF-Hauptquartier weitergeleitet. Es war allerdings stets möglich, dass andere Nationen den Auftrag übernahmen – und töteten. Die Bundeswehr soll dem Vernehmen nach in Afghanistan Daten gegnerischer Kämpfer an Amerikaner und Briten weitergegeben haben.
Die „capture and kill lists“ war oft die Aufgabe deren Operations Forces , von denen e.a. 300 Kämpfer sich im Hauptquartier der Bundeswehr in Masar-i-Scharif einquartiert waren, die US Task Force 373.
Wir wissen heute, wie eng Absprachen und Koordiantion der Bundeswehr bei solchen Spezialkräfteoperationen der USA/GBR waren. Die Behauptungen, dass die Bundeswehr auch „Kill“ Operationen „erbat“, stand lange im Raum, offiziell wurde dies stets dementiert. Das sollte in die Bilanzierung fallen! Ehrlichkeit, bitte!
@all
Viele Bundeswehrsoldaten sind in der Tat enttäuscht, weil die deutsche Bundesregierung ihnen nicht schlüssig vermitteln konnte, warum sie immer wieder auf afghanischer Seite mit notorischen Kriegsverbrechern und Massenmördern zusammenarbeiten mussten. Nicht die Bundeswehrsoldaten vor Ort haben versagt, sondern deutsche Bundesregierungen.
Es war ein Scheitern mit Ansage, denn spätestens seit dem Jahr 2010 rückte die Bundeswehr von ihrem Versprechen ab, mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung in Afghanistan zu verwirklichen. Stattdessen wurden zielgerichtet Warlords und korrupte Machtstrukturen gestärkt, um den Anschein von Sicherheit zu wecken. Der Aufbau eines funktionierenden Rechtsstaates blieb dabei auf der Strecke. Menschenrechtler und Journalisten wurden von diesen afghanischen Partnern der Bundeswehr bedroht, Frauenrechte missachtet, Minderheiten verfolgt und Straflosigkeit wurde zum Staatsprinzip. Doch Afghanen hatten selbstverständlich ein Recht auf die Beachtung grundlegender Menschenrechte. Die westlichen Regierungen haben Hoffnungen geweckt, die sie nicht gehalten haben.
Die Afghanistan-Mission ist in jeglicher Hinsicht gescheitert. Insbesondere der sogenannte Krieg gegen den Terror hat letztlich zur Stärkung islamistischer Terrorgruppen (Taliban, ISIS) geführt. Das deutsche ,State Building‘ in Afghanistan war eine Worthülse.
Mit bemerkenswerter Offenheit sprach Röttgen (CDU) aus, dass es beim Überfall auf Afghanistan und der anschließenden Besatzung nie um Menschenrechte oder Demokratie ging, sondern um imperialistische Interessen. „Afghanistan zu einer modernen Demokratie zu machen“, das habe „ja nie einer verfolgt“ und sei „wirklicher Unsinn“, gab Röttgen zu Protokoll. Es seien „unsere Interessen, die immer betroffen waren“.
Man hat sich bereits vom ersten Tag an mit brutalen Warlords, Drogenbaronen und anderweitigen Menschenrechtsfeinden verbündet, um das Land nach außen zu „demokratisieren“.
Man hat also wissend von Anfang an auf einen verengten und falschen Kreis von Leuten gesetzt, Warlords, auf die man als Hauptkraft im Kampf gegen die Taliban gesetzt hat. Man hat ihnen dafür große Teile des politischen Systems überlassen und die Augen vor ihrer Korruption, Verwicklung in den Drogenhandel, Kriegsverbrechen und schlimmsten Menschenrechtsverletzungen verschlossen.
Viele Milliarden Dollar an Entwicklungs- und Aufbauhilfe sind in Afghanistan diese korrupten Politiker, Warlords geflossen.
Derzeit haben 14 Millionen Menschen in Afghanistan nicht genug zu essen!!
Das Schlimme ist, darauf wurde mehrfach, seit Jahren hingewiesen, der Bundesregierung war dies bekannt!
Entgegen offizieller Verlaubahrungen wurde keine einzige demokratische Institution erfolgreich aufgebaut. Stattdessen bedienten sich Kriegsfürsten und kleptokratischen Eliten an westlichen Hilfsgeldern.
Auch die Art der Kriegsführung der Bundeswehr (COIN) hat viele Menschen in den ländlichen Regionen Afghanistans in die Arme der Taliban getrieben.
Das allein in diesem thread zur Kenntnis Gebrachte zeigt wie wichtig eine parlamentarische sowie öffentliche Debatte über die Auswertung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ist.
Das hier z.B. beschriebene offensive Vorgehen gegen jemanden, der ‚mich nicht angreift‘, ist eine vorsätzliche Tötung – wenn das deutsche Strafrecht zur Anwendung kommt.
Aufschluss gibt auch das Buch „Deutsche Krieger: vom Kaiserreich bis zur Berliner Republik – eine Militärgeschichte“ (Berlin, 2020). In diesem konnte der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel rund 200 in Afghanistan eingesetzte Soldatinnen und Soldaten interviewen und zum Teil auch deren Tagebücher lesen. Diese Interviews und Tagebücher offenbarten Berichte und Kenntnisse deutscher Soldatinnen und Soldaten über Kriegsverbrechen der dort eingesetzten NATO-Truppen. So sollen US-Soldaten gefangene Taliban exekutiert und bei nächtlichen Razzien vorsätzlich Zivilisten getötet haben. Diese Vorgänge sollen dazu geführt haben, dass Stabsoffiziere abgelöst werden mussten, weil sie dieses Vorgehen nicht mehr billigen mochten.
An all die neuen Kommentatoren und Foristen, welche immer wieder kluge Gedanken zur Bilanzierung verbreiten und dann wieder verschwinden.
„Na, das war doch absehbar!“ Geht etwas schief, treten gerade in der Bundeswehr gerne verspätete Hellseher auf den Plan, denen angeblich ganz klar war, dass man hier geradewegs auf eine Katastrophe zusteuerte. Zum entscheidenden Zeitpunkt haben die Schlaumeier ihre Befürchtungen aber wohl lieber für sich behalten, vermutlich saßen manche selbst an verantwortlichen Stellen.
Hinterher alles besser wissen, ist eine weit genutzte Wissenschaft.
„Hinterher, im Nachhinein präzise Analysen und Bewertungen zu machen, das ist nicht wirklich kompliziert. Hinterher, im Nachhinein alles genau zu wissen und exakt vorherzusehen, das ist relativ mühelos.“
Angela Merkel (CDU)
Wir sollten uns doch nicht wie pensionierte Generale verhalten, die verlorene Schlachten noch nachträglich gewinnen möchten.
Diskussion wäre fein, Anregungen, Kritik, ja auch und gerade Dinge aufdecken…. aber nicht allzu offensichtliche (einmalige) Abrechnungen und dann abtauchen. Abrechnung mit Ministerin, ehemaligen Inspekteuren, Kommandeuren etc, etc, kann man verstehen, gerade, wenn Fehler bewusst gemacht werden oder sich wiederholen. Abrechnung einfach so – das hat ein Geschmäckle.
@ dieandereMeinung am10.10.2021, um 18:19 Uhr
Manche waren halt im Krieg, andere reden darüber.
Organisationen, die wie die Bundeswehr zu bürokratischer Verregelung ihrer Alltagswelt neigen, Politikersprech vorziehen, tun sich mit Kriegern halt nicht leicht. Lieber sagt man, dass „der neue Soldat und Offizier (…) security enabler, Kämpfer, Polizist, technischer Aufbauhelfer, Diplomat, Schützer, Helfer und Retter in einem“ ist.
Krieg ist aber meist Kampf, da stellt sich manches Geschwätz des poltisch agierenden BMVg anders da. Kampferprobte und erfahrene Soldaten stellen halt andere Fragen, als Bürokraten.
Kampf steht Mittelpunkt unseres Berufsverständnisses.
Für welchen höheren Zweck dient also unser Soldatenberuf und wozu wird er gebraucht? Was zeichnet ihn von der Befähigung aus, was andere nicht können? Was macht ihn für den Erhalt unsere gesellschaftlichen Werte nützlich und unentbehrlich? Und was verleiht unserem Beruf gesellschaftliche Unterstützung und Anerkennung, worin bestehen die Motivationsressourcen, um in der Ausübung des Berufs Berufsstolz und Befriedigung zu finden?
Da wird immer sofort und politisch korrekt umschifft, dass auch eine Demokratie Krieger braucht!
Kriegerkult ist so lange unangemessen, bis wir wieder gebraucht werden
Langsam wird die Debatte ein bisschen … bizarr.
Dass „eine Demokratie Krieger braucht“ (worüber man ja reden kann) ist ein Beleg für die Notwendigkeit eines „Kriegerkultes“?
Noch ein letzter Aufruf, statt Ideologieschlachten hier Debatten zu führen.
Zum Thema Evaluierung des Einsatzes … das gestaltet sich aus meiner fachlichen Sicht (22 Jahre Berufserfahrung mit Evaluation in fragilen Staaten (CIMIC, CPCM, COIN) in 50+ Staaten) durchaus schwierig.
Zum einen ist der „Einsatz“ als solcher sehr heterogen, hat diverse Legitimationen bzw. rechtliche Grundlagen und umfasst keine klaren Start- und Endpunkte (die gilt es zu definieren und in eine sachlogische Matrix zu bringen). Zum anderen … welche Ziele habe ich mit welchen Wirkungsannahmen bei welchen Kenn- und Messwerten mit welchen Indikatoren. Das ganze Afghanistan-Engagement (was ja mehrere Einsätze beinhaltet) hat zwar viel Papier im akademischen Raum produziert, aber kaum wissenschaftlich fundierte Evaluationen. Es gibt aber nur zwei, die überhaupt auch CIMIC-Aspekte behandeln und die anderen – auch bw-internen Berichte (es fällt mir schwer sie Evaluationen zu nennen) – sind meist deskriptiver Natur und reine Legitimationsnachweise mit 50%-Outputfokus (Rest meistens ausschließlich Inputauflistungen – wenn es nicht so traurig und tragisch wäre, wäre das ja sogar latent amüsant). Das eine ist die DEval-Studie von 2014 (!), welche primär das BMZ covert, und das zweite die QRF-Evaluation der Berliner von 2011 (?). Beide mit CIMIC Fokus, aber immerhin mehr als die BMVg oder BMI-Versuche (das mag auch an der Methodenkompetenz einiger Verantwortlicher in beiden Ministerien liegen).
Fundierte Analysen (i.S.v. Evaluationen) … nein. Und auch die Kontingentbefragungen oder die Strategische Vorrausschau … sind null komma null eine Evaluation.
„Lernen aus dem Einsatz“ wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Zudem gibt es ja genügend NATO-Ansätze und sowohl die Niederlande als auch UK/US und Frankreich evaluieren …
@mout5:
„Die Bundeswehr hat schon lange kein Erkenntnisproblem mehr.“
Das würde ich auf der startegischen und operativen Ebene bezweifeln.
Es fehlt schlichtweg die Ausbildung und Kultur auch kritische Fragen (Sinnhaftigkeit von StabOp, kinetischerAnteil COIN, etc). auf einem professionellen Niveau zu diskutieren.
@ 3arzhausen10.10.2021 um 19:56 Uhr
Haben Sie gelesen, was ich schrieb?
„Kriegerkult“ war überhaupt nicht mein Thema!
Opportunistische Haltung und eine politische Hörigkeit im BMVg und bei einzelnen militärischen Führern, da gäbe es zu reden. Doch ihr Kriegerrundumschlag ließ das ja nicht zu.
Reduzierung auf das Kriegshandwerkliche, wie sie es beschreiben, zeigt allerdings, das es mit Blick auf Einsatzerfahrung, vermutlich Fraktionen gibt, welche für sich ein zähes Eigenleben führen. Krieger vs Etappenhase und Etappenhengst? Krieg ist Kampf, sicher aber nicht nur!
Nur so viel, vorbildliche Soldatentugenden haben nicht nur diejenigen, welche ganz vorn im Gefecht standen. Kriegerisch, matriarchalisch, kann ich alles verstehen. Überhöhung eigener Kriegserfahrung und Abwertung von anderen Soldaten, welche ‚nur‘ Etappe waren, so etwas ist unangemessen.
Ich schlage vor, zurück zum Thema! (Siehe T.W)
@ memoria. Völlige Zustimmung. Es wird sich sehr häufig im Allgemeinplätzen verheddert und je nach Gusto (oder absolviertem Lehrgang) sich in völkerrechtlichen oder politikwissenschaftlichen Versatzstücken das gesucht was am besten passt. Dazu kommen – falls vorhanden – die Erfahrungen aus den Einsätzen und die eigene Prägung.
Eine reflektierte Auseinandersetzung jenseits des „Mandat ist Mandat. Fragen Sie für das Warum doch das Parlament, das hat uns da hin geschickt …“ bezogen auf das „Wie gestalten wir den Einsatz sinnhaft, zielführend und effektiv?“ ist … schwierig und habe ich in den letzten 10 Jahren weder von der UniBw, der BAKS, dem EinsFüKdoBw noch anderen Akteuren in der Community ernsthaft gehört (und ja klar, nicht jeder ist für das Thema verantwortlich – aber auch vom GIDS kommt wenig und wenn zivile Akteure die einzigen sind, die das aufgreifen, dann sollte man sich als Bw nicht wundern, dass man in diesem Feld vor sich hergetrieben wird und immer nur behandelt wird. Wer nicht handelt, der wird behandelt – alter Spruch, trifft leider auf die Bw im Kontext fast aller internationalen StabOps zu …).
Ich will damit nicht sagen, dass zivile Akteure alles besser machen, aber da werden zumindest Studien mit wissenschaftlichem Anspruch und Design veröffentlicht und stellen sich dem Diskurs, der Kritik und manchmal auch der Häme derjenigen, die alles immer schon besser wussten (nur damals halt was wichtigeres zu tun hatten, als das was sie schon immer wussten auch den Unwissenden zu sagen oder zu verantworten).
Aber hier ein paar Ansätze, die man auch in die Breite der Diskussion um den Afghanistan-Einsatz Deutschlands (und nicht nur der Bw) skalieren könnte und auch für die Geschäftsbereiche AA, BMI und BMVg ansetzen könnte (den Spitzen in den oben genannten Organisationen sind sie ja auch bekannt, so why not in den Diskurs einbringen statt platter Worthülsen – es ist ja nicht so, dass das BMZ oder die Amerikaner den Stein der Weisheit für sich gepachtet hätten):
BICC Bonn International Center for Conversion / HSFK Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung / IFSH Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg / INEF Institut für Entwicklung und Frieden (Hg.). (2021), SONDERSTELLUNGNAHME / Nach dem Scheitern in Afghanistan: Lehren für die neue Bundesregierung. Bonn/Frankfurt/Hamburg/Duisburg.
Afghanistan Study Group (Hg.). (2021). Afghanistan Study Group Final Report February 2021. USIP, Washington D.C. (Hier sind v.a. die Policy Pathways lesenswert – v.a. was Nutzen und Risiken der einzelnen Optionen sowie das „Red Team“ und seine Recommendations betrifft).
Schroden, J. (2021), Afghanistan´s Security Forces Versus the Taliban: A Net Assessment, In: CTC Sentinel Januray 2021, p. 20-29
Zürcher, C. (2020), Meta-Review of Evaluations of Development Assistance to Afghanistan, 2008 – 2018. Chapeau Paper. (Hier vor allem die Literatur zu „Stabilization“ … man könnte auch sagen, dass das Drama im August 2021 ein sehr langes – mindestens 9 Jahre langes – Vorspiel hatte).
Dembinski, M./ Gromes, T. (2016), Auslandseinsätze evaluieren. Wie lässt sich Orientierungswissen zu humanitären Interventionen gewinnen? HSFK-Report Nr. 8/2016, Frankfurt
Kirsch, R. (2014), Ein Review der Evaluierungsarbeit zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan, Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), Bonn.
Tettweiler, F. (2011), Lernen in Interventionen? Evaluation am Beispiel der deutschen Afghanistan-Mission. SWP, Berlin
Ayub, F./Kouvo, S./Wareham, R. (2009). Security Sector Refom in Afghanistan. IfP, Brüssel
Koehler, J./ Zürcher, C. (2007), Quick-Impact Projects in Nordost-Afghanistan, Analysis Research Consulting (ARC), Berlin. (Evaluation über den Nutzen der Provincial Development Funds, Status: NfD)
Summa Summarum stehen da drei Evaluationen mit spezifisch deutschem Bezug (alle aus dem BMZ-Umfeld) drin, die auch den Sicherheitsaspekt deutscher Kräfte (das Wort Bundeswehr fällt … selten) miteinbeziehen. Zudem einige Gedankenspiele aus der jüngeren Vergangenheit, auf denen sich aufbauen ließe was Evaluationen von Interventionen betrifft (Tettweiler, Dembinski/Gromes) und die Sonderstellungnahme des Friedensgutachtens sowie die einschlägige US-Literatur, welche für den deutschen Ansatz aber nur bedingt verwendbar ist. An Literatur u.a. Münch/Ruttig finden sich eine Menge guter Ansätze wieder zu Afghanistan und StabOp, aber halt wenig „robuste Evaluationen“, die auf die Fragen nach Legitimation, Dialog, Entwicklung und Lernen den Versuch einer Antwort geben was Ziel, Zweck und Mittel sowie Wirkungen betrifft. Zynisch gesagt … diese Forschungslücke ist gut fürs Geschäft. Nachdem Afghanistan schon mindestens zweimal in den letzten 20 Jahren ein Karrierebooster für viele war ist es nun eine Art der Abrechnungsmaschine …
Wer aber nun auf eine strategische Evaluierungskultur der (zumindest der bisherigen) politisch Verantwortlichen abzielt, dem empfehle ich folgende Lektüre:
* Deutscher Bundestag Drucksache 19/1630 von 2018 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/016/1901630.pdf)
* Deutscher Bundestag Drucksache 19/27224 vom 3.3.2021 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/272/1927224.pdf)
Abschlussbericht … hach ja, die deutsche Evaluierungskultur ist manchmal ein Trauerspiel.
@Paradox77
was ist denn die wertgeschätzte Evaluierung „QRF-Evaluation der Berliner von 2011 (?)“
Mit zum besten, was ich kenne, sind die beiden kleinen Untersuchungen von damals (2011) Oberst (?) Falk Tettweiler – der war damals zum SWP abgestellt. Sind dessen Ergebnisse gemeint?
Übrigens: Den mal auf ein Auswerte-Podium heute zu bringen, wäre doch eine gute Idee. Die Frage wäre dann nur: Hat sich seine damalige Evaluierung bestätigt?
@ Ökonom: Ja, zumindest eine der beiden Studien von Tettweiler ist gemeint, auch wenn es keine robuste, harte Evaluation im engeren Sinne ist, sondern auch Gedankenspiele zu Interventionen generell aufwirft. Meiner Kenntnis nach ist ein (oder auch mehr) Datenteil allerdings NfD oder höher, jedoch ist v.a. die oben angeführte Studie, welche bei der SWP erschienen ist, mit das Beste zu der Thematik.
Zürcher und DEval (Kirsch) sind auch sehr lesenswert, wenn auch primär mit BMZ-Fokus.
Die Haltung, Einstellungen Mentalität deutscher Soldaten im Einsatz, welche Gewalt, Angst aber auch Verbrechen des Feindes erlebten, wird zu oft von Leuten beurteilt, die dies nie erlebt haben.
Klar ist, wirkliche Einsatzrealität der Bundeswehr, also echtes Gefecht, haben die allerwenigsten wirklich erlebt. Wer wirklich im Gefecht war, schaut verwundert, wer alles die “Einsatzmedaille der Bundeswehr Gefecht“ trägt. Das „Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit“ wurde selektiver gehandhabt.
Innere Führung kann Kompass sein, doch im Einsatz erlebte und bewährte Werte sind oft sehr subjektiv, also oft „einfache“ und doch sehr wahrhaftige Vorstellungen zum „richtige Handeln“. Das sollte nicht „von oben“ verachtet oder belächelt werden.
Die Kameraden, welche gemeinsam im Gefecht standen, sind z.B. wie Familie. Der Kampf ums Überleben schweißt den Mikrokosmos der militärischen Gemeinschaft zusammen. Eine Welt mit klaren Regeln. Haltung und Vorbild müssen sich durch Taten bewähren! Worte allein sind wenig hilfreich. „Phrasen“ werden rasch erkannt!
Militärische Motivation und soldatische Tugenden haben einen Gradmesser, Auftragserfüllung, Erfolg im Gefecht. Auch Zusammenstehen in der Niederlage.
Ein Soldat muss sich sehr bewusst im klaren, was er tut. Sich im für manche Vorgesetzten „einfachen“ Wertekanon der militärischen Welt von Einsatz und Krieg wiederfinden, sich damit auch letztendlich völlig identifizieren können. Ein Soldat muss mit dem Wissen in den Einsatz gehen, dort halt „nur“ seinen Auftrag erfüllen, eventuell nicht mehr lebend oder verwundet zurückzukommen. Mit diesen Dingen muss sich doch jeder Soldat auseinandersetzen. Im schlimmsten Fall ist eine solche Sache der Tod des Soldaten oder eines Kameraden. Daher ist die militärische Werthaltung immens wichtig. Sie ist nicht nur Motivation und gibt die Sicherheit „das Richtige“ zu tun. Daher muss sie echt sein und nicht vorgetäuscht!
Menschlichkeit, Solidarität und kritisches Urteilsvermögen bekommen einen hohen Stellenwert. Vorstellungen von Ehre und Pflichterfüllung werden im Einsatz gehärtet.
Wie gesagt, „Phrasen“ fallen auf, auch, wenn sie verpackt sind. Führen durch Vorbild wird entscheidend.
Für die Bundeswehr stellt sich nun die Frage nach ihrer Haltung. Seit ihrer Gründung 1955 konnte sie auf eine erfolgreiche Arbeit zurückblicken: Im Kalten Krieg hat die Abschreckung funktioniert, bei Einsätzen im Ausland oder bei Notlagen im Inland konnten wir stolz sein auf das Erreichte. Das ist im Falle Afghanistans anders. Eine bittere Niederlage!
Auch der Referenzrahmen Einsatz kann nun erwarten, dass die Soldatinnen und Soldaten nach dem Einsatz mit vielen Toten und Verletzten an Körper und Seele diesen Fehlschlag aushalten.
Es geht dabei schon um mehr, als ein unpolitische Handwerk des Krieges, es nutzen aber auch keine hochtrabenden Worte, welche den Kern der Inneren Führung zukleistern.
Also, der Begriff Krieger kann sehr, sehr sinnstiftend sein.
Zum Abschluss, Feigheit und Angst sind für die Soldaten mit Einsatzerfahrung inakzeptabel. Mut ist das, was zählt. Das kann man übertragen, vom Einsatz auf den Friedensbetrieb.
Gibt es in letzterem nicht genug Feigheit, Abducken und oberflächliches Geschwätz?
Auch das gehört zur Bilanzierung!
Alles richtige und kluge Gedanken. Gehört in eine Bilanzierung, auf jeden Fall.
Doch es wird ein wesentlicher Aspekt immer wieder ausgelassen.
Braucht es für Kriegstüchtigkeit neuer Denkweisen und eines grundsätzlichen Einstellungswandels?
War und ist Innere Führung (IF) tatsächlich Rückrat im Einsatz gewesen oder wird es das im Kriege sein?
Hat IF tatsächlich geholfen, innere Klarheit, Balance und Handlungsfähigkeit zu stärken, um den Herausforderungen im Einsatz flexibel und verwurzelt, offen und zentriert zu begegnen, um neue Perspektiven zu entwickeln und ein konstruktives Miteinander zu gestalten? Im Kern, den AUFTRAG zu erfüllen=
War es TATSÄCHLICH die IF?
Stichworte Herausforderungen und kritische Situationen im Einsatz, spiegelt IF tatsächlich Interaktionsmuster des Gefechtes, des Kampfes wieder?
Das Thema FÜHRUNG ist für das Selbstverständnis der Bundeswehr von großer Bedeutung. Doch ich finde, es ist bei einer solchen Bilanzierung zu prüfen, ob IF, das damit verbundene Selbstverständnis und dabei das normativ gesetzte Führungsverständnis vor dem Hintergrund der Einsätze konsistent und mit dem im Einsatz tatsächlichen erforderlichen Führungsverständnis kompatibel ist.
Das heißt konkret: Bildet IF tatsächlich einen geeigneten Rahmen, um unseren Soldatinnen und Soldaten die Legitimität der Einsätze der Bundeswehr zu vermitteln?
Im Einsatz, im Krieg brauchen wir natürlich ein stabiles Fundament, ein klares Bekanntnis zur unserer Demokratie – die innere Klarheit darüber, was uns als Soldat ausmacht und stärkt, welche Prägungen, Werte und Überzeugungen uns formen und wie sie unser Handeln leiten.
Gibt und das noch Innere Führung oder brauchen wir etwas Neues?
Ist Innere Führung nicht nur Selbstzweck? Mit einem riesigem Zentrum und gefühlt unzähligen Dienstposten, oft hoch dotiert? Besteht der Alltag nicht zu oft aus Bürokratie, welche IF selbst erzeugt?
Findet man, insbesondere im Einsatz Innere Führung nur deshalb gut, weil sie halt verordnet ist?
Der Hausherr wird verzweifeln und sagen hier nicht. Doch wo traut man sich, solche Fragen offen anzusprechen. Ist eine Bilanzierung AFG nicht auch geeignet, da mal rein zu schauen?
Viele, wissen es, die Einsatzrealität zeigte es, abseits von Gesprächsrunden, Besuchen etc. war Innere Führung kein Thema.
Sind wir doch mal ehrlich, wer sagt, IF muß überdacht, gar in Frage gestellt werden werden, kann seine Laufbahn doch gleich beenden! Mancher Kritiker der IF hatte es schwer. Wissen wir, war im Blog auch Thema.
Herr Wiegold, sorry, ich ahne, es verschwindet in der Versenkung, doch wo sonst?
[Es verschwindet zwar nicht in der Versenkung – aber an dieser Stelle halte ich die Grundsatzdebatte „Taugt die Innere Führung was?“ für ein wenig, sagen wir deplatziert. T.W.]
Die Niederlage in AFG markiert einen Wendepunkt für Auslandseinsätze!
Ursachen des Debakels und des militärisch sinnlosen Opferganges (59 Gefallene!) bedürfen öfentlicher Aufklärung.
Experten bezeichnen den BW Einsatz in Afghanistan als «strategisches Versagen».
Es sei offensichtlich, dass der Krieg nicht so geendet habe, wie es die Politik gewollt hätte.
Die gesamte Afghanistan-Operation unter den verschiedenen Mandaten Operation Enduring Freedom, ISAF oder Resolute Support ist gescheitert.
Deshalb ist ein schonungsloser Auswertungsprozess der komplexen Zusammenhänge dieses Einsatzes der Bundeswehr notwendig – auch wenn er der der neuen Regierung möglicherweise in die Quere kommt und unbequeme Fragen aufwirft. Doch es ist es wert, auch wenn die Auftaktveranstaltung bereits von Beginn an offenkundigen Defizite des Afghanistan-Einsatzes ignoriert.
In den 20 Jahren des Einsatzes änderten sich z.B. die Mandate, Befugnisse und Restriktionen so regelmäßig wie die immer wieder angepassten Stärken militärischer Kräfte. Dass sich im Laufe des Kriegseinsatzes deutsche Kontingentführer zu Recht für eine Verbesserung der Kampf- und Schutzausstattung bis hin zu Artillerie und Schützenpanzern einsetzten, wurde trotz aller Berechtigung des Anliegens über Jahre hinweg zu oft als anmaßend und widersetzlich bewertet. Der politisch gut zu verkaufende, ‚friedliche‘ Wiederaufbau stand im Vordergrund – und damit im eklatanten Widerspruch zur ereignisbezogenen, traumatisierenden Kriegslage.
„Was wir sehen, ist nicht der Krieg. Was wir sehen, sind Stückchen des Krieges.“
Rumsfeld, Donald
Kriegerische Einsatzrealität passt nicht mit dieser Bundeswehr zusammen.
Der Einsatz selbst aber auch der Fehlstart der Bilanzierung zeigt, dass die Bundeswehr aber insbesondere das BMVg Kernkompetenzen und Kernfähigkeiten in erschreckender Art und Weise verloren haben.
Die hier zu lesenden Aspekte zeigen doch, dass häufig gute Ansätze in aufgeblasenen Bürokratiemonstern hängenbleiben. Erinnern wir uns doch an die Schwierigkeiten bei Material- und Ausrüstung für den Einsatz, die Schwierigkeiten bei der Umstellung/Anpassung der Ausbildung. Konzeptionen und Doktrin – ähnliches Versagen. Käme noch das Thema Postensicherung dazu, Absicherungsdenken.
Die Konzenration auf operationelle Kernfähigkeiten von Streitkräften, nur das verspricht auch Erfolg im Einsatz.
Der Fehlstart der Bilanzierung zeigt, es fehlt im Kern an einer echten Beurteilungs- und damit Handlungsfähigkeit für solche Aufgaben. Strategisch bis hin zu operativ – taktischen Umsetzung, militärische Aspekte wirken wie gelähmt,
Wuchernder Bürokratie in der politischen Leitung und militärischen Führung. Und die ‚Verwaltung‘ neigt dazu, sich hemmungslos zu vermehren. In jeder Reform ist es mehr, geworden.
Selbst Einsatzaufgaben werden bürokratisert. Mehr Ämter. Mehr Ebenen, immer wieder. Egal ob horizontal oder vertikal. Verschwendung, also der übermäßigen Verbrauch oder die ineffiziente Verwendung von Ressourcen quer in der Bundeswehr, vorgelebt im BMVg.
Wobei das Verfassen eines Schriftstückes noch die leichteste Übung im Verschwenden von Zeit und Kraft ist. Die Königsdisziplin heißt Einberufung von Sitzungen, wo nichts entschieden wird, außer neue Sitzungen einzuberufen.
Von Selbstbeweihräucherung getragene Zustimmung sichert die die Karriere oder berufliche Laufbahn, gern im Dschungel von Ämtern und Kommandos.
Ich höre auch hier wieder mahnende Stimmen: „Kein Indiz für aufgeblähte Verwaltung“. Diese kommen bestimmt nicht aus der Truppe!
Sowohl Soldaten als auch Waffensysteme kosten Geld. Das Geld, welches unser Land in ihre Streitkräfte investiert, sollte mal für den Kernauftrag der Streitkräfte Verwendung finden.
Darf man eigentlich die Frage stellen, ob die Riesensummen tatsächlich für den Kernauftrag Verwendung finden? Die Effizienz für Einsätze zu erhöhen, das hören Soldaten schon wieder, also in jeder Reform!
Sich den Einsatzrealitäten stellen, gelingt nicht einmal im Nachgang. Ging es um die eigentlichen Mission der Armee und eine Verschwendung von Ressourcen? Oder eine selbstverliebte Nabelschau, gehüllt in den Deckmantel einer „ehrlichen, offenen und kritischen Aufbereitung“?
Da fällt einem doch noch ein: Bei der Außendarstellung ist zwischen werbewirksamem Verhalten und selbstverliebtem Eigenlob zu unterscheiden. Ich vermute im BMVg gab es das Urteil „Prima gemacht! Danke“.
Eine strukturierte Bestandsaufnahme aus militärischer Sicht war in dieser Veranstaltung unmöglich. Die Bundeswehr verfügt zwar über viele Stränge der Einsatzauswertung, doch das gesammelte Wissen ist offenbar nicht verfügbar, schon gar nicht ausgewertet und strukturiert.
Valide Einsatzauswertung ist offenbar auf der Strecke geblieben.
Die Auftaktveranstaltung hatte für mich den Charakter eines Stuhlkreises, in dem sich einem völlig neuen Thema genähert wurde.
BMVg wird erneut mit einer realitätsfernen Selbstwahrnehmung verbunden. Nur sagen darf man das nicht. Rasch erhält man dann aus dem BMVg den Stempel „keine Ahnung“.
Warum hat sich, wo im BMVg soviel Zeit und Geld für die Strategieplanung aufgewendet wird, der Erfolg im Einsatz nicht wirklich eingestellt? Warum redet man immer wieder vom militärischen ERFOLG im Angesicht einer Niederlage?
Der Erfolg von Streitkräften im Einsatz ist von vielen Faktoren abhängig. Vielfältigste Einflussfaktoren auf den sind auszumachen. Das hätte man in einer Auftaktveranstaltung erwarten können, nicht sofort alle Antworten aber einen Plan, wie man sich dem Thema nähert. Wie im Einsatz, so gilt auch für die Bilanzierung:
Die Zweck-Ziel-Mittel-Relation nach Carl von Clausewitz ist ein durchaus zweckmäßiger Rahmen.
Strategie als Rahmen für zielorientiertes Handeln.
Oder habe ich die konkreten Ziele der Bilanzierung überhört?
Einen Dauerbrenner in der Diskussion um Erfolg und -misserfolg stellt z.B. verantwortlich gehandhabte militärische Führung im Lichte eines umfassenden Sicherheits- und Einsatzverständnisses dar. Dazu hätte ich gern etwas gehört. Gab es z.B. ungenügende Führungsleistung?
Mit Blick auf Afghanistan kann man doch festhalten, dass sich für vernünftige und letztlich auch nachhaltig erfolgreiche militärische Führung nicht nur die Beherrschung der eigentlich militärischen Kernkompetenzen als unabdingbar erwies, sondern auch eigenständige Kompetenzen im Bereich des Rechts, der Ethik, der Politik und auch der Kultur vonnöten waren.
Ob Militärischen Kernkompetenzen ausreichend vorhanden waren sollte ehrlich bewertet werden. Offenbar gibt es außerhalb des BMVg und höherer Kommandobehörden durchaus Zweifel.
Das Thema ist uralt, gleichzeitig hochaktuell und geht über den Rahmen des AFG Einsatzes hinaus. Es kann Nutzen bringen für LV/BV und andere lfd. und neue Einsätze.
Wer führt erfolgreich? Wie führt man erfolgreich? Was ist erfolgreiche Führung im Einsatz? Und wie erkennt man erfolgreiche Führungskräfte? Bewähren sich diese im Einsatz? Die Antworten auf diese Fragen haben sich im Wandel der Reformen immer wieder einmal geändert, z.B. Führungserfolg und dessen ªMessung“, besonders mit der Vorhersage von Führungspotential im Einsatz aber auch dem alltäglichen Führungsverhalten des Grundbetriebes.
Ich empfehle, bei aller berechtigter Kritik, mehr Bodenhaftung.
Einsatzauswertung ist für die Bundeswehr elementar.
Einsatz verlangt eine hochwertige Ausbildung, und diese Ausbildung muss den Einsatzerfordernissen entsprechen. Um Einsätze durchführen zu können, bedarf es eines Führungsprozesses, der mit der Einsatzplanung, Einsatzvorbereitung,
Einsatzführung, Einsatzdokumentation sowie der Einsatzauswertung beginnt und auf dem Weg der Ausbildung und der Vorschriften wieder zurück zur Einsatzplanung führt.
Im Planungsamt der Bundeswehr wurden „Strategische Einsatzauswertungen“ durchgeführt, Auswerteberichte der MilOrgBer dafür zusammengefasst. Schwerpunkt dabei Einsatzauswertung des Heeres.
Konsequente Einbeziehung der Einsatzauswertung in Fähigkeitsentwicklung lautet der Anspruch.
Ggf. könnte man einfach Teile öffentlich machen. Vertraulichkeit ist nur für bestimmte Bereiche zu leisten, z.B. Gefährung von Personal, Einblick in vertrauliche Grundsätze der Operationsführung.
Ich empfehle das Vorgehen in Norwegen zur Messlatte zu machen.