Sonstige Nachrichten: Afrika
Zwei Nachrichten vom heutigen Tag aus Afrika, die trotz (besser: ungeachtet) aller sicherheitspolitischen Bedeutung hier zu Lande vermutlich kaum zur Kenntnis genommen werden:
Im weltgrößten Flüchtlingslager Dadaab in Kenia nahe der somalischen Grenze sind zwei spanische Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen (Medecins sans Frontieres, MSF) entführt worden. MSF hat daraufhin seine Arbeit in dem Camp eingestellt, die Vereinten Nationen haben ihre Aktivitäten heruntergefahren. Entführer waren vermutlich kriminelle Banden aus dem benachbarten Somalia – die auch hinter den jüngsten Überfällen auf Touristen-Hotels in Kenia und die Entführung einer Britin und einer Französin stecken. Die Kriminalität aus Somalia, in Form der Piraterie vor der Küste kaum in den Griff zu bekommen, kehrt nun auch wieder zurück an Land.
Nachtrag am Sonntag: Kenyan army readies for Somalia ground attack
(Ein direkter Zusammenhang zwischen den Piraten und den islamistischen Milizen in Somalia ist trotz aller Behauptungen bislang nicht belegt. Auffällig ist allerdings, dass in einem Flüchtlingslager südlich von Mogadischu jetzt Al-Qaeda offen als Unterstützer auftritt.)
In einem anderen Land Afrikas, gar nicht so weit weg, treten die USA jetzt offen militärisch auf: 100 für Kampfeinsätze ausgerüstete US-Soldaten, wenn auch offiziell in einer Berater-Rolle, sollen in Uganda beim Kampf gegen die Lord’s Resistance Army (LRA) helfen.
Dazu ein wenig Hintergrund und eine Einschätzung von David Axe im Danger Room.
Dschungelkrieg gegen lokale irreguläre Kräfte die sich in dem Gelände hervorragend auskennen und zumidest teilweise dort auch lokale Unterstützung haben..
Hintergrund/Ziel: Sicherstellen das der Einfluss einer anderen (heranwachsenden) Großmacht in dem Großraum gehemmt wird (Dominotheorie).
Problem: Garantierter „mission creap“.
Zur Erinnerung:
@ b
„Problem: Garantierter “mission creep”“
Die Amerikaner führend weltweit ähnliche Einsätze in Dutzenden von Staaten durch, ohne dass sich daraus in der Regel umfangreichere Interventionen entwickeln. Der Einsatz gegen die LRA „garantiert“ einen „mission creep“-Effekt also keinesfalls. Die Situation ist ja auch völlig anders als in Vietnam. Damit sie vergleichbar wird, müssten die Chinesen schon auf die Idee kommen, die LRA und ähnliche Banden mit dem Ziel der Machtergreifung Chinafreundlicher Regierung in der gesamten Region zu unterstützen. Die LRA hat aber weder Strahlkraft über ihr Interessengebiet hinaus, noch könnten die Chinesen auf sie gestützt einen Dominoeffekt in der Region auslösen. Sie brauchen es auch nicht, da sie auf anderem Weg viel erfolgreicher sind.
Es handelt sich offenbar um Special Forces, die in der klassischen FID-Rolle (Militärberater auch im Gefecht) eingesetzt werden.
Diese indirekte Fähigkeit wird n.m.E. in den nächsten Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen, da konventionelle Großeinsätze wie in AFG politisch, finanziell und militärisch nicht mehr leistbar sind. Ab 2015 werden diese Fähigkeiten ebenfalls in AFG benötigt. Hierfür bedarf es jedoch gesondert ausgewählter und ausgebildeter Soldaten (siehe USSF). Das ist keine Nebenaufgabe für ein PzGrenBtl (wie derzeit bei OMLT).
Daneben werden aus dem gleichen Grund (große Stabilisoerungsoperationen nicht mehr leistbar) direkte Fähigkeiten von Spezialkräften (Direct Action= Zugriff, Befreiung, etc) erheblich an Bedeutung gewinnen.
Und die Bundeswehr? Wird durch die Vorgaben des Ministers auf konventionelle Dauereinsätze mit bis zu 10.000 Soldaten ausgerichtet (wegen Augenhöhe mit UK u. FRA). Indirekte Fähigkeiten werden erst gar nicht betrachtet, direkte Fähigkeiten der SpezKr offenbar erheblich eingeschränkt.
Was das alles mit einer Neuausrichtung zu tun haben soll, kann ich nicht erkennen. Der Zug nimmt gerade Fahrt auf – in die Sackgasse.
@Memoria
Das stimmt zu 100%. Das Heer wird zur Afghanistan (oder besser RC North)-Truppe umgestaltet. Und Luftwaffe und Marine beschaffen neu gerade das, was die US „Legacy Force“ nennen.
Im Übrigen passt der oft als Begründung angeführte Augenhöhen-Vergleich mit GBR und FRA schon deshalb nicht, weil diese beiden Armeen schon solche modernen, nicht konventionellen Fähigkeiten im Inventar haben.
@Memoria – Die Bundeswehr ist zur Landesverteidigung da, nicht um irgendwelche Bandenkriege und Bürgerkriege in Afrika zu managen. Warum sollte die Bundeswehr dann Kapazitäten für solche Fähigkeiten vorhalten?
„Augenhöhe mit GBR und FRA“ – aha, also Atomprogramm mit Sprengköpfen, Trägermitteln, Kommunikation, Raketen-Atom-U-Booten, Jagd-Atom-U-Boote, C4I dafür etc, oder wie? D wird nie auf Augenhöhe mit GBR und FRA sein, solange die Staaten sich das alles noch leisten können bzw. wollen.
@ b
Zugegeben die Assoziation von Dschungel und Insurgent zu Vietnam und anschleißend Fehlschlag ist ein verständlicher durch die Presse geförderter Irrtum, aber das hindert ja niemanden mal ernsthaft zu recherchieren.
Die LRA führt nun schon seit den 1980er Jahren ein sehr erfolgloses Dasein, als verbrecherische Nomadentruppe, die durch Kidnapping und ständige Bewegung über internationale Grenzen der Vernichtung durch afrikanische Regierungstruppen, und deren Fähigkeiten sind ja bekannt, entgeht. Der Vergleich mit der National Liberation Front in Vietnam ist praktisch schon beleidigend.
Organisation und Kampfkraft der LRA möchte ich spontan mit den Gewalthaufen des Deutschen Bauernkrieges assoziieren. Das soll nicht heißen, dass dieser Einsatz von US Truppen automatisch erfolgreich sein soll, aber diesen Katastrophenreflex in Bezug auf Dschungelkampf gegen INS halte ich für verfehlt.
Als positives Beispiel in dieser Richtung schlage ich mal, nein nicht Malaya, sondern die Philippinen 1950-1957 vor. Geringe US-Präsenz, kein mission creap, INS vollständig vernichtet durch lokale Regierungstruppen und politische Maßnahmen.
Oh mein Gott, COIN kann funktionieren…
@MFG:
Die 10.000 Soldaten als Planungsziel (Level of Ambition) enstand im Vergleich mit GBR und FRA. Das zeigt schon wie tiefgründig die sicherheitspolitische Analyse vor Beginn der Neuausrichtung war.
@b:
Es mag ja Ihre Ansicht sein, dass die Bundeswehr nur zur Landesverteidigung da ist, nach meinem Verständnis umfassen ihre Aufgaben aber auch auf jeden Fall die Bündnisverteidigung.
Hinzukommen vom BVerfG für rechtlich möglich angesehene Einsätze außerhalb des Bündnis- und Verteidigungsfalles.
U.a. im Rahmen der NATO und der EU werden bereits jetzt fremde Streitkräfte von NATO- bzw. EU-Soldaten (z.T. unter Beteiligung der Bundeswehr) ausgebildet (NTM-I, NTM-A, EUTM). Zukünftig sind ähnliche Einsätze zumindest nicht unwahrscheinlicher, daher sollte die Streitkräfteplanung entsprechende Fähigkeiten zumindest vorsehen, sofern diese nicht politisch abgelehnt werden.
Sie mögen das alles für sinnlos halten, ich habe aber den Eindruck, dass derlei weder auf politischer noch militärischer Ebene ernsthaft diskutiert wurde. Ihre Kritik ließe sich umso stärker auf die beschlossene Neuausrichtung anwenden („Level of Ambition“ mit 10.000 Soldaten für den „Nicht-V-Fall“).
Ich gebe Ihnen jedoch insofern Recht, dass die Beratung von Streitkräften nie lösgelöst von der Legitimität der jeweiligen Regierung gesehen werden darf.
@cynic2 Organisation und Kampfkraft der LRA möchte ich spontan mit den Gewalthaufen des Deutschen Bauernkrieges assoziieren. Das soll nicht heißen, dass dieser Einsatz von US Truppen automatisch erfolgreich sein soll, aber diesen Katastrophenreflex in Bezug auf Dschungelkampf gegen INS halte ich für verfehlt.
Als positives Beispiel in dieser Richtung schlage ich mal, nein nicht Malaya, sondern die Philippinen 1950-1957 vor. Geringe US-Präsenz, kein mission creap, INS vollständig vernichtet durch lokale Regierungstruppen und politische Maßnahmen.
Laut Human Rights Watch benimmt sich die ugandische Armee keineswegs anders als die LRA. Genau das ermöglicht der LRA seit 25 Jahren das Überleben.
Die LRA sind auch nicht, wie in den Medien häufig dargestellt wird, einfach nur ein christlicher Kult um den Anführer Koni. Das ist ein Widerstandsbewegung der Acholi (Norduganda/Südsudan) gegen die Bantu (Süduganda) die durchaus Unterstützung eines Teils der Bevölkerung hat. Die meisten Acholi hat man allerdings inzwischen in Konzentrationlagern (einige sagen Vernichtungslager) der Regierung eingepfercht.
Womit wir wieder zur Grundvoraussetzung von erfolgreichem COIN kommen, nämlich der Legiitimität der zu unterstützenden Regierung. In den Philippinen war das zu der Zeit halbwegs gegeben In Uganda sitzt seit 25 Jahren der gleiche Mann an der Spitze und unterdrückt sehr brutal einen Teil der Bevölkerung. Das die Amerikaner als wieder als ein Kampf „Gut gegen Böse“ darstellen ändert die Faktenlage nicht.
Das Land ist zudem allein schon durch die Anzahl der Sprachen und Ethnien so unübersichtlich das sich da Ausländer wohl nie zurechtfinden werden.
Was dort tatsächlich passieren müßte ist die Änderungen der willkürlichen Grenzen die die Kolonialherren dort gezogen haben. Damit könnten dort Staatsgebiete mit halbwegs einheitlichen Sprach- und Religionsgruppen entstehen.
(Die 1950-57 in den Philippinen eingesetzten ziemlich blutigen Methoden würden übrigens heute so nicht mehr geduldet.)
@ b
„Die 1950-57 in den Philippinen eingesetzten ziemlich blutigen Methoden würden übrigens heute so nicht mehr geduldet.“
Nein mit Sicherheit nicht! Ich kann mich noch an die weltweite Empörung und die gravierenden Konsequenzen erinnern, als westliche Tageszeitungen das letzte Mal ganzseitige Artikel über das verbrecherische Vorgehen von LRA und ugandischer Armee veröffentlichten. Wann war das noch gleich? :-)
Ich möchte vermuten, dass ein Einsatz von US-Spezialkräften in einer Beraterfunktion ähnlich viel Öffentlichkeit erhascht, wie, sagen wir mal, die deutschen Militärbeobachter im Sudan…
Wer oder was ist Sudan? Deutsche Militärbeobachter, hä….
:-)