Kurzes Debunking: Deutsche Geheimdienst-Erkenntnisse zu iranischer Aufrüstung?

In diesen Tagen sind Internetveröffentlichtungen, Falschinformationen und Desinformationskampagnen ein großes Thema – nicht nur im Inland (was hier bei Augen geradeaus! nicht das Thema ist), sondern vor allem international. Die NATO hat sich am (heutigen) Dienstag mit hybriden Bedrohungen befasst und erklärt, dass sie from tank to tweets mit allen Mitteln reagieren werde.

Da lässt einen aufhorchen, wenn bei einem weltpolitisch brandgefährlichen Thema, den Spannungen zwischen den USA und dem Iran, auf einmal Meldungen zu deutschen Geheimdiensterkenntnissen auftauchen. Iran seeking to expand military program to weapons of mass destruction: German intelligence (Deutsche Geheimdienste: Iran will sein Militärprogramm für Massenvernichtungswaffen ausweiten) meldete der US-Sender Fox News heute.

Und die Jerusalem Post folgte unter Berufung darauf wenig später: German intel: Iran wants to expand to weapons of mass destruction.

Das klingt erschreckend und schreit nach Suche nach der Quelle. Fox News schreibt, es sei der Redaktion gelungen einen deutschen Geheimdienstbericht zu bekommen (Fox News obtained a May 2019 intelligence document), in dem die brisante Information stehe: While European powers still claim Iran’s regime is in compliance with the nuclear deal, a new German intelligence report accuses the Islamic Republic of seeking to build weapons of mass destruction.

Nun ist es so schwierig nicht, dieses intelligence document zu finden: Den bayerischen Verfassungssschutzbericht für 2018 hat der Landes-Innenminister Joachim Hermann am 17. Mai vorgestellt, und der komplette Bericht findet sich im Internet. Die fragliche Passage auf Seite 291:

Sog. Risikostaaten wie Iran, Nordkorea, Syrien und Pakistan sind bemüht, ihr konventionelles Waffenarsenal durch die Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu ergänzen. Um sich das dafür notwendige Know-how und entsprechende Bauteile zu beschaffen, versuchen diese Staaten, Geschäftskontakte zu Unternehmen in den hochtechnologisierten Ländern wie Deutschland herzustellen. (…)
Zwischen der internationalen Staatengemeinschaft und dem Iran wurden die Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm am 14. Juli 2015 mit der Verabschiedung des „Joint Comprehensive Plan of Action“ (JCPoA) abgeschlossen. Der Iran stimmte darin erheblichen Beschränkungen und Kontrollen seines Nuklearprogramms zu. Im Gegenzug wurde vereinbart, die wegen des Nuklearprogramms verhängten Sanktionen schrittweise aufzuheben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachten weiterhin, ob der Iran die im Juli 2015 geschlossene Vereinbarung konsequent und nachhaltig einhält.Im Bereich Trägertechnologie/Raketenprogramm, der nicht von den Regelungen des JCPoA umfasst wird, sind nach wie vor proliferationsrelevante Beschaffungsbemühungen festzustellen.

Das wirkt doch eher wie die Wiedergabe der mehr oder weniger bekannten Erkenntnisse und des vom Bundesamt für Verfassungsschutz übernommenen Standes. Und weniger wie eine bayerische Geheimdiensterkenntnis zu neuen Aufrüstungsbemühungen des Iran (die es dessen ungeachtet ja geben mag, die sich aber aus diesem Bericht nicht herauslesen lassen).

Problematisch würde es natürlich, wenn in den Empfängerländern solcher Botschaften diese angeblichen deutschen Erkenntnisse als – weitere? – Belege für eine Aufrüstung des Iran herangezogen würden. Aber vielleicht gehört der Bericht ja auch nur in die US-Serie ‚Neues von deutschen Landes-Verfassungsschutzämtern‘.

(Foto: Screenshot Jerusalem Post 28.05.2019)