Lessons Learned: Fähre statt Brücke, Multinationaler Funk-Knoten (m. Korrektur)

Bisweilen ist es hilfreich (und für mich zugegeben zu selten derzeit), aus Berlin rauszugehen und die Truppe bei Übungen zu beobachten. Wie den Gewässerübergang über die Elbe eines  deutsch-tschechischer Gefechtsverbands. Ein paar Punkte, die ich von dem Besuch am (gestrigen) Dienstag am Südrand des Truppenübungsplatzes Klietz in Sachsen-Anhalt mitgenommen habe:

• Auffällig das unterschiedliche Bild beim Überqueren des Stroms. Vor ein paar Jahren sah das oft noch so aus wie auf diesem Foto von der Übung Anakonda in Polen 2016, beim Übergang über die Weichsel:

Helicopters fly over troops on a hasty bridge during a bridge crossing operation in Chelmno, Poland, June 8, 2016. Multinational forces coordinated, assembled and then traversed a bridge composed of German and British M3 Amphibious Rigs, allowing vehicles to cross the Vistula River as a part of Exercise Anakonda 2016.<br /> Staff Sgt. Ray Boyington, 362nd Mobile Public Affairs Detachment

Diese festen Verbindung von Ufer zu Ufer ist inzwischen kein Thema mehr, sagt Brigadegeneral Alexander Krone, Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 37 und seit 2022 Chef der von Deutschland geführten NATO-Eingreiftruppe VJTF (Very High Readiness Joint Task Force), in diesem Jahr in der so genannten stand down-Phase. Statt dessen, siehe Foto oben, pendeln die M3-Amphibien, immer vier zu einer Fähre zusammengestellt, von einer Seite des Stroms auf die andere.

Der Grund ist offensichtlich (und nicht zuletzt eine Folge der Erkenntnisse aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine): Eine feste Brückenverbindung ist viel verletzlicher bei einem Artillerieangriff – und der, das hat das Kriegsgeschehen in der Ukraine gezeigt, ist eine Frage des Wann, nicht des Ob. Statt also mit den Schwimmbrücken den Übergang herzustellen und die Fahrzeuge rollen zu lassen, fahren Panzer, Schützenpanzer, Lastwagen auf die Fähre und werden ans gegenüberliegende Ufer gefahren. Die Amphibienfahrzeuge können so erheblich besser ausweichen und wenn nötig schnell an eine andere Stelle des Flusses verlegen.

• Eine solche Übung ist wie schon seit Jahren nur möglich mit Fähigkeiten, die in der Bundeswehr etwas euphemistisch als Unikatverbände bezeichnet werden – also Dingen, von denen es nur ganz, ganz wenig gibt. Das gilt für die M3-Schwimmbrücken, die in der NATO nur in dem deutsch-britischen Pionierbrückenbataillon 130 in Minden vorhanden sind. Die Einheit ist auch entsprechend unterwegs, vor kurzem noch bei der Übung Dragon 24 in Polen, an der Weichsel, und jetzt eben an der Elbe.

Photo Description: A M3 rig truck of the British-German amphibious engineer battalion drives towards its base, in Poland on March 3, 2024. Jackie Faye Burton/U.S. European Command

Ähnliches gilt für die Flugabwehr im Nahbereich: Der Gewässerübergang wurde gesichert vom Leichten Flugabwehrsystem (LeFlaSys) mit dem Waffenträger Ozelot auf Basis des Wiesel 2. Auch dieses System gibt’s in der Bundeswehr nur in einer viel gefragten Einheit, und bis die inzwischen bestellten Skyranger-Flugabwehrsysteme kommen, bleibt es die einzige Wahl für die unmittelbare Bedrohung aus der Luft.

• Für die gewandelte Bedrohung aus der Luft stehen natürlich Drohnen, die inzwischen bei jeder Bewegung und gerade bei so einer offensichtlichen Aktivität wie einem Gewässerübergang mitbedacht werden müssen. Da geht’s dann eben nicht nur um die größeren (Kampf)Drohnen, für die das LeFlaSys zuständig ist, sondern ebenso um die kleinen, handelsüblichen Quadcopter, die mit ihren Kameras die Truppe problemlos aufklären können. Neben elektronischen Abwehrmaßnahmen sollen die Soldaten dafür (wieder) auf die Fliegerabwehr aller Truppen zurückgreifen; vom Schützenpanzer Puma bis zum Scharfschützen wird alles als Möglichkeit zum Abschuss der kleinen unbemannten Systeme betrachtet.

• In einem Punkt gaben Krone und der Kommandeur der tschechischen 4. Schnellen Einsatzbrigade (KORREKTUR, nicht des 41. Mechanisierten Bataillons) aus Žatec, Oberst Jiří Líbal, vorsichtige Entwarnung: Dank einer Software-Lösung können die beiden NATO-Partner jetzt auch auf taktischer Ebene über Funk miteinander kommunizieren. Ein Switch unter Einbindung der verschiedenen Funksysteme beider Länder (bei der Digitalisierung sind die tschechischen Streitkräfte weiter vorangeschritten) ermöglicht zumindest die Sprachkommunikation. An der Datenverbindung, die dann auch den Austausch der Battle Management Systeme ermöglicht, wird noch gearbeitet – mit Norwegen, sagt Krone, funktioniere das bereits.

KLIETZ 26mar2024 - Der Kommandeur des tschechischen 41. Mechanisierten Bataillon aus Žatec, Oberst Jiří Líbal, l., und der Kommandeur der deutschen Panzergrenadierbrigade 37, Brigadegeneral Alexander Krone

Ein paar mehr Fotos hier.

(Fotos, v. oben: Tschechische Pandur-Schützenpanzer auf der M3-Amphibie auf der Elbe; M3-Schwimmbrücke über die Weichsel bei der Übung Anakonda 2016 – Staff Sgt. Ray Boyington, 362nd Mobile Public Affairs Detachment; M3-Amphibie Anfang März bei der Übung Dragon 24 in Polen –  Jackie Faye Burton/U.S. European Command; Ozelot-Waffenträger des Leichten Flugabwehrsystems; der Kommandeur der tschechischen 4. Schnellen Einsatzbrigade aus Žatec, Oberst Jiří Líbal, l., und der Kommandeur der deutschen Panzergrenadierbrigade 37, Brigadegeneral Alexander Krone)