Einfach mal erklärt: Abschreckung, Verteidigung, Eindämmung
Wer sich mit der Materie befasst, kann meistens erklären, was Abschreckung eigentlich bedeutet. Oder Verteidigung. Oder, da wird es schon komplizierter, Eindämmung. Mein Co-Podcaster Frank Sauer hat einfach mal aufgeschrieben, wie man das mal einfach erklären kann – auch für die, die sich sonst damit nicht beschäftigten. Sozusagen als kleine Argumentationshilfe.
Abschreckung. Verteidigung. Eindämmung. Begriffe, die (leider) mit Blick auf Russland wieder eine entscheidende Rolle spielen. Was sie bedeuten – und was aus ihnen folgt. Eine kurze Darstellung in einfachen Worten, gedacht für Laien und für wenn am Wochenende die Oma fragt.
Abschreckung beruht auf der Androhung von Strafe, um damit das Verhalten eines Gegners zu beeinflussen. Er soll von unerwünschtem Verhalten abgehalten werden, weil er einsehen muss, dass dieses sich für ihn nicht lohnt. Abschreckung gelingt, wenn ich die Fähigkeiten dazu habe, dem Gegner schmerzhafte Vergeltung zuzufügen, sollte er mich angreifen. Und, wenn ich ihm glaubwürdig vermittle, dass ich im Falle der Fälle meine Vergeltungsdrohung auch wirklich wahr mache.
Konventionelle Abschreckung hat keine übermäßig solide Erfolgsbilanz. Wenn Staat A 100 Panzer hat, und Staat B hat 110 Panzer, dann heißt das noch lange nicht, dass Staat B damit Staat A auch sicher abschreckt, weil er aufgrund seiner zusätzlichen Panzer den Angriff As garantiert zurückschlagen und den Krieg sicher gewinnen würde. Logistik, Training, Technologie, Moral, Führung, Gelände, Wetter, Glück, Pech – viele Faktoren entscheiden in der konventionellen Kriegsführung mit. Krieg ist keine Rechenoperation. Fehlwahrnehmungen und Fehlkalkulationen können dazu führen, dass eine Seite einen Krieg anfängt, von dem sie eigentlich hätte abgeschreckt sein sollen. Putin dachte zum Beispiel, dass er in drei Tagen Kyjiw einnehmen kann. Tja.
Trotzdem ist konventionelle Abschreckung als Faktor natürlich nicht unbedeutend – mit Blick auf unseren Fall hier in Europa vor allem deswegen, weil die Situation nicht nur aus Staat A und Staat B besteht, sondern weil der Staat Russland die ganze NATO als Gegenüber hat.
Gemäß der mit Russland getroffenen Vereinbarungen stationierte die NATO nach dem Ende des Ost-West-Konflikts keine größeren und dauerhaften Truppenkontingente in den ehemaligen Sowjet- und dann neuen NATO-Staaten (auch keine Nuklearwaffen übrigens). Daher rotierte Deutschland ins Gastland Litauen bislang stets nur rund 1.000 SoldatInnen. Andere NATO-Staaten taten das gleiche für Estland, Lettland, Polen. Die Idee hinter dieser Präsenz: einen „Stolperdraht“ spannen! Greift Russland an, wäre unweigerlich die NATO involviert! In diesem Fall stünde Artikel 5 des NATO-Vertrags im Raum, der besagt, dass ein Angriff auf ein Land ein Angriff auf alle ist. Achtung: Der NATO-Rat berät und beschließt. Artikel 5 ist kein Automatismus! Er wurde bislang nur einmal „aktiviert“ – um den USA nach 9/11 beizustehen.
Der alte Plan war also wie folgt: Würde der kleine Stolperdraht – z.B. in einem der baltischen Staaten – ausgelöst und Beistand nach Artikel 5 ausgerufen, dann würden alle NATO-Mitgliedsstaaten (militärisch) zur Hilfe eilen und das überfallene NATO-Land befreien. Die NATO-Präsenz hatte also eine doppelte Funktion: Die baltischen Staaten und Polen schreckten Russland so stärker ab als sie dies alleine geschafft hätten – und für die vier war die Präsenz die Rückversicherung, im Extremfall nicht im Stich gelassen zu werden.
Der alte Plan kollabierte jedoch mit der russischen Invasion 2022 und dem entsetzlichen Leid in den besetzten ukrainischen Gebieten: Es wurde klar, dass es für Staaten inakzeptabel ist, Russland Territorium zeitweilig besetzen zu lassen und dieses erst später zu befreien. Um sich als Land also nicht erst überrennen (und seine Bevölkerung ermorden, foltern, vergewaltigen, verschleppen) lassen zu müssen, soll fortan die konventionelle Abschreckung durch mehr Verteidigungsfähigkeit unterfüttert werden. Quasi „Brandmauer statt Stolperdraht“. Das Baltikum und Polen sollen jetzt von Anfang an auf ihrem Territorium wirksam verteidigt werden. Kein Staat soll Territorium aufgeben müssen. Deswegen will die Bundeswehr nun ab spätestens 2027 auch eine Brigade (also rund 4.800 SoldatInnen) dauerhaft in Litauen stationieren.
Man sieht: die Trennlinie zwischen konventioneller Abschreckung und Verteidigung ist bisweilen unscharf. Aber es gilt die Daumenregel: Man macht konventionelle Abschreckung, um möglichst gar nicht erst in eine Situation zu geraten, in der man sich verteidigen muss.
Zwischenfazit: Wir müssen in Europa – in Deutschland – konventionell ausrüsten und aufrüsten. Das ist kacke, weil das Geld an vielen anderen Stellen benötigt wird. Aber es sollte klar geworden sein, dass Abschreckung und, im schlimmsten Fall, Verteidigung dies erfordern.
Jetzt zur nuklearen Abschreckung. Die ist besonders. Der Grund dafür liegt in der riesigen Zerstörungskraft von Nuklearwaffen. Nuklearwaffen destillieren das Konzept der Abschreckung auf seine Reinform. Wenn nämlich Staat A 100 Interkontinentalraketen hat, und Staat B hat 110, dann sind im Falle des nuklearen Schlagabtauschs garantiert beide tot. Selbst wenn beide, rein hypothetisch, jeweils einen Großteil der Raketen des Gegners vor dem Einschlag abfangen können. Nur ein paar Sprengköpfe reichen nämlich, um inakzeptable Kosten zu verursachen. Und ein paar Sprengköpfe kommen eben einfach immer durch. Es gibt keine wirksame Verteidigung gegen Nuklearwaffen. Deswegen: Pure Abschreckung.
Zufälligerweise habe ich ein ganzes Buch darüber geschrieben, wie problematisch das mit der nuklearen Abschreckung in Theorie und Praxis ist, was schief gehen kann, und warum man sich nukleare Abschreckung deswegen bitte nicht als hundertprozentig stabil vorstellen darf.
Trotzdem würde ich – mehr noch als im Falle der konventionellen Abschreckung – die nukleare Abschreckung als wesentlichen, und zwar politischen mehr als militärischen, Faktor in zwischenstaatlichen Prozessen selbstverständlich niemals wegdiskutieren. Dass nukleare Abschreckung aktuell wirkt, merken wir daran, dass keine NATO-Staaten der Ukraine mit eigenem Militär zu Hilfe eilen. Wir sind abgeschreckt. Russland hat man aber auch erfolgreich abgeschreckt – deswegen sind Putins Nukleardrohungen weniger geworden.
Zu guter Letzt: Eindämmung. Dieser Begriff wurde nach dem Zweiten Weltkrieg genutzt, um die Strategie des Westens zu beschreiben, mit der die Ausdehnung der Sowjetunion in Europa verhindert werden sollte. Aber Vorsicht: Russland heute ist nicht die Sowjetunion, und die nächsten Jahre werden nicht einfach eine Neuauflage des Kalten Krieges. Der Begriff ist trotzdem hilfreich, weil unter ihn Abschreckung und Verteidigung fallen, er aber noch weiter reicht. Neben den militärischen Elementen der Auseinandersetzung mit Russland, ist nämlich auch die „Grauzone“ im Spiel. Der Kreml lässt (sogar im Berliner Tiergarten) politische Morde begehen, hackt die Bundestags-IT, sät Desinformation und finanziert in ganz Europa demokratiefeindliche Parteien.
Diesem schon länger anhaltenden „hybriden Krieg“ Russlands werden wir uns in Europa zukünftig entschiedener stellen müssen. Primär schaffen wir das durch „Resilienz“ – also indem wir russische Beeinflussungsversuche am besten an uns abperlen lassen. Das gelingt, indem wir die neuen krisenhaften Realitäten anerkennen, unsere Demokratie verteidigen und unsere Werte leben, auch, aber nicht nur an der Wahlurne, indem wir online nicht jeden Unfug für bare Münze nehmen, indem der Staat kritische Infrastrukturen schützt uvm.
Das hier Gesagte gilt nur, wenn die NATO weiter geschlossen und die nuklearen Sicherheitsgarantien der USA für Europa erhalten bleiben. Worauf ich hinaus will: Sollte im November Trump zum US-Präsident gewählt werden, stehen diese Grundbedingungen auf der Kippe. So oder so müssen wir in Europa für unsere Sicherheit im konventionellen Bereich aber mehr tun – ganz gleich, wer in den USA Präsident(in) wird oder bleibt. Denn die USA konzentrieren sich längst auf China. Russland ist damit primär unser Problem, nicht das der USA. Sollte Trump die nuklearen Sicherheitsgarantien für Europa aushebeln, dann stecken wir richtig im Schlamassel. Denn Frankreich, das einzige EU-Land mit Nuklearwaffen, kann und wird nicht so ohne Weiteres einspringen. Großbritannien noch weniger.
Deswegen müssen mehr Menschen Sicherheitspolitik besser verstehen und auch mit Begriffen wie Abschreckung, Verteidigung und Eindämmung (wieder, bedauerlicherweise) etwas anfangen können. Um sich eine fundierte Meinung zu bilden. Ich hoffe, dieser kurze Text hilft ein wenig dabei.
Abschließend der Versuch, ein Missverständnis zu verhindern: Natürlich braucht es immer auch Diplomatie und Friedensbemühungen. Natürlich will ich zurück zu Rüstungskontrolle, Abrüstung und auf lange Sicht hin zu einem kooperativen statt konfrontativen Verhältnis zu Russland. Aber wenn nichts Unvorhergesehenes (an ein Wunder grenzendes) passiert, dann wird sich diese Wendung zum Positiven erst in vielen Jahren, ja Jahrzehnten einstellen. So nachhaltig hat Putins Krieg Europa leider verändert. Zeitenwende! Danke fürs Lesen. Gruß an Oma.
Mir ist das zu militaristisch enggeführt. Die gesamte Abschreckung mit Wirtschaft- und politischen Sanktionen fehlt. Immerhin hatte Präsident Biden beim abschließenden Austausch mit Präsident Putin am 7. Dezember 2021 Russland ALLEIN damit versucht, von seinem Angriff auf die Ukraine abzuhalten. Der Versuch einer „Abschreckung“ ist gescheitert. Das im Abschreckungsbegriff zu negieren, ist vor diesem Hintergrund umprofessionell. So meine Einschätzung. Aber ich bin auch Ökonom.
Cooler Text. Und ja, wäre gut, wenn das jeder im privaten Umfeld erläutern könnte. Von den Politikern ganz zu schweigen.
„Deswegen müssen mehr Menschen Sicherheitspolitik besser verstehen und…“
„:::indem wir online nicht jeden Unfug für bare Münze nehmen,“
Schon daran mangelt es nicht wenigen, leider.
Wie offen AFD-Bundestagsabgeordnetenmitarbeiter mit 10000 Euro von Moskau nach Europa zurückkehren können, verwundert mich fast schon. Der Hang von AFD-Bundestagsabgeordneten zu „besonderen Menschen“ macht ja auch bei gewaltbereiten Rechtsextremisten der Identitären Bewegung nicht halt.
Da ist die Frage, ob das ganze Militär einem überhaupt noch was bringt, wenn Russland ziemlich erfolgreich Europa und die NATO über autoritäre Rechtsextreme destabilisiert.
Das, was in diesem Artikel steht, wurde mir bereits von meinem Vater ganz ähnlich erklärt, natürlich noch ohne den ganzen IT-Schnickschnack, der heute zusätzliche Gefahren bringt.
Wahrscheinlich werden die Omas und Opas eher Ihre Sicht teilen als ihre Sprösslinge.
Lieber Gruss von einer Oma
Als zukünftige Lehrkraft ist das ein sehr hilfreicher Text, um Schülerinnen und Schülern ganz basal beizubringen, was diese Begriffe eigentlich bedeuten.
@ Ökonom:
Vielleicht muss man das ökonomische fast schon ausklammern, wenn man es mit einem lupenreinen Diktator zu tun hat. Dieser wird immer allen Luxus und Annehmlichkeiten behalten, egal wie scharf Sanktionen sein mögen. Die entsprechende Bevölkerung bekommt die wirtschaftlichen Folgen zu spüren, das braucht einen Diktator mit entsprechender Absicherung in Form eines totalitären Sicherheitsapparat aber nicht weiter kümmern.
Leider haben nur wenige Diktatoren bisher das Ziel verfolgt, ihrem Land zu wirtschaftlichem Aufstieg und gerechter Verteilung des Wohlstandes zu verhelfen.
Ich persönlich fand dieses „Wir werden auf gar keinen Fall was militärisch machen“ von Biden katastrophal. Er kann ja so denken und planen, aber warum zum Teufel erzählt Biden das vorher Putin?
Alles super erklärt nur die stereotype „Oma“ der man alles erklären muss, könnte man gegen den Stammtischbruder oder Onkel oder so austauschen. Oma kein gutes Synonym für „keine Ahnung“ 😤
Der Verteidigungsminister hat gestern im heute Journal auch einiges hierzu erläutert… und ist auch auf viele dieser Begrifflichkeiten eingegangen…
sehr gelungenes Interview… jedoch mit offenen Fragen meinerseits (wann und wie wird die nötige Steigerung des EPL14 auf den Weg gebracht? Was meint er mit „beim nötigen Aufwuchs der Artillerie wurde viel auf den Weg gebracht?)
… vielleicht, weil das in diesem Fall sekundäres Beiwerk ist? Ideologisch gestählte, nukleare Regime wie Russland, aber auch Iran und Nordkorea kümmern sowas recht wenig. Wie dieser Konflikt par excellence veranschaulicht scheuen sie sich auch nicht, sich bei ihren völkerrechtswidrigen Aktivitäten munter gegenseitig unter die Arme zu greifen. Wohl und Wehe der eigenen Bevölkerung ist für diese Diktaturen vernachlässigbar. In Nordkorea verhungern regelmäßig Menschen, aber die ICBM rollt glänzend poliert bei der Parade. Derweilen kommt in Deutschland Unruhe auf, wenn Gas und Strom etwas teurer werden oder ukrainische Flüchtlinge ihr Kfz mutmaßlich nicht ordentlich registriert haben … Die Schmerzgrenze der Diktaturen liegt im „soften“ Bereich nunmal sehr viel höher, als die einer Zivilgesellschaft.
Bezogen auf die hier vorgestellten Begrifflichkeiten sehe ich bei Deutschland nicht, dass auch nur auf einem Feld wirklich ernsthafte Bemühungen gemacht werden. Bei der politischen Komponente, nämlichen der offen und ehrlichen benannten Ausrichtung bezüglich Abschreckung, Verteidigung und Eindämmung fängt es an. Bei dem eklatenaten Fehlbestand an Munition hört es auf.
Es wurden jetzt ein paar Sachen bestellt, aber es fehlt noch viel zu sehr an Grundlegenden. Eine Hand voll MARS-Ersatz. Drei Hände voll Leos. Homöopathische Dosen mit null Redundanz! Von Artilleriemuntion bis Flugkörpern mittlerweile noch weniger Klarstand, als vor dem Krieg – und selbst da hätte das Fazit nach dem geforderten NATO-Standard schon „erbärmlich“ lauten müssen. Ja selbst ganz Europa schafft es nicht einmal innerhalb eines Jahres(?) der Ukraine die zugesagte Artillerie-Munition zu liefern!
Außer zu beten, dass es nicht Trump wird und die Ukraine weiterhin durchhält, scheint einem nicht mehr viel möglich zu sein.
@Ökonom sagt: 22.01.2024 um 7:08 Uhr
„Die gesamte Abschreckung mit Wirtschaft- und politischen Sanktionen fehlt.“
Im Prinzip geben Sie sich in der weiteren Ausführung die Antwort selber. Wirtschaftliche und politische Sanktionen sind mittlerweile ein stumpfes Schwert, wenn nicht alle mitziehen. Im Rahmen des Ukraine -Kriegs bekommen wir das doch mit Russland jeden Tag vorgeführt. Indien und China unterlaufen die Sanktionen doch alleine schon durch Rohöl- und Erdgashandel.
Und wie kann es eigentlich sein, das knapp zwei Jahre nach Kriegsbeginn ukrainische Streitkräfte in abgeschossenen russischen Raketen und Drohnen US-amerikanische oder deutsche IT-Bauteile finden, die Ende 2022 oder Mitte 2023 produziert wurden? So zuletzt in einem ARD-Beitrag bei Panorama (oder Kontraste, bin mir nicht sicher). Das funktioniert also nur sehr begrenzt.
Wirkungsvoller ist da, russisches Auslandsvermögen einzuziehen, auch das der Oligarchen, und zum Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden.
Es muss einfach wehtun und es muss etwas sein, das wir als Westeuropa oder „der Westen“ alleine durchsetzen können ohne das uns jemand reingrätscht.
Abschreckung, Verteidigung, Eindämmung, alles schlüssig erklärt. Ich füge noch einen Bergriff hinzu: Poker! Putin hat erfolgreich darauf gesetzt, dass der Westen und die USA nach dem Afghanistan-Desaster keinen Bock mehr auf Krieg haben. Mit Kriegsmüdigkeit und mangelnder Entschlossenheit ist jede Abschreckung zum Teufel gegangen.
In der Ukraine hat Putin sich verzockt, er ist „auf dem Baum“. Wer auf dem Baum sitzt, muss da auch mal wieder runter. Die Frage des Herunterkommens ist völlig ungeklärt, ebenso die Frage wie lange wir diesem Treiben noch zuschauen wollen, müssen, sollen,können?
Funktioniert die Abschreckung im Baltikum noch glaubwürdig? Wie halten wir es mit Moldau? Wie halten wir es denn nun mit der Ukraine? Eiern wir weiter bei den Material- und Munitionslieferungen? Können unsere Fabriken nur massenhaft Autos ausstoßen, Panzer und Munition nur in homöopathischen Dosen? Ist das noch Abschreckung oder grenzt das schon an Appeasement, nur um unsere „Ruhe“ zu haben und wieder Öl und Gas in Russland zu kaufen, wovon so mancher – leider auch hier – offenbar zu träumen scheint.
Bei dem gegenwärtigen Gezerre und Gewürge im US Kongress um Ukraine–Hilfen und NATO-Mitgliedern wie die Slowakei, Türkei und Ungarn und der Hasenfüssigkeit unseres Bundeskanzlers setze ich mal ein dickes Fragezeichen hinter der Abschreckung..Wie Frank Sauer korrekt sagte, ist Artikel 5 eben kein Automatismus!
Nun ja, da sind ja noch die Amerikaner, die holen schon für uns die Kartoffeln aus dem Feuer?! Tun sie mit Sicherheit nicht, egal wer im Weißen Haus sitzt!
Ich teile die Einschätzung das Russland ein europäisches Problem ist und von Europäern zu lösen ist. Um von Putin ernst genommen zu werden, braucht es nicht nur eine glaubwürdige konventionelle Abschreckung bei Unwillen der USA das weiter für uns zu tun, sondern auch selbstverständlich die atomare Abschreckung als Ersatz, wenn der US-Schutzschirm wegfällt.!
Das das alles irre Geld kostet ist eine Binse ist aber wohl notwendig, wenn wir nicht bald am A….. sein wollen.
Das zu verstehen, zu kommunizieren ist eine Aufgabe von uns allen, nicht nur der Politik, denn merke: wenn ein Finger auf die Politik zeigt, so zeigen vier Finger auf einen selbst!
Putin hat Zeit und sitzt die U S Wahlen aus. Und dann Pokerface ? Wir haben keine Zeit zu verlieren und sollten nicht warten. Putin versteht nur Entschlossenheit und die Sprache der Stärke, Verhandlungen betrachtet er als Schwäche. Wer mit Putin spricht, sollte das nie vergessen.
Den Omas und Opas von heute muss man das nicht erklären.
Die Opas sind in überwältigender Mehrheit eingerückt und denen war klar, dass sie den Preis so hoch hängen müssen, dass keiner Lust hat, ihn zu bezahlen.
Kritisch sind die jungen Weltenretter und ihre Idole in der Politik. Die glauben, sie müssen mit einem Strassenschläger nur vernünftig reden. Vielleicht noch eine Therapie.
DEN Preis zahlt der gerne und nimmt sich was er will.
PS:
„… für wenn am Wochenende die Oma fragt.“
Der Satz ist Klasse!
Dann heisst das aber auch „Omma“
@Dominik
Das Versagen der Abschreckung mit wirtschaftlichen Mitteln auf eine Unerreichbarkeit des Diktators zu schieben, ist eine Ausrede.
Die Sanktionieren war kaum vorbereitet. Nach 2 Jahren ist man immer noch am Nachschärfen. Das ist wie wenn man mit Panzern und Raketen droht, die erst noch bestellt und gefertigt werden müssen, bevor man sie 2 Jahre danach einsetzen kann. Das würden Sie auch nicht als militärische Abschreckung durchgehen lassen.
Realistische und selbstkritische Selbsteinschätzung ist gefragt, keine Überhöhung des Diktators.
Für alle Nicht-Omas (😉) empfehle ich die aus meiner Sicht hervorragende Zusammenfassung des Ukrainekonflikts durch Oberst a. D. Wolfgang Richter, hier für die Friedrich Ebert Stiftung vom Dezember 2023.
https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/20886.pdf
Schöner Text. Eine Anmerkung noch zu den Sanktionen (und indirekt ist es auch eine Anmerkung zu dem in diesem Punkt „blinden“ Text des Hausherrn):
Es gibt in der Geschichte fast keine Beispiele dafür, dass wirtschaftliche Sanktionen den gewünschten und abschreckenden Effekt auf einen (ggf. potentiellen) Aggressor haben. Dazu ist ihre Wirkung zu langfristig, und dazu sind die Umgehungsmöglichkeiten zu vielfältig, und dazu ist selbst bei guter Wirkung der Schaden für den Aggressor zu gut „abzuwettern“. Wirtschaftliche Sanktionen, so wie sie er Westen seit etwa 20 Jahren anwendet, sind mehr ein Surrogat für harte politisch/militärische Aktionen und dienen letzten Endes mehr der Gesichtswahrung nach innen (vor allem) und außen.
Verschärfend kommt im konkreten Fall hinzu, dass global die Ablehnung der Invasion der Ukraine keineswegs so einhellig ist, wie es in unseren Medien zu lesen/zu hören ist. Wir sind da Gefangene unserer Überzeugungen, wir haben den Blick auf die Realität stark verloren. Kaum jemand etwa macht sich klar, dass selbst wir sehr wohl noch russisches Gas und Erdöl beziehen, wenn auch über den Umweg des Zwischenhandels, teils mit europäischen Staaten. Nur so als Beispiel. Weil RUS das weiß (und seit 2014 ausreichend Zeit hatte, die Gefahren unserer Sanktionen einzuschätzen) ist es weitgehend wirkungslose Schaufensterpolitik. Klingt aber gut nach innen und wärmt das grüne Herz … wähnt man sich doch auf diese Weise als fortschrittlich, weil man mittels Sanktionen sicherheitspolitische Konflikte mit humaneren, moralischeren Mitteln lösen könne.
Nur leider funktioniert es nicht. Man braucht „harte Währung“, aka boots on the ground und Stahl auf der Heide.
Beides haben wir nicht, für beides fehlt es uns an der Entschlossenheit und am Selbstbehauptungswillen. Wir werden in 10 Jahren ein Spielball Putins sein, gleichgültig wer gerade in Washington regiert.
Oh je – da hat einer den Sinngehalt des Begriffes „Abschreckung“ wohl nicht verstanden.
Wie ich meine – bedauerlich.
„… Abschreckung beruht auf der Androhung von Strafe, um damit das Verhalten eines Gegners zu beeinflussen… .“
Es geht bei der Abschreckung nicht um „Strafe“, sondern um Verhinderung.
Dieser Fakt kommt im Beitrag klar zu kurz.
Nur mal so.
@ Hans Schommer
„Es geht bei der Abschreckung nicht um „Strafe“, sondern um Verhinderung.“
Und genau das ist in dem von Ihnen kritisierten Satz beschrieben. Aber Sie können Strafe auch einfach durch Konsequenzen ersetzen wenn ihnen Strafe nicht gefällt. Und das funktioniert auch solange die angedrohten Konsequenzen glaubhaft vermittelt werden und der Adressat halbwegs bei Verstand ist.
@Herr Becker:
einfacher Zwischenhandel reicht nicht bei Erdöl. Aber es ist auch überhaupt nur Rohöl sanktioniert, nicht die raffinierten Produkte.
LNG aus Russland ist natürlich erst gar nicht sanktioniert, Pipelinegas im übrigen auch nicht.
Trotz allem haben die Sanktionen einen recht deutlichen Effekt auf den russischen Haushalt.
@Pio Fritz:
Das Sanktionen nachgeschärft werden, ist wahrscheinlich normal. Man weiß ja eigentlich wer da die Zwischenhändler sind, aber leider ist die EU eben behäbig und hat einige „vermutlich von Russland gekaufte Mitglieder.“
Gerade Indien kauft immer weniger russisches Öl, seitdem verschärfte US Finanzsanktionen gelten.
@ Hans Schommer
Herr Sauer schrieb: „Abschreckung beruht auf der Androhung von Strafe, um damit das Verhalten eines Gegners zu beeinflussen. Er soll von unerwünschtem Verhalten abgehalten werden, weil er einsehen muss, dass dieses sich für ihn nicht lohnt.“ Diese VERHINDERUNG funktioniert aber nur „…wenn ich ihm glaubwürdig vermittle, dass ich im Falle der Fälle meine Vergeltungsdrohung auch wirklich wahr mache.“
Ich fasse zusammen: Abschreckung bedeutet Verhalten eines Gegners durch Strafandrohung zu beeinflussen, von unerwünschtem Verhalten abzuhalten, konsequent gegen unerwünschtes Verhalten vorzugehen und damit glaubwürdig zu bleiben. Wie oft wollen Sie den Begriff Verhinderung denn noch umschreiben?
@HansSchommer:
Verhinderung ist das Ziel von Abschreckung. Strafe das Mittel. Damit ist der Text zutreffend.
@Pio-Fritz
„Wirkungsvoller ist da, russisches Auslandsvermögen einzuziehen, auch das der Oligarchen“
Wenn man ihnen eine Beteiligung am Krieg oder Putins Machterhalt nachweisen kann – dann ja.
Sonst nennt sich das Kollektivbestrafung und ist das beste Mittel „den Feind“ hinter Putin zusammenzuschweißen.
Ebenso der Irrsinn russische Deserteure abzuweisen, man gibt Putin einfach die beste Munition in seiner Argumentation der Westen kämpft gegen alles Russische, wenn man tatsächlich „die Russen“ als Ganzes als Ziel von Sanktionsmaßnahmen macht. Russische Soldaten in der Ukraine sind ein valides Ziel. Und die sind in der Mehrheit immer noch freiwillig dort, und das kann man denen mit Entschlossenheit austreiben – und Putin hat Angst eine neue Mobilisierungswelle zu starten und das mehrfach dementiert. Damit kann man arbeiten.
Also ja, Abschreckung, Verteidigung und Eindämmung funktioniert auf mehreren Ebenen. Aber wenn Abschreckung neue Feinde schafft, macht man es vielleicht nicht richtig. Also ja, Panzersperren und Bunker sind wichtige Abschreckung, ebenso verbindliche Zusagen für weitere Waffenlieferungen für die Ukraine. So lange es eben dauert. Aber die größte Gefahr sehe ich derzeit fast eher in den heimischen Spinnern. Wer sich das antun will, kann mal im Kommentarbereich von Pi-News und ähnlichem schauen. Manche da träumen offen davon, zusammen mit Putin in Europa mit Multikulti aufzuräumen. Es sind leider nicht wenige. Aber wer kann sagen, wie viele davon bezahlte Trolle sind? Das müssten eigentlich die Nachrichtendienste können, aber ich habe nicht ganz den Eindruck, dass da viel passiert.
@Hans Schommer
So geht es doch weiter im Text:
„Er soll von unerwünschtem Verhalten abgehalten werden, weil er einsehen muss, dass dieses sich für ihn nicht lohnt. Abschreckung gelingt, wenn ich die Fähigkeiten dazu habe, dem Gegner schmerzhafte Vergeltung zuzufügen, sollte er mich angreifen. Und, wenn ich ihm glaubwürdig vermittle, dass ich im Falle der Fälle meine Vergeltungsdrohung auch wirklich wahr mache.“
Verhinderung = Er soll von unerwünschtem Verhalten abgehalten werden
mit zwei notwendigen Bedingungen – glaubhaft schmerzhaft und wird glaubhaft realisiert -, SOLLTE er mich angreifen
„Das hier Gesagte gilt nur, wenn die NATO weiter geschlossen und die nuklearen Sicherheitsgarantien der USA für Europa erhalten bleiben. Worauf ich hinaus will: Sollte im November Trump zum US-Präsident gewählt werden, stehen diese Grundbedingungen auf der Kippe.“
Jein. Ob die nukleare Abschreckung der USA aufrechterhalten wird oder nicht, hängt nicht primär an der Person des US- Präsidenten, sondern an den Interessen der USA. Die USA haben von GB das Grundinteresse übernommen, dass es kein einheitliches Kontinentaleuropa geben darf, dass wirtschaftlich und damit zwangsläufig auch militärisch auf Augenhöhe mit den USA agieren kann. Dabei ist es vollkommen egal, ob dieses Kontinentaleuropa unter der Führung Frankreichs, Deutschlands, der Sowjetunion/Russland oder den Vereinigten Staaten von Europa stehen würde.
Wenn die Gefahr eines einheitlichen Kontinentaleuropas droht, werden die USA mit aller ihr zur Verfügung stehenden Macht, wenn nötig auch Kernwaffen, dagegen ankämpfen. Solange diese Gefahr nicht besteht – und sie besteht derzeit in keiner Weise – kann man als US- Präsident natürlich taktieren. Man konnte z.B. gegen eine Gegenleistung Osteuropa der Sowjetunion überlassen oder kann den Krieg um die Ukraine etwas anheizen aber immer darauf achten, nicht zu sehr involviert zu werden. Solche Deals sind auch in der Zukunft nicht ausgeschlossen, ganz unabhängig davon, wie der US- Präsident heißt.
Russland wird unter dem nächsten US-Präsidenten (noch) gar nicht (wieder) in der Lage sein die Balten anzugreifen und selbst wenn sie es könnten, würde der resultierende Konflikt die USA und damit Russland wieder einholen; früher oder später käme es zum Krieg, mit den genannten inakzeptablen Folgen.
Eine sehr gute, kompakte und umfassende Uebersicht. Vielen Dank and den Autor und den BlogHost, sowie auf diesem Weg auch an das gesamte Team von Sichjerheitshalber.
Hintergruende und Erklaerungen sind wichtiger denn je in 2024.
Nachtrag: Entschuldigung fuer die Typos: Soll natuerlich „… an den Autor…“ und „…Sicherheitshalber…“ heissen.
@ Ökonom, 22.01.2024 um 13:00 Uhr
Der Iran zählt seit 1979 zu den am stärksten sanktionierten Ländern der Welt. Und jetzt schauen uns wir mal an, wie sehr ökonomische/politische Sanktionen Teheran davon abgehalten haben, im Mittleren Osten nach Hegemonie zu streben und dies mit der sog. Achse des Widerstandes in seiner Nachbarschaft seit Jahren militärisch umzusetzen.
Die ökonomischen/politischen Sanktionen gegen den Iran sind seit Jahren ziemlich erfolglos. Zudem haben diese auch nicht verhindert, dass Moskau und Teheran seit 2022 gemeinsame Sache machen.
Also, in harter „Abschreckungswährung“ ggü. einem autoritären Regim, dem das nationale volkswirtschaftliche Wohl und eine möglichst gleichmäßige Wohlstandsverteilung in der eigenen Gesellschaft herzlich egal ist, sind ökonomische/politische Sanktionen gelinde gesagt sowas wie ein Brennnesseln-Arm.
Dem Autor sei erstmal für diesen klar und verständlich formulierten Text gedankt, Vieles bezogen auf die Außen und Sicherheitspolitik ist schließlich mit den Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Lassen wir das einfach mal so stehen.
Die Frage nach der Aufrechterhaltung und des Ausbaus der nuklearen Arsenale wird aber in Zukunft mMn eine zentrale Rolle bezogen auf den Aufbau einer neuartigen Sicherheitsstruktur einnehmen. Persönlich sieht man eher die Gefahr, dass sich immer mehr Länder auch innerhalb Europas solche Waffen zulegen könnten.
Frankreich als Beispiel ist ja deshalb nicht der Nato beigetreten, weil es die Kommandogewalt über seine Nuklearwaffen nicht in fremde Hände legen wollte. Schließlich garantiert der Unterhalt solcher Waffen die Souveränität eines Landes. Deshalb ist auch der Wunsch nach einer europäischen Armee mit massiven Stolpersteien gepflastert. Wem übergibt man die Kontrolle über z.b. die Neutronenbomben der Franzosen und würden die das im Ernstfall auch zulassen wollen?
Und wer kontrolliert die Leute, die den Finger auf den roten Knopf legen dürfen?
Die USA indes werden Europa nicht so schnell den Rücken kehren, außer es tritt der Fall ein, dass in Washington der Shutdown ausgerufen wird. Deutschland als Beispiel stellt das logistische Drehkreuz für die Amerikaner dar und sie unterhalten hier außerdem auch das größte Militärkrankenhaus außerhalb der Vereinigten Staaten wenn ich mich nicht irre.
Vieles scheint sich wirklich geändert zu haben, bezogen auf die Berichterstattung, man erinnere sich bitte nur an diese, die bis in die 90er und sogar 200er sehr viel militärkritischer ausgefallen ist, als heute oder auch auf die Tabus die bisher gegolten zu haben scheinen, wie die Lieferung von Waffen in Kriegsgebiete. Das bedeutet im Klartext aber auch das die Entwicklung in der Außen- und Sicherheitspolitik alle möglichen Richtungen nehmen könnte. Wir leben schließlich nicht mehr in den 80er Jahren….
@ aufreger „Die ökonomischen/politischen Sanktionen gegen den Iran sind seit Jahren ziemlich erfolglos“: Wenn Sie das im Iran sagen, springt man Ihnen mit dem nackten Hintern ins Gesicht. Die Sanktionen wirken und tun weh. Sie sind nur keine geladene Pistole, mit der man jemanden umlegen kann. Der mangelnde Zugang zu den zentralen Auslandsmärkten bringt Nachteile mit sich, die sich über die Jahre kummulieren und die Geduld der Bevölkerung strapazieren.
Schönes Beispiel aus Russland: Lada ist eingestandenermaßen gezwungen, aktuell Motoren auf dem technischen Stand von 2008/9 zu verbauen. Das stürzt kein Regime aber schafft Rückstand und Nachteile, die Dinger schlucken mehr Sprit als technisch nötig wäre. Das wirtschaftliche Gewicht solcher Fortschritts/Rückschrittseffekte kann man am leichtesten an der Diskussion um die US-Wachstumszahlen im ersten Hightech-Boom vor etwa 20 Jahren nachvollziehen. Damals wurden Rückgänge bei den nominalen VGR-Aggregaten und Verrechnung normaler Inflation im Handumdrehen zu realen Zuwächsen hochgerechnet – Dank der Verrechnung der Qualitätsfortschritte durch den damals besonders rasanten technischen Fortschritt. Nimmt man Lada als Beispiel für die gesamte russische Industrie (man denke nur daran, was es bedeutet, wenn die Maschinenbauer heute ab Werk veraltete Produktionsanlagen liefern, die dann bis zu 20 Jahre und mehr halten sollen . . .). Bei korrekter Erfassung müsste Moskau rote Zahlen melden.
Diese Belastungen sind momentan tragbar für die Regime, bedeuten aber sehr realen Stress. Denn es müssen mehr Ressourcen für den Repressionsapparat bereit gestellt werden, um die Unzufriedenen in Schach zu halten. Es ist doch kein Zufall, dass die alten Helden wie Prigoschin oder Strelkow (gerade zu vier Jahren Straflager verurteilt) zu Feinden des Regimes wurden während gleichzeitig die Nachrichten über unzureichende Ersatzprodukte (s.o.), Versorgungsmängel (Eierkrise im Sowjetstil) und abgezehrte Infrastruktur („Heizungskrise“) die Runde machen. Putins Hemd wird langsam zu kurz für seinen Hintern. „too many pigs for the tits“ soll sich Lincoln einmal während des amerikanischen Bürgerkriegs beklagt haben.
@ Zivi a.D.
Sanktionen wirken!
Im letzten November gab es in der UN GA eine Abstimmung über die Aufhebung der Sanktionen gegen Cuba:
https://news.un.org/en/story/2023/11/1143112
Dagegen waren die USA und Israel. Enhalten hat sich die Ukraine. (So macht man sich Freunde!)
Der Rest der Welt war für die Aufhebung.
Die Sanktionen bestehen seit sechzig Jahren!
Ich finde ja auch, dass Frank Sauer den militärischen Aspekt zu sehr und die Bedeutung von Politik und Diplomatie zu wenig betont. Aber mit seinem Ausblick auf die, sich immer stärker abzeichnende, zweite Amtszeit von Donald Trump, hat er recht.
Zulange haben sich Regierungen in Deutschland hinter dem Rockzipfel der USA versteckt. Zulange war man der Überzeugung, keine wirklich funktionierenden Streitkräfte zu brauchen. Konsequenterweise hat man sich den Luxus gegönnt, den Wehretat, der nie zu niedrig war, den Lobbyisten als überlassen. Man hat völlig überteuerte Waffensysteme angeschafft, die zwar gut aussehen mögen aber in der Praxis nicht zu gebrauchen sind.
Das ist, hoffentlich, Geschichte. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns, dass praktisch alle bisherigen Annahmen darüber, wie eine militärische Konfrontation der NATO mit Russland aussehen kännte, dringend überarbeitet gehören.
Die alte Vorstellung von einer Lawine mit tausenden von Panzern die praktisch unaufhaltsam durch das Fulda Gap bis nach Frankreich durchrollen und davon, dass dieser Krieg spätestens nach 1-2 Wochen nuklear werden würde, war eigentlich schon nach dem Zerfall der Sowjetunion obsolet.
Vielleicht haben die russische Regierung und der russische Generalstab diese Vorstellung von der unaufhaltsamen Lawine sogar selbst geglaubt. Bis Wartungsmängel und eine mangelhafte Logistik ihre Invasion in die Ukraine vorzeitig zu einem knischenden Halt brachten.
Der Denkansatz von Herrn Sauer, einem Gegner möglichst erst gar kein Territorium zu überlassen, das man hinterher mühsehlig befreien müsste, ist richtig. Herr Sauer beschreibt auch die vorhandenen Ängste der Polen und Balten vor einem russischen Angriff korrekt, aber er drückt sich vor der Frage, wie wahrscheinlich ein solcher Angriff ist.
So real diese Ängste selbst sind, sie beruhen aktuell weitgehend auf Einbildung. Putin mag den Krieg in der Ukraine mit einer völlig falschen Vorstellung vom Verteidigungswillen der Ukrainer und einer völligen Selbstüberschätzung der eigenen Streitkräfte begonnen haben, aber er dürfte inzwischen in beiden Fällen eine realistischere Vorstellung entwickelt haben.
Die russischen Streitkräfte werden die baltischen Staaten und Polen nicht angreifen. Sie werden es nicht nur deshalb nicht tun, weil die nukleare Abschreckung funktioniert, sondern sie werden es nicht tun, weil sie es nicht können. Die Erkenntnis, das die eigenen Streitkräfte unfähig sind, einen quasi Dritte-Welt-Staat wie die Ukraine, schnell und effizient zu schlagen, stellt vermutlich die effektivste Abreckung gegen einen Angriff auf NATO Gebiet dar. Die Ukraine wird man schlagen können. Die NATO zu schlagen übersteigt die Möglichkeiten der russischen Armee bei weitem.
Auch in dem Fall, dass sich die USA zurückziehen.
Zitat:“Man macht konventionelle Abschreckung, um möglichst gar nicht erst in eine Situation zu geraten, in der man sich verteidigen muss.“
Konventionelle Abschreckung bekommt eine größere Bedeutung natürlich dann, wenn eine zunehmend isolationistische USA sich tatsächlich aus Europa verabschieden.
Konventionelle Abschreckung muss aber glaubwürdig sein und da liegt es bei unserer Bundeswehr im Argen. Herr Sauer hat recht, wenn er feststellt: „Das ist k***e, weil das Geld an vielen anderen Stellen benötigt wird.“
Um so wichtiger ist es, das Geld, das wir für Verteidigung ausgeben können, auch effizient auszugeben. Wir müssen dabei konsequent die erkannten Fähigkeitslücken schließen. Vor allem jene Fähigkeitslücken, bei deren Überbrückung wir uns bislang auf die USA verlassen haben.
Eine Brigade nach Litauen zu schicken ist nicht mehr als ein politisches Symbol, wenn diese Brigade dann nicht auch materiell und von der Logistik her einsatzfähig gemacht wird und auch versorgt werden kann.
Zum Glück haben wir Zeit, dieses Ziel zu erreichen. Ein durch den Ukrainekrieg geschwächtes Russland wird auf lange Zeit keine Bedrohung darstellen. Wenn wir es nun richtig anstellen, dann werden wir „gar nicht erst in eine Situation zu geraten, in der man sich verteidigen muss.“
Was Dominik anspricht, der politische Rechtsruck bei uns und in den anderen Staaten der EU, der bereitet mir auch Sorgen. Aber hier lediglich Russland die Schuld zu geben ist zu billig. Dieser politische Radikalismus ist hausgemacht, die genannten Politiker haben in unserem System Karriere gemacht. Die Verschwendung von Steuermitteln ist mit eine Ursache für die Verdrossenheit, die den rechten Parteien den Zulauf beschert.
Auch dieses Mantra-artige Wiederholen in den Medien, mit denen für alle wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in Deutschland, die Russen und der Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht wird, ist unglaubwürdig.
Natürlich nutzen unsere Gegner den Vertrauensverlust in die etablierten Parteien aus.
Nun zur „Eindämmung“. Zitat:“Der Begriff ist trotzdem hilfreich, weil unter ihn Abschreckung und Verteidigung fallen, er aber noch weiter reicht.“
Genau. Unter diesen Begriff fallen auch Versuche, eine ungeliebte andere Regierung international diplomatisch zu isolieren. Entsprechende Versuche des Westens waren Anfangs durchaus erfolgreich haben sich aber über die Jahre abgenutzt. Gleiches gilt für „Wirtschaftssanktionen“ und die Embargo-Politik. Diese bieten natürlich für die sie verhängenden Staaten auch die bequeme Nebenwirkung, das man so unliebsame Konkurrenz auf dem Weltmarkt behindern kann. Auch diese Methoden waren anfangs erfolgreich und haben sich mit der Zeit abgenutzt. Natürlich kann man ein armes Land wie Cuba auf diese Art erpressen aber schon im Fall des Iran funktioniert das nicht mehr so gut und im Falle Russlands sind die Bemühungen komplett gefloppt. „Eingedämmt“ wurde gerade im Falle Russlands lediglich die Leistungsfähigkeit unserer eigenen Wirtschaft.
Aktuell bestehen Sanktionen der UN, der EU und der USA gegenüber 40 Staaten. Gegenüber dieser als Gängelei empfundenen Praxis formiert sich immer mehr Widerstand. Vor allem deshalb, weil in einer regelbasierten Weltordnung einzig die UN berechtigt sind, Sanktionen gegen einzelne Staaten zu verhängen.
Ich denke, dass wir in einer globalisierten und zunehmend multipolaren Welt mit „Eindämmungsbemühungen“ gegenüber anderen Staaten nicht weiter kommen. Natürlich müssen wir uns gegen Versuche der Einflussnahme von ausserhalb in die Politik unseres Landes wehren. Aber das war eigentlich schon immer so.
@ Schlammstapfer
Zustimmung!