Wissenschaftliche Berater des Wirtschaftsministeriums fordern weniger Parlaments-Mitsprache bei der Rüstung
In ungewöhnlich deutlicher Form haben Wissenschaftler, die das Bundeswirtschaftsministerium beraten, die Beteiligung des Bundestages an Beschaffungsvorhaben der Streitkräfte kritisiert. Die Billigung einzelner Projekte der Bundeswehr durch den Haushaltausschuss des Parlaments führe zu einem Mikromanagement von Regierung und Verwaltung und sei keine legitime Aufgabe der Legislative, schrieb der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz in einem Gutachten.
In dem am (heutigen) Dienstag veröffentlichten Gutachten befassen sich die Wirtschaftswissenschaftler, deren Position nicht die Haltung des grün geführten Ministeriums wiedergeben muss, mit der Frage Bundeswehr besser ausrüsten – aber wie? Neben konkreten Vorschlägen für eine Beschleunigung des Vergabeverfahrens widmet sich der Beirat vor allem der, wie er es nennt, Parlamentsschleife, der Regelung, dass jede Beschaffung von mehr als 25 Millionen Euro einzeln vom Haushaltsausschuss genehmigt werden muss:
Zur gewollten Entscheidungsgewalt der Regierung gehört insbesondere die Befugnis, Geld auszugeben. Das Parlament hat auch nicht die sachliche Kompetenz, um einzelne Beschaffungsvorgänge im Detail zu beurteilen. Es wäre nicht sinnvoll, dass das Parlament diese Kompetenz aufbaut. Das Parlament bewilligt das Budget und legt damit einen Rahmen fest, in dem die Exekutive autonom handeln kann. Das Mikromanagement von Regierung und Verwaltung ist keine legitime Aufgabe der Legislative. Genau solches Mikromanagement ist mit der Parlamentsschleife aber beabsichtigt. Dafür gibt es keinen überzeugenden Grund.
Besonders kritisch sehen die Wissenschaftler die Möglichkeit einzelner Abgeordneter, durch das Abstimmungsverhalten im Ausschuss oder mit so genannten Maßgabebeschlüssen Einfluss auf Beschaffungsentscheidungen der Bundeswehr zu nehmen:
Die Parlamentsschleife lädt zu Nachverhandlungen ein. Einzelne Mitglieder des Ausschusses können ihre Zustimmung von Bedingungen abhängig machen, die im Interesse ihres Wahlkreises liegen oder ihren politischen Präferenzen entsprechen. Verhandlungstheoretisch sind solche Nachverhandlungen zu erwarten. Die Parlamentsschleife gibt dem Haushaltsausschuss Drohpotenzial. Das Potenzial ist in der gegenwärtigen verteidigungspolitischen Situation besonders hoch. Die mit einer erneuten Ausschreibung verbundene Verzögerung kann sich die Bundeswehr oft nicht leisten. Dann muss die Bundesregierung wohl oder übel auf die Wünsche des Haushaltsausschusses eingehen.
Die 25-Millionen-Regel war seit Jahren geübte Praxis und wurde trotz der Kritik, die an diesem Instrument aufkam, von den Parlamentariern aller Fraktionen in allen politischen Regierungskonstellationen vehement verteidigt. Mit dem Beschluss über das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr wurde dieses Verfahren dann im vergangenen Jahr gesetzlich festgeschrieben. Der Beirat sprach sich in dem Gutachten dafür aus, die Bestimmung aufzuheben: Der Bundestag sollte seinen Einfluss darauf beschränken, im Vorhinein Zwecke zu umreißen, für die er die Bundesregierung zu Ausgaben ermächtigt.
Die Wirtschaftswissenschaftler regten zudem an, einzelne Bestimmungen des Vergaberechts für Rüstungsgüter anders zu fassen, um der Bundeswehr eine schnellere Beschaffung zu ermöglichen. So sollte das Verfahren, mit dem ein nicht berücksichtigtes Unternehmen gegen eine Beschaffungsentscheidung vorgehen kann, um eine Instanz gekürzt werden: Derzeit ist nach der Rüge beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) eine Beschwerde beim Bundeskartellamt und als letzte Instanz der Gang zum Oberlandesgericht Düsseldorf vorgesehen. Die einfachste Lösung wäre eine Verkürzung des Instanzenzugs, heißt es in dem Gutachten. Diese Lösung würde sich im verfassungsrechtlichen Rahmen halten.
Eine grundsätzliche Neuorientierung fordern die Wirtschaftswissenschaftler angesichts der sicherheitspolitischen Lage auch für die Forschung für militärische Zwecke – und bei diesem Punkt dürfte heftiger öffentlicher Streit absehbar sein:
Die restriktive Haltung gegenüber Forschung, deren Ergebnisse auch militärisch nutzbar sein könnten, sollte überdacht werden. Anträge auf staatlich finanzierte Forschungsförderung sollten nicht allein mit dem Argument abgelehnt werden, dass die Ergebnisse der Forschung auch militärisch genutzt werden könnten. Die Zivilklauseln in den Regelwerken vieler Universitäten und Forschungseinrichtungen sollten aufgehoben werden.
Das ganze Gutachten gibt es hier; die Pressemitteilung dazu hier. (Und beides auch als Sicherungskopie:
BMWK_WissBeirat_Bundeswehr_Pressemitteilung WissBeirat_BMWK_Bundeswehr-besser-ausruesten)
Nachtrag: Der für den Verteidigungshaushalt zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Andreas Schwarz, reagierte auf Twitter sehr schnell auf die Vorschläge:
Nachtrag 2: Auch aus der Opposition kam umgehend Kritik. Der CDU-Haushälter Ingo Gaedechens beklagte, der Beirat sei nur am Rande auf das nötige Mindset in Beschaffungsamt und Bundeswehr eingegangen, bei dem bislang ein juristisch einwandfreies Verfahren mehr Bedeutung habe als eine schnelle, effiziente Ausrüstung. Seine Hauptkritik richtete sich aber gegen die Forderung nach weniger Parlamentsbeteiligung:
Das Wort „Parlamentsschleife“ ist mir unbekannt und scheint eine Neuschöpfung des Beirats zu sein. Das zeigt aber zugleich das Problem: Der Beirat äußert sich im Kapitel zur Parlamentsbeteiligung über ein Verfahren, zu dem offenbar nur aus Anekdoten und Erzählungen Erkenntnisse vorliegen. Die 25 Mio. Euro-Vorlage in der Realität und die vom Beirat geschilderte „Parlamentsschleife“ haben leider in vielen Punkten nichts miteinander zu tun. Insofern helfen die Anmerkungen aus meiner Sicht nicht weiter. Allein das Argument, dass die 25 Mio. Euro-Vorlage zu Nachverhandlungen einladen würde, ist unzutreffend. Das Parlament erhält einen endverhandelten Vertrag und kann dann nur zustimmen oder ablehnen.
Die 25 Mio. Euro-Vorlage ist seit Jahrzehnten etabliert und ein wichtiges Mittel der parlamentarischen Kontrolle. (…) Wenn also nicht einmal die Bundesregierung der Auffassung ist, dass eine Änderung bei einer 25 Mio. Euro-Vorlage die Beschaffungsverfahren beschleunigen kann, sehe ich hier aktuell auch keinen Ansatzpunkt.
(Foto: Das ‚Einsatzsystem Luftlandeplattform‘, der Caracal von Rheinmetall, dessen Beschaffung im Juli durch den Haushaltsausschuss gebilligt wurde)
Hört sich nach Auftragstaktik bei der Rüstung an. Die Argumente werden sehr präzise und verständlich vorgetragen. Nach dieser Darlegung wird der Sinn- und Zweck der vermeintlich besseren Kontrolle durch das 25 Mio-Limit u.a. konterkariert, indem Partikularinteressen (mehr oder weniger verdeckte Wirtschaftsförderung) durchgesetzt werden. Entsprechende Fälle aus der Vergangenheit dürften nicht allzu schwer zu finden sein, das wurde ja auch hier schon mehr als einmal diskutiert.
Insofern hoffe ich, dass es zu einer ehrlichen Neubewertung des Sachverhaltes kommt. Ansonsten müsste evtl. noch deutlicher aufgearbeitet werden, was in der Vergangenheit alles schief lief. Ob das auch die noch überzeugten Verfechter der Vorlage wollen würden …?
Die 25-Millionen-Regel war leider schon seit ihrer Einführung vor allem ein Misstrauensvotum des Parlamentes gegen die Truppe. Nicht einmal eine einzige Inflationsanpassung hat es seit ihrer Einführung gegeben, unter deren Berücksichtigung müsste diese Grenze heute bereits eigentlich bei 61 Millionen liegen.
Aber lieber lässt das Parlament seine Privilegien unangetastet und gängelt die Truppe weiter mit einer jetzt auch nachgewiesen unwirksamen und aus compliance-Sicht sogar bedenklichen Regelung. Es braucht nicht nur eine gedankliche Zeitenwende in Truppe und Ministerium sondern auch im Parlament.
Schön, das es offiziell bestätigt wird, was hier im Forum schon seit Jahren gefordert wird. Wobei, mit Mikromanagement kennt die Bw sich ja aus, sie ist ja auch im BMVg gelebte Praxis.
Das Herr Schwarz als MdB das anders sieht, war doch klar. Wer lässt sich schon gerne Macht und Einfluß wegnehmen? Allerdings haben wir es schon oft genug erlebt, wie im Rahmen von Beschaffungsvorhaben ökonomische Wahlkreisinteressen durchgedrückt wurden.
Der Hinweis auf die fehlende Fachexpertise hat mir ein leichtes Schmunzeln entlockt. Schließlich muss man die als Bundestagsabgeordneter nicht haben. Nach dem Gesetz reicht es, volljährig zu sein und die deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen, um gewählt werden zu können. Weitere Qualifikationen sind nicht nötig.
Das Gutachten wurde in seiner Deutlichkeit auch allerhöchste Zeit, wenn man den Beschaffungsvorgang der Bw nachhaltig reformieren möchte, jenseits von kosmetischen Tupfen.
Wäre hier nicht evtl. sogar eine genauere verfassungsrechtliche Prüfung wünschenswert? Immerhin heißt es dass ein Vertreter der Legislative (Parlamentarier) womöglich das 25. Mio. – Instrument nutzt um auf Verantwortungsbereiche der Exekutive (Regierung/Ministerium) einen direkten Einfluss zu nehmen statt nur eine Kontrollfunktion wahrzunehmen?
Hätte man die Soldaten gefragt, wäre wahrscheinlich dasselbe rausgekommen. Warum muss ein fremdes Gremium der Bundeswehr sagen, wie sie ihren Einkauf organisiert? Das sollte sie doch eigentlich selber wissen und entsprechend handeln?
Die Gründe des schleppenden Einkaufs und die verheerenden Folgen sind seit Jahren bekannt. Ungeeignete oder nicht mehr geeignete Prozesse werden im wesentlichen weiter genutzt. Geld, Menschen und Zeit werden nicht ergebnisorientiert und effizient eingesetzt. Verantwortung für notwendige Änderungen scheint niemand so recht zu übernehmen. Die Motivation der Soldaten leidet. Der Ausrüstungsstand ist unzureichend.
Jedenfalls gibt es viel zu tun. Hoffentlich packt es jemand an. Wie man ein Exekutivorgan derart stranguliert, ist mir als Jurist vollkommen unverständlich. Als ob man sich absichtlich selber ein Bein stellt. Da darf sich niemand wundern, wenn die Beschaffung banaler Dinge jahrelang dauert. Verantwortung übernehmen; prüfen, was nutzt; entscheiden und dann Prozesse anpassen und beschaffen. Die Soldaten werden es danken.
eine gewisse Steuermöglichkeit des Parlaments macht ja schon Sinn…
aber die der 25 Mio Vorlagen ist hier nicht das beste Instrument.
abgesehen von der allgemeinen Fragestellung der Sinnhaftigkeit sollte zumindest zeitnahe die Höhe auf 100 Mio angehoben werden…
das wäre zeitgemäßer und würde dazu führen, dass viele kleine Vorlagen nicht mehr behandelt werden müssen… und bei 80% der Beschaffungen somit zu einer Beschleunigung führen…
Andreas Schwarz
„[…] die Parlamentsschleife ist wichtig für die parlamentarische Kontrolle“
Ihm ist zumindest der Begriff „Parlamentsschleife bekannt. Aber was ich gerne wüßte: Wie „kontrollieren“ Parlamentarier denn die Beschaffungen? Dazu wäre finanzielles. wirtschaftliches, technisches und militärisches Wissen nötig. Die Ministerien haben ja ihre Fachleute, aber die Parlamentarier… manchmal wohl eher nur den Wunsch, mitzureden.
Gaedechens:
„Das Wort „Parlamentsschleife“ ist mir unbekannt und scheint eine Neuschöpfung des Beirats zu sein. Das zeigt aber zugleich das Problem: Der Beirat äußert sich im Kapitel zur Parlamentsbeteiligung über ein Verfahren, zu dem offenbar nur aus Anekdoten und Erzählungen Erkenntnisse vorliegen.“
Zitat aus „eurotransport.de“ vom 07.11.2016
„In Deutschland steckt der Klimaschutzplan von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) derweil noch in der Parlamentsschleife fest, nach Einsprüchen aus der CDU wird er frühestens im Dezember verabschiedet.“
Das zeigt aber zugleich das Problem: Herr Gaedechens (und vmtl. andere) haben eigentlich keine Ahnung und „äußert sich im […] über ein Verfahren, zu dem offenbar nur aus Anekdoten und Erzählungen Erkenntnisse vorliegen. „
Alles hatte ja einstmals seinen Grund und eine Berechtigung. Die 25 Millionenvorlage, war ja geboren aus der Angst die junge Bundeswehr könne genauso wie die Reichswehr Schwarzekassen unterhalten und illegale Rüstungsprojekte finanzieren.
Ob das kurz vorm 70 Geburtstag der Bundeswehr noch eine begründete Angst ist glauben wahrscheinlich nichteinmal die Mitglieder des Verteidigungsausschusses selbst. Ja es geht um Macht und Einfluss. Das ist aber der uralte Konflikt zwischen Regierung und Parlament, die einen wollen am liebsten eine Versammlung wie in China die nur einmal im Jahr tagt, den Haushalt abnimmt und sich dann nicht mehr einmischt.
Die andere Seite will am liebsten über jede Büroklammer die vom Staat gekauft wird Mitsprache Recht haben.
Vielleicht ist es angebracht das Verfahren abzuändern… Projekte werden dann einmalig Bewilligt. Das Minesterium muss schauen wie es das im Haushalt abbilden kann und das Parlament wird regelmäßig unterrichtet wie es läuft. Läuft es nach Meinung des Parlaments falsch… kann es sich damit genauer befassen und wenn es Mehrheiten gibt halt auch die Notbremse ziehen.
Seit 30 Jahren vertrete ich diese Position. Endlich wurde ich einmal belauscht.
Sachlich und fachlich ist dem Gutachten eigentlich überhaupt nichts hinzuzufügen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es irgend einen Effekt hat, ist aber beliebig gering. Aber, wie Pio-Fritz schon ausgeführt hat, wer lässt sich schon gern Macht und Einfluss wegnehmen.
Man sollte das Gutachten in großer Anzahl drucken. Und immer wenn ein Abgeordneter etwas über mangelhafte Beschaffungsprozesse in der Bundeswehr äußert, sollte man ihm unkommentiert ein Exemplar in die Hand drücken. So lange bis der Prozess geändert wurde.
@Küstengang01 sagt: 25.07.2023 um 15:00 Uhr
Was der Verteidigungsausschuss meint, ist hierbei unerheblich. Die 25-Millionen-Vorlagen gehen in den Haushaltsaussschuss. Das ist noch Bw-ferner aufgehängt, es geht ja um Geld.
https://www.bmvg.de/de/beschaffung-25-millionen-euro-vorlagen
@Obibiber sagt: 25.07.2023 um 14:46 Uhr
„eine gewisse Steuermöglichkeit des Parlaments macht ja schon Sinn…“
Warum? Kein anderes Ressort hat diese Auflage. Nur weil das vor 70 Jahren (vielleicht?) mal sinnvoll war? Es schützt die Bw auf jeden Fall nicht vor Fehlanschaffungen (z.B. SPz Hotchkiss oder Starfighter, wenn wir das geschichtlich betrachten), denn im entscheidenden Haushaltsausschuss ist nun gar keine militärische Expertise vorhanden. Und die militärtechnische Expertise im Verteidigungsausschuss dürfte auch überschaubar sein.
Ich hatte im Jahr 2022 eine Petition an den Deutschen Bundestag gerichtet, dass die Grenze von 25 Millionen auf 50 Millionen angehoben werden sollte, um den Realitäten besser begegnen zu können (Beschleunigung, höhere Preise, Inflation, etc.).
Ergebnis und Siegerehrung:
Der Deutsche Bundestag sieht keine Notwendigkeit, hier tätig zu werden.
Die Verzögerung ist von höchster Stelle gewollt. Also, zurücklehnen und Show genießen.
Die Beschleunigung der Beschaffung ist dringend geboten, das ist in der Bundeswehr zumindest Konsens. Aber wie umsetzen? Die Forderung des Bundeskanzlers am 22. August 22 bei der Rede in PRAG: „Schließlich müssen wir unsere politischen Entscheidungsprozesse gerade in Krisenzeiten beweglicher machen.“
Echt jetzt?
Der Kanzler der „Zeitenwende“ kann auf eine makellose Erfolgsbilanz zurückblicken, zumindest hat er mit Worten die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr wiederhergestellt. Leider erweisen sich auch seine Mitstreiter im Parlament als Hemmschuh, um diesen Worten Taten folgen zu lassen. Allen voran scheint es mir völlig an Verständnis für militärische Notwendigkeiten und Zusammenhänge zu mangeln. Die Kontrolle des Parlaments beschränkt sich aber scheinbar nur auf die Bundeswehr, mir ist aus keinem anderen Ressort bekannt, dass man sich Projekte über 25 Mio billigen lassen muss. Man möge mich eines Besseren belehren. Unerträglich ist jedoch, das ständige politische Eingreifen in Planungsprozesse, die ohne wirkliche Not nicht nur Aufwand und Umsetzung behindern, sondern es auch einzelnen Abgeordneten ermöglichen, aus „Wahlkreisdenken“ wichtige Projekte zu verzögern, um nicht das böse Wort „sabotieren“ zu verwenden. Ich erinnere an die unsägliche, 10-jährige Diskussion über „Kampfdrohnen“ für den Einsatz in Afghanistan und den dann noch artikulierten „Diskussionsbedarf“ eines einzelnen Vertreters der Kanzlerpartei… Die militärische Entwicklung überholt die Parlamentsdebatten und damit den Beschaffungsprozess regelmäßig. Dazu passt der vorsintflutliche Prozess Infrastruktur, der es noch nie geschafft hat, rechtzeitig für neue Strukturen und Gerät die benötigte Infrastruktur bereitzustellen. Einen zivilen Generalunternehmer statt der föderalen Bauverwaltung für die Ausführung einzusetzen, ist meines Wissens nach jedoch nur beim Umzug der Pionierschule MÜNCHEN nach INGOSTADT in 2 Jahren (!) unter Einhaltung des Zeit- und Kostenrahmens erfolgt. Und dafür hat die bayrische Staatsregierung gesorgt….
Fazit: Es gibt viele, sehr viele Stellschrauben, an denen man als Parlamentarier drehen könnte, wenn es denn einen politischen Willen dazu gäbe. Macht man aber nicht.
Warum?
Die Bundeswehr ist seit ihrer Gründung eine “Parlamentsarmee”. Die militärischen Aktivitäten werden regelmäßig vom Bundestag durch den Verteidigungsausschuss überwacht, der übrigens auch als Untersuchungsausschuss eingerichtet werden kann. Im Bereich der Rüstungsbeschaffung muss der Verteidigungsausschuss (wie auch der Haushaltsausschuss) manchem großen Auftrag zustimmen, Im Grundgesetz ist die Budgethoheit des Parlaments und damit die Kontrolle über die Streitkräfte verankert völlig zurecht verankert.
Die Liste an Pannen bei der Bundeswehr ist leider lang: blamable Ausfälle; Verschwendung, Fehlplanung uvm. Miese interne Prozesse oder schlichtweg fahrlässige Schlamperei? Klar ist das nicht. Zu teuer und zu spät, Bundeswehr in Summe nicht verteidigungsbereit – nun ist das Parlament Schuld?
So schlampig, so verschwenderisch, so planlos, wie auch das BMVg über Jahre gearbeitet hat – da ist Palamentarische Kontrolle angebracht. Sicher, schneller besser, über die Ausgestaltung der Kontrolle kann man diskutieren.
Aber wehe, das BMVg ist losgelassen!
Das Ergebnis sehen wir, mangelnde Kontrolle, Desinteresse des Parlaments und schlechte Arbeit des BMVg führt zu einer Bundeswehr, schlecht gerüstet und wie im Blog schon beschrieben, nicht einsatz- und verteidigungsbereit.
Das Parlament hat Anspruch und Pflicht auf Aufklärung und Kontrolle! Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und deswegen sollte der Deutsche Bundestag ja auch erwarten und fordern, insbesondere des Verteidigungsausschusses und des HH Auschusses, dass eine lückenlose Aufklärung von Seiten der Bundesregierung über Versäumnisse zur Herstellung der Verdeidigungsberietschaft erfolgt.
Kontrolle verbessern, gern auch optimieren, straffen – aber Kontrolle nicht streichen, nicht kürzen.
Gaedechens:
„Die 25 Mio. Euro-Vorlage ist seit Jahrzehnten etabliert und ein wichtiges Mittel der parlamentarischen Kontrolle. (…)“
Das klingt sehr nach „haben wir immer so gemacht“, was gerade in gegenwärtiger sicherheitspolitischer Lage deutlich altbacken daherkommt.
Der wissenschaftliche Beirat des BMWi verfasste keinen Schriftsatz zur Befüllung des Sommerlochs. Insbesondere seitens der Union erwarte ich nach 16 Jahren in der BMVg-Verantwortung förderliche Einlassungen zur Vereinfachung von Beschaffungen.
Niemand will den BT ausklammern, der juristische Weg bleibt erhalten, der Bw wird kein „FüGG 8/J8 Finanzen“ kontrollfrei überantwortet.
Wer hätte ggf die Befugnis der Neuregelung, sicher das Parlament allein?
na ja, bin auch kein Fan der 25-Mio-Regelung – aber ehrlicherweise halte ich diese nicht für das Haupthindernis einer kosten- und zeiteffizienten Beschaffung. Ich kann jetzt nicht erkennen, dass „Höhepunkte“ der letztjährigen Beschaffungen, wie Nachfolge Gewehr G36, Marine-Tanker zum Flugzeugträgerpreis (da hat der Haushaltsausschuß ja eher versucht, das Schlimmste zu verhindern), Hin und Her beim STH und Tornado-Nachfolge vom Prozedere um die 25-Mio-Vorlagen verursacht wurden…
@Pio-Fritz sagt:
25.07.2023 um 15:32 Uhr
Ich weiß sehr wohl das es im Haushaltsausschuss entschieden wird. Wie alles was mit Haushaltsmitteln zu tun hat.
Den Verteidigungsausschuss hatte ich in meinem Gedankenbild genannt, da dort die Parlamentarische Fachexpertise zur Bundeswehr versammelt ist und ich doch wirklich der festen Überzeugung bin, dass dort keiner Angst vor einer „Schwarzen Reichswehr 2.0“ hat.
Aber danke für die Schulmeister Stunde, zukünftig spreche ich dann einfach vom Parlament generell.
@all
Wer jetzt andere parlamentarische Vorgänge/Beratungen außerhalb des Verteidigungsbereichs als scheinbaren Beleg heranziehen will, dass doch alles ganz anders ist, und Äpfel mit Bratkartoffeln mischt, möge noch mal in sich gehen. Hier findet das nicht statt.
Während die „Parlamentsschleife“ und ihrer Berechtigung für größeres Aufsehen sorgt, sehe ich den größeren Konflikt bei der Beurteilung der Zivilklausel. Die Umsetzung wäre höchst zweifelhaft, müsste doch das BMBF (auf Wunsch eines Gremiums des BMWK) die Länder dazu motivieren an deren Hochschulen und Universitäten etwas umzusetzen. Eingriffe des Bundes in die Bildungshoheit der Länder kamen in der Vergangenheit selten an.
Und auch innerhalb der Universitäten und Hochschulen werden Zivilklauseln nicht unbedingt als an Nachteil angesehen, auch wenn man hier Forschungs- und Projektgelder liegen lässt. Wobei die Lager sich hier häufig aufteilen in jene mit moralischem Hoheitsanspruch und jene die mit Dual-Use oder Rüstungsforschung Geld bekommen könnten…
Schlamperei und kaum Kontrollen. Harter Kampf gegen Ignoranz und Schlamperei erfordert nicht primär eine radikale Neuordnung der Zuständigkeit des Parlaments, sondern eher in Struktur, den Abläufen und “Prozessen” im BMVg und der Bundeswehr.
Von einem BMVg , der von der Bundeswehr die exakte Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und internen Anweisungen verlangt und die kleinste Verfehlung sofort sanktioniert, muss man erwarten können, dass es sich selbst ebenso vorbildlich verhält. Oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Parlamentarische Kontrolle, auch und gerade des BMVg, gehört zur Demokratie, weil Kontrolle das Vertrauen der Bürger in die öffentlichen Hände stärkt. Wir reden ja schon fast gelangweilt von Mrd (!) Euro. Da lohnt sich ein genauer Blick. Ganz ehrlich, auch bei manchen 25 Mio Vorlagen….
@Petra (med02) om sagt: 25.07.2023 um 16:19 Uhr
„So schlampig, so verschwenderisch, so planlos, wie auch das BMVg über Jahre gearbeitet hat – da ist Palamentarische Kontrolle angebracht.“
Da bin ich im Kern der Aussage bei Ihnen. Allerdings, meinen Sie, das wäre nur im BMVg so?
Ich bin der festen Überzeugung, daß ähnliche Vorfälle in allen anderen Ressorts auch zu finden sind. Prominentes Beispiel die gescheiterte PKw-Maut unter Andi Scheuer, die jetzt zur Entschädigungszahlung an die geplanten Betreiber geführt hat.
Da kräht kein Hahn nach, aber die neue Winterunterwäsche der Bw, die muss zwingend durch den Verteidigungs- und Haushaltsausschuss. Ich überspitze das jetzt mal bewusst. Und beide Ausschüsse haben die Bw nicht vor Verschwendung und Fehlausgaben bewahrt. Wozu also dieser Zirkus?
Unsere Politik und die ausführende Verwaltung konnte noch nie sparsam und effizient mit Geld umgehen.
Es ist schon interessant, dass ausgerechnet die Politiker, die jüngst am meisten Partikularinteressen der Industrie vertreten haben, nun am lautesten „schreien“ (Hier möge man einfach die jüngsten Maßgabebeschlüße des HH Ausschuss studieren). Ich kann dem Gutachten nur Recht geben und wehre mich auch dagegen, dass der Verwaltungsapparat oder das BMVg „unfähig“ ist: Hier muss man sich täglich an endlose Massgaben, endlosen sich widersprechende Regelungen und Gesetzen und an einer „toxischen“ Kultur seitens BRH und Parlament abarbeiten. Es gibt natürlich immer „schwarze Schafe“ im Personalkörper, aber pauschal, alle als unfähig zu verdammen ist einfach schlicht falsch und unsachlich.
Meine Frage (als juristischer Laie) nun: Kann man gegen die Praxis des Parlaments vorgehen? Also z.B. durch eine Klage beim Verfassungsgericht ? Man darf ja auch hier nicht den Frosch fragen, der im Teich sitzt, den man trocken legen will, sondern sollte vielleicht von extern Maßnahmen ergreifen. Alternativ bleibt sonst nur die Berücksichtigung beim Urnengang (bei einem Thema, dass wohl nicht maßgeblich Wahlen beeinflusst),
Der Billigungsvorbehalt des Parlaments bei Rüstungsbeschaffungen dient m.E. in erster Linie der Begünstigung von in den Wahlkreisen einflussreicher Abgeordneter der Regierungsparteien ansässigen Unternehmen sowie der Wirtschaftsförderung in DEU insgesamt. Das ist nicht verwerflich, da die Abgeordneten nicht alleine der Bundeswehr oder der Verteidigungspolitik verpflichtet sind, sondern alle Interessen und Politikfelder abwägen müssen. In den meisten Fällen führt dieser Einfluss jedoch zu Nachteilen für die Bundeswehr. Übel ist dabei auch, dass (hinter den Kulissen) politisch gegen das militärische Votum getroffene Beschaffungsentscheidungen, die offensichtlich für die Bundeswehr schädlich sind, dann auch noch der Bundeswehr bzw. dem Beschaffungsamt „in die Schuhe geschoben werden“. Ich glaube nicht, dass die Abgeordneten auf diese Lenkungsmöglichkeit von Haushaltsmitteln in die eigenen Wahlkreise verzichten werden.
Nicht das Parlament ist das Problem…
Der VA bekommt vorgelegt, diskutiert, macht Verbesserungs Vorschläge, entscheidet und empfiehlt dem Parlament eine Beschaffungs Vorlage.
Das ist in Jedem Ressort Ausschuss so und sollte in einer föderlalen Republik normales Prozedere sein
Einige radikale Korrekturen am System würde dieses Rüstungs Beschaffungs Verfahren aber stark beschleunigen und effektiver gestalten :
1)
Jeder größeren Waffengattung (Panzer Truppe, Infantrie, DSO/LUFT Landung, Flotillen, taktische Geschwader, Transport Geschwader, KSK, Sanitätsdienst) …. Sollte 1Mrd € pro Jahr zur sofortigen Beschaffung von beliebigen Ausrüstung und Waffen Waren (ohne 25 Mio Vorlage, ohne EU Wettbewerb (und ohne BAAINBW Zivil Bürokraten) zur Verfügung stehen, um Kriegs – oder Einsatz oder Ersatzteil etc sofort Bedarf direkt mit der Industrie abzuschließen…. Kontrolliert nur durch den BMVG (ihrem obersten Chef der exekutive) und sonst niemand.
Das, Parlament muss nicht 5 Jahre brauchen, um Kampf Gürtel, nässeschutz, Meerwasserentsalzungsanlagen, Zelte, Verbandskasten oder 155mm Munition etc zu bewilligen….
2)
Beschneidung der „Beamtenmacht“ im BAainbw.
Ersatz von Zivilistenposten dort durch „Front Soldaten“ , die am eigenen Leib erlebt haben und wissen, wovon sie reden und worüber sie entscheiden.
3)
Verbot des unkontrollierten rein und raus der „grauen Aktenkoffer Träger Männer der Deutschen“… „Die men in grey“ im BMVG. Die deutsche Rüstung Industrie hat kein „Natur gegebenes Recht“ auf Bevorzugung!
Die Truppe bekommt, was sie braucht…. und nicht das, was Wahlkreis Politiker im Verbund mit dortigen Industrie Konzernen glauben, ihnen aufoktroieren zu können.
(Der NH90 und der Tiger zum Beispiel wären von der Truppe damals 1990 dann zugunsten bewährter SH60 und AH64 Apache nicht genommen worden und wären heute zweifellos 100% .erfolgreicher im Dienst als der dann beschaffte Deutsch französische EU Krampf.
4)
Die „Ein-Anordnung“ lokaler Politgrössen durch oberste Bundes Politiker.
Diese lokalen Provinz Abgeordneten bevorzugen bewiesen untaugliches Material (was in ihrem Wahlkreis oder zb. mit arroganten Franzosen zusammen produziert wird) gegenüber überlegenen US/ ISR /UK. Etc. Materials auf dem Markt. (zum Teil begreifen die führenden Politiker das gerade)
5)
Einsetzen von „echten“ Kampf Soldaten als Insp. und GInsp. der BW anstelle von Front unerfahrenen Bürokraten Engsten… über die Narben gestählte dutzende Feldzug erfahrene US/UK/F Generäle nur müde lächeln können …
[Uff. Ihre Meinung ist Ihre Meinung, aber am Umgangston können Sie, wissen Sie ja selbst, noch arbeiten. Und dieses „nur Frontsoldaten sind richtige Männer!“ lassen wir hier mal. T.W.]
@ Pio-Fritz 25.07.2023 um 19:05 Uhr
Eine der Aufgaben des Parlaments ist die Kontrolle der Bundesregierung und deren Behörden, unser Parlament ist also ein Kontrollorgan mit sehr umfassenden, im GG verankerten Rechten.
Völlig egal ob Maut oder “Unterwäsche”.
Fakt ist, die Bundeswehr ist nicht einsatzbereit. Fakt ist eben auch, ein großer Teil des Investitionsbedarfes bei der Bundeswehr resultiert leider aus Missmanagement und Fehlplanung, nicht aus fehlendem Budget.
Zahlreiche Rüstungsprojekte sind unverändert gekennzeichnet von Missmanagement und Schlampereien. BMVg praktiziert allzu gern Verschleierungstaktik gegenüber dem Parlament, um die schlampige Planung im Hause zu verdecken.
Also Kontrolle ist notwendig. Im anderen Faden liest man aktuell über Munitionsschlamperei.
Das zeigt z.B. recht deutlich, Problem der Bundeswehr ist nicht nur Geld, sondern allzu oft unglaubliches. oft verdecktes Missmanagement und zeigt, dass viele Probleme der Bundeswehr hausgemacht sind.
Erhebliches Fehlverhalten der Führungsebene BMVg bei der Planung wird regelmäßig ausgeblendet.
An den ersten Kommentaren von Schwarz und Gaedechens erkennt man doch, dass der Fisch vom Kopf her stinkt. Wie soll den das Verteidigungsressort seinen Job effizient durchführen, wenn es an die kurze Leine genommen wird.
Das gleiche Misstrauen hatten wir ja bereits unter VdL gesehen, die ihrem Beschaffungsamt öffentlich das Misstrauen ausgesprochen hat und stattdessen medienwirksam auf Beraterfirmen gesetzt hat.
Im Prinzip ist das alles einfach schlechte Führung.
Wie weit die Herren Gaedchens und Schwarz von der Praxis entfernt sind und wie tief sie in dem umschriebenen Mikromanagment drin stecken (und offensichtlich den Überblick der Auswirkungen verloren haben) beweisen sie durch ihre Stellungnahmen
Zitat:“Die Billigung einzelner Projekte der Bundeswehr durch den Haushaltausschuss des Parlaments führe zu einem Mikromanagement von Regierung und Verwaltung und sei keine legitime Aufgabe der Legislative…“
Wie schön, das werde ich mit meiner letztens zu dem Thema geäusserten Meinung jetzt sogar sogar wirtschaftswissenschaftlich bestätigt. Nur blöd, dass eine Änderung des Verfahrens vermutlich nicht ohne parlamentarische Zustimmung möglich ist. Und damit haben „Einzelne Mitglieder des Ausschusses“, die auch schon bisher „ihre Zustimmung von Bedingungen abhängig machen, die im Interesse ihres Wahlkreises“ liegen, und natürlich auch die bekannten Lobbyisten der deutschen Rüstungsindustrie unter den Parlamentariern jede Möglichkeit, so eine Änderung zu torpedieren.
Hinweis: Ingo Gaedechens war Stabsbootsmann bei der Marine. Er sitzt aktuell im Haushaltsausschuss, war aber auch schon Mitglied im Verteidigungsausschuss. Er wird sich also bestens mit dem „Mikromanagement“ auskennen. Er ist seit 2004 Mitglied im Landesvorstand der CDU Schleswig-Holstein. Ein großes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der Werften Schleswig-Holstein kann man da guten Gewissens voraussetzen. Man kann seine Kritk unter: „Wem der Stiefel passt, der zieht ihn sich an“ verbuchen.
Ein Vorschlag des des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium zur Beschleunigung des Beschaffungswesens der Bundeswehr.
Nicht Finanzen, nicht Verteidigung.
Parlamentsschleife, also parlamentarische Kontrolle nicht optimieren, nein abschaffen – wieder eine merkwürdige Nummer aus dem Umfeld des Hauses Harbeck!
Personelle, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen im BMVg werden nicht kritisiert, wieder nicht.
Man geht über Los gleich zum BAAINBw. Dort sei ein Kulturwandel nötig! Nur dort?
Ziele und ihre Erreichung sollten so gestaltet werden, dass sie für das Parlament leicht überprüfbar sind. Fangen wir also da an.
Wer glaubt, dass parlamentarische Kontrolle entbehrlich sei, der irrt. Die Kontrolle selbst ist jedoch unzweckmäßig organisiert. Wer glaubt, dass das BMVg vernünftig mit Geld umgeht, auch der irrt.
Die 25 Millionen sind doch im Rüstungsbereich ganz schnell erreicht. Deshalb werden zu viele niedrigschwellige Projekte verlangsamt. Die ganz großen Projekte werden nicht intensiv genug beleuchtet. Die Inspekteure müssten diese vorstellen und den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.
Beispiele: SPz PUMA, Flottendienstboote, etc.
„Der Verteidigungsausschuss – ein Scheinriese“ – so beschreibt Falko Droßmann (MdB) auf vier Seiten seine bislang gemachten Erfahrungen (seit September 2021).
Empfehlenswerte Lektüre und zu finden in: „Das Schwarze Barett“ Ausgabe 67 bzw. 1/2023
mal eine gewagte These:
ja, die Beschaffungen sind aktuell vorzulegen. und ja, 25 Mio sind heutzutage viel zu niedrig, 50 oder 100 Muo wären hilfreicher. Analog zu den kleinen oder großen Baumaßnahmen sollte das Parlament hier flexibler werden.
Ich höre aus dem parlamentarischen Raum, dass es die Bundeswehr sei, die die Vorlagen so aufwändig gestaltet, dass da mehrere Monate Verzug entstehen. Ist dem so oder ist das eine Schutzbehauptung?
Fehlplanungen gehören bei allen Ressorts dazu (leider). Der Grundgedanke der 25 Mio Vorlagen ist aber eben Mißtrauen…
Und das bei einer Parlamentsarmee
Was der Bericht nicht gut herausarbeitet, sind grundlegende schwerwiegende militärische Planungsfehler. Das Parlament soll sich in der Tat nicht nur mit 25 Mio Vorlagen beschäftigen, es ist aufgefordert ganzheitlich mögliche Ursachen für Planungsfehler in strukturell/organisatorischen, planerischen und anderen Bereichen des BMVg und der Bundeswehr zu analysieren oder analysieren zu lassen.
Zusätzlich zu vermutlich zahlreichen dysfunktionalen Symptomen bei Beschaffungsvorgängen,-vorlagen selbst (25 Mio Vorlagen) gibt es doch noch immer organisatorische Konflikte, unklare Kompetenzverteilungen und Unterordnungsverhältnisse, die Planungsfehler noch verstärken. Neben dem offensichtlich unveränderten Fortschreiben von dysfunktionalen Symptomen höherer Ebenen – auch auf unteren Ebenen gibt es in den einzelnen Teilbereichen Gründe für Planungsfehler und grundlegende Fehler in den Entscheidungen.
@Petra (med02) sagt: 25.07.2023 um 21:37 Uhr
Grundsätzlich stimme ich zu, wenn es um parlamentarische Kontrolle geht. Sie sind mir nur zu sehr auf das BMVg fixiert. Alle anderen Bereiche werden auch kontrolliert, allerdings nicht auf dieser Mikro-Ebene, wie das BMVg. Und da liegt das eigentliche Problem.
Wir sehen doch gerade, Ihrer Argumentation folgend, wohin dieses Mikro-Management die Bw geführt hat. Die 25-Mio.-Vorlagen haben den jetzigen Zustand nicht verhindert, eher befördert. Wozu daran festhalten? Offensichtlich hat diese Kontrollfunkton nicht den Effekt und die Wirkung, die Sie gerne hätten. Dann muss man entweder darauf verzichten, wie das Gutachten vorschlägt, oder das so anpassen, das die Kontrolle wirksam wahrgenommen werden kann. D.h., noch mehr Mikro-Management mit Fachexpertise und Instrumenten, die dem Bundestag momentan nicht zur Verfügung stehen. Im Ergebnis steht dann: Beschaffung direkt durch den Bundestag. Will man das? Wo ist da die Trennung zwischen Legislative und Exekutive?
Die Stellungnahmen beider Bundestagsabgeordneten sind Satz für Satz (mit Ausnahme der beiden einleitenden, sachverhaltsdarstellenden Sätze im Twitter-Tweet von MdB Schwarz) unzutreffend. Sie sind nur zur kurzzeitigen, schlagzeilenartigen Wirkung im öffentlichen Meinungskampf vorgesehen.
Im der längeren Stellungnahme des Abgeordneten Gaedechens gipfeln sie in Desinformation, denn er behauptet (neben vielen kurzen und inhaltsleeren, aber rabulistischen Sätzen) u.a. „..Allein das Argument, dass die 25 Mio. Euro-Vorlage zu Nachverhandlungen einladen würde, ist unzutreffend. Das Parlament erhält einen endverhandelten Vertrag und kann dann nur zustimmen oder ablehnen…“. Hier wird eine Aussage absichtlich! falsch interpretiert, um sie dann besser diskreditieren zu können. Es geht nämlich nicht um Nachverhandlungen von Rüstungseinzelverträgen, sondern um parlamentarische Hinterzimmerdeals (manche würden es „politischen Alltag“ nennen), die auch ganz ausdrücklich andere Themenfelder als die Rüstung umfassen.
@Wiegold: Die von Ihnen nicht gewünschten Anteile meines Beitrages habe ich gelöscht in meiner obigen aktualisierten Fassung. Es steht Ihnen ansonsten frei, wie auch schon anderweitig praktiziert, entsprechende Beitragsanteile zu löschen (und den von Ihnen nicht kritisierten Rest zu veröffentlichen).
[Ich habe einen Kommentar mit Aussagen, die schon sehr Richtung persönlicher Angriffe gingen, nicht freigeschaltet – und werde auch weiterhin so verfahren und nicht in einem Kommentar einzelne Aussagen herausnehmen. T.W.]
@Der Picard
Erfahrungsgemäß ist es mir lieber eine mit Stabserfahrung oder „Büroerfahrung“ zu haben als jmd komplett ohne. Die neigen nämlich dazu wilde Sachen zu verordnen, bei denen die Auftragserfüllung alles andere als realistisch ist.
@ Petra (med02):
Sicher gibt es bei BAAINBw, BMVG, usw Missmanagement und Fehlplanung, da sind wir einer Meinung, aber das liegt auch am fehlendem Budget. Dann werden Waffensysteme aber nicht genug Ersatzteile beschafft? Vorentwicklungen und R&D, R&T stehen nicht zur Verfügung wenn sie gebraucht werden? Zeitpläne werden unrealistisch kurz gehalten? best-case Informationen werden verwendet (unterstützt von der Industrie)? Geräte die für die unmittelbare ‚fahrbereitschaft‘ eines Fahrzeuges notwendig sind werden bestellt aber Gerät dass die effizienteste Führung ermöglicht steht hinten an? … Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen.
Ich finde gut wenn das Parlament die Streitkräfte kontrolliert, aber das Parlament trägt auch eine Verantwortung und der muss es erst noch gerecht werden. Mehr Geld löst sicher nicht alle Probleme, aber es würde ihre Zahl sicher reduzieren.
Pio-Fritz 26.07.2023 um 9:47 Uhr
Dann lassen sie uns doch gemeinsam lernen.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Ihre Arbeit, ihre Auslandseinsätze und ihr Haushalt müssen vom Bundestag beschlossen und kontrolliert werden. Die verstärkte parlamentarische Kontrolle, die die Wissenschaftler attackieren, hat in Teilen ihre Berechtigung und ist jedoch längst nicht der Hemmschuh, zu dem der Bericht sie macht.
Was tun?
Parlamentarische Konrtolle optimieren, entfrachten, auf Kernaufgaben ausrichten. (Mich wundert, dass die in den Medien omnipresente, immer etwas belehrende Frau Strack Zimmermann nicht mal ihren eigenen Laden im Griff hat und aktuell schweigt)
Offenes, ehrliches Durchbürsten BMVg und Bundeswehr in den Bereiche Planung und Rüstung (Beschaffung). Seit Amtsantritt von Verteidigungsminister Boris Pistorius ist eine Menge passiert ist. Er war es, der nicht nur mehr Geld ausgeben wollte, sondern der insbesondere mehr Tempo in alle Prozesse bringen wollte. Rahmenbedingungen sind unverändert ein Problem. Aber auch Auslegung durch die Mitarbeiter im BMVg und BAAINBw. Im Zentrum ihrer Arbeit steht wohl (immer noch) nicht so sehr der effektive und schnelle Prozess, sondern vor allem sich nicht juristisch abzusichern.
Aufträge BAAINBw werden zuverlässig dramatisch teurer als geplant, die Rüstungsgüter werden entweder mit zunächst leichten Verzögerungen, fehlerhaft oder schließlich dramatisch zu spät geliefert. Die Wehrbeauftragte, der Bundesrechnungshof, Wirtschaftsprüfer und das BMVg selbst stapeln Gutachten auf Gutachten, wie schlecht der Prozess funktioniert.
Da wurde also wieder viel angekündigt, doch zu sehen ist in Struktur, Organisation, Abläufen nicht viel. Aktueller Fortschritt ist eher, nahezu ausschließlich, von mehr Geld getrieben, welches nun rasch ausgegegben werden sollte bzw. muss. Da gibt es allerdings bei genauem Hinsehen noch manche Delle (Hubschrauber aller Art, F-35, Digitalfung LaSk)
Stimmt schon, man braucht eigentlich nicht die Parlamentsschleife um Fehler im Detail festzustellen. Doch leider hat es vorher keiner festgestellt.
MicroControlling ist die grassierende neue deutsche Seuche. Und das in allen Bereichen. Darum geht auch nix, weder bei Verteidigung, Digitalisierung, Bildung oder Netzausbau, you name it.
Das Parlament trägt eben für alles die Verantwortung, auch für die Ineffizienz, wenn man nicht in der Lage ist auch nach unten zu deligieren. Die Autokraten um uns rum rüsten auf, militärisch und wirtschaftlich. Die müssen keinen fragen, wenn sie Geld versenken. Wir müssen einfach schneller werden, auch wenn mal eine falsche Entscheidung Geld kostet. Aber keine Entscheidung ist schlimmer als eine falsche.
Ich habe da als Referatsleiter im BMVg so einiges erlebt mit 25 Mio Vorlagen….
Leider kann ich wegen der Pflicht zur Zurückhaltung und zur Kameradschaft hier nicht drüber schreiben.
Was ich aber bestätigen kann:
Der Detaillierungsgrad und Umfang der 25 Mio Vorlagen wird im BMVg durch die HC kritisch gesteuert nach dem Prinzip „im Zweifel lieber etwas ausführlicher“ und anschließend im BMF durch das Spiegelreferat und die Grundsätzer dort noch einmal en Detail geprüft (manchmal geht die Vorlage dann auch zurück und muss nachgebessert werden) bevor sie dann rechtzeitig vor der geplanten Sitzung an den Verteidigungsausschuss („mitberatender Ausschuss“) und den Haushaltsausschuss (Abstimmung) geht. Wobei der Haushaltsausschuss natürlich nur zustimmt wenn die positive Empfehlung des Verteidigungsausschusses vorliegt.
Und wenn MdB etwas durchsetzen wollen können sie zum Beispiel dafür sorgen dass ein Punkt von der Tagseordnung gestrichen wird. Die Tagesordnung des Haushaltsausschuss ist sowieso immer sehr lang, es geht durchaus bis tief in die Nacht. Dann hängt die Vorlage. Der/die Abgeordnete kann BMVg „weich kochen“ und wenn die Bedürfnisse befriedigt sind kommt die Vorlage auf die Tagesordnung und läuft durch.
Mikromanagement ist ein Führungsverhalten des BMVg, das von sehr starker Detailorientierung und fehlendem Vertrauen geprägt ist. Deren Führungskräfte haben ein großes Bedürfnis nach Kontrolle: Sie wollen möglichst in allen Aufgaben beteiligt sein und über jedes Detail Bescheid wissen. Das führt dazu, dass sie alle Beriche der Bundeswehr ständig kontrollieren, viele Abstimmungsschleifen fordern und Prozessschritte überwachen.
Doch wir wissen, das BMVg selbst ist ein Hort von Fehlplanungen, Missmangament und verfestiger Großbürokratie. Selbst keinen Mut zur Veränderung, aufgeblasen aber Kontollwahn “nach unten”.
Die Bundeswehr erlebt Mikromanagement statt „Führen mit Auftrag“ Absicherungsdenken und Sorge um die eigene Karriere statt Mut zu Flexibilität und einem verantwortungsvollen Umgang mit Fehlern unter dem gerne verwendeten Begriff „Fehlerkultur“.
Weil das alles so ist, erwarte ich vom Parlament nicht Kontrolle der 25 Mio Vorlagen, sondern den großen Wurf. Kontrolle, wie diese in ihrem ursprünglichen Sinne gedacht war und ist, also auschließlich den existentiellen Beitrag zur Wiederherstellung der vollen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu gewährleisten.
Das BMVg umfasst eben nicht nur eine Streitkraft, sondern ist auch eine Großbürokratie. In Kenntnis dieser Bedingungen könnte und müsste die „Zeitenwende“ zu einer erheblichen Aufwertung des Verteigungsusschusses führen, gerade in Bezug auf seine Kontroll- und Initiativfunktion.
Mit Blick auf das BMVg ist das Ziel somit auch klar. Flache Hierarchien im Haus, nur da wo notwendig Autonomie der Abteilungen aber permanent hohe Flexibilität.
Wenn die Führung im BMVg das Heft des Handelns nicht verlieren will, sollte sie zur Selbstreflektion in der Lage sein.
Doch das Thema hier ist ja Parlament – Wenn das Parlament das Heft des Handelns nicht verlieren will, sollte es zur Selbstreflektion in der Lage sein.
@road2hell
Zitat:“Das Parlament soll sich in der Tat nicht nur mit 25 Mio Vorlagen beschäftigen, es ist aufgefordert ganzheitlich mögliche Ursachen für Planungsfehler in strukturell/organisatorischen, planerischen und anderen Bereichen des BMVg und der Bundeswehr zu analysieren oder analysieren zu lassen.“
Verlangen Sie da nicht ein bisschen viel von unseren Parlamentariern? Glauben Sie wirklich, dass sie Parlamentarier finden, die wirklich „ganzheitlich“ beurteilen können, was die Bundeswehr zur Erfüllung ihres Auftrags braucht? Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass die Fachleute, für die Beschaffung, bei der Bundeswehr, dem BMVg und seinen nachgeordneten Institutionen zu finden sind (Kurze Pause bis das Gelächter sich gelegt hat). Überall da, wo dieser Zustand noch nicht erreicht ist, da ist er schnellstmöglich herzustellen.
Zu jeder Vorlage aus dem BMVg gehört eine Finazierungsplan und eine Wirschaftlickeitsprüfungg. Da die Experten für Vertragsgestaltung und Finanzen nicht im BMVg und seinen nachgeordneten Instanzen zu finden sind, braucht es dafür eine unabhängige Instanz die möglichst frei von Lobbyinteressen ist. Wie zum Beispiel den Bundesrechnungshof.
Veerweeigert dr Bundesrechnungshof seine Zustimmung geht die Vorlage gar nicht erst ins Parlament. Liegt die Vorlage mit positivem Plazet zur Finanzierung vor (wird also zu einem Antrag) liegt es in der Entscheidung der Parlamentarier diesen Antrag anzunehmen oder abzulehnen. Die Entscheidung reduziert sich also auf ein „Ja“ oder „Nein“ und jedes „Aber“ entfällt. Die Parlamentshoheit bleibt trotzdem erhalten.
Worauf würde so etwas in der Praxis rauslaufen? Das BMVg müsste seine Vorlagen so gestallten, das sowohl Rechnungsprüfer als auch Parlament zustimmen können. Natürlich wird das ein Spagat. Aber vielleicht werden die Lobbyisten im Parlament dann weniger unverschämt und die Verträge mit der liefernden Industrie werden weniger fehlerhaft. Beides wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Für mich schließt sich nach der Lektüre dieses Berichts zunächst die Frage an: Ist diese geübte und nunmehr auch normierte Praxis nun verfassungsgemäß oder nicht (das sollte m.E. auch für einen Parlamentarier die erste Reaktion auf diesen Vorwurf sein)?
Ist sie es nicht ist für mich die nächste Frage: Warum nicht? Liegt hier wirklich eine grundgesetzwidrige Einwirkung der Legislative in das Exekutivhandeln vor, die über die Checks & Balances hinausgeht (tatsächlich sollen diese ja aus der reinen Lehre heraus retrospektiv mit Konsequenzen für die Zukunft praktiziert werden).
Wenn dem dann so ist müssten einige sehr weitreichende „Kontrollfunktionen“ des Bundestages in Zweifel gezogen werden, wie z.B. das Parlamentarische Kontrollgremium, das aktiven Einfluss auf die für den Staatserhalt elementar wichtige Arbeit der Bundesnachrichtendienste nimmt. Und dies ebenso regelmäßig nicht retrospektiv sondern in operative Maßnahme eingreifend.
So banal dieser Bericht auch auf den ersten Blick erscheinen mag: Für mich schlummern hier einige sehr grundsätzliche Fragen in Bezug auf das verfassungsgemäße Rollenverständnis und die praktische Arbeit des Bundestages, der zudem ja auch eher schlecht darin ist sich selbst zu kontrollieren und zu reglementieren. Der nächste Schritt kann nur vor das Verfassungsgericht führen. Und diese Initiative sollte – alleine um diese Frage im besten Sinne klären zu wollen – parteiübergreifend aus dem Bundestag in Richtung Karlsruhe gestellt werden.