Sicherheitshalber der Podcast: Spezial ***5. Geburtstag*** Live online: Ernste Themen Streumunition & NATO-Gipfel
Sicherheitshalber ist der – inzwischen fünf Jahre alte! – Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt.
In der Vergangenheit waren Geburtstage stets Anlass zu allerlei Faxen sowie zur Verkostung des einen oder anderen alkoholhaltigen Kaltgetränks. Dieses Jahr war uns aber nicht nach Jux und Dollerei. Außerdem wurden in den letzten Tagen so viele brandaktuelle Themen an den Sicherheitspod herangetragen, dass der Geburtstag am 19. Juli kurzerhand live, in Form eines Twitter Space, stattfand, um auch mit den Hörerinnen und Hörern ins Gespräch kommen zu können.
Es geht also zu Beginn kurz um das von Russland aufgekündigte Getreideabkommen und dann um die kontroverse Lieferung von Streumunition an die Ukraine sowie die Implikationen des NATO-Gipfels in Vilnius.
Das ist der Mitschnitt des Twitter Space (ohne das Q&A-Segment mit den ZuhörerInnen) – für die deswegen leider schlechtere Tonqualität bittet die Crew des Sicherheitspod inständig um Nachsicht.
Die nächste reguläre Folge kommt schon nächste Woche!
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Thema 1: Streumunition
Elvira Rosert, Frank Sauer. Dilemma mit Streuwirkung. taz. 22.07.2023
Will Wright. Dissecting the Debate on Cluster Munitions. Völkerrechtsblog. 21.07.2023
Ulrike Franke. Streumunition aus den USA wird für die Nato, aber auch die Ukraine zum Problem. Focus online. 11.07.2023
Elvira Rosert, Frank Sauer, Hendrik Simon. Beyond Black and White: Normative Ambiguities and the Delivery of Cluster Bombs: An Interview with Elvira Rosert and Frank Sauer. Völkerrechtsblog. 12.07.2023, doi: 10.17176/20230712-230947-0
Thema 2: NATO Gipfel
NATO. Vilnius Summit Communiqué. 11.07.2023
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Vom Spätdienst gekommen. Podcast gehört. Fühle mich gut informiert. Schöner Feierabend.
Glückwunsch zum Geburtstag !
verstörend, wie massiv Russland Getreideinfrastruktur angreift, um einen weiteren Getreidedeal gleich vollkommen sinnlos zu machen. Da werden die letzten Reste der hochwertigsten Überschall MFK dafür genutzt Getreidelager und Getreideinfrastruktur zu zerstören. Diese sinnlose Böshaftigkeit kannste dir nicht ausdenken….
Die Ukraine braucht endlich alle Waffen, um zumindest die Lager von diesen MFK auf der Krim zu zerstören.
Liegt es an meinem Wiedergabegerät oder ist die Audioqualität der Aufnahme die schlechteste seit Beginn des Podcasts (deshalb Eingangs vielleicht auch der Hinweis auf die Technik)?
[Leider ist in der Tat die Tonqualität nicht besonders – so weit wir das ergründen konnten, liegt es offensichtlich daran, dass wir das Audio des Twitter-Space verwendet haben, und da bleibt es deutlich hinter unseren Erwartungen zurück. T.W.]
Ich bin vor etwa drei Jahren zufällig auf diese Seite und den Podcast gestoßen, seit dem habe ich keine Folge verpasst.
Herzlichen Glückwunsch zum Fünften und Dank an alle zeitweilig und ständig Beteiligten!
Fazit?
Der Krieg in der Ukraine schien anfangs in Gefahr in den Dritten Weltkrieg zu münden, und zwischenzeitlich doch zumindest einen Kalten Krieg 2.0 einzuläuten.
Das schwache Signal vom NATO Gipfel deutet aber nun meines Erachtens eher auf einen “Kalten Frieden” hin.
Während die Frontstaaten Polen (und nun auch Finnland) selber erhöhte Anstrengungen unternehmen den neuen “Eisernen Vorhang” zu bilden, erlaubte die psychologische Mobilisierung durch den Ukrainekrieg auch den rückwärtigen Staaten, ihre versprochene Solidarität für die mittlere Zukunft wieder in reelles militärisches Investment umzumünzen, trotz ihrer in der Breite weiterhin post-heroischen Gesellschaften. (Die Rede vom “wieder gewinnen-wollen-müssen “ ist lediglich eine offizielle Bestätigung des postheroischen Status Quo.)
Mittlerweile ist die Ernüchterung über den Verlauf des Ukraine-Krieges und die Kriegsmüdigkeit erheblich, und die Wahlen rücken näher.
Der NATO Gipfel signalisiert nun meines Erachtens in Richtung Moskau eine Verhandlungsbereitschaft: das Gerede von “wenn der Krieg vorbei ist” und “mehrjähriges Commitment” (ohne feste / “kreative” / nukleare / allgemeine Sicherheitsgarantien für die Ukraine) ist sprachlich Zuckerbrot und Peitsche, aber auf “Wischi-Waschi”-Niveau: alles was Putin nun noch tun muß, ist die Ukraine selbst verhandlungsreif zu schiessen.
Genau das passiert gerade: Die ukrainische Offensive versackt im Stellungskrieg, während die Russen Reserven aufbauen für einen finalen Push vor der Verhandlungsrunde, nachdem sich die Ukrainer verausgabt haben, in der nun vergebenen Hoffnung beim NATO Gipfel mehr Zusagen zu bekommen.
Während nun die NATO quasi die Verhandlungschips aus dem Fleisch der politischen Zukunft der Ukraine zu schneiden scheint (- kein deutlicheres Signal zur NATO Mitgliedschaft), tut Putin das ebenfalls: und zwar durch das Brechen des Getreide-Deals, die Zerstörung der Hafeninfrastruktur in Odesa und das langsame Aufreiben des ukrainischen Offensivpotentials; nicht zu vergessen die fortgesetzte Drohung mit nuklearer Verseuchung durch die Verminung des Atomkraftwerks, und die fortgeschrittene konventionelle Verminung der gesamten Kontaktlinie.
Sicher: Druck erzeugt Gegendruck, vor allem psychologisch und was den Widerstandswillen angeht, aber eben nur solange bis eine Seite strukturell nachgibt und zusammenbricht. – Nahezu die gesamte Zerstörung des Krieges erfolgte auf ukrainischem Territorium. Im Vergleich dazu sind die russischen Verluste immer noch innerhalb der “Knautschzone”: sowohl personell, wie auch wirtschaftlich und politisch.
Sicher: Russland hatte einen Braindrain im Sinne eines Exodus der oppositionellen Intelligentsia, und eine Art “innere Emigration” des schweigsamen Rests; einen Abfluss westlichen Investments (und Know-How’s) und eine Reduktion seiner finanziellen Reserven und Spielräume.
Aber die Reduktion des ukrainischen “Humankapitals” (durch Emigration und Tötung und Verwundung im Kriege) ist wohl eine Größenordnung höher einzuschätzen. Von der Zerstörung der Infrastruktur der Ukraine und der Vergiftung und (hoffentlich temporären) landwirtschaftlichen “Unbrauchbarmachung” des Bodens ganz zu schweigen.
Die Beschreibung des Ukraine-Krieges als Unabhängigkeitskrieg, als läuterndes Feuer, aus dem die ukrainische Volksseele quasi gestählt wiederauferstehen wird im vorweggenommenen historisch verklärenden “Rückblick”, kann nur schwer über die heillos zerstörerische Gegenwart des Krieges als Fleischwolf hinwegtrösten.
Aber vielleicht ist das nur meine Warte als Deutscher.
Ich hatte es immer als Fortschritt gesehen, dass Deutschland keine Heldendenkmale mehr hat, sondern nur noch einen Volkstrauertag.
Aber vielleicht war das nur der verquere Trost eines historischen Augenblicks, auf den zwangsläufig wieder eine “Zeitenwende” folgen mußte, mit der Rückkehr zum ganz normalen Wahnsinn der Logik des Krieges als Vater aller Dinge.
Abgesang auf mein gutes Gewissen und den zivilisatorischen Fortschritt.
Lob des Heldenmuts und der Realpolitik.
Die Gegenwart auf dem Altar der Zukunft zu opfern, ist zivilisatorisch und biographisch zu einem gewissen Grade notwendig; das Recht der Gemeinschaft das Individuum zu verpflichten (und gegebenenfalls zu opfern) unbestritten, aber es muss schon am Ende auch noch was übrig sein, was es in die bessere Zukunft schafft: Verbrannte Erde und der Kampf bis zum letzten Mann sind eher eine Trotzreaktion als eine Strategie für die Zukunft. Irgendwo muss man einen Neuanfang machen, und das Alte gewesen sein lassen.
Frieden kann man per Definition immer nur mit seinem Feind schließen; aber da müssen die Russen und die Ukrainer halt selber draufkommen: noch sind wir nicht in 1918 angekommen.