NATO-Gipfel in Vilnius: Bereitschaft zur Aufnahme der Ukraine – aber ohne Zeitplan
Die NATO-Mitgliedsstaaten haben bei ihrem Gipfel in Vilnius die Bereitschaft zur Aufnahme der Ukraine bekräftigt, nennen aber weiterhin dafür keinen Zeitplan. Wir werden in der Position sein, eine Einladung auf die Ukraine zum Beitritt auszudehnen, wenn die Verbündeten zustimmen und die Bedingungen erfüllt sind, heißt es in dem Kommuniqué, das am ersten Tag des Treffens der Staats- und Regierungschefs veröffentlicht wurde.
Die vor allem von der Ukraine mit anderen Erwartungen befrachtete Aussage in der Erklärung vom (heutigen) Dienstag:
We fully support Ukraine’s right to choose its own security arrangements. Ukraine’s future is in NATO. We reaffirm the commitment we made at the 2008 Summit in Bucharest that Ukraine will become a member of NATO, and today we recognise that Ukraine’s path to full Euro-Atlantic integration has moved beyond the need for the Membership Action Plan. Ukraine has become increasingly interoperable and politically integrated with the Alliance, and has made substantial progress on its reform path. In line with the 1997 Charter on a Distinctive Partnership between NATO and Ukraine and the 2009 Complement, Allies will continue to support and review Ukraine’s progress on interoperability as well as additional democratic and security sector reforms that are required. NATO Foreign Ministers will regularly assess progress through the adapted Annual National Programme. The Alliance will support Ukraine in making these reforms on its path towards future membership. We will be in a position to extend an invitation to Ukraine to join the Alliance when Allies agree and conditions are met.
Mit der Aussage, dass die Ukraine nicht wie sonst für neue Mitglieder üblich einen Membership Action Plan durchlaufen muss, kommt das Bündnis dem Land zwar entgegen – Zeitplan und die konkreten Bedingungen bleiben allerdings offen. Das hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj offensichtlich bereits zuvor erwartet, als er via Twitter seine Kritik an der Allianz deutlich machte. Es sei absurd, keinen Zeitplan zu vereinbaren, klagte der ukrainische Staatschef:
We value our allies. We value our shared security. And we always appreciate an open conversation. Ukraine will be represented at the NATO summit in Vilnius. Because it is about respect. But Ukraine also deserves respect. Now, on the way to Vilnius, we received signals that certain wording is being discussed without Ukraine. And I would like to emphasize that this wording is about the invitation to become NATO member, not about Ukraine’s membership. It’s unprecedented and absurd when time frame is not set neither for the invitation nor for Ukraine’s membership. While at the same time vague wording about „conditions“ is added even for inviting Ukraine. It seems there is no readiness neither to invite Ukraine to NATO nor to make it a member of the Alliance. This means that a window of opportunity is being left to bargain Ukraine’s membership in NATO in negotiations with Russia. And for Russia, this means motivation to continue its terror. Uncertainty is weakness. And I will openly discuss this at the summit.
(wird ggf. ergänzt)
(Foto: NATO Secretary General Jens Stoltenberg and Gitanas Nausėda, President of Lithuania welcome Olaf Scholz – Foto NATO)
Danke für den Bericht.
Ich lese da „Allies will continue to … review Ukraine’s progress on … additional democratic … reforms that are required.“
Einen solchen Review-Bericht, den es dann wohl in der Vergangenheit gegeben haben muss, habe ich bislang nie gesehen. Für sachdienliche Hinweise wäre ich dankbar.
Diese und ähnliche Reviews gibt es auf Arbeitsebene v.a. in der Parlamentarischen Versammlung der NATO (unabhängig von der NATO) sowie in mehreren Centers of Excellence der NATO sowie einzelner Mitgliedsstaaten. Das ist alles kein Hexenwerk, v.a. 2015 gab es da schon einen gewissen „Buzz“ v.a. bei britischen Institutionen und NATO-CoOps. Deutschland war da eher etwas … desinteressiert.
Auch im Rahmen von Partnership for Peace und der strategischen Angebote iSd angesprochenen MAPs (Membership Action Plans) finden „annual reviews“ statt, von denen etliche non-classified sind. Einige finden sich in der E-Library der NATO bzw einiger CoEs, andere unter den Jahresberichten der PV und wieder andere bei kommerziellen Anbietern (was z.B. die Methodik und Zugriff auf Statistiken betrifft).
In Deutschland lag der Fokus eher auf den Westbalkanstaaten als auf der Ukraine. In Uk und Polen sieht das anders aus.
Wahrlich nicht gerade eine Sternstunde für die NATO. Leider erwartbar. Das mit einem Bk, der eine gute Lehrmeisterin hatte und aus 2008 nichts aber auch gar nichts gelernt hat. Auch das sind Erinnerungslücken.
Für mich eine völlig nachvollziehbare Entscheidung, die so in Ordnung ist. Das Beitritts-Regularium der NATO ist sehr eindeutig, keine Konflikte oder ungeklärten Gebietsfragen. Auch ein Krieg ist kein Grund, ein Mitglied überhastet aufzunehmen.
Überhastete und unüberlegte Mitgliedsaufnahmen hatten wir in den letzten 30 Jahren genug, die aus reinen machtpolitischen Erwägungen vollzogen wurden. Von der militärischen Seite her waren das alles mehr oder minder Vollkatastrophen, kein Mehrwert für die Verteidigungskraft des Bündnisses. Finnland und Schweden sind die beiden rühmlichen Ausnahmen der letzten 25 Jahre.
Die weiteren politischen Forderungen gehen weitestgehend konform mit den Beitrittsbedingungen der EU. Wobei das auch nach hinten losgehen kann, wie man an Polen und Ungarn sieht, die zumindest als schlechtes Beispiel gut sind. Und die Posse der Türkei ist ohne Worte.
Es wird allerhöchste Zeit, das man sich sowohl in der NATO als auch EU vom Einstimmigkeitsprinzip komplett verabschiedet. Das hat vielleicht bis 1990 funktioniert, heutzutage ist es nur noch ein Hemmschuh, der dazu führt, das man nicht das macht, was sinnvoll ist, sondern das, was der kleinste gemeinsame Nenner hergibt.
Für diese Entscheidung benötigt es allerdings Einstimmigkeit…
Sind eigentlich mittlerweile nähere Informationen zur NATO Verteidigungsreform veröffentlicht worden?
Link vergessen
https://www.economist.com/international/2023/07/02/nato-is-drafting-new-plans-to-defend-europe
@Pio-Fritz: „Es wird allerhöchste Zeit, das man sich sowohl in der NATO als auch EU vom Einstimmigkeitsprinzip komplett verabschiedet.“
Und dann? Zumindest das Zerbrechen der EU wird dann sehr wahrscheinlich. Kann man natürlich wollen.
@12PzDiv sagt: 12.07.2023 um 20:20 Uhr
„Zumindest das Zerbrechen der EU wird dann sehr wahrscheinlich. Kann man natürlich wollen.“
Inwiefern? Weil der eine oder andere sein Erpressungspotential verliert? Auf die kann man auch gerne verzichten.
@12PzDiv sagt: 12.07.2023 um 20:20 Uhr
„Und dann? Zumindest das Zerbrechen der EU wird dann sehr wahrscheinlich.“
Jeder Mitgliedsstaat oder Anwärter wird für sich bewerten, ob das gewollt ist oder nicht. Aber das, was wir momentan sehen, Geiselhaft der NATO oder der EU durch einzelne Mitgliedsstaaten aus irgendwelchen Egoismen heraus, das kann es nicht sein. Staaten haben keine Freunde, sie haben Interessen, und die wollen sie durchsetzen.
Beim derzeitigen Status-Quo heißt es doch, einmal drin und wohlfühlen. Man kann nicht „vor die Tür“ gesetzt werden. Und die drei Staaten, die ich genannt habe, nutzen das weidlich aus.
Klarere Konturen für Heeres-Brigade in Litauen.
h/t @Bjoern__M
„Angelaufene Planungen für in #Litauen stationierte #Bw-Brig:
👉plus 4000 € pro Soldat/Monat im Jahr – rund 190 Mio € extra.
👉 BMVg kalkuliert mit 1600 Kita-Plätzen und einer Schule für rund 3000 Jugendliche. Problem: Lehrer dafür“.
Bei 4K extra, ggf auch für den Lehrkörper? Läuft! Nur werden die Kultusminister der Länder Mauern wollen, denn, wer ginge? Sicher die jungen, agilen, ambitionierten Pädagogen.
Vorstellbar kann sein, dass aus den 🇺🇦 Flüchtlingen Geeignete über zu schaffende Sonderregelungen gewonnen werden. Die Kultusminister werden auch entscheiden wollen welches Lehrkonzept der 16 Länder Grundlage sein wird. Dicke kulturelle Bretter.
€ > https://www.spiegel.de/politik/deutschland/litauen-bundeswehr-brigade-stellt-verteidigungsministerium-vor-grosse-huerden-a-3f45cab5-8ca7-4351-9275-dcbec46c29f0
Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) 21.07.2023 um 15:09 Uhr
….”👉plus 4000 € pro Soldat/Monat im Jahr – rund 190 Mio € extra.👉 BMVg kalkuliert mit 1600 Kita-Plätzen und einer Schule für rund 3000 Jugendliche. Problem: Lehrer dafür“. Bei 4K extra, ggf auch für den Lehrkörper? Läuft!…
”
4K extra für Lehrer kostet wieviel?
Infra kostet wieviel?
KITA und Schule kostet wieviel?
Klar finden hier alle prima, wahrscheinlich.
Rotation wäre nicht gegangen, nein? Wirklich nicht? Die Überrraschungsmitteilung des BM überraschte doch weite Teile der Bundeswehr, ja auch des Heeres. Wurde vorab gerechnet?
Wie groß ist denn unsere Staatskasse?
Waffenlieferungen an UKR okay! Aber wieviel Mrd?
UKR als Hauptzahler neben USA am Leben erhalten kostet wieviel Mrd? (Bilaterale Unterstützung für die Ukraine UND EU, z.B. 2023: EU will 1,5 Milliarden für die Ukraine im Monat zahlen)
Sondervermögen – sehr großer Anteil für Personalkosten/Lohnerhöhung? Wieviel Millionen?
Engagement im Indo Pazifik LW, Heer, Marine Wieviel Millionen?
Die Bundeswehr zukunftsfest zu machen (“GEWINNEN”) kostet Geld wieviele Mrd?
Uvm. Nicht vollzählig
Mehr in die Verteidigung und mehr zu investieren. Nur: Dieses Geld wird an anderer Stelle schmerzlich fehlen. Die Bundeswehr soll mehr Geld kriegen – aber woher?
Sicher hier finden die meisten hier den o.g. Mittelabfluß sicher prima. Doch wie erklärt man es dem Steuerzahler, der einfach nur zweifelt?
Wahrscheinlich bekomme ich die Frage um die Ohren geschlagen, schon klar. Doch man darf das doch fragen, oder?
[„Darf man das noch fragen“ zeigt schon, worauf es Ihnen ankommt. Bleiben Sie wenigstens bei den Fakten, Ihre scheinbare Frage „Sondervermögen – sehr großer Anteil für Personalkosten/Lohnerhöhung? Wieviel Millionen?“ macht klar, dass Sie die Tatsachen nicht so im Blick haben. Diese Art der Debatte lassen wir hier bitte. T.W.]
@KPK
„plus 4000 € pro Soldat/Monat im Jahr – rund 190 Mio € extra.“
Heißt das, der A14 bekommt zur Grundbesoldung noch einmal EUR 4.000 (steuerfrei – ?) obendrauf?
Und wurde nicht gesagt, daß aufgrund der Sicherheitslage, die sich sehr schnell verschlechtern kann, auf die Mitnahme von Familienangehörigen verzichtet werden soll?