Bundesregierung kündigt bislang größtes Waffenpaket für die Ukraine an (Nachtrag: Gepard)

Kurz vor einem erwarteten Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Deutschland hat die Bundesregierung ihr bislang größtes Waffenpaket für die Ukraine angekündigt. Die Systeme, vom Kampfpanzer Leopard 1 bis zu weiteren Flugabwehrbatterien, sollen von der Industrie geliefert werden und einen Wert von gut 2,7 Milliarden Euro umfassen. Zum Zeitpunkt der Lieferungen gab es zunächst ebensowenig Informationen wie zu allen Details der geplanten Unterstützung.

Selenskyj wird möglicherweise am (morgigen) Sonntag nach Deutschland kommen; unter anderem ist die Verleihung des Karlspreises in Aachen an ihn vorgesehen. Am (heutigen) Samstag veröffentlichte das Verteidigungsministerium in Berlin eine Mitteilung zu dem neuen Waffenpaket für die Ukraine:

Das Verteidigungsministerium informiert darüber, dass die Bundesregierung ein weiteres militärisches Unterstützungspaket für die Ukraine vorbereitet. Damit soll die Ukraine weiterhin bei der Verteidigung gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands unterstützt werden. (…)
Das neue, umfangreiche Maßnahmenpaket, das Deutschland gerade zusammenstellt, hat einen Wert von über 2,7 Mrd €.
Dieses Maßnahmenpaket folgt unseren bisherigen Unterstützungsschwerpunkten und beinhaltet unter anderem Material aus den Bereichen Artillerie, Luftverteidigung, gepanzerte Gefechtsfahrzeuge und Pionierfähigkeiten.
Es umfasst u.a.
18 Radhaubitzen,
Artilleriemunition,
Lenkflugkörper für unsere Luftverteidigungssysteme,
4 IRIS-T SLM Feuereinheiten und 12 IRIS-T SLS Startgeräte,
weitere Kampf- und Schützenpanzer (30 LEOPARD 1 A5 und 20 MARDER),
über 100 gepanzerte Gefechtsfahrzeuge,
über 200 Aufklärungsdrohnen
All dies und mehr kommt aus Industriebeständen bzw. der Industrieproduktion. Die Umsetzung dieser von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen ist eingeleitet.

Das Paket ist im finanziellen Umfang das bisher größte deutsche Paket mit militärischen Unterstützungsleistungen.Nach der Übersicht der Bundesregierung, zuletzt am 26. April aktualisiert, wurde von Anfang 2022 bis April 2023 die Ausfuhr von Rüstungsgüter im Wert von 2,75 Milliarden Euro an die Ukraine genehmigt, außerdem gab es genehmigungsfreie Lieferungen zum Beispiel von Lastwagen. Hinzu kommen Mittel aus der so genannten Ertüchtigungsinitiative, mit der Bestellungen und Lieferungen der Industrie finanziert werden – allerdings nennt die Bundesregierung dafür nur Gesamtsummen, aus denen auch der EU-Topf zur Unterstützung der Ukraine mit Militärgütern gefüllt wird.

Bei der aktuellen – schon vom Ministerium als unvollständig gekennzeichneten – Auflistung bleiben etliche Punkte unklar. So ist unter anderem die Frage, ob in den vier genannten Flugabwehrsystemen Iris-T SLM die bereits zugesagten, aber noch nicht gelieferten zwei weiteren Systeme enthalten sind; also ob Deutschland nun letztendlich neben den zwei bereits gelieferten nun weitere vier oder sechs zur Verfügung stellen wird.

Die Startgeräte für das Flugabwehrsystem Iris-T SLS mit kürzerer Reichweite dürften zumindest zum Teil aus Schweden kommen; die schwedischen Streitkräfte hatten sie aus ihrem Bestand abgegeben (wofür sich Bundeskanzler Olaf Scholz auch öffentlich bei Schweden bedankt hatte), weil damit die in größerer Zahl vorhandenen Iris-T-Lenkflugkörper der Luftwaffe für die Luft-Luft-Bewaffnung von Kampfjets vom Boden verschossen werden können. Da vermutlich je Feuereinheit Iris-T SLM zwei Startgeräte des SLS-Systems angeschlossen werden sollen, dürfte es dann auf weitere sechs Systeme hinauslaufen.

Offen ist auch, was unter den in der Liste genannten gepanzerten Gefechtsfahrzeugen zu verstehen ist – da Leopard1-Kampfpanzer und Marder-Schützenpanzer gesondert aufgeführt werden, dürften genau die nicht gemeint sein. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums lehnte dazu am Samstag konkretere Angaben ab. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, hatte in einem Interview in der vergangenen Woche erklärt, er spreche mit der Bundesregierung derzeit vor allem über die Lieferung von Transportpanzern der Typen Boxer und Fuchs: Aktuell versuchen wir Berlin davon zu überzeugen, uns Boxer-Radpanzer und Fuchs-Transportpanzer abzugeben. (…) Wir haben unseren Wunsch geäußert und warten jetzt auf ein Zeichen von Verteidigungsminister Pistorius, ob die Bundeswehr solche Geräte abgeben kann. 

Pistorius erneuerte am Samstag die Zusage, die Ukraine langfristig zu unterstützen:

Mit diesem wertvollen Beitrag an dringend benötigtem militärischen Material zeigen wir einmal mehr, dass es Deutschland mit seiner Unterstützung ernst ist. Wir wünschen uns alle ein baldiges Ende dieses fürchterlichen und völkerrechtswidrigen Krieges Russlands gegen das ukrainische Volk. Abzusehen ist dies leider noch nicht. Von daher wird Deutschland jede Hilfe leisten, die es leisten kann – as long as it takes.

In der aktuellen Mitteilung der Bundesregierung fehlt übrigens ein Waffensystem, das der Spiegel in seiner Meldung zu dem neuen Unterstützungspaket aufgeführt hatte: Von weiteren Gepard-Flugabwehrkanonenpanzern ist auf der Liste nicht die Rede. Das liegt vermutlich daran, dass die Gespräche mit Katar, das nach Ausmusterung der Waffensysteme in Deutschland vor gut einem Jahrzehnt Geparden gekauft hatte, noch nicht abgeschlossen sind.

Nachtrag: Die Gepard-Lieferung wird zwar auf der Liste des Verteidigungsministeriums nicht genannt – aber am Abend bestätigte die deutsche USA-Botschafterin Emily Haber via Twitter, dass die Lieferung von weiteren 15 dieser Flugabwehrkanonenpanzer geplant sei:

(Hinweis: Aus technischen Gründen lassen sich derzeit die Kommentare, die zur dieser Liste im vorhergehenden Thread aufgelaufen sind, nicht hierher verschieben. Leider bleibt da nur die Möglichkeit, hier ggf. neu zu kommentieren. Ich bitte um Verständnis.)

(Foto: Ausbildung ukrainischer Soldaten am Leopard1 auf dem Truppenübungsplatz Klietz – Foto Bundeswehr)