Weltweite Militärausgaben auf Rekordhoch – auch durch den Krieg gegen die Ukraine
Die weltweiten Militärausgaben haben im vergangenen Jahr mit 2.240 Milliarden US-Dollar einen neuen Höchststand erreicht. Ein Grund dafür war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, in dessen Folge vor allem die mittel- und osteuropäischen Staaten ihre Militärausgaben erhöhten. Weltweit stiegen diese Ausgaben 2022 nach der aktuellen Übersicht des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI um 3,7 Prozent; in den zehn Jahren seit 2013 um 19 Prozent.
Nach der am (heutigen) Montag veröffentlichten Statistik des Stockholmer Instituts lagen 2022 wie schon zuvor die USA mit 877 Milliarden US-Dollar und China mit geschätzt 292 Milliarden US-Dollar an der Spitze der Staaten mit den höchsten Verteidigungsausgaben. Bereits an dritter Stelle, nach der fünften im Vorjahr, stand Russland mit geschätzten 86,4 Milliarden US-Dollar, sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. An vierter Stelle folgen Indien mit 81,4 und Saudi-Arabien mit geschätzten 75 Milliarden US-Dollar.
Deutschland stand, wie bereits 2021, an siebter Stelle hinter Großbritannien. Allerdings erwartet SIPRI, dass die deutschen Verteidigungsausgaben, die im vergangenen Jahrzehnt bereits um ein Drittel wuchsen, ab diesem Jahr durch das Sondervermögen deutlich anwachsen werden.
Als direkte Folgen de Krieges gegen die Ukraine verzeichnete das Stockholmer Institut massive Ausgabenerhöhungen in Mittel- und Westeuropa – und natürlich in der Ukraine selbst. Ihre Ausgaben für Militär stiegen im vergangenen Jahr um 640 Prozent auf 44 Milliarden US-Dollar und katapultierten das Land von Platz 36 der weltweiten Verteidigungsaufwendungen auf den elften Platz. Mit einem Anteil von 34 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist die Ukraine zudem das Land mit der höchsten Militär-Belastung seines Budgets: Dabei kamen laut SIPRI ein massives Schrumpfen der Wirtschaft und eine Versechsfachung der Verteidigungsausgaben zusammen.
Die russischen Militärausgaben stiegen dagegen im vergangenen Jahr um vergleichsweise geringe 9,2 Prozent. Allerdings seien die Budgets des Kreml zunehmend undurchschaubarer geworden, so dass die Schätzungen höchst unsicher seien, warnte das Institut. So seien angekündigte Haushaltslinien oft im Nachhinein heraufgesetzt worden: Der für 2022 vorgesehene Etat von 50,1 Milliarden US-Dollar sei im Herbst 2022 auf 67 Milliarden erhöht worden, einzelne Posten wie der der Nationalgarde (Rosgvardia) wurde um 23 Prozent erhöht.
Die Staaten West- und Mitteleuropas gaben nach der Übersicht im vergangenen Jahr zusammen 345 Milliarden US-Dollar für ihre Verteidigungsausgaben aus – zwar immer noch weniger als die Hälfte der USA, aber die höchste Summe seit dem Ende des Kalten Krieges. Die Ausgaben in den mittel- und osteuropäischen Staaten stiegen mit 4,4 Prozent stärker als in Westeuropa (3,4 Prozent). Dabei gab es allerdings eine breite Spanne von 0,4 Prozent für die Schweiz bis 45 Prozent für Luxemburg.
Insgesamt nahmen die Ausgaben der Eruopäer für militärische Zwecke seit 2013 um 38 Prozent zu. Einzelne Staaten lagen weit darüber, so Polen mit elf Prozent Steigerung im vergangenen Jahr. Finnland, seit diesem Jahr NATO-Mitglied, gab 2022 sogar 36 Prozent mehr aus als im Vorjahr, allerdings zurückzuführen vor allem auf teure Rüstungskäufe wie den US-Kampfjet F-35.
Die Waffenlieferungen an die Ukraine rechnete SIPRI den abgebenden Staaten zu – mit teilweise überraschendem Ergebnis: Die USA, mit Abstand der größte Geber militärischer Hilfe, gaben im vergangenen Jahr mit knapp 20 Milliarden US-Dollar 2,3 Prozent ihrer Verteidigungsausgaben für diese Unterstützung aus. Das sei zwar das 34-fache der Unterstützungsleistungen 2021, rechnete das Institut vor. Dennoch liege es weit unter der Summe von 264 Milliarden, die das US-Militär für Beschaffungen sowie Forschung und Entwicklung ausgegeben habe.
Dass die Steigerung der US-Verteidigungsausgaben insgesamt auf 877 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 mit 0,7 Prozent vergleichsweise gering ausfiel, ist nach Angaben von SIPRI auf die Inflation zurückzuführen. So sei das Budget nominal um 8,8 Prozent gestiegen, die gleichzeitige Inflation von 8,1 Prozent habe den Effekt aber drastisch schrumpfen lassen. Das wirkte sich auch auf andere Länder aus: Die nominale Steigerung des italienischen Verteidigungshaushalts um 3,9 Prozent bedeute faktisch eine Reduzierung um 4,5 Prozent.
Die SIPRI-Pressemitteilung hier; die Statistik-Übersicht hier.
(Foto: Ein Luftverteidigungssystem Iris-T SLM von Diehl Defence auf der ILA Berlin 2022 – die Abgabe dieses Systems an die Ukraine wird in der SIPRI-Statistik den deutschen Militärausgaben zugerechnet)
Sind diese Prozentzahlen tatsächliche Zahlen oder inflationsbereinigt? Falls es tatsächliche Zahlen sind, kommt mir die Steigerung von 2013 zu 2022 von 19% relativ niedrig vor, genauso wie die Steigerung von 21 auf 22 von 3,7%. Aber eventuell liegt dies an langfristigen lieferverträgen, die vor 22 abgeschlossen wurden.
Und zu den Ausgaben der BW (Ich bitte um Entschuldigung für das OT, Herr W):
Warum holt man sich als IBuK nicht mal einen externen Berater, der wirklich Ahnung hat, z.B. einen „Organisationsberater“, der in den israelischen Streikräften ist und Ahnung von Strukturen, aber auch Beschaffung, dort hat? Mir ist klar, dass das niemals wahr werden wird, aber wäre es nicht schön? Eine Armee, die „vom Ende her“ gedacht ist, von der Effektivität?
@SGdR:
Die wesentliche Herausforderungen die wir in Deutschland haben sind die Auslegungen der Rechtslage, so wird seitens des Bundesrechnungshof nicht die Effektivität des zu beschaffenden Materials fokussiert, sondern die Effizienz.
Wir reden hier alle immer von der Zeitenwende, aber dieser „Grundgedanke“ ist leider noch nicht durch alle Bereiche der Bevölkerung, der staatlichen Institutionen und Bundesressorts verinnerlicht.
Aber ich will hier nicht wieder eine endlose Grundsatzdiskussion anfangen.
@ T.Wiegold:
Haben Sie nähere Aufschlüsselungen zu den Militärausgaben der CHN? Bei dem was die beschaffen, entwickeln und auch an Personal im Militär haben, kommt mir die Zahl von 292 Milliarden US-Dollar dennoch zu gering vor.
Daß die Bw so schlecht dasteht haben wir auch und insbesondere dem BRH mit seinen Einsparvorschlägen zu verdanken.
Sicher, nicht alle Anregungen waren / sind schlecht, aber es gilt eben auch: Haben ist besser als Brauchen.
Diese Statistik ist nur von äußerst begrenzter Aussagekraft, weil methodisch eine Unmöglichkeit besteht, Vergleichbarkeit herzustellen.
Die Entwicklung je Staat lässt evtl Rückschlüsse zu, allerdings ist auch da nicht transparent, ob es eine Konstanz in den Zurechnungen tatsächlicher Ausgaben für militärische Zwecke auf die getrackten Budgets gibt. Insofern sind diese jährlichen Veröffentlichungen mehr Ärgernis als Quell der Erkenntnis.
@SGdR @ Thomas Becker „Die Steigerung von 2013 zu 2022 von 19%, genauso wie die Steigerung von 21 auf 22 von 3,7%.“ Hm… Rezession und Stagnation! Sieht so aus, als hätte SIPRI es übertrieben, aber das ist noch lange nicht vorbei… Regards.
Neben der eingangs erwähnten Inflation wäre auch interessant, ob es sich um absolute Zahlen handelt oder ob eine Kaufkraftbereinigung erfolgt ist. Das wäre sogar noch viel wichtiger. Mit einem Dollar in China kommt ich weiter als in den USA.
Wer den verlinkten Artikel liest findet unten auf der Seite folgenden Link:
https://www.sipri.org/databases/milex
da gibt es Erklärungen, wie die zahlen zustande kommen. Da braucht sich hier kleiner zu fragen oder Zweifel an der Vergleichbarkeit der Zahlen zu äußern. Lesen hilft und verschafft Klarheit. Wem das nicht reicht, es sind auch noch weiterführende Links vorhanden.
@Pio-Fritz:
Genau.
Da finden sich mannigfache Erklärungen hinsichtlich der ausgewerteten Quellen, der Versuche (!) zur Abgrenzung etc … und wenn Sie sich das einmal ein wenig genauer durchlesen (ich weiß nicht wie viele Stunden Sie darauf verwenden möchten und kenne Ihren beruflichen Background auch nicht), erkennen Sie unschwer die Schwächen der Methodik. Das ist keine Behauptung schlechter Arbeit seitens SIPRI, nur sind die Datengrundlagen eben sehr, sehr unterschiedlich je betrachtetem Land. Diese Einschränkung macht SIPRI an vielen Stellen übrigens selbst; nur liest das kaum jemand.
Zusätzlich öffnet sich aufgrund der verwendeten Methodik noch das unendlich weite Feld der Kaufkraft-Bewertung (je Land und pro Land in der Zeitreihe). Es gibt nichts à la „Big Mac Index“ in dieser Thematik, mit der man seriös Relationen zwischen „gemessenem“ Budget-Einsatz und erzieltem militärischem Nutzen aufstellen könnte, sofern man kein Geheimdienst ist.
Und zu guter Letzt ist noch der Einfluss von Inflation (kann nur geschätzt werden, da kein Warenkorb für militärische Güter & Dienstleistungen bekannt ist) und der Währungsschwankungen zu nennen … das kann SEHR verzerren.
Es ist nicht so einfach, wie kurze Zusammenfassungen für Pressemappen es darzustellen versuchen.
@Thomas Becker sagt: 24.04.2023 um 14:32 Uhr
Ich bin da vollkommen bei Ihnen, auch ich halte die Aussagekraft der SIPRI-Studien für sehr begrenzt. Ich möchte nur den ewigen Spekulationen vorbeugen, Die Methodik kann auf der SIPRI-Website nachlesen, auch jenseits von verkürzten Pressemeldungen, man muss nichts „meinen“ oder „mutmaßen“.
Solange die Militärausgaben nicht aller Staaten wirklich transparent und vergleichbar sind halte ich den jährlichen Bericht von SIPRI für relativ überflüssig. Und das bei steigenden Preisen jedes Jahr noch höhere Ausgaben als das Letzte erzeugt ist eine Binsenweisheit. Und bei den Ausgaben der Bundeswehr wird gerne über das Beschaffungssystem gelästert, aber die wirkliche Ursache im Bereich der Politik ausgeblendet. Die Bundeswehr wollte am Anfang keinen A400 sondern nur einen Ersatz für die Lufttransportfähigkeiten. Eine Kombination von marktverfügbaren C17, Hercules und C 27J Spartan hätte alle Anforderungen erfüllt. Aber es war der politische Wille den Auftrag an Airbus zu vergeben, obwohl diese Firma null Erfahrungen mit militärischen Transportflugzeugen hatte. Die C17, Hercules und C 27J Spartan hätte man von Anfang an in Zusammenarbeit mit anderen NATO-Partnern betreiben können. Aber auf politischen Druck wurde am Anforderungsprofil solange rummodifiziert bis der A400 die einzig mögliche Lösung war. Als dann die Kosten aus dem Ruder liefen wollte die Politik das Vorhaben nicht beenden weil Airbus mit dem Verlust von 10tausenden Arbeitsplätzen drohte. Und überraschender Weise haben wir zwischenzeitlich auch Hercules und betreiben sie zusammen mit den Franzosen und die Luftwaffe hat auch schon den Bedarf an einem Transportflugzeug geringerer Leistung entdeckt. Die Milliarden die bei der A 400 versenkt wurden gehen nicht zu Lasten des Beschaffungssystems der Bundeswehr sondern zu Lasten der Politik! Und wenn jetzt über Entwicklungszeiten geschimpft wird: Marktverfügbar sind meistens Modelle der letzten Generation (will ich sowas wirklich noch beschaffen?) und das häufig nur im Ausland, und schon kommen die Politiker und fordern Beschaffung im Inland. Die größten Probleme haben sicher nichts mit dem Beschaffungsverfahren zu tun. Und bei obskuren Beschaffungsvorhaben fällt mir noch Helmut Kohl der der Tiger ein.