USA evakuieren Botschaft im Sudan, europäische Evakuierungsmissionen angelaufen (Updates: Schweden, UK)

Während die Kämpfe zweier verfeindeter militärischer Gruppierungen im Sudan anhalten und das Land weiter ins Chaos stürzen, haben die militärischen Evakuierungsmissionen westlicher Staaten in der Hauptstadt Khartum begonnen. US-Soldaten holten in der Nacht zum Sonntag ihr Botschaftspersonal aus dem Land. Ein französischer Botschaftskonvoi wurde nach sudanesischen Angaben angegriffen. Frankreich und andere europäische Länder hatten zuvor den Beginn ihrer Operationen angekündigt. Der – sicherlich unvollständige – Überblick am Sonntagmittag:

• Die US-Botschaft in Khartum wurde evakuiert; rund 70 Diplomaten und ihre Angehörige wurden aus der umkämpften Hauptstadt gerettet. Die Mission machte US-Präsident Joe Biden am späten Samstagabend (Ortszeit Washington) öffentlich:

Today, on my orders, the United States military conducted an operation to extract U.S. Government personnel from Khartoum. I am proud of the extraordinary commitment of our Embassy staff, who performed their duties with courage and professionalism and embodied America’s friendship and connection with the people of Sudan. I am grateful for the unmatched skill of our service members who successfully brought them to safety. And I thank Djibouti, Ethiopia, and Saudi Arabia, which were critical to the success of our operation.

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurde die Operation von Spezialkräften unter anderem mit drei Transporthubschraubern des Typs MH-47 Chinook durchgeführt, die vor dem Anflug auf Khartum in Äthiopien einen Tankstopp machten. An dem Einsatz seien gut 100 US-Soldaten beteiligt gewesen. Die US-Regierung machte zugleich deutlich, dass ihre Evakuierung damit abgeschlossen und eine solche militärisch gesicherte Abholung für US-Staatsbürger im Land nicht geplant sei. Nach Schätzungen von US-Medien halten sich zwischen 16.000 und 19.000 US-Bürger im Sudan auf, viele von ihnen Doppelstaatler.

• Frankreich kündigte eine Evakuierungsoperation an, die auch mit den europäischen Partnern abgestimmt sei. Diese Mission hatte allerdings am Sonntag offensichtlich Probleme, nach sudanesischen Angaben wurde ein Konvoi mit französischen Diplomaten angegriffen und dabei ein Franzose verletzt. Die sudanesische Armee und ihr Gegner, die (para)militärischen Rapid Support Forces (RSF), beschuldigten sich gegenseitig dieses Angriffs. Aus der – auf Englisch veröffentlichten – Mitteilung der RSF:

On the morning of 23 April 2023, the Rapid Support Forces were attacked by aircraft during the evacuation of French nationals from their embassy, passing through Bahri to Omdurman, which endangered the lives of French nationals by injuring one of them and the survival of the rest of the convoy members. The Rapid Support Forces indicate that, in full coordination with the French government, the evacuation convoy of French nationals moved this morning from the French embassy and crossed the city of Bahri to Omdurman whereby it was attacked and the aircraft was shot down. This flagrant violation of international and humanitarian law and the declared truce was witnessed and attended by members of the French embassy that documented the incident. In the face of this cowardly attack to preserve the safety of the French nationals, the Rapid Support Forces had to return the convoy to the first starting point.

Dagegen erklärte die sudanesische Armee laut Medienberichten, die RSF hätten diesen Angriff verübt. Aus Paris gab es dazu zunächst keine Aussage.

• Der Angriff auf den französischen Evakuierungskonvoi zeigt das Hauptproblem für die Diplomaten und Ausländer in Khartum: Die französische Botschaft im Sudan liegt zwar in unmittelbarer Nähe des Flughafens; der Airport ist jedoch angesichts der anhaltenden Kämpfe nicht nutzbar. Der französische Konvoi war offensichtlich auf dem Weg zu einem von der sudanesischen Armee kontrollierten Luftwaffenstützpunkt nördlich der Hauptstadt; der auf Afrika spezialisierte Kollege Wassim Nasr vom Sender France24 zeigte ihn auf einem Luftbild der Region:

Der Militärflughafen rund 25 Kilometer nördlich der Hauptstadt dürfte für etliche Nationen ein Anlaufpunkt für mögliche Evakuierungsmissionen werden; es handelt sich um den einzigen Airstrip mit längerer Landebahn in der Umgebung Khartums. Das Flugfeld von Wadi Seidna wurde bereits im Zweiten Weltkrieg von den Briten angelegt; in den 1970-er Jahren wurde es mit sowjetischer Hilfe ausgebaut. Die Start- und Landebahn ist nach den spärlich vorhandenen öffentlichen Informationen knapp 3.000 Meter lang. Kontrolliert wird der Flugplatz offensichtlich weiterhin von den sudanesischen Streitkräften.

Karte von Khartum und Umgebung: Wadi Seidna im Norden; im Süden der Flughafen von Khartum und nördlich davon die deutsche Botschaft
Karte von Khartum und Umgebung: Der Luftwaffenstützpunkt Wadi Seidna im Norden; im Süden der Flughafen von Khartum und nördlich davon die deutsche Botschaft (Karte: OpenStreetMap)

• Für Sonntag war ein Konvoi der Vereinten Nationen geplant, der UN-Personal aus Khartum auf dem Landweg in den Hafen von Port Sudan bringen sollte. Ob er wie geplant startete, blieb zunächst unklar.

• Die Bundesregierung äußerte sich am Sonntag zunächst nicht zu einer möglichen deutschen Evakuierungsmission. Seit mehreren Tagen stehen auf der Air Base Al Azrak in Jordanien A400M-Transportmaschinen der Luftwaffe bereit, um mit für solche Operationen ausgebildeten Fallschirmjägern deutsche Staatsbürger aus dem Sudan zu holen.

• Die niederländische Regierung kündigte den Beginn einer internationalen Evakuierungsoperation an; ob damit mehrere nationale Missionen oder eine koordinierte europäische Aktion gemeint ist, blieb vorerst unklar.

• Nachdem das schwedische Parlament einem Einsatz des Militärs zugestimmt hatte, haben die Streitkräfte des Landes eine Evakuierungsoperation begonnen. Das teilte Außenminister Tobias Billström mit:

Die Schwedischen Streitkräfte sind bereits in der Region im Einsatz und bereit, den Auftrag zur Evakuierung der Schweden im Sudan auszuführen. Außenminister Tobias Billström sagte gegenüber SR Ekot: „Es ist dringend, es gibt jetzt ein Zeitfenster, das auf brüchigen Waffenstillständen und Dialogen mit den Kriegsparteien basiert.“ Das schwedische Militär hat nach dem Parlamentsbeschluss vom Sonntagmorgen bereits mit der Evakuierung der Schweden im Sudan begonnen, so der Außenminister.

• Großbritannien hat seine Evakuierungsmission am Sonntag bereits abgeschlossen, wie Verteidigungsminister Ben Wallace via Twitter mitteilte. Zur Zahl der Evakuierten machte er zunächst keine Angaben:

This morning, UK Armed Forces undertook a military operation alongside the US, France & other allies. They have evacuated British Embassy staff & their dependants from Khartoum due to the escalating threats.
The operation involved more than 1200 British personnel from 16 Air Assault Brigade,the Royal Marines and the RAF. I am grateful to all our partners including Cyprus. I want to pay tribute to the bravery and professionalism of our armed forces.

Die britischen Streitkräfte beschränkten ihre Operation – wie die USA – auf ihr diplomatisches Personal, wie der Guardian berichtet:

The UK has successfully evacuated its diplomatic staff from Khartoum, the UK foreign secretary, James Cleverly, has said, citing the escalating threats against foreign diplomats, but said UK nationals living in Sudan remained in the country.
Rishi Sunak also announced the evacuation, saying British armed forces had carried out “a complex and rapid” military operation.
With British citizens still trapped by the fighting in Khartoum, the news that diplomats have been prioritised is likely to cause deep concern, but Cleverly on Sunday said the top priority remained the safety of British nationals.

Update: Nach übereinstimmenden Angaben von Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium via Twitter ging am Sonntagnachmittag die deutsche Evakuierungsaktion los. (Vorsorglicher Hinweis: Die Fotos sind ganz offensichtlich Archivbilder)

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