Bundeswehr beginnt Evakuierungsmission im Sudan (Neufassung, m. Update)

Im von Kämpfen rivalisierender militärischer Gruppen erschütterten Sudan haben Bundeswehr und Auswärtiges Amt eine Evakuierungsmission begonnen. Mit A400M-Transportern der Luftwaffe sollen deutsche Staatsbürger von einem Militärflughafen nahe der Hauptstadt Khartum ausgeflogen werden. Zuvor hatten die USA und Großbritannien ihr diplomatisches Personal ausgeflogen und Frankreich ebenfalls eine Evakuierung gestartet.

Den Beginn der erwarteten Operation teilten das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt am Sonntagnachmittag auf Twitter mit:

Update: Auf dem Militärflughafen Wadi Sayyidna (je nach Transkription auch Seidna) nahe der sudanesischen Hauptstadt landeten am Sonntagnachmittag zwei A400M-Transportmasschinen der Luftwaffe, um deutsche Staatsbürger aufzunehmen. Das erste Flugzeug landete nach Angaben des Verteidigungsministeriums um 1550, das nächste knapp zwei Stunden später.

In einem Rundschreiben per E-Mail waren deutsche Staatsbürger zuvor aufgefordert worden, sich zu diesem Flugfeld nördlich von Khartum zu begeben: Aufgrund der Umstände vor Ort ist eine Abholung an Ihrem Standort nicht möglich und wir müssen Sie bitten, selbständig und auf eigenes Risiko zum Flughafen zu kommen. Die Lage ist weiterhin sehr volatil, Kampfhandlungen halten trotz angekündigter Waffenruhe an vielen Orten an.

Karte von Khartum und Umgebung: Der Luftwaffenstützpunkt Wadi Seidna im Norden; im Süden der Flughafen von Khartum und nördlich davon die deutsche Botschaft (Karte: OpenStreetMap)

Das Flugfeld von Wadi Seidna wurde bereits im Zweiten Weltkrieg von den Briten angelegt; in den 1970-er Jahren wurde es mit sowjetischer Hilfe ausgebaut. Die Start- und Landebahn ist nach den spärlich vorhandenen öffentlichen Informationen knapp 3.000 Meter lang. Kontrolliert wird der Flugplatz offensichtlich weiterhin von den sudanesischen Streitkräften. Der Flugplatz wird von mehreren europäischen Nationen für die laufenden Evakuierungsflüge genutzt. Der zivile Airport von Khartum liegt im umkämpften Stadtgebiet und ist teilweise zerstört.

Die Deutschen sollen nach Al Azraq in Jordanien ausgeflogen werden. Dort betreibt die Bundeswehr einen Luftstützpunkt, der seit Jahren der Unterstützung für die deutsche Beteiligung an der Anti-IS-Koalition im Irak dient. Auf der Basis waren in den vergangenen Tagen Flugzeuge und Fallschirmjäger in Bereitschaft gehalten worden.

Frankreich hatte bereits am Sonntagmorgen den Beginn einer Evakuierungsoperation angekündigt, die auch mit den europäischen Partnern abgestimmt sei. Diese Mission hatte allerdings offensichtlich Probleme, nach sudanesischen Angaben wurde ein Konvoi mit französischen Diplomaten angegriffen und dabei ein Franzose verletzt. Die sudanesische Armee und ihr Gegner, die (para)militärischen Rapid Support Forces (RSF), beschuldigten sich gegenseitig dieses Angriffs. Aus der – auf Englisch veröffentlichten – Mitteilung der RSF:

On the morning of 23 April 2023, the Rapid Support Forces were attacked by aircraft during the evacuation of French nationals from their embassy, passing through Bahri to Omdurman, which endangered the lives of French nationals by injuring one of them and the survival of the rest of the convoy members. The Rapid Support Forces indicate that, in full coordination with the French government, the evacuation convoy of French nationals moved this morning from the French embassy and crossed the city of Bahri to Omdurman whereby it was attacked and the aircraft was shot down. This flagrant violation of international and humanitarian law and the declared truce was witnessed and attended by members of the French embassy that documented the incident. In the face of this cowardly attack to preserve the safety of the French nationals, the Rapid Support Forces had to return the convoy to the first starting point.

Dagegen erklärte die sudanesische Armee laut Medienberichten, die RSF hätten diesen Angriff verübt. Aus Paris gab es dazu zunächst keine Aussage.

Die USA und Großbritannien beschränkten – nach den bisherigen Informationen – ihre Evakuierungsmissionen auf das diplomatische Personal ihrer Botschaften im Sudan. In der Nacht zum Sonntag wurde die US-Botschaft in Khartum evakuiert; rund 70 Diplomaten und ihre Angehörige wurden aus der umkämpften Hauptstadt gerettet. Die Mission machte US-Präsident Joe Biden am späten Samstagabend (Ortszeit Washington) öffentlich:

Today, on my orders, the United States military conducted an operation to extract U.S. Government personnel from Khartoum. I am proud of the extraordinary commitment of our Embassy staff, who performed their duties with courage and professionalism and embodied America’s friendship and connection with the people of Sudan. I am grateful for the unmatched skill of our service members who successfully brought them to safety. And I thank Djibouti, Ethiopia, and Saudi Arabia, which were critical to the success of our operation.

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurde die Operation von Spezialkräften unter anderem mit drei Transporthubschraubern des Typs MH-47 Chinook durchgeführt, die vor dem Anflug auf Khartum in Äthiopien einen Tankstopp machten. An dem Einsatz seien gut 100 US-Soldaten beteiligt gewesen. Die US-Regierung machte zugleich deutlich, dass ihre Evakuierung damit abgeschlossen und eine solche militärisch gesicherte Abholung für US-Staatsbürger im Land nicht geplant sei. Nach Schätzungen von US-Medien halten sich zwischen 16.000 und 19.000 US-Bürger im Sudan auf, viele von ihnen Doppelstaatler.

Auch Großbritannien hat seine Evakuierungsmission am Sonntag bereits abgeschlossen, wie Verteidigungsminister Ben Wallace via Twitter mitteilte. Zur Zahl der Evakuierten machte er zunächst keine Angaben:

This morning, UK Armed Forces undertook a military operation alongside the US, France & other allies. They have evacuated British Embassy staff & their dependants from Khartoum due to the escalating threats.
The operation involved more than 1200 British personnel from 16 Air Assault Brigade,the Royal Marines and the RAF. I am grateful to all our partners including Cyprus. I want to pay tribute to the bravery and professionalism of our armed forces.

Die britischen Streitkräfte beschränkten ihre Operation – wie die USA – auf ihr diplomatisches Personal, wie der Guardian berichtet:

The UK has successfully evacuated its diplomatic staff from Khartoum, the UK foreign secretary, James Cleverly, has said, citing the escalating threats against foreign diplomats, but said UK nationals living in Sudan remained in the country.
Rishi Sunak also announced the evacuation, saying British armed forces had carried out “a complex and rapid” military operation.
With British citizens still trapped by the fighting in Khartoum, the news that diplomats have been prioritised is likely to cause deep concern, but Cleverly on Sunday said the top priority remained the safety of British nationals.

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