Sicherheitshalber der Podcast Folge 69: Wehrpflicht, Dienstpflicht, Reserve: Müssen jetzt alle ran? | Zahlen zum globalen Waffenhandel
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 69 sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich über die ausgesetzte Wehrpflicht und ob (und wie) sie wieder eingesetzt werden soll, kann, darf. Außerdem darüber, ob eine Dienstpflicht eine Alternative sein kann. Und nicht zuletzt sprechen wir über die Reserve. Wie funktioniert die eigentlich?
Im zweiten Teil stehen die aktuellen Zahlen zum globalen Waffenhandel vom schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI zur Diskussion. Abschließend wie immer der “Sicherheitshinweis”, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit Großmachtpolitik rund um Saudi Arabien, das ausbleibende Cyber-Armageddon in der Ukraine, Bundeswehr-Erdbeben-Hilfe für die Türkei und Rikes letzter Depesche aus London – zu den Falkland Inseln und der neuen Sicherheitsstrategie.
Wehrpflicht: 00:04:46
Waffenhandel: 01:04:53
Fazit: 01:15:12
Sicherheitshinweise: 01:17:49
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Sicherheitshalber Live, Do., 13.4., Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Berlin
Sicherheitshalber Live ist zurück in Berlin! Thomas Wiegold, Frank Sauer, Ulrike Franke und Carlo Masala diskutieren live und in Farbe aktuelle Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Und Phoenix TV ist wie immer mit dabei.
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Thema 1: Dienstpflicht, Wehrpflicht und Reserve
Franz-Stefan Gady, For Europe, Military Conscription Is No Answer to Russia’s War , Foreign Policy, 14.02.2023
Kai Clement, Was gegen die Wehrpflicht spricht, tagesschau.de, 09.02.2023
Ipsos Umfrage zur Wiedereinführung der Wehrpflicht, 9.3.2023
Thema 2: Rüstungsim- und exporte
Pieter D. Wezeman, Justine Gadon and Siemon T. Wezeman, Trends in International Arms Transfers, SIPRI, 13.03.2023
Sicherheitshinweise:
Carlo: Saudi Arabien-China-USA
https://www.nytimes.com/2023/03/09/us/politics/saudi-arabia-israel-united-states.html
&
https://www.nytimes.com/2023/03/11/us/politics/saudi-arabia-iran-china-biden.html
Frank: Ukraine: Kein Cyber-War, weil ist nicht.
https://www.heise.de/hintergrund/Ukraine-Krieg-Warum-die-russischen-Cybertruppen-in-der-Ukraine-gescheitert-sind-7542158.html
Thomas: Bundeswehr-Feldlazarett für das türkische Erdbebengebiet
https://www.presseportal.de/pm/122038/5458678
Rike: Neuigkeiten von den britischen Inseln:
Falkland Inseln: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/argentinien-beendet-falklandinseln-pakt-mit-grossbritannien-18718043.html
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Bin seit der Münchenfolge wieder dabei.
Sehr interessant diesmal.
Hatte mich abgewandt als der Marsala wegen des Ukraine kriegs an keinem mikro vorbei konnte ohne seine Meinung reinzusprechen. Finde den Krieg auch scheiße, aber irgendwie hatte ich eine unparteiische Draufsicht erwartet.
Aber der schläft sicher in gelb blauer Bettwäsche.
Herr Wiegold. Haben Sie daran gedacht Herrn pistorius in den Podcast einzuladen?
Könnte mir vorstellen, daß er zusagt.
Grüße.
[Hm. Wird Sie nicht überraschen, dass ich Ihre Einschätzung von Carlo Masala nicht teile. Ansonsten: Wir haben bislang – von der Ausnahme bei einer Geburtstagsfolge abgesehen, da ging’s aber um Blattkritik und nicht um politische Aussagen – keine Politiker in den Podcast eingeladen. T.W.]
Bislang fand ich alle Folgen sehr spannend, aber diese Folge konnte ich stellenweise kaum ertragen, weil fachlich zu einseitig bzw. extrem verkürzend. Leider habe ich heute Abend kaum Zeit, aber einige Stichworte sollen es doch sein: Wo ist die negative Rolle der Arbeitgeber, besonders des Öffentlichen Dienstes bei Freigabe für Reservedienstleistungen? Fehlende Reservistenprogramme im Öffentlichen Dienst? Wo ist die Territorialreserve mit ihren 5300 Dienstposten? Da wird eine wichtige Aufgabe komplett von Res getragen. Weit verbreitete „Kultur der Verachtung“ gegenüber Reservisten durch sehr viele aktive Offiziere? Viel zu negative Sicht auf die alte Wehrpflicht, wenn NUR auf die unzufriedenen Schreihälse mit „Gammeldienst und trotteligen Ausbildern“ geschaut wird. Vielleicht eine militärische Verachtung der Wehrpflichtigen anhand eigener Vorurteile?? Natürlich kennt jeder jemanden der jemanden kennt, der sich über Gammeldienst beschwert hat. Ich kenne ehem. Wehrpflichtige, die motiviert mehr NATO-Großübungen mitgemacht haben, als alle SAZ in den letzten zehn Jahren. Bei der Berechnung der Jahrgangsstärken den Bedarf der BOS nicht bedacht und den Anteil der Nicht-Deutschen zu niedrig angesetzt, etc., etc.. Richtig sauer bin ich aber, weil der Einsatz von Wehrpflichtigen in die Nähe des russischen Kanonenfutters gerückt wurde. Auch die Ukraine setzt hundertausende von Wehrpflichtigen ein, aber eben anhand ihrer militärischen Vorausbildung oder ziviler Fähigkeiten und nach bestem Wissen und Gewissen trainiert. Wie so oft wird völlig übersehen, dass die russische Armee den Krieg hauptsächlich mit Berufs- und Zeitsoldaten begonnen hat und von einer weitgehend aus Wehrpflichtigen bestehenden Armee ausgebremst wurde. Die russ. Mobilisierten sind zum großen Teil ehemalige Kontrakniki – und nur zum Teil Wehrpflichtige! … FAZIT: heute leider keine differenzierte kundige Debatte. Schade.
Noch am ehesten der richtige Platz dafür:
Preis der Bundespressekonferenz für Thomas Wiegold
https://www.deutschlandfunk.de/preis-der-bundespressekonferenz-fuer-thomas-wiegold-100.html
Glückwunsch Herr Wiegold! Vielen Dank für Ihre Arbeit, die mir persönlich die Meinungsbildung im Bereich SiPo, MiPo erheblich erleichtert.
[Danke sehr. Vorsorglich weise ich darauf hin, dass der DLF ein zehn Jahre altes Foto aus dem Archiv genommen hat ;-) T.W.]
Glückwunsch zum Preis der Bundespressekonferenz! In der Tat ist Augen geradeaus unglaublich wichtig in der sicherheitspolitischen Debatte.
@Windlicht
‚mal schauen wie die für beorderte Reservisten nun obligate SÜ 1 ins Kontor schlägt.
Daß die Grundbeorderung nicht wie geplant umgesetzt wurde ist ein Organisationsversagen denn man hätte die Ausscheider zumindest auf ihrem letzten DP einplanen können, ggf. auch nur vorübergehend. Dazu brauche ich auch keine zusätzlichen Stellen.
O.T.: @T.W. :Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Preises der Bundespressekonferenz auf Ihrem Fachgebiet!
Der Grund warum man das LLRZ aus den MilEvakOp des KdoSES nimmt, ist ganz einfach. Es gibt kein Zweites (Stichwort Reserve). Alles andere an Role 2E ist auf Containerbasis und nicht luftverlastbar.
Das war ich an der Sache eigentlich bemerkenswert finde, ist doch wie lange es bitteschön gedauert hat. Denn gerade das ist doch die Kernfähigkeit des LLRZ. Initiale Einsatzbereitschaft nach 1,5 h. FOC nach 4 h. Woran lags, dass wir das Ding erst jetzt dahin bringen. In der Zeit hätten wir ein RZ auf Containern mit LKW dahinfahren können.
Gratuliere zum – m.E. verdienten – Preis. Die Folge konnte ich zeitbedingt leider noch nicht hören.
Ich muss mich leider Windlicht anschließen: Die Folge fällt inhaltlich von der Qualität gegenüber anderen Folgen deutlich ab. Die Bestandsaufnahme – was ist mit Aussetzung der Wehrpflicht geschehen, was an Strukturen (nicht mehr) da – war aus meiner Sicht noch gut. Die weitere Diskussion blieb aber aus meiner Sicht beim „Stimmungsbild“ und bloßen Wiedergeben von Aspekten aus der öffentliche Debatte stehen. Aus meiner Sicht hätten eine Auseinandersetzung mit folgenden Gesichtspunkten der Diskussion gutgetan:
1. Militärisch: Wie der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt, braucht es im Ernstfall eine Aufwuchsfähigkeit der Streitkräfte, in Deutschland als „Drehscheibe“ und Aufmarschgebiet auch und vor allem, um militärische Anlagen und kritische Infrastruktur „zuhause“ zu schützen, und als helfende Hände, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und und die „aktive Truppe“ zu entlasten – dafür braucht es m.E. keine hochgradige Spezialisierung, sondern vor allem eine militärische und infanteristische Grundausbildung – mit einem „Verheizen in Wellen“ hat das nichts zu tun.
2. Rechtlich: Die Wehrpflicht nach Art. 12a GG heißt nicht nur „Dienst in den Streitkräften“, sondern ermöglicht auch Pflichtdienst in Zivilschutzverbänden. Insofern wäre ein „Allgemeiner“ Pflichtdienst zulässig.
3. Vergleichsmodelle: Andere Länder haben durchaus Wehrpflicht- oder Freiwilligenmodelle, die Lösungsansätze bieten könnten, z.B. die Schweiz mit ihrem Milizmodell oder Schweden mit der „Hemvärnet“.
Das Ergebnis der Diskussion habe ich sehr als vom „Ist“-Zustand bestimmt wahrgenommen („Wehrpflicht ergibt keinen Sinn, weil die Strukturen nicht da sind“).
Vielleicht wäre es doch gut gewesen, wie sonst einen „Experten“ oder eine „Expertin“ zu Wort kommen zu lassen?
@Thomas Melber sagt: 14.03.2023 um 21:52 Uhr
„Daß die Grundbeorderung nicht wie geplant umgesetzt wurde ist ein Organisationsversagen …“
Und dabei ist das reservistenwesen relativ hoch aufgehänt bei der Bw. Verantwortlich ist der stellvertretende Generalinspekteur! Und trotzdem bringt man die PS nicht auf die Straße. Umsetzung der „Strategie der Reserve“aus 2019 nahezu Null. Der daraus resultierende Auftrag wurde und wird nicht erfüllt. Setzen, sechs.
Schön, dass Herr Wiegold genau das beschreibt, was in meiner Generation üblich war. Die einen verweigern vorab und besorgen sich angenehme Zivi Stellen. (gar nicht so dumm).
Die anderen spielen Lotto, weil Sie drauf abzielen 1. ausgemustert zu werden oder 2. in der Lotterie letzten Endes nicht gezogen zu werden. (auch irgendwie nicht dumm, man gewinnt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Jahr gutes Gehalt, dass sind bei beruflichem Erfolg sechsstellige Summen)
Auch sehr gut die Diskussion um die Reserve. Meines Erachtens müsste doch eigentlich eine Reservistenarmee das sinnvollere sein. Wer Zeitsoldat in der BW werden will, sollte doch danach auch in der Reserve dienen, diese müssten doch eigentlich auch ordentlich was drauf haben, was man dann üblicherweise nicht allzu schnell verlernt. Dass das dann natürlich auch attraktiv gestaltet werden sollte ist auch klar.
Freiwillige „Wehrpflicht“ gibt es doch quasi. Die Bundeswehrseite heißt exakt so ;). Wird im übrigen auch besser bezahlt als der BUFTI, der bekommt nämlich von 0!!! Euro bis maximal 438 Euro TASCHENGELD.
Das Anschreiben klingt wie ein Anschreiben zur Vorsorge oder Impfung….ob das wirklich was bringen würde?
Was passiert bei denen, die bei der Dienstpflicht durch die Hintertür sagen „joah ich geh zur BW“ (weil ich im Hinterkopf habe, dass ihr von 300000 Leuten im Jahr nur 10000 in die BW lasst). Wer nicht in der BW als Wehrpflichtiger genommen wird, fällt dann hinten runter oder muss der dann plötzlich doch Zivi machen. Und wäre dass dann mit Zwangsdienst für Landesverteidigung konform?
Die sozialen Dienste können auch über das BUFTI Niveau wirklich keine Zivis mehr gebrauchen. Die RTW Besatzungen (Notfallsanitäter) sind absolute Spezialisten vor denen ich allerhöchsten Respekt habe. Da zu sagen, da packen wir jetzt statt 2 Fachleuten, 1 Experten und 1 Zivi rein ist sowas von Respektlos. Das geht in der Krankenpflege weiter….selbst auf Kinder aufpassen darf ein Zivi schlicht nicht mehr. Selbst bei Essen ausfahren sind das heute sozialversicherungspflichtige Jobs. Schlecht bezahlt keine Frage, aber richtige Jobs zu verdrängen für Zivis ist jetzt auch nicht wirklich sinnvoll.
Super Folge eines wie immer super Podcasts!
Ich möchte herausstellen, dass ich es gut finde, dass mal wieder in den Maschinenraum (hier: die Organisation Bundeswehr und ihre Zahnräder) der Sicherheitspolitik geblickt wurde.
Einen Aspekt will ich kurz jedoch mit einer Innenansicht ausleuchten. In der Debatte fiel das Argument, man könnte ja vielleicht die ausscheidenden Soldaten besser in eine Reserve einbinden. Dies wird sicherlich für einzelne Soldaten funktionieren, aber gerade viele Fachkräfte, die länger dabei waren, SaZ 4+ treffen meistens zum Ende Ihrer Verpflichtungszeit die bewusste Entscheidung auszutreten. Wer dabei bleiben will, schafft es in den meisten Fällen auf die ein oder andere Art drinnen zu bleiben.
Ich selber habe nach 13 Jahren ebenfalls bewusst die Bundeswehr verlassen und auch emotional mit der Organisation abgeschlossen. Ich bin jetzt Zivilist – durch und durch. Deswegen kommt auch der Reservedienst für mich nicht in Frage. Der Blick in meinen Freundeskreis zeigt auch, dass die meisten ehemaligen Soldaten so denken. Daher trägt auch aktuell das ganze Reservistenkonzept der Bundeswehr über ehemalige SaZ nicht.
Die aktuelle Reserve läuft fast nur über ehemalige Berufssoldaten, die in ihrer Pensionszeit noch ein bisschen die Verbindung zur Truppe halten wollen, oder „Lebenskünstler“, die mal Wehrpflicht gemacht haben und jetzt vom Geld angelockt werden.
Ich selber bin auch nicht bereit, jetzt noch für 0€, als Sonderdienst, auf irgendwelchen Bereitschaftslisten geführt zu werden. Mein „besonderes“ Dienstverhältnis gegenüber der Republik ist ja beendet. Daher ist es auch meine Einschätzung, dass das aktuelle Konzept – von sechs Jahren nach dem Ausscheiden noch irgendwo geführt zu werden – zu keiner Veränderung in der tatsächlichen Verfügbarkeit von einsatzfähigen Soldaten führen wird. Hier wird nur ein Papiertiger gefüttert, der in keiner Krise belastbar ist.
ehm-Offz Ja, Sie haben recht, diese Lebenskünstler gibt es. Davon habe ich einige kennengelernt. Aber das sind die Wenigsten. Zumindest in meiner Einheit und den Reserveeinheiten, die ich kennengelernt habe. In meiner Heimatschutzkompanie ist die Dichte an Ingenieuren, die gut bezahlte Jobs haben, recht hoch. Dazu kommen Juristen, Meister, Beamte und Fachkräfte. So etwas finden Sie in einer aktiven Infanterieeinheit eher nicht so. Da gibt es geballtes ziviles Fachwissen. Und was die Motivation von den Reservisten, die an Übungen teilnehmen, angeht, da kann sich mancher Aktiver, der zwanzig Jahre jünger ist, eine Scheibe abschneiden. Das Dumme ist nur, das es immer recht Wenige sind, die bei einer Übung auf dem Hof stehen. Und zwingen kann man niemanden.
@ehm-Offz: Sorry, massiver Widerspruch zu: „“Die aktuelle Reserve läuft fast nur über ehemalige Berufssoldaten, die in ihrer Pensionszeit noch ein bisschen die Verbindung zur Truppe halten wollen, oder „Lebenskünstler“, die mal Wehrpflicht gemacht haben und jetzt vom Geld angelockt werden““…… Das sind genau nur – als Spitze des Eisberges – die einfach und ohne Anstrengung wahrnehmbaren Fälle, die aber nicht repräsentativ für das Ganze sind. JA, es gibt die Zivilversager, die als „Dauerwehrübende“ ihre jährlich zehn Monate abdienen und JA, es gibt Ex-Berufssoldaten, die auf ihren alten Dienstposten noch Reservedienst leisten. DAS IST ABER EINE MINDERHEIT. Diese Leute verbrauchen wahnsinnig viele RDL-Tage, aber sie sind eben nicht die Masse. Wenn ich meine Vergleichsgruppe mit rund 70 StOffz Dienstposten betrachte, dann sind das vielleicht 10% +/-x. Die überwältigende Masse sind Leute, die voll im Beruf stehen, oft in verantwortlicher bzw. stand-alone Position, dass heißt, dass während des Wehrdienstes niemand ihre Arbeit übernimmt und nach Dienstschluss alles nachgearbeitet werden muss. In der Truppe sieht es ähnlich aus: einige „auffällige“ Dauerreservisten, aber diejenigen, die sich die drei-vier Wochen RDL im Jahr mit Erholungsurlaub, Überstunden und Betteln beim Chef zusammensparen, die sieht und würdigt keiner. Auch hier wieder ein Führungs- und Fürsorgeversagen bzw. Krücke statt Lücke. Nachtrag: war neulich bei einer Waffenausbildung mit sehr vielen Heimatschützern in den Dienstgraden Schütze bis Oberstabsgefreiter: Geld spielt da keine große Rolle, weil einfach nicht genügend RDL-Tage zusammenkommen Im ganzen Jahr im Schnitt vielleicht max. 20-25 Tage und das wäre schon viel. Meiner Erfahrung nach haben häufiger ex-SAZ die Haltung, dass sie nur des Geldes wegen gedient haben, während viele Reserveoffiziere trotz vieler Härten aus Überzeugung noch dabei sind. Bsp.: Wenn die Aktiven nach einem Dienst am Wochenende, bei dem auch Reservisten dabei waren, am Montag+Dienstag Überstunden abbauen, dann sind alle ResOffz am Montag früh wieder bei an der Arbeit, d.h. zwölf Tage Arbeit/Dienst ohne freien Tag.
Solange in aller Breite über „Zumutungen“ und Wehrpflicht/Dienstpflicht und Reserve
diskutiert wird, scheint die Bundeswehr kein wirkliches Personal- und/oder Aufwuchsproblem bei soviel Bedenkenträgertum zu haben. Nur, ohne Zumutungen geht es hier nicht und auch sonst nirgendwo! Also bleibt ein jeder in seiner Komfortzone und es bleibt bei kümmerlichen 183000 Mann/Frau und noch erbärmlicheren 30000 Reserve?!
Wie das wohl in Israel gehandhabt wird? Führen die auch so eine Luxusdebatte angesichts der Annäherung von Saudi Arabien und dem Iran. Zumindest ist man in Israel weit mehr angefressen und hochgradig alarmiert, ein absolut richtiger Sicherheithinweis.
@Windlicht sagt: 15.03.2023 um 17:47 Uhr
„Meiner Erfahrung nach haben häufiger ex-SAZ die Haltung, dass sie nur des Geldes wegen gedient haben, während viele Reserveoffiziere trotz vieler Härten aus Überzeugung noch dabei sind.“
Stimme Ihnen weitestgehend zu, aber kleiner Widerspruch.
Ich bin selbst ehemaliger SaZ 12 mit Studium ( zugebenermaßen mit Diplom) und seit mittlerweile 25 Jahren aktiver Reservist.
Die Mischung ist bunt und hängt von der persönlichen Motivation ab. Meine ist so, mit 60 Jahren aufzuhören, weil ich persönlich Ansprüche an meine körperliche Belastbarkeit habe. Für mich zählt immer noch „Führen durch Vorbild“, auch als Oberstleutnant A15. Und irgendwann ist einfach Schluss. Aber so lange versehe ich meinen Dienst mit Stolz und Ehre.
Bei meiner letzten einwöchigen RDL hat die Zahl der von mir ausgefüllten Papiere die Zahl der geleisteten Stunden übertroffen.
Man könnte, um Bürokratie zu vermeiden und die Kaltstartfähigkeit zu erhöhen, beorderte Reservisten etwa als geringfügig Beschäftigte o.Ä. führen, um sie „im System“ zu halten.
Ist schon interessant, dass man sich Urlaub für Reserveübungen aufheben muss.
Warum nicht einfach wie mit Elternzeit o. ä. verfahren. Rechtsanspruch plus Entschädigung Gehaltsausfall bis max XXX.
@Windlich und HErr Wege: Zustimmung, so auch mein Eindruck von damals. Und in gewisser Weise bestätigte das ja auch Ehm-Offz, nach dem Motto ich bin jetzt Zivilist. Das müsste auf jeden der nie zur Bundeswehr wollte noch viel mehr zutreffen, und darüber wird hier ja immer wieder diskutiert, eine Wehrpflicht ist Zwang.
Also einfach in den „Arbeitsvertrag“ eines Zeitsoldaten zukünftig schreiben, dass derjenige X Jahre Reservist zu sein hat, dass ist mit Sicherheit fairer als Wehrpflichtige!
@Pio-Fritz: sorry, ich beziehe mich nur auf eine bestimmt jüngere Generation von ausscheidenden SAZ der letzten Jahre! Der Bürokratismus kennt noch Steigerungen: obwohl nach $4 Reservegesetz in einem dauerhaften Wehrdienstverhältnis stehend, d.h. mit Truppenausweis und Dienst-IT voll ausgestattet und im Dienst, müssen diese Reservisten alle diese Formulare bei einer Reservedienstleistung noch einmal ausfüllen, sogar wenn es nur ein Tag ist. Für die Stehzeit in der Verwendung, für Beförderungen, für Tätigkeitsabzeichen etc. zählen dann z.B. nur die Tage als RDL, aber nicht dutzende von Tagen bzw. hunderte von Stunden in „Dienstlicher Veranstaltung“. Die Zahlen sehen dann oft so aus, dass nur 5-10 Tage RDL pro Jahr entstehen, aber (umgerechnet aus Stunden) dem gegenüber bis zu 20 Tage als (laufbahnmäßig wertlose) und natürlich unbezahlte Dienstliche Veranstaltung… in der Erfüllung des Auftrages… Ich kenne Reservisten, die monatelang regelmäßig in unzähligen Einzeln-DVag Corona-Einsätze koordiniert haben, aber danach nicht vom Hauptmann zum Major befördert werden konnten, weil diese geleistete Zeit nicht zählte, während alle anderen Voraussetzungen vorlagen. Und wir reden über rund 1500 Dienstposten, die mit einem dauerhaften Reservewehrdienstverhältnis besetzt werden können… Aus irgendeinem Grund möchte sich aber niemand damit befassen, hier ist die Resonanz ja auch gering und auch im Bericht der Wehrbeauftragten ist das Thema verschwunden, weil alle früheren Eingaben ohne Wirkung blieben… Die neuen (verlängerten) Anforderungen für Beförderungen von ResOffz werden dazu führen, dass viele Beförderungen unmöglich werden, weil es schlicht nicht die RDL – Tage gibt, obwohl der Auftrag ganzjährig erfüllt wird. @Dirk Wege: mit diesen immer bürokratischeren Rahmenbedingungen vertreibt man alle, die eigentlich einen echten Job haben. Aber niemanden interessiert es, wie manche Teile der Reserve aktiv an die Wand gefahren werden…
@Dirk Wege und @Windlicht, vielen Dank für eure Antworten. Ich möchte auf eure Argumente eingehen und dabei einige weitere Aspekte ansprechen, die ich für relevant halte.
@Dirk Wege, ich respektiere die Tatsache, dass in deiner Heimatschutzkompanie hochqualifizierte Fachkräfte wie Ingenieure, Juristen, Meister, Beamte und Fachkräfte vorhanden sind. Dennoch bleibe ich bei meiner Meinung, dass viele ehemalige SaZ bewusst die Bundeswehr verlassen und keine Verbindung mehr zur Organisation haben möchten – hier verliert die Bundeswehr die Reservisten, die es zum Aufrechterhalten eines Dienstbetriebes verwenden könnten. Das aktuelle Reservistenkonzept mag zwar gelegentlich Lücken schließen, aber im Krisenfall ist es meiner Meinung nach unzureichend, um aufgeriebene Verbände effektiv wieder aufzufüllen. Zudem sollte die Reserve nicht als eine Art Zeitarbeitsfirma fungieren, die lediglich hier und da einspringt – genau dazu dient aber ein Großteil der aktuellen Reserve.
@Windlicht, ich verstehe, dass es viele Reservisten gibt, die voll im Beruf stehen und aus Überzeugung trotz vieler Härten dabei sind. Allerdings führt dies wieder zu dem Punkt, dass das derzeitige Reservistenkonzept in einem Krisenfall möglicherweise nicht effektiv genug ist. Mit den angesprochenen 20 Tagen im Jahr ist im 21. Jahrhundert kein echter Fähigkeitserhalt möglich. Das ist keine Kritik an der Motivation der Leute, aber ein Mangel im System. Echte Reserve kann nur aus Soldaten gebildet werden, die die volle Ausbildung durchlaufen haben und dann regelmäßig in ihren ehemaligen Verbänden dienen – wie der im Podcast angesprochen „Leo-Fahrer“. Die aktuelle Reserve macht dies aber nur zu einem kleinen Teil und fungiert stattdessen größtenteils als Lückenschließer und Springer, die mal hier und da dienen.
Ich möchte nochmals betonen, dass das aktuelle Reservistenkonzept zwar in einigen Fällen Lücken schließen kann, aber im Falle einer Krise überhaupt nicht ausreicht, um den beabsichtigten Zweck zu erfüllen. Das wirft die Frage auf, wofür wir den ganzen Aufwand für das Reservistenkonzept betreiben, wenn es in einem Krisenfall nicht den beabsichtigten Zweck erfüllt. Um diese Herausforderung anzugehen, wäre es sinnvoll, das Konzept zu überdenken und Anreize für ehemalige SaZ zu schaffen, die bereit sind, im Falle einer Krise ihre Fähigkeiten und Erfahrungen erneut einzubringen.
Ich schätze eure Meinungen und Erfahrungen, aber ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass das aktuelle Reservistenkonzept nicht dazu trägt, wofür es eigentlich dienen sollte, nämlich um den Anforderungen eines Krisenfalls besser gerecht zu werden und das volle Potenzial der ehemaligen SaZ/voll ausgebildeten Soldaten zu nutzen.
@Windlicht:
Ich glaube beide Wahrnehmungen (@ehm-Offz) sind richtig und zutreffend, denn sie geben nur die jeweilige „Wahrheit“ wider.
Es ist etwas anderes, sich als ResOffz ein paar Wochen/Tage im Jahr mit dem „System-Bundeswehr“ herumzuschlagen, oder in den verschiedensten Verwendungen immer wieder vor den Koffer zu rennen, weil „Passierschein A38“ nicht ausgefüllt wurde oder ein anderer Formalismus nicht greift oder einfach kein Geld/Material da ist.
Ich kenne auch einige SAZ12, die – besonders nach dem Studium – voller Elan ihre erste Zugführer- oder Stabs-Verwendung hatten und deren Motivation ab da stetig abgeschliffen wurde, weil das System zu beharrlich war.
Da baut sich natürlich Frust auf und dann stellt man sich auch die Sinnfrage.
Kann die Kritik von Windlicht und RWU überhaupt nicht nachvollziehen. Vorallem die von RWU gelisteten Elemente wurden doch genau so diskutiert. Noch mal reinhören? Aus meiner Sicht eine sehr spannende Folge, viele Dinge decken sich mit meinen Erfahrungen. Auch die Übersicht von Frau Franken zu dem weltweiten Waffenexporten fand ich sehr erhellend.
Vielen Dank an das Podcast-team, dass Sie jeden Monat für uns den Podcast machen!
Im Podcast wurde die Frage, was “Shanghaien” bedeutet, nicht beantwortet. Der Begriff kommt aus der Piraterie. Hat man nicht die erforderliche Crew für ein Piratenschiff zusammen bekommen, wurden in der Nacht vor dem Auslaufen betrunkene Seemänner aus den Spelunken auf die Schiffe gebracht. Sie sind dann erst auf See wieder zu sich gekommen und wurden damit Zwangsrekrutiert.
Bezüglich der Frage, für was kann man Soldaten in 12 oder 18 Monaten ausbilden, folgende Gedanken. Deutschland wird bei einem Konflikt an der NaATO-Ostflanke Logistikdrehscheibe. Dies hat zur Folge, dass innerhalb Deutschland zahlreiche Liegenschaften bewacht und Transporte eskortiert werden müssen. Hier kann man Infanterie 1A einsetzen und wir haben ja auch genau die Verbände nicht mehr die ursprünglich dafür mal vorgesehen waren (z.B Luftwaffensicherungsstaffeln). Auch in der Ukraine haben sich wohl die lokalen Heimatschutzkräfte gut bewährt.
In der Folge wird etwa um Minute 40 herum überlegt, ob eine Musterung zusätzliche freiwillig Wehrdienstleistende bringen könnte, wenn es doch bereits jetzt die Möglichkeit gibt, sich jederzeit zu melden.
Dazu mein Gedanke: allein die Pflicht, sich mit der Möglichkeit eines Dienstes befassen zu müssen, wäre schon viel wert.
Bei der Organspende hat man, analog dazu, die Chance bislang verpasst, dass sich jeder Mensch zwingend äußern muss, ob er oder sie Organspender werden möchte.
„Bezüglich der Frage, für was kann man Soldaten in 12 oder 18 Monaten ausbilden,“
schon witzig. Man bildet innerhalb weniger Wochen UKR Soldaten an absoluten top West Gerät aus um sie in einen realen, echten Krieg zu schicken ist aber der Meinung zig Monate Ausbildung für deutsche Wehrpflichtige würde nicht reichen…
Absolute Komfortzone
[Wusste gar nicht, dass die Ukraine frisch eingezogene Rekruten ohne jegliche Erfahrung zur Ausbildung an Panzerhaubitze/Leopard/Patriot geschickt hat. T.W.]