Westliche Kampfpanzer für die Ukraine: Polen erhöht den Druck (Nachtrag: Transkript BPK)

Ein Merkposten, denn eine Entscheidung gibt es – noch – nicht: Polen hat seine Bereitschaft präzisiert, Leopard-Kampfpanzer aus deutscher Produktion an die Ukraine abzugeben. Von der Bundesregierung gibt es bislang keine Aussage dazu.

Nachdem bereits am vergangenen Samstag der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Bereitschaft seines Landes zur Abgabe der Panzer öffentlich erklärt hatte, äußerte sich am (heutigen) Mittwoch Polens Präsident Andrzej Duda, bei einem gemeinsamen Besuch mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda in der ostukrainischen Stadt Lviw (Lwiw/Lwow/Lemberg). Das Zitat nach dem Bericht der polnischen Zeitung Rzeczpospolita:

Vor kurzem haben wir in der Tat beschlossen, dass diese Unterstützung von polnischer Seite kommen wird. Als Teil der Koalitionsbildung wird eine Kompanie Leopard-Panzer übergeben. Wir wollen, dass es sich um eine internationale Koalition handelt, und wir haben beschlossen, ein Paket von Leopard-Panzern in diese Koalition einzubringen, die hoffentlich zusammen mit anderen Panzern bald in die Ukraine fahren werden.
(Übersetzt mit deepl.com)

Das ist zwar eine politische Ankündigung, aber noch keine tatsächliche Aussage, ob diese Lieferung zustande kommt. Wie schon sein Ministerpräsident verweist der polnische Präsident auf eine mögliche Initiative mehrerer Länder, die sich seit einigen Tagen immer mehr abzeichnet. Polen würde dann etwa 14 seiner rund 250 Leopard-Kampfpanzer einbringen, das entspräche der genannten Kompaniestärke.

Abhängig ist eine solche Abgabe der Gefechtsfahrzeuge, die in Deutschland hergestellt wurden, aber nicht zuletzt von der entsprechenden Genehmigung der Bundesregierung: Rüstungsexporte sind immer mit Vorgaben für den Re-Export oder eine Weitergabe an andere Länder verbunden, in der Regel eben mit der Zustimmung des Herstellerlandes.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte auf Nachfragen in der Bundespressekonferenz am Mittwoch, dass es dazu aus deutscher Sicht keinen neuen Stand gebe:

Aus dem Transkript der Aussagen des Regierungssprechers:

Frage (zum Angriff Russlands auf die Ukraine): Herr Hebestreit, ich habe eine Frage zu einem Ihrer Lieblingsthemen, den Kampfpanzern. Die Regierungspressekonferenz am Montag kam in gewisser Weise ein paar Minuten zu früh, was kein Vorwurf sein soll, da sich der polnische Vorschlag, ein europäisches Konsortium zu bilden, um der Ukraine Leopard-Kampfpanzer zukommen zu lassen, noch nicht konkretisiert hatte. Dieser Vorschlag ist jetzt aber konkret. Es gibt diesen Vorschlag. Wie bewerten Sie ihn? Ändert er die deutsche Haltung in irgendeiner Form?

StS Hebestreit: Manchmal gibt es die Tagesaktualität und manchmal die Zustandsaktualität. Insofern war es schon ganz gut, wie die Pressekonferenz hier terminiert war.

Ich habe keinen neuen Stand mitzuteilen. Natürlich nehmen wir all das zur Kenntnis, was an Diskussionen es im Augenblick gibt. Ich erspare Ihnen jetzt den ganz großen Bogen all dessen, was wir hier am Montag und am vergangenen Freitag miteinander schon besprochen und verhackstückt haben. Im Augenblick gibt es dazu keinerlei neuen Stand, den ich hier liefern könnte. Ich habe am Montag gesagt: Mir liegen keine Kenntnisse über konkrete Anfragen vor. Das ist weiterhin der Stand. Aber wenn sich dieser Stand ändern würde, dann müssten wir uns damit auseinandersetzen.

Zusatzfrage: Nun scheint der 20. Januar, an dem in Ramstein wieder eine Konferenz stattfinden wird, ein wichtiges Datum zu sein. Schließen Sie aus, dass sich bis dahin in Sachen Kampfpanzer noch etwas ändert?

StS Hebestreit: Das ist eine recht allgemeine Frage. Da wäre ich vorsichtig. Wenn ich es auf die Frage konkretisieren würde, ob ich zum jetzigen Zeitpunkt die Erwartung hätte, dass es bis zum Treffen in Ramstein eine Veränderung der Haltung der Bundesregierung bezüglich der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine gibt, dann würde ich sagen, das hielte ich im jetzigen Zustand für nicht sehr wahrscheinlich.

Frage: Herr Hebestreit, Sie haben jetzt gesagt, Ihnen lägen keine Anfragen von Partnern für eine Lieferung von Leopard-Panzern vor. Liegen Ihnen denn Anfragen oder Vorschläge von Partnern vor, dass Deutschland Leopard-Panzer liefern möge? Das wäre ja ein leicht anderer Sachverhalt, als wenn Länder fragten, ob sie selbst ihre Leopard-Panzer liefern könnten.

StS Hebestreit: Ich müsste erst einmal überlegen, wie eine solche Anfrage abläuft, also ob man das dann aufs Faxgerät legt oder sogar schon eine E-Mail schreibt, und ab wann es dann etwas ist, oder ob es reicht, dass man das in einem Fernsehinterview äußert oder so. Ich kenne keine Anfragen. – – Natürlich kenne ich die Anfrage unter anderem von der ukrainischen Seite, die seit vielen Monaten immer wieder geäußert wird, aber dass es unter den Verbündeten die Bitte, die Forderung, die Anforderung gibt, dass Deutschland Kampfpanzer liefere, ist mir nicht als eine konkrete Bitte bekannt, außer als etwas sehr Allgemeines, wie ich es ab und zu in Zeitungen oder Onlineartikeln lesen kann.

Der zweite Teil war – und ich glaube, darauf bezog sich vor allem meine Aussage von Montag -, ob es Anfragen gibt, ob die Bundesregierung sozusagen den Weiterexport von in Deutschland hergestellten Kampfpanzern an die Ukraine durch Dritte genehmigen würde oder nicht. Dazu habe ich gesagt: Es ist mir nicht bekannt, dass es solche Anfragen schon gäbe.

Zusatzfrage: Weil der Bundeskanzler jetzt mehrfach betont hat – am Montag auch noch einmal -, dass auf jeden Fall die Abstimmung mit den Alliierten und vor allem den USA Voraussetzung für eine solche Lieferung ist: Können Sie noch einmal erklären, wie diese Abstimmung aussieht? Setzt die voraus, dass andere Länder dann auch Kampfpanzer liefern, oder setzt die nur voraus, dass zum Beispiel die amerikanische Regierung ihr Okay gibt, dass Deutschland liefert?

StS Hebestreit: Ich glaube, das kann ich gar nicht genauer an dieser Seite definieren. Koordinierung heißt ja, dass wir uns mit den engsten Partnern, den engsten Verbündeten – und so halten wir es ja seit dem 24. Februar; davor natürlich auch, aber in diesem speziellen Fall seit Beginn des Krieges beziehungsweise der Entscheidung der Bundesregierung, erstmals Waffen in ein Kriegsgebiet in größerem Maße zu liefern -, sehr eng koordinieren und absprechen, also mit unseren amerikanischen Partnern, mit unseren französischen Freunden, mit unseren britischen Freunden und vielen anderen auch. Diese Koordinierung läuft nicht über die Presse, die läuft auch nicht öffentlich und da ist auch nicht der Regierungssprecher so stark involviert, sondern das läuft auf Fachebene und unter den führenden Politikerinnen und Politikern dieser Länder. Wenn die zu einer Entscheidung gekommen sind, dann teilen wir Ihnen das mit, so wie das am vergangenen Donnerstagabend der Fall war – daran kann ich noch erinnern, das ist jetzt ja schon sechs Tage her – mit der Entscheidung, Patriot-Systeme – durch die USA und eines durch Deutschland – und auch Schützenpanzer – eine lange Diskussion, die uns hier auch viel beschäftigt hat – vom Typ Marder sowie die Bradleys aus amerikanischer Produktion – an die Ukraine zu liefern.

Frage : Herr Hebestreit, ich möchte noch einmal zum Treffen in Ramstein zurückkommen: Was erhoffen Sie sich konkret von diesem Treffen?

StS Hebestreit: Ich habe da gar keine Hoffnungen zu formulieren. Ramstein ist ein ständiges, ein stehendes Format, in dem man sich unter denjenigen Verbündeten, die die Ukraine unterstützen, in regelmäßigen Abständen trifft. Da geht es darum, dass man sich gegenseitig über das hinaus, was alle in Zeitungen lesen können, in Kenntnis setzt, wenn es darum geht, was geliefert werden soll und was man auch plant zu liefern, und vielleicht geht es dann auch um einen Austausch über die Lage im Land. Das läuft aber nicht auf Ebene der Regierungschefs, sondern das läuft auf Ebene der zuständigen Ministerinnen und Minister. Aber bei diesem laufenden Format hat man nicht vor jedem Treffen eine eigene Agenda oder eine eigene Erwartung, sondern es geht um ein ständiges Koordinieren der jeweiligen, auch sehr umfänglichen Hilfslieferungen.

Auf die Frage – ich glaube, sie wurde mir in den letzten beiden Regierungspressekonferenzen schon einmal gestellt -, ob es da zusätzlich noch eine Änderung gibt, habe ich gesagt: Da bin ich sehr zurückhaltend, weil wir ja gerade mit den Lieferungen von Schützenpanzern des Typs Marder und auch mit der Lieferung eines Patriot-Systems einen qualitativ weiteren Schritt gegangen sind.

Frage : An Herrn Wagner: Die Außenministerin hat sich in Charkiw ja für die Lieferung weiterer Panzer ausgesprochen, ohne zu definieren, welche sie gemeint hat. Können Sie uns vielleicht verraten, welche Panzer Frau Baerbock dabei gemeint hat?

Wagner: Die Aussagen der Außenministerin stehen natürlich für sich. Sie hat ja immer wieder betont, dass wir in der militärischen Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen dürfen. Wie diese Unterstützung dann konkret und an den Bedarfen der Ukraine ausgerichtet aussieht, dazu stimmen wir uns natürlich eng mit der Ukraine und mit unseren Partnern ab, wie der Regierungssprecher es eben schon ausgeführt hat.

Zusatzfrage : Herr Hebestreit, ich möchte noch eine Frage von Montag wiederholen: Mir ist immer noch nicht so ganz klar geworden, was der Zusammenhang zwischen Waffenlieferungen und dem Wunsch der Bundesregierung ist, nicht zur Kriegspartei zu werden. Das ist ja einer der drei Punkte, die Sie immer wieder anführen.

StS Hebestreit: Da darf ich Sie nur ein bisschen korrigieren, weil Sie sich auf die Bundesregierung konzentriert haben: Die gemeinsame Haltung der Nato beziehungsweise des Nato-Generalsekretärs, des US-Präsidenten, des französischen Präsidenten, des britischen Premierministers und vieler anderer ist, dass es einen direkten Konflikt zwischen der Nato und Russland zu vermeiden gilt, weil alle vernünftigen Leute davon ausgehen, dass der sehr, sehr schlimme Folgen für alle Seiten hätte. Das ist eines der drei Prinzipien, die wir dann auch immer wieder allen Entscheidungen zugrunde legen, die wir treffen – neben der massiven Unterstützung für die Ukraine und neben dem Prinzip, dass wir eng international koordiniert vorgehen und keine Alleingänge machen. Das ist kein Fixpunkt, sondern das muss man immer wieder bewerten.

Ich habe hier ja auch – ich glaube, am Montag – schon einmal dargelegt: Wir kommen davon, dass dieses Land über Jahrzehnte überhaupt gar keine Waffen in größerem Maße in Kriegsgebiete geliefert hat. Es begann mit schultergestützten Panzerfäusten und Boden-Luft-Raketen. Ich muss jetzt doch noch einmal aufzählen – da muss ich Sie jetzt doch noch ein bisschen langweilen, hätte ich fast gesagt -, was wir alles liefern. Sie können das auch in der BPA-Liste genau nachgucken, das ist sehr umfänglich, und zwar sowohl, was den Gehalt angeht, was die Menge angeht und auch – wenn ich immer wieder Forderungen nach schwerem Gerät höre -, was das Gewicht angeht. Wir haben Luftverteidigungssysteme verschiedener Natur, wir haben jetzt Schützenpanzer, wir haben aber auch viele weiteres Gerät – Truppentransporter und ähnliches – geliefert und liefern das weiterhin.

Wir beobachten sehr genau die Lage vor Ort, wir sind in einem ständigen Gespräch mit der ukrainischen Seite über ihre Verfügbarkeit, beispielsweise auch was Munition angeht, die immer wieder sowohl für die vorhandenen Systeme als auch für die vor Ort schon im Einsatz befindlichen Systeme immer wieder neu organisiert werden muss – Sie kennen das bei den Geparden, es gibt aber auch noch Artilleriemunition und Ähnliches. Da gibt es also ein ständiges Koordinieren und Austauschen. Insoweit befinden wir uns da auf einem sehr guten Weg, und auch innerhalb unserer Strategie, die wir sehr früh formuliert haben, ist das kohärent, dass wir immer wieder überprüfen und sehen, was wir tun können und tun wollen.

Es bleibt aber auch dabei, dass es Grenzen gibt. Diese Grenzen sind unter anderem im März deutlich geworden, als es den Wunsch, den Ruf nach einer Flugverbotszone über der Ukraine gab, die von der Nato abgelehnt worden ist. So etwas kann es auch immer wieder geben – so schmerzlich das ist -, weil es eben dieses eine Prinzip gibt, dass die Nato nicht in einen direkten Konflikt mit Russland geraten soll.

Zusatzfrage : Danke schön für das Beispiel mit der Flugverbotszone. Könnten Sie uns in Bezug auf Waffenlieferungen vielleicht noch eine weitere Grenze aufzeigen, die nicht überschritten werden kann?

StS Hebestreit: Ich habe nicht „kann“ gesagt, sondern „ist“. Ich kann keine Aussagen treffen, die allgemeingültig für die nächsten Jahre gelten. Deshalb sage ich ja: Wir haben es mit einer hochdynamischen Situation zu tun. Deshalb habe ich immer wieder deutlich gemacht, woher wir kommen. Am 24. Februar hat der Krieg begonnen, am 27. Februar hat der Bundeskanzler seine Zeitenwenderede gehalten, und seitdem haben wir begonnen, diese Waffenlieferungen zu machen, und sind da einen ganz weiten Weg gegangen. Diesen Weg gehen wir fort, aber immer wieder in Überprüfung der Lage vor Ort, in enger Abstimmung mit den internationalen Partnern und auch koordiniert.

Frage: Herr Hebestreit, es geht noch einmal um die Panzer. Sie haben eben ausgeführt, dass es bisher keine Kommunikation mit den Verbündeten in der Nato gegeben habe, was die Lieferung von in Deutschland hergestellten Leopard-Panzern betrifft. Nun hat ja die britische Regierung beschlossen, schwere Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern. Wurde diese Entscheidung mit der Bundesregierung besprochen oder gab es da im Vorfeld Kommunikation?

StS Hebestreit: Wir sind im Vorfeld darüber informiert worden, aber es wurde jetzt nicht eine Koordinierung im Sinne von „Wir machen das jetzt, was wollt ihr machen?“ vorgenommen. Wenn man genau zurückblickt, kann man ja auch sagen: Wir sind auch mit der britischen Seite seit einigen Wochen im Gespräch. In der vergangenen Woche hat sich zunächst der französische Präsident geäußert, dann haben sich der amerikanische Präsident und der deutsche Bundeskanzler geäußert, und dann dauerte es noch ein paar Tage und dann hat sich auch der britische Premierminister geäußert. Vielleicht kann man das auch in dieser Abfolge sehen, dass man schon miteinander spricht, und nicht jedes Land hat auch alle Waffensysteme zur Verfügung.

Frage: Vielleicht noch einmal anders gefragt: Wäre die britische Lieferung ein Anlass für den Bundeskanzler, ebenfalls Leopard-Panzer an Kiew zu liefern, weil es eben kein nationaler Alleingang mehr wäre, oder könnte eine solche Lieferung nur gemeinsam mit den USA erfolgen?

StS Hebestreit: Ich habe ja gesagt, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Neuigkeiten, keinen neuen Stand habe. Insofern würde ich sagen, dass wir mit der Ankündigung der Lieferung von 40 Schützenpanzern vom Typ Marder vor sechs Tagen doch einen qualitativ neuen Schritt gegangen sind. Alles Weitere, was jetzt passiert, auch im Rahmen der internationalen Koordinierung, im Rahmen mit den Verbündeten oder so, muss sich auf der Strecke zeigen. Es gibt jetzt aber keine veränderte Situation durch den Schritt, den die britische Regierung angekündigt hat.

(ggf. weiter nach Entwicklung)

(Archivbild: A Polish Leopard 2A5 tank searches for its target during the Strong Europe Tank Challenge (SETC), at the 7th Army Training Command Grafenwoehr Training Area, Grafenwoehr, Germany, May 9, 2017 – U.S. Army photo by Spc. Javon Spence)