Debatte über Leopard für die Ukraine: Noch keine Anträge, noch keine Entscheidung

Die Debatte über mögliche Lieferungen von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine hält an. Und in der recht dynamischen, sowohl innen- wie außenpolitischen Auseinandersetzung gibt’s immer nur Zwischenstände. Zum Beispiel den vom (heutigen) Montagmittag, dass es bislang weder offizielle Anträge anderer Staaten auf eine Exportgenehmigung noch eine deutsche Entscheidung über Genehmigungen oder eigene Lieferungen gibt.

Die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz von Regierungssprecher Steffen Hebestreit, dem stellvertretenden Sprecher des Verteidigungsministeriums Oberst Arne Collatz, Christian Wagner vom Auswärtigen Amt und Nina Marie Güttler:

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Das Transkript dazu:

Frage: Zum Thema Panzer, das wahrscheinlich heute die meisten interessiert: Herr Hebestreit, Frau Baerbock hat gestern gesagt, dass Deutschland Lieferungen von Leopard-Panzern aus Drittstaaten nicht blockieren würde. Spricht Frau Baerbock für die gesamte Regierung?

StS Hebestreit: Ich möchte es vielleicht so sagen: Wenn ein solcher Antrag in Deutschland gestellt würde, was zur Stunde noch nicht der Fall ist, dann gibt es dafür eingespielte Verfahren, in denen eine solche Anfrage beantwortet wird. Und an die halten wir uns alle.

Zusatzfrage: Polen hatte auch gesagt – ich glaube, am Freitag oder am Wochenende -, dass sie unter Umständen erwägen, Leopard-Panzer ohne Zustimmung Deutschlands zu liefern. Wie bewertet das die Bundesregierung?

StS Hebestreit: Das hat die Bundesregierung hier bereits vergangene Woche bewertet.

Zusatzfrage: Nämlich?

StS Hebestreit: Das können Sie im Protokoll der Regierungspressekonferenz nachlesen. Ich würde gerne bei dem bleiben, was ich damals gesagt habe. Wenn ich mich richtig erinnere, sagte ich so etwas wie, dass wir sehr überzeugt sind, dass sich unsere internationalen Partner an geltendes Recht halten.

Frage: Herr Hebestreit, wenn Sie sagen, ein Antrag sei zur Stunde noch nicht gestellt, gibt es ja eine gewisse Bandbreite zwischen „Die entsprechende Behörde hat den gestempelten Antrag beim BAFA eingereicht“ und „Es ist die politische Anfrage in Berlin gestellt worden“. Können Sie vielleicht auf dieser Skala einordnen, worauf sich die Aussage „Antrag nicht gestellt“ bezieht? Ist nur noch nicht der Posteingang beim BAFA ausgewertet, oder hat auch auf anderer Ebene noch niemand gefragt?

StS Hebestreit: Ich habe mich in meiner Antwort erst einmal auf die BAFA bezogen. Aber ich kenne außer Medienberichten auch keine offizielle Anfrage aus Polen, wenn Sie das jetzt auf Polen oder andere Länder beziehen, die politisch eingegangen wären. Außer, dass ich natürlich Medienberichte wahrnehme, in denen das immer einmal wieder angekündigt wird.

Zusatzfrage: Das heißt, um es ganz klar zu machen: Außer medialen Äußerungen, woher auch immer, liegt der Bundesregierung nichts vor?

StS Hebestreit: Soweit das meinen Kenntnisstand betrifft, nein.

Zusatzfrage: Ist das auch der Kenntnisstand eventuell anderer beteiligter Ministerien?

StS Hebestreit: Das müsste das Wirtschaftsministerium wissen oder das Außenministerium, wenn es um diplomatische Noten ginge.

Zusatz: Oder das Verteidigungsministerium, wenn es um Länderabgaben geht.

Wagner: Ich kann für das Auswärtige Amt anfangen. In der Tat würde ich an die Kollegin des BMWK verweisen. Sie haben vielleicht auch zur Kenntnis genommen, dass der polnische Ministerpräsident heute Morgen gesagt hat: Polen wird einen solchen Antrag stellen. Daraus kann man ja vielleicht im Umkehrschluss schließen, dass noch kein solcher Antrag vorliegt. Mir ist er ebenfalls nicht bekannt.

Güttler: Ich habe dem Regierungssprecher nichts hinzuzufügen.

Vorsitzende Welty: Möchte das Verteidigungsministerium ergänzen?

Collatz: Zu Länderabgaben kann ich hier auch keinen neuen Stand mitteilen.

Frage: Der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Melnyk, hat die FDP in einem Tweet offen zum Koalitionsbruch aufgefordert und in einem anderen den Fraktionsvorsitzenden der SPD, Rolf Mützenich, sinngemäß den gefährlichsten Mann Europas genannt. Was bedeuten solche Äußerungen für die Zusammenarbeit mit der Ukraine? Die Frage geht entweder an das AA oder an Herrn Hebestreit. Vielen Dank.

StS Hebestreit: Wissen Sie, wir haben ja hier in den letzten Wochen viel mit und über Twitter geredet. Ich würde sagen: Wir sind international allenthalben in einer sehr schwierigen Situation, was die Situation angeht, die uns alle umtreibt. Wir führen leidenschaftliche Debatten. Diese Leidenschaften führen ab und zu auch auf allen Seiten zu Übertreibungen. Das sollte man sich gestatten und nicht zu ernst nehmen. Insofern würde ich sagen: Nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen und bei Herrn Melnyk schon mal gar nicht. Insofern sehen wir das entspannt.

Wichtig ist, dass diese Regierung die Ukraine in einer Art und Weise unterstützt, die sehr kräftig und nachhaltig ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist sowohl, was die zivile als auch die militärische Hilfe angeht, nach den USA einer der größten, wenn nicht der größte Unterstützer der Ukraine. Der Bundeskanzler hat zuletzt gestern Abend in Frankreich noch einmal betont, dass diese Hilfe so lange fortgesetzt wird, wie sie nötig ist und wir immer wieder überprüfen, was wir in welchem Zusammenhang in welchem Zeitraum liefern können. Darauf kann sich auch die Ukraine, die Ukrainerinnen und Ukrainer, verlassen. Das ist die Haltung. Deswegen finde ich in einer politischen Situation, wie gesagt – – – Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod. Da bin ich jedenfalls sehr geneigt, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen und nicht jedem Anwurf mit der eigentlich nötigen Entgegnung zu begegnen.

Frage: Wenn eine Anfrage von Polen gestellt wird, wie lange wird es dauern, bis die deutsche Regierung dem nachkommt? Wird die deutsche Regierung, wird der Kanzler dem nachkommen und eventuell auch die eigenen Panzer senden?

StS Hebestreit: Ich habe ja versucht, das schon in der ersten Antwort deutlich zu machen. Es gibt dafür Verfahren. Diese Verfahren werden eingehalten. Dann muss man sich genau die Anfrage angucken. Bisher gibt es eine Ankündigung. Herr Wagner hat das zitiert, was wir aus der Presse erfahren. Das ist ja noch keine Anfrage in dem Sinne „Wir wollen das tun“, sondern da geht es um die genaueren Spezifikationen. Das muss man sich dann angucken und prüfen. Das wird dann mit der nötigen Zügigkeit, die es braucht, aber natürlich auch mit der nötigen Gründlichkeit, die solche Verfahren erfordern, abgearbeitet. Jetzt müssen wir abwarten, ob ein solcher Antrag kommt. Ich kann nicht den genauen Zeitraum einschränken und sagen: Das passiert innerhalb von wenigen Tagen oder das dauert viele Monate. Ich gehe davon aus, dass wir das sehr genau prüfen werden. Wir wissen aber auch um die Umstände, die es zu berücksichtigen gilt.

Frage: Ist nun die Bereitschaft da, eigene Panzer aus Deutschland zu senden? Gab es über das Wochenende eine Bewegung?

StS Hebestreit: Wir befinden uns dabei in enger Abstimmung mit unseren internationalen Partnern, allen voran mit den Vereinigten Staaten. Wir haben hier, glaube ich, am vergangenen Freitag – die Woche fing für mich leider schon am Sonntag an, deshalb muss ich kurz überlegen – sehr ausgiebig diskutiert, dass die Bundesregierung drei Prinzipien hat, denen sie von Anfang an folgt: die Ukraine so stark wie möglich zu unterstützen, einen direkten Konflikt zwischen Nato-Staaten und Russland zu verhindern und keine nationalen Alleingänge zu machen, sondern sich eng international zu koordinieren, allen voran mit den USA.

Der Verteidigungsminister hat am Freitag nach dem Treffen in Ramstein noch einmal deutlich gemacht, dass noch Gesprächsbedarf zwischen der Allianz, den Verbündeten, die die Ukraine seit dem 24. Februar massiv unterstützen, vorhanden ist. Das läuft jetzt. Sobald wir eine da eine Klarheit haben, werden wir sie auch nicht verbergen und für uns behalten, sondern Ihnen allen mitteilen.

Frage: Herr Hebestreit, Sie haben gerade von Verfahren gesprochen. Heißt das, das muss noch koalitionsintern abgestimmt werden? Mit anderen Worten: Frau Baerbock hat in ihrer eigenen Rolle gesprochen und keine abgestimmte Regierungslinie vertreten? Können Sie uns vielleicht mehr Einblicke geben?

StS Hebestreit: Das Verfahren ist ein normales Verwaltungsverfahren, das in dem Sinne nicht in der Koalition, sondern in dem zuständigen Gremium entschieden wird. Das ist der Bundessicherheitsrat, in dem solche Fragen entschieden werden und in dem verschiedene Vertreter der Bundesregierung sitzen. Das ist jetzt keine Koalitionsfrage, für die man einen Koalitionsausschuss bräuchte, sondern das wird innerhalb der Regierung entschieden.

Frage: Herr Hebestreit, Sie haben schon den Dreiklang genannt, unter anderem die enge Abstimmung mit den Vereinigten Staaten. Unter anderem wir haben heute berichtet, dass es in Washington große Verärgerung gibt, dass die Bundesregierung weder bereit ist, eigene Leopard-Panzer zu liefern noch den Nato-Verbündeten die entsprechenden Genehmigungen zu erteilen. Wie geht das zusammen mit der engen Abstimmung mit den USA, die Sie jetzt gerade hier in den Vordergrund gestellt haben?

StS Hebestreit: Ich habe die Berichterstattung auch gesehen. Ich bin verblüfft, dass ein so renommiertes Blatt wie die „Süddeutsche Zeitung“ einen solchen Bericht druckt, ohne einmal zumindest gegenzufragen: „Stimmt denn das, was wir gehört haben?“ Dann hätte es die Möglichkeit gegeben, das noch einmal deutlich zu machen. Weder vom Inhalt noch vom Ton, der da kolportiert wird, kann ich dieses bestätigen.

Fakt ist – ich glaube, das ist auch das Richtige, wenn man mit Verbündeten und unter Verbündeten und Freunden spricht -, dass man seine Position miteinander klar austauscht. Das ist ja Teil der Koordinierung. Genau dieser Prozess läuft, und er läuft auch gut und konstruktiv. All das, was ich gestern gelesen habe, hat mich insoweit irritiert, dass ich diese Meldungen aus diesem Gespräch mit dem Verteidigungsminister so nicht bekommen habe. Ich habe zwei Vertreter, die dabei waren, gefragt, die das unterschiedlich voneinander weder vom Ton noch vom Inhalt her bestätigen konnten. Insofern muss ich mich jetzt gar nicht weiter mit der Frage belasten, wie ich das einschätze, weil es sich eben zumindest aus meiner Sicht anders darstellt, als ich bei Ihnen gelesen habe, obwohl ich die „Süddeutsche Zeitung“ sehr schätze, wie auch alle anderen Zeitungen, die hier vertreten sind.

Zusatzfrage: Trifft es dann Ihrer Auffassung nach auch im Nachgang zu diesen Gesprächen zu, dass die Vereinigten Staaten Deutschland nicht in einer Führungsrolle sehen, was die Lieferung dieser Kampfpanzer angeht, und nicht dazu aufgefordert haben, dem Drängen in dieser Frage nachzugeben?

StS Hebestreit: Ich versuche jetzt, die ganzen Nichtvarianten zu entschlüsseln.

Zusatzfrage: Ist es richtig, dass die Amerikaner die Bundesregierung de facto dem Inhalt nach auffordern, diese Panzer jetzt zu liefern?

StS Hebestreit: Wir befinden uns mit den Amerikanern in Gesprächen darüber, unter welchen Kautelen welche rüstungspolitischen Schritte und Unterstützungsschritte für die Ukraine zu treffen sind. Wir haben uns mit den Amerikanern, den Franzosen und den Briten seit Mitte Dezember mit Blick auf dieses Frühjahr unterhalten und die Lagebewertung ausgetauscht, welchen Schritt wir jetzt gemeinsam gehen wollen, um darauf zu antworten, was der richtige Schritt ist. Das haben wir hier vor gut zweieinhalb Wochen miteinander verhackstückt, nämlich die Autorisierung der Lieferung von Schützenpanzern vom Typ Marder aus Deutschland und von Bradleys aus amerikanischer Herkunft. Die Franzosen haben dafür einen Spähpanzer identifiziert, den sie ihrerseits liefern wollten. Die Briten haben wenig später angefangen, darüber zu diskutieren, ob man Kampfpanzer liefern kann. Das ist das, was innerhalb des Bündnisses oder – ich sage es einmal so – innerhalb der führenden Teile des Bündnisses – es waren ja viele andere, die eigene Diskussionen führen – erst einmal mit Blick auf das, was jetzt sehr kurzfristig zu tun ist, entschieden worden ist.

Jetzt ist es so, dass es eine Diskussion gibt, die danach begonnen hat, nämlich über die Frage, ob wir nach dem Schritt der Schützenpanzer gleich den nächsten qualitativen Schritt gehen und auch Kampfpanzer liefern sollten. Es gibt einige Länder, die das für richtig halten, und andere Länder, die da skeptischer oder zurückhaltender sind. Ich habe Meldungen aus Spanien, aus Dänemark gelesen – ich lese auch immer wieder, Deutschland sei völlig isoliert -, die da gewisse Vorbehalte haben. Die Bundesregierung, der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, dass er an seinen drei Prinzipien festhält und alle qualitativen Schritte, die in den letzten Monaten bei der Lieferung von Rüstungsmaterial gegangen worden sind, immer wieder in enger Abstimmung und Koordinierung insbesondere mit den Vereinigten Staaten getroffen wurden. Das war bei der schweren Artillerie der Fall, hinsichtlich derer wir Ende April, Anfang Mai entschieden haben, sie zu liefern. Das war bei den Mehrfachraketenwerfern im Sommer so, und das war zuletzt bei der Frage der Schützenpanzer so. Diese enge Koordinierung hält der Bundeskanzler, hält die Bundesregierung weiterhin für wichtig.

In diesen Gesprächen befinden wir uns. Dabei geht es jetzt um die Frage, wie die amerikanischen Freundinnen und Freunde das sehen. Die haben natürlich auch eine eigene Meinung. Das gehört dazu. Aber Koordinierung – das ist so ähnlich wie bei Ihnen in der Redaktionskonferenz – heißt ja nicht, dass einer eine Meinung hat, der andere eine andere hat und dann kommt man nicht zusammen. Genau in diesem Prozess befinden wir uns. Ich bin doch hoffnungsvoll, dass wir da auch eine Lösung finden werden. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, in welchem Zeitraum das passiert.

Frage: Herr Hebestreit, ich habe zwei Verständnisfragen. Ich bin zwar nicht von „Sky News“, aber ich beziehe mich auf die Berichterstattung von „Sky News“. Da hieß es am Freitag, dass der britische Verteidigungsminister in Estland, bezogen auf eine Anfrage zur Lieferung von Leopard-Panzern, gesagt hat: „My understanding is a formal request from a country has gone in today.“ Hat Herr Wallace nicht gewusst, wovon er redet? Können Sie uns aufklären, was er meint?

StS Hebestreit: Das kann ich nicht. Ich habe mit Herrn Wallace auch keinerlei Kontakt. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was mir an Dingen vorliegt, die in der Bundesregierung beziehungsweise beim dafür zuständigen BAFA, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, aufgeschlagen sein müssten – – – Wenn Herr Wallace sagt, der sei eingegangen, dann hat er Wissen, das ich nicht habe.

Zusatzfrage: Sie haben gerade gesagt, es wird dargestellt, als ob die Bundesregierung innerhalb der Allianz isoliert sei. Von wie vielen Nato-Staaten weiß die Bundesregierung denn, die Leopard-Panzer liefern wollen?

Stimmt es, dass es eigentlich mehr Nato-Alliierte gibt, die gegen die Lieferung von Leopard-Panzern sind?

StS Hebestreit: Dazu liegt mir keine Aufstellung vor. Im Augenblick befinden wir uns sehr genau in dieser Abstimmung, dass man auch miteinander wägt. Auch die Bundesregierung schließt ja nicht aus, dass sie Leopard-Panzer liefert. Sie hat nur nicht entschieden, ob sie das jetzt tut. Deswegen gibt es dieses ständige Miteinanderabstimmen und Koordinieren. Die Stärke dieses Bündnisses, das die Ukraine seit dem 24. Februar unterstützt, ist ja, dass man sich eng miteinander koordiniert und auch immer wieder schwierige Diskussionen führt. Sie bilden sie ja immer wieder ab. Ich erinnere mich daran zurück, dass wir diese Diskussion sehr früh geführt haben. Selbst Parlamentarier der Koalition haben schon sehr früh sehr weitreichende Waffenlieferungen verlangt. Die Regierung, aber auch die Koalition und viele andere Partner der Unterstützung der Ukraine haben dabei ein schrittweisen Vorgehen verfolgt. Es geht darum, immer wieder auch die Lage vor Ort zu überprüfen, zu bewerten – sie ist hochdynamisch; sie verändert sich -, das Kriegsgeschehen zu sehen. Ein drittes Mal – Herr Krüger wird es mir nachsehen – erwähne ich unsere drei Prinzipien. Das zweite Prinzip, nämlich zu sagen, die Nato solle nicht Kriegspartei werden, hat ein schweres Gewicht und bringt natürlich auch Kosten mit sich, weil wir an der Stelle auch Grenzen der Unterstützung kennen, weil wir sagen: Wenn wir diese Grenzen nicht einhalten und leichtfertig agieren – ich will niemandem Leichtfertigkeit unterstellen, aber man muss es einmal in die Diskussion einbringen -, dann können wir etwas auslösen, was keiner bedacht hat. – Deswegen mutet man sich diese harten Diskussionen zu, die manchmal auch der Schnelligkeit einer medialen Berichterstattung oder dem Wunsch nach einfachen, schnellen Lösungen widerstreben. Aber die Bundesregierung führt die Diskussionen dann auch mit der nötigen Beharrlichkeit und Härte innerhalb der Regierung. Sie führt die Diskussion mit den Verbündeten. Das Ziel ist immer eine enge Abstimmung mit allen – ich sage mal: allen wichtigen – Partnern. Es ist eine große Gruppe von Unterstützern, die die Ukraine seit Anbeginn unterstützt, aber das Ziel ist, dass man sich da eng koordiniert abstimmt. Deshalb gibt es die Gespräche mit den Vereinigten Staaten. Gestern gab es die Gespräche mit Frankreich. Es gibt die Gespräche mit dem Vereinigten Königreich und weiteren Partnern. Diese Gespräche finden auch innerhalb der Nato statt. Aber da muss ich wieder einmal deutlich sagen: Die Nato ist nicht Kriegspartei. Auch wer sich in Ramstein getroffen hat, ist nicht die Nato, sondern es sind Teile der Nato, und es sind auch Teile außerhalb der Nato, weil wir immer wieder deutlich machen müssen: Das, worum es geht, ist kein Konflikt der Nato zu Russland, sondern es sind viele Länder Europas und darüber hinaus, die die Ukraine in ihrem Abwehrkampf unterstützen, nachdem Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat und dort in unerbittlicher Härte gegen die Zivilbevölkerung und auch gegen das ukrainische Militär vorgeht, um sich abermals Territorium anzueignen, das ihm nicht zusteht. – Das ist der Gesamtzusammenhang, in dem wir diese Diskussion führen. Das ist manchmal zäher, als Sie sich das wünschen. Vielleicht ist es aber auch gut, dass man abwägt und viele Sachen bedenkt, bevor man leichtfertig in einen Schritt geht, den man später bitterlich bereut. Ich denke, dass uns allen diese Erwachsenheit der Diskussion gut ansteht. Dann muss man auch aushalten, dass es ab und an Kommentare und Kritik daran gibt. Das ist das Schöne, wenn man in einem freien Land lebt, dass man auch diese Diskussionen miteinander führen kann.

Frage: Herr Hebestreit, Sie bemühen sich heute sichtlich, etwas ausführlicher zu klären, was die Position der Bundesregierung ist. Deshalb hoffe ich, eine Antwort zu dem zu bekommen, was Sie gerade gesagt haben. Die Bundesregierung schließe noch nicht aus, Leopard-Panzer zu liefern. Sie habe nur noch nicht darüber entschieden.

Welche Faktoren sind für die Entscheidung der Bundesregierung wichtig? Was will die Bundesregierung von den Alliierten beziehungsweise von der Situation, wie Sie sich derzeit in der Ukraine darstellt, sehen oder hören oder wissen?

StS Hebestreit: Erst einmal freut es mich, dass Sie mein Bemühen anerkennen. Das ist bisher der schönste Moment der Woche. Sie begann für mich schon gestern. Insofern vielen Dank dafür!

Das Zweite ist: Es fällt mir etwas schwer, es so einfach zu beantworten, weil ich einer Diskussion, die innerhalb der Bundesregierung, innerhalb der Koalition und auch innerhalb der Verbündeten abläuft, von dieser Stelle aus keinen Rahmen setzen will, in dem sich manche vielleicht nicht wiederfänden oder sich andere bemüßigt sähen, in eine Ecke gedrängt zu werden. Deshalb versuche ich, es sehr allgemein zu machen. Es gibt die drei Prinzipien, die ich jetzt nicht noch einmal nenne. Aber das sind die Prinzipien, die uns leiten. Bei jedem Schritt müssen wir mögliche Folgen abwägen. Dem Bundeskanzler wie auch dem amerikanischen Präsidenten und vielen anderen ist sehr viel daran gelegen, dass wir möglichst geschlossen und einheitlich vorgehen. Deswegen koordiniert man sich in der Frage, ob man den nächsten Schritt geht, immer eng und sagt auch immer: Das tun wir jetzt gemeinsam, Mehrfachraketenwerfer, Schützenpanzer. – Anfangs war es die schwere Artillerie. Jetzt die Frage nach Kampfpanzern zu stellen und zu diskutieren und erstmal auch zu sehen: Will man diesen Schritt gehen? – Dann gibt es technische Vorbehalte, die manche vorbringen. Da muss man sagen: Was ist eigentlich möglich? Was ist sinnvoll? – Das sind die Themen, die man miteinander diskutieren muss, auch vor dem Hintergrund der jeweils eigenen Rüstungsarsenale. Ihn sollte man auch noch berücksichtigen, wenn man guckt: Wie viele Kampfpanzer hat ein Land wie Großbritannien? Wie viele Kampfpanzer hat ein Land wie Frankreich? Wie viele haben wir eigentlich einsatzfähig? Welche Fahrzeuge sind in der Industrie in welchem Zeitraum erhältlich? Wie sehen das alle anderen Alliierten, die wir auch mit im Boot haben wollen?

Zusatzfrage: Ist jetzt die „bottom line“: „Die anderen müssen auch Kampfpanzer liefern“, oder ist das einfach alles viel komplexer, als es in manchen Medien dargestellt wird?

StS Hebestreit: Ich nehme meine Antwort aus dem zweiten Teil Ihrer Frage, ohne dass ich damit eines Medienbashings geziehen werden will. Das ist eine sehr komplexe Frage. Deswegen ist es ja so wichtig, dass man miteinander spricht, auch vertraulich, und sich auch ehrlich macht, wie man Dinge einschätzt. Das dauert seine Zeit. Viele Leute müssen in unterschiedlichen Konstellationen miteinander sprechen. Das tun wir. Dieser Prozess läuft, und er läuft umso besser, je weniger öffentlich er läuft, auch wenn ich nicht lange genug nicht mehr Journalist bin, um nicht zu wissen, wie spannend es ist, einen solchen Prozess auch berichterstattermäßig zu betreiben. Insofern haben wir, wenn nicht einen Zielkonflikt, dann doch einen Wegekonflikt.

Im Augenblick ist es, denke ich, für die Diskussion besser, wenn es intern miteinander diskutiert wird, unter den Alliierten, unter denen, die die Ukraine unterstützen, und man im nächsten Schritt, dann, wenn es ein Ergebnis gibt, über das man dann ja auch wieder wunderbar diskutieren kann, je nachdem, wie es ausfällt, diese öffentliche Diskussion führt. Aber ich weiß auch, dass das ein frommer Wunsch ist.

Frage: Herr Hebestreit, wie geht der Bundeskanzler persönlich mit dem immensen Druck innerhalb der Regierung und auch von außen um?

StS Hebestreit: Ich denke, die meisten von Ihnen kennen den Bundeskanzler und wissen, dass er Druck gewohnt ist und sich auch nirgendwohin drängen lässt, wohin er nicht will, sondern dass er all das genau wägt und aushält. Sie wissen aus freudiger oder leidvoller Erfahrung, dass er sich seine Zeit nimmt, bevor er Dinge sagt, unabhängig von der Frage, ob Sie sie gern früher oder später hören würden. Ich erinnere mich. Es gab Fragen, wann er sich zu Gasleitungen, die aus Russland nach Deutschland laufen, äußert. Da ist er seiner eigenen Überzeugung, seinem eigenen Tempo treu geblieben. Das ist auch in diesen Fragen so.

Es zeichnet aus seiner Sicht einen guten Staats- und Regierungschef aus, dass er seinen eigenen Überzeugungen treu bleibt und sich nicht aus Sorge vor dem nächsten Interview oder dem nächsten Auftritt oder womöglich auch Kritik von anderen in Positionen manövrieren lässt, in die er nicht kommen will. Insofern sehe ich ihn im Augenblick – – – Wir hatten gestern in Frankreich viel Zeit gemeinsam mit dem französischen Präsidenten, und ich habe einen – – – Waren Leute von hier dabei? – Das sehe ich gerade nicht. Aber die, die dabei waren, haben, denke ich, einen recht gut aufgelegten Bundeskanzler erlebt.

Frage: Eine einfache Lernfrage: Herr Hebestreit, kann der Bundeskanzler im Bundessicherheitsrat überstimmt werden?

StS Hebestreit: Tja. – Die einfachen Fragen sind immer die schwierigen. Das weiß ich nicht. Ich überlege mir gerade – – – Wenn ich das jetzt zum konkreten Fall mache, fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass der Bundessicherheitsrat eine Entscheidung trifft, die der Bundeskanzler nicht mitträgt.

Zusatzfrage: Vielleicht ließe sich eine Antwort nachliefern.

Zweite Frage, auch eine Lernfrage: Herr Collatz, Sie haben, glaube ich, auch persönliche Expertise bei der Beurteilung von gepanzerten Kettenfahrzeugen. Die Ablehnung der USA, Abrams zu liefern, basiert ja auch darauf, dass gesagt wird: Zu schwer. Brennstoffversorgung ist schwierig. Logistik, Wartung ist schwierig. – Auf der anderen Seite bekommt Polen 250 Abrams. So anders und so weit ist, glaube ich, Polen als topografisches, geografisches Gebiet nicht von der Ukraine entfernt.

Können Sie mir erklären, warum ein Panzer, der offenbar sehr wohl in Polen eingesetzt werden kann, ein paar hundert Kilometer weiter nicht eingesetzt werden können sollte?

Collatz: Vielen Dank für die Gelegenheit. Natürlich kann ich zu einem Panzer, einem Hauptwaffensystem des einen Landes, das eventuell an ein Drittland geliefert wird, hier nicht viel sagen.

Aber ich würde das gern als Gelegenheit nehmen, vielleicht auch in die Richtung, die wir eben schon andiskutiert haben, zu verdeutlichen, dass es nicht reicht, von Panzeranzahlen zu sprechen. Wir haben auch in der vergangenen Woche Medienberichte über Listen gesehen, die irgendwann im vergangenen Jahr herumgereicht wurden und die aufgrund einer parlamentarischen Anfrage, die im Übrigen eingestuft war, auch in der Antwort, in dem einem oder anderen Fall zu der Bewertung führte, die Listen lägen doch alle vor. Aber das hilft nicht. Diese Zahlen allein helfen nicht. Sie haben genau das Richtige angesprochen. Wenn wir der Ukraine helfen wollen, dann müssen wir immer in Betracht ziehen, welche Geräte das sind – dabei stellen sich Kompatibilitätsfragen -, welche Varianten mit Blick auf das, was wir für die Ukraine tun können, gangbar sind, wie das logistisch zu unterstützen ist und wie es mit Munition, Ausbildung und anderen Fragen aussieht.

Deswegen ist es so, wie es auch schon der Kollege sagte. Es ist eben doch komplizierter. Die Zahlen allein reichen nicht, sondern wir müssen uns aktuell am Tagesgeschehen, an der internationalen Bereitschaftslage, an der Verfügbarkeit der Industrie orientieren und dann schauen, welche Pakete wir der Ukraine gemeinsam – denn kein Staat schafft das allein – an die Hand geben können. Wahrscheinlich verhält es sich mit der US-amerikanischen Bewertung genauso, wie es sich bei uns darstellt. Es hilft nicht, nicht holistisch an die Sache heranzugehen.

Dazu brauchen wir ein tagesaktuelles Lagebild. Genau das hat Minister Pistorius beauftragt. Er will handlungsfähig sein, wenn es denn zu der Entscheidung kommt. Dazu gehört es eben, auch den Apparat BMVg aufzufordern, anhand der tagesaktuellen Lage, der Gegebenheiten jetzt festzustellen, welche Pakete man schnüren und welche Angebote man, wenn es zu dem Fall kommen sollte, zur Unterstützung der Ukraine machen kann, abhängig von der Entscheidung.

Aber zum Kern Ihrer Frage, zu den Abrams, kann ich natürlich nichts sagen, auch nicht dazu, was bei den Polen möglich ist.

Frage: Herr Hebestreit, Sie haben deutlich gemacht, dass Deutschland in der Panzerfrage im Westen gerade nicht isoliert sei und haben Spanien und Dänemark erwähnt. Bei Spanien bin ich mir gar nicht so sicher. Spanien selbst hat im Sommer Leopard-Panzer angeboten, um dann zu merken, dass ihre Panzer vielleicht nicht die Qualität haben. Aber sagen Sie doch noch einmal, wer noch auf der Zweiflerseite steht und welche Argumente dafür vorgebracht werden, dass Deutschland in der Tat, wie Sie sagen, nicht so isoliert sei, wie wir es hier wahrnehmen!

StS Hebestreit: Erst einmal finde ich es putzig, dass Sie eine Aussage, die die spanische Regierung in der letzten Woche getroffen hat, abtun mit: Na ja, die haben ja auch keine ordentlichen Fahrzeuge, und deshalb können sie das tun.

Zum Zweiten habe ich, glaube ich, anfangs gesagt: Ich habe keinen Überblick darüber, wie die einzelnen Alliierten – – – Es sind übrigens mehr als die Nato-Partner. Da bitte ich auch noch einmal darum, präzise zu sein, auch in der Berichterstattung.

Zusatz: Ich hatte gesagt: der Westen!

StS Hebestreit: Ich wollte das jetzt gar nicht auf Sie – – – Sondern auch in der Berichterstattung, selbst bei den großen Nachrichtensendungen des Öffentlich-Rechtlichen, wird ab und zu zwischen Nato und denen, die die Ukraine unterstützen nicht unterschieden. Das passiert mal. Es passiert mir bestimmt auch. Ich wollte nur noch einmal deutlich machen, dass wir an der Stelle aufpassen müssen.

Im Übrigen zeigen die Diskussionen, die der Verteidigungsminister, glaube ich, am Freitag auch nach dem Treffen in Ramstein noch einmal als „Da ist noch Diskussionsbedarf“ geführt hat, ja, dass man da noch sprechen will und sprechen muss. Die Diskussionen zwischen den USA und Deutschland sind ja ein Hinweis darauf, dass noch Gespräche laufen.

Ich habe jetzt keinen Überblick. Die Zahl der Länder, bei denen ich wahrgenommen habe, dass sie bereit seien, Leopard-Panzer zu liefern, ist bislang eigentlich auch vergleichsweise überschaubar. Ich denke aber, dass sich dann, wenn eine solche Entscheidung getroffen würde, und zwar eng abgestimmt und unter Beteiligung aller wichtiger Player, auch genügend Länder zusammenfänden, die bereit wären, einen solchen Schritt zu tun. Das ist ja die Erfahrung, die wir in unserer Unterstützung in den letzten Monaten immer und immer wieder gemacht haben. Man muss es betrachten und sich einen gemeinsamen Eindruck von der Lage verschaffen, um danach zu entscheiden, wie man gemeinsam weiter vorgeht. Das ist auch in diesem Fall genau die Frage, die sich im Augenblick stellt. Es ist auch keine Mehrheitsentscheidung, in der man dann sagt: Wir haben jetzt 14 Länder, die dafür sind, und 12, die dagegen sind, also machen wir es.

Parallel dazu ist das Bestreben, dieses Bündnis zusammenzuhalten und die Beschlüsse herbeizuführen, die es braucht. Der Beschluss kann so ausfallen, dass alle zusammen sagen: „Der Schritt kommt, aber noch nicht jetzt“ oder „Er ist jetzt nötig, und wir werden ihn gehen“ oder „Wir werden ihn nie und nimmer gehen“. – Aber diese Verständigungen bei aller Eilfertigkeit, die wir haben und die sich natürlich zugespitzt haben auf das Treffen in Ramstein am vergangenen Freitag – – –

Noch mal zur Erinnerung: Mit Blick auf Ramstein haben die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland die Lage beurteilt und sind zu den Schützenpanzern gekommen, und zwei Wochen später gibt es eine Diskussion, bei der man das Gefühl hat, dass sich die Ukraine mit Speer und Steinschleuder bewaffnet gegen die russische Aggression wehren muss, während – – – Ich verweise Sie gern auf die öffentlich bekannten Seiten der Bundesregierung, auf denen steht, wie groß die Unterstützungsleistung ist, die die Bundesregierung trifft und viele andere Länder auch, die USA allen voran. Wir sind massiver Unterstützer der Ukraine, auch militärisch, auch mit Waffenlieferungen und Munition.

Jetzt geht es um die Frage, einen qualitativen weiteren Schritt zu gehen. Es gibt gute Argumente, die dafürsprechen, und es gibt Argumente, die noch miteinander diskutiert werden müssen. Die Zeit für diesen Prozess nehmen wir uns. Das kann man kritisieren, wenn Sie sagen: Das muss aber jetzt ganz schnell und ganz doll gehen! – Gleichzeitig stehen am Ende die jeweiligen Regierungen in der Verantwortung, zu sagen, sie verantworten das.

Vielleicht ein letzter Punkt: Der öffentlich häufig kritisierte Kurs des Abwägens, des Immer-wieder-Überprüfens und engen Abstimmens sorgt zumindest dafür, dass in der Öffentlichkeit eine starke Mehrheit für die Unterstützung der Ukraine ist und man gleichzeitig den abwägenden Kurs auch sehr schätzt. Das sollte man bei all den Diskussionen nicht völlig aus den Augen verlieren.

Zusatzfrage: Ich hatte nachgefragt, weil Herr Pistorius am Freitag sagte, auf dem Ramstein-Treffen gebe es Stimmen, die dafür, und Stimmen, die dagegen seien. Er hat das leider nicht weiter ausgeführt. Deswegen war meine Hoffnung, dass Sie näher ausführen könnten, welche Länder im Rahmen der Ukraine-Unterstützergruppe in Ramstein zum Beispiel mehr aufseiten der Bedenkenträger sind und welche Punkte sie vorbringen. Dahinter steht natürlich die Frage, ob Deutschland wirklich nicht so isoliert dasteht, wie es in der Medienberichterstattung vorkommt.

StS Hebestreit: Ich war in Ramstein nicht dabei. Das hat mir Herr Pistorius auch nicht übermittelt, müsste er auch nicht, um das gleich vorwegzuschicken. Ob es klug wäre, das öffentlich zu tun, ist eine andere Frage.

Aber Sie haben ja Korrespondenten in vielen Ländern. Vielleicht schicken Sie sie einfach einmal los, um nachzufragen. Denn das Putzige an der Diskussion ist ja, dass wir die Diskussion haben, Deutschland sei völlig isoliert und alle möglichen anderen wollten losschlagen, und trotzdem immer die gleichen Länder als diejenigen genannt werden, die da vor allem drücken würden. Ich will das auch gar nicht kritisieren. Ich will aber noch einmal deutlich machen, dass man sich die Dimension und auch die Diskussion nicht so einfach nach dem Motto vorstellen sollte „Wenn die Deutschen doch nur Ja sagen würden, dann wären alle anderen dafür“, sondern dieses Hadern, und das sind harte Fragen von Leben und Tod, Fragen nach dem Schutz des eigenen Landes – – – In seiner Antwort auf diese Frage hat der französische Präsident gestern noch einmal deutlich gemacht und gesagt: Wir müssen das abwägen. Wir müssen auch sehen, was das für unsere eigene Landesverteidigung heißt. Wie viel können wir abgeben? – Das wird jedes andere Land auch für sich beantworten müssen, und dann ringt man um eine Position. Dieses Ringen, das eigentlich etwas Gutes ist, weil es ja dann auch heißt, dass alle oder möglichst viele dahinterstehen und diesen Weg mitgehen, auch nachhaltig, würde ich nicht ganz so sehr unterschätzen; so vielleicht.

Frage: Daran möchte ich gleich anknüpfen. Wie wichtig ist es bei diesem Ringen um eine Position dem Kanzler, auch wirklich die Bevölkerung mitzunehmen, sodass sich in dieser gefährlichen Lage viele informiert eine Meinung bilden können? Oder schätzt der Kanzler es eher so ein, dass in harten Fragen, in denen es um Leben und Tod geht, eine einsame Entscheidung von der Spitze eigentlich besser ist?

StS Hebestreit: In dieser sehr freundlichen Frage sind jetzt so viele Unterstellungen enthalten! Ich sage es einmal so: Der Bundeskanzler fühlt sich in seiner ausgewogenen, besonnenen Haltung sehr bestätigt, die er in all diesen Fragen in den letzten Monaten durch seine öffentlichen Kontakte gezeigt hat, durch seine Kanzlergespräche, die er führt, und durch seine Gespräche, die er auch mit der Öffentlichkeit führt. Man kann sich ja inzwischen sogar per E-Mail, per Brief oder per Telefon an die Bundesregierung wenden. Das ist ein sehr differenziertes Bild, das man da erhält. Wenn man sich gleichzeitig anschaut, wie groß die Unterstützung der Hilfsleistung, die die Bundesregierung sowohl humanitär als auch finanziell als auch militärisch liefert, in diesem Lande ist, dann kann man schon sagen, dass er sich und der Bundesregierung schon auch zugutehält, dass sie mit ihrem abgewogenen, besonnenen Kurs dafür gesorgt hat, dass das nicht infrage gestellt wird.

Wenn Sie jetzt in die Richtung gehen, ob der Bundeskanzler seine Position deutlich mehr erklären müsste, damit dieses Ringen von der Öffentlichkeit stärker unterstützt wird, dann würde ich sagen: Er fühlt sich, glaube ich, wenn man auch die Umfragen – ich weiß ja nicht, was man sonst zugrunde legen will – zugrunde legt, eigentlich ganz gut in der Öffentlichkeit gesehen. In der Kommentarlage, würde ich sagen, ist da womöglich noch Luft nach oben. Ich weiß aber nicht, wie stark er das jetzt gerade als wichtigstes Feld seines Engagements ansieht.

Frage: Bundesminister Pistorius hat am Freitag gesagt, dass er prüfen wird, dass er einen Auftrag gegeben hat, was das Inventar der Leopard-Panzer angeht. Wieso erst so spät? Diese ganze Diskussion über Leopard Panzer dauert schon zwei Tage. War Bundesministerin Lambrecht nicht interessiert? Was ist der Stand der Sache? Wann kann so ein Bericht fertig sein? Wie lange dauert das?

Collatz: Ich habe eben schon anzudeuten versucht, worum es jetzt geht. Selbstverständlich braucht man in Zeiten digitaler Datenaufbereitung nur auf einen Knopf zu drücken und kommt sehr schnell zu Zahlen darüber, welches Großgerät sich wo in der Bundeswehr befindet. Aber eben schon habe ich deutlich gemacht, dass diese Zahlen alleine überhaupt keine Aussagekraft haben, sondern in das gesamte Geschehen eingebettet sein müssen. Genau darum geht es dem Minister. Er möchte, und das habe ich eben auch schon deutlich gemacht, für den Fall, dass die Entscheidung fällt, auch Waffen aus der Bundeswehr, also Leopard-Panzer, abgeben zu müssen, zu wollen, zu sollen, ein Lagebild haben, was für ein Preisschild daran gehängt wird. Was bedeutet das für die Truppe? Wie können wir es in Verbindung mit der Industrie und mit unseren Partnern am günstigsten gestalten? Wie sieht es mit der Ausbildung aus, mit Munition, Logistik, Gefechtsschaden, Instandsetzung usw. usf.? – Das ist die Notwendigkeit, diese Beauftragung tagesaktuell zu gestalten. Es bringt nichts, sich auf jahrealte Zahlen, die vielleicht rein vom nackten Zahlenwert her nicht unterschiedlich sind, zu berufen, weil sich das Umfeld ändert. Es ist eine ganz wichtige Leistung der Planer im BMVg und in der Truppe, diese Bewertung jetzt tagesaktuell anhand der jetzigen Lage beizufügen. Darum geht es.

Je nachdem, wie die Geschwindigkeit sein muss, wird es auch eine Bewertung geben. Das richtet sich nach dem politischen Rhythmus, weniger nach dem, was im BMVg an Planungsarbeit geleistet wird. Wenn wir mehr Zeit für die Planung haben, dann nutzen wir die auch, um noch detaillierter zu planen. Wenn es schneller gehen muss, dann geht es schneller.

Zusatzfrage: Herr Hebestreit, wird der Kanzler seine Entscheidung erst treffen, wenn dieser Bericht oder diese Bewertung zum Thema der Leopard-Panzer auf dem Tisch liegen wird?

StS Hebestreit: Darüber kann ich nur spekulieren. Es geht ja jetzt um die Grundsatzfrage, die da lautet: Ist das der Schritt, den wir alle gemeinsam gehen wollen? Das ist eine Diskussion. Der nächste Schritt wäre ja die Frage, in welcher Art und Weise sich Deutschland an diesem Schritt beteiligt. Das ist das, was Herr Collatz jetzt gerade dargelegt hat. Es gibt ja unterschiedliche Herkünfte für Leopard-Panzer. Es gibt diejenigen, die bei der Bundeswehr sind und die vielleicht etwas schneller verfügbar wären, aber auch nicht sofort, und es gibt sogenannte Industriebestände von Leopard-Panzern, die es zwar in Deutschland gibt, die aber nicht von der Bundeswehr genutzt werden. Auch für deren Ausfuhr bräuchte es eine Genehmigung.

Collatz: Vielleicht zu Erläuterung noch ein kleines Detail: Allein in der Bundeswehr gibt es fünf verschiedene Varianten des Leopard 2, vom A5 bis zum A7V. Allein das zeigt schon, wenn man dann noch hinzuzieht, dass es vielleicht auch in anderen Ländern unterschiedliche Varianten gibt, die jeweils unterschiedlich ausgestattet sind und hinsichtlich der es unterschiedlicher Ausbildung bedarf, dass das kein unterkomplexes Problem ist. Das braucht Zeit und einen konsolidierten Entschluss, um hier dann eine tragfähige Lösung hervorzubringen, sobald es denn so weit ist.

Frage: Möglicherweise habe ich das überhört; deswegen verzeihen Sie, falls Sie das schon gesagt haben: Hat die polnische Regierung offiziell um Exporterlaubnis für seine Leopard-2-Panzer bei der Bundesregierung angefragt?

StS Hebestreit: Das ist auch schon fast eine Dreiviertelstunde her. Die Antwort zu diesem Zeitpunkt: Ich habe mich kurz vor dieser Pressekonferenz noch einmal im Kanzleramt rückversichert, und zu diesem Zeitpunkt war beim BAFA nichts eingegangen, auf anderen Ebenen – danach hatte der Kollege dann gefragt -, die wir überschauen können, auch nichts. Allerdings haben wir natürlich die Presseankündigung, in der statt des „will“ ein „wird“ formuliert wurde, wahrgenommen.

Frage: Herr Collatz, Sie haben ja die Prüfung oder den Prüfauftrag des Ministers vom Freitag erwähnt. Können Sie uns einmal den Zeitrahmen nennen? Wann soll ein solches Lagebild sozusagen vorliegen, das dann fortgeschrieben wird? Steht in dem Auftrag „nlt, Montag, 12 Uhr“? Vielleicht können Sie dazu einmal eine Einordnung abgeben.

Herr Hebestreit, wenn Sie so die Gemeinsamkeit und die Abstimmung und das gemeinsame Vorgehen und das „Wir machen alles zusammen“ betonen, dann ist ja aus deutscher Sicht Großbritannien ein Land, das sich mit seinem Vorpreschen isoliert hat, als es zugesagt hat, als erstes und bislang einziges Land Kampfpanzer zu liefern. Verstehe ich das richtig?

Collatz: Haben Sie Verständnis dafür, dass ich mir hier selbst keine Limbostange aufsetzen werde. Allein meinem Alter geschuldet ist meine Gelenkigkeit auch begrenzt. Aber übertragen auf den Auftrag ist es so, dass wir selbstverständlich tagesaktuell Ergebnisse liefern können. Ab sofort können wir Ergebnisse liefern. Je mehr Zeit wir haben, desto detaillierter ist die Planung; das habe ich ja eben schon gesagt. Ich werde hier auch nicht interne Beauftragungen im Detail erläutern, sondern es geht darum, entsprechend der tagesaktuellen Situation handlungsfähig zu sein, und das können wir gewährleisten.

StS Hebestreit: Ich hänge noch ein bisschen dem Bild mit der Limbostange und Herrn Collatz nach. – Ich bin ein Anhänger einer entspannten Diskussion und deswegen, finde ich, wäre es nicht hilfreich, wenn ich das Agieren anderer hier abqualifizieren oder beurteilen würde. Das, was wir wichtig finden und was die Bundesregierung in der Unterstützung der Ukraine von Anfang an immer wieder deutlich gemacht hat, ist vielmehr die enge internationale Koordinierung, die auch stattfindet und auch immer stattgefunden hat. Natürlich hat jedes einzelne Land – das ist ja die Frage – ein eigenes Vorgehen.

Es gab immer wieder in den vergangenen Monaten Länder, die schneller zu Ergebnissen kamen, oder Länder, die noch deutlich länger gebraucht haben. Ich glaube, das ist die Diskussion. Für eine solche Diskussion braucht es ja womöglich auch einen Auslöser. Das ist die Diskussion, die wir uns zutrauen müssen, und da dürften wir auch – – – Der Bundeskanzler sagte gestern in einem anderen Zusammenhang, wir sollten nicht so viel Schmus anhängen, dass das alles nur ganz friedlich und freundlich und „eierkuchig“ vor sich geht, sondern das sind auch unterschiedliche Positionen, die man miteinander austauscht, um dann am Ende zu einem guten Ergebnis zu kommen, wie – ich habe das mit Bezug auf eine Redaktionskonferenz gesagt – wenn man sagt „Den Leitartikel schreibt jetzt X oder Y“. Am Ende ist das Ergebnis immer super, aber der Weg dahin ist manchmal etwas schwieriger.

Frage Krüger: Vielleicht könnten Sie uns dann ganz nüchtern sagen, Herr Hebestreit, was die Einschätzung des Bundeskanzlers von der Großbritanniens unterscheidet, das ja mit dem gleichen Lagebild, nehme ich an, zu einer anderen Entscheidung gekommen ist.

Weil Sie die Industriebestände erwähnt haben, frage ich: Wäre auch eine Leopard-1-Debatte eine Debatte, die in der Bundesregierung geführt wird?

StS Hebestreit: Zur zweiten Frage würde ich sagen: Natürlich ist das eine Debatte, die man dann führen müsste – Konjunktiv, hypothetisch! -, wenn man dazu käme, dass man sagt „Man hat Kampfpanzer“ und schaut, was verfügbar ist, wie schnell etwas verfügbar ist und wie sinnvoll das auch ist. Wenn wir jetzt – das müsste man dann ja auch noch einmal militärisch überprüfen – fünf oder sechs unterschiedliche Panzertypen mit fünf oder sechs unterschiedlichen Logistikketten dorthin schaffen, die nicht miteinander interoperabel sind und deren Munition womöglich nicht austauschbar ist, ist das sinnvoll? Muss man dann auch die Leute auf fünf oder sechs unterschiedlichen Fahrzeugtypen trainieren? – Das muss man in Beziehung zu der Notwendigkeit und der Schnelligkeit der Verfügbarkeit solcher Fahrzeuge stellen. Das ist der zweite Punkt.

Der erste Punkt ist, glaube ich: Das muss jedes Land für sich selbst und auch für seine geografischen Gegebenheiten beurteilen. Darin unterscheiden sich das Vereinigte Königreich und die Bundesreplik Deutschland doch erheblich voneinander.

Zusatzfrage: Darf ich noch die Nachfrage stellen, wann die Beratungen, die Sie ja jetzt in aller Ausführlichkeit geschildert haben, und die Argumente, die da gewälzt werden, zu einem Abschluss kommen werden?

StS Hebestreit: Ich nehme auch das als Lob dafür, dass ich das so ausführlich und transparent dargestellt habe! – Das wage ich nicht zu sagen. Aber ich gehe auch davon aus, dass das jetzt nicht eine Frage von Monaten ist.

(wird ggf. ergänzt)