Faktencheck: Weniger als ein Fünftel Kriegsdienstverweigerer aus der Truppe

In den vergangenen Tagen sorgte die Meldung für Aufsehen, dass nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Zahl der Kriegsdienstverweigerer deutlich gestiegen sei – und das wurde oft als angebliche Zahl der Kriegsdienstverweigerer innerhalb der Bundeswehr verbreitet. Tatsächlich stellten aktive Soldat*innen weniger als ein Fünftel der Anträge in diesem Jahr.

Die aktuellen Zahlen lieferte das Verteidigungsministerium am (heutigen) Dienstag, nachdem das Ressort am Vortag in der Bundespressekonferenz zunächst keine Angaben dazu machen konnte:

Von insgesamt 810 Anträgen in diesem Jahr wurden 136 Anträge von aktiven Soldatinnen und Soldaten gestellt.

teilte eine Sprecherin des Ministeriums mit.

(Leider gibt es noch keine Aufschlüsselung, wie hoch der Anteil der Reservistinnen und Reservisten an diesen Anträgen ist und wie viele von Personen stammen, die nie in der Bundeswehr waren, aber vorsorglich einen solchen Antrag gestellt haben – ich bemühe mich um Klärung.)

Am Vortag hatte der Sprecher des Wehrressorts, Oberst Arne Collatz, darauf verwiesen, dass sich die Zahl der Anträge nach einem neuen Jahresrekord unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffs inzwischen wieder auf das übliche Maß eingependelt habe. Seine Aussagen vor der Bundespressekonferenz:

Frage: Herr Collatz, es geht um die Kriegsdienstverweigerer. Da gibt es ja in diesem Jahr schon eine Rekordzahl. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat mitgeteilt, dass es bisher 657 Anträge dafür gibt. Wie viele davon sind denn aktive Soldaten der Bundeswehr?

Collatz: Erst einmal kann ich bestätigen, dass wir einen hohen Stand erreicht haben. Die Zahlen werden ja nicht bei uns erhoben, sondern in dem von Ihnen genannten Amt. Laut meinen Informationen sind es aktuell bereits 800. Diese setzen sich sowohl aus aktiven SoldatInnen als auch aus Reservedienstleistenden oder auch Ungedienten zusammen, die in Vorwegnahme einer möglichen Wiederaktivierung der Wehrpflicht sagen, sie möchten den Kriegsdienst verweigern.

Um das Ganze für Sie vielleicht leichter zu machen, es einzuordnen: Der Großteil dieser Zahlen ist rund um den Beginn des Angriffs Russlands entstanden. Ähnlich verhält es sich bei den Zahlen der Interessierten am Dienst in der Bundeswehr. Rund um den Beginn des Krieges hatten wir dort einen Höchststand zu verzeichnen. Sicherlich ist es ein Erklärungsansatz zu sagen, dass das Ereignis an sich Menschen dazu veranlasst zu reflektieren, was sie in Bezug auf die Verteidigung Deutschlands tun oder tun möchten.

Inzwischen ist es allerdings so, dass wir für den August wieder Normalzahlen erreicht haben. Da habe ich jetzt 15 Kriegsdienstverweigerungen für den gesamten August im Kopf. Das ist nahezu exakt die Zahl, die wir auch schon vor dem Beginn des Krieges erreicht hatten. Auch hier ist es ähnlich wie bei den Interessierten, also ein Einschwingen des Pendels und ein Rückfahren auf die Zahlen von vor dem Krieg.

Zusatzfrage : Jetzt hatte ich ja nach den aktiven Soldaten gefragt, die den Kriegsdienst verweigert haben. Das wird ja bestimmt eine Zahl sein, die Sie kennen.

Collatz: Mir liegen dazu keine Zahlen vor. Die Zahlen werden, wie gesagt, auch nicht bei uns erhoben. Deswegen kann ich dazu auch nichts sagen. Wenn ich etwas nachreichen kann, dann werde ich das gern tun.

(Ich bitte dringend darum, das jetzt nicht als Einladung zu einer Grundsatzdebatte über das grundgesetzlich garantierte Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu nutzen.)