Ukraine/Russland/NATO – der Sammler am 30. Juni 2022

Im andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist es eine Meldung von hohem symbolischen Wert (auch wenn die militärische Bedeutung noch nicht ganz klar ist): Die seit Kriegsbeginn umkämpfte Schlangeninsel im Schwarzen Meer wurde von den russischen Streitkräften aufgegeben – nach russischer Darstellung als Geste des guten Willens, möglicherweise aber auch angesichts der zunehmenden Bedrohung durch westliche Waffen im Bestand der Ukraine. Der Sammler am 30. Juni 2022:

• Das Briefing des russischen Verteidigungsministeriums enthält als erste Aussage die Angabe, dass die russischen Truppen von der umkämpften Schlangeninsel abgezogen wurden – vorgeblich nicht aus militärischen Gründen, sondern als Geste des guten Willens, um Nahrungsmitteltransporte aus den ukrainischen Schwarzmeerhäfen zu ermöglichen.

Deshalb (und weil die Webseite mil.ru derzeit mal erreichbar ist, auch in deutscher Übersetzung) zuerst das Briefing aus Moskau:

30.06.2022 (11:30)
Briefing durch das russische Verteidigungsministerium
Am 30. Juni beendeten die Streitkräfte der Russischen Föderation als Zeichen des guten Willens die ihnen übertragenen Aufgaben auf der Schlangeninsel und zogen die dort stationierte Garnison ab.
Dies zeigt der internationalen Gemeinschaft, dass die Russische Föderation die Bemühungen der Vereinten Nationen um die Einrichtung eines humanitären Korridors für den Abtransport landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus dem Gebiet der Ukraine nicht behindert.
Diese Entscheidung wird es Kiew nicht erlauben, über eine drohende Nahrungsmittelkrise zu spekulieren und sich dabei auf die Unfähigkeit zu berufen, Getreide zu exportieren, weil Russland den nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres vollständig kontrolliert.
Jetzt liegt es an der ukrainischen Seite, die es immer noch nicht geschafft hat, die Schwarzmeerküste in der Nähe ihrer Küste, einschließlich der Hafengewässer, zu räumen.
***
Die russischen Streitkräfte setzen eine spezielle Militäroperation in der Ukraine fort.
Der Feind erleidet erhebliche Verluste.
Am 28. Juni zerstörten hochpräzise seegestützte Langstreckenwaffen den Kontrollposten der operativen und strategischen Gruppierung Chortyzja in der Nähe der Stadt Dnipropetrowsk.
In den vergangenen 24 Stunden zerstörte die russische Luftwaffe bei Präzisionsangriffen auf den Gefechtsstand der 123. Territorialen Verteidigungsbrigade, den Aufenthaltsort ausländischer Söldner in der Stadt Mykolaiv und ein Munitionslager der 79. Luftlandebrigade im Dorf Schewtschenko in der Oblast Mykolaiv über 20 ukrainische Soldaten und über 80 ausländische Kämpfer, sechs gepanzerte Fahrzeuge und Fahrzeuge, über tausend Artilleriegranaten, dreihundert Mörsergranaten und 100 Schuss MANPADS.
Darüber hinaus wurden in Charkiw zwei provisorische Einsatzorte der 113. Territorialen Verteidigungsbrigade, in denen bis zu 140 Personen untergebracht waren, zerstört.
Infolge des Beschusses von AFU-Stellungen in den Gebieten Berestowoje und Awdejewka der Volksrepublik Donezk kam es zu unwiederbringlichen Verlusten bei den Einheiten der
der 14. mechanisierten und 56. motorisierten Infanteriebrigade belief sich auf mehr als 50 Prozent. Diese Einheiten wurden zur Wiederherstellung der Kampfbereitschaft nach hinten abgezogen.
Aufgrund der hohen Verluste und der schlechten Versorgung verließen 13 Soldaten, darunter auch Offiziere, des 34. Bataillons der 57. motorisierten Infanteriebrigade im Laufe des Tages freiwillig ihre Stellungen.
Die russischen Streitkräfte setzen ihre Angriffe auf militärische Einrichtungen in der Ukraine fort.
Hochpräzisionswaffen der russischen Luftwaffe zerstörten fünf Munitions- und Waffendepots in den Bezirken Charkiw und Selenodolsk in der Region Dnipropetrowsk sowie in Sewersk und Bakhmut in der Volksrepublik Donezk und zerstörten Arbeitskräfte und militärische Ausrüstung der AFU in 34 Bezirken.
Im Rahmen des Abwehrkampfes wurden zwei Züge von Mehrfachraketen der Typen Uragan und Grad in den Gebieten Svitlodarske und Avdeevka sowie zwei Züge der Artillerie Hyacinth-B im Gebiet Avdeevka der Volksrepublik Donezk von Präzisionswaffen der russischen Luftwaffe getroffen.
Operative und taktische Luftfahrt, Heeresflieger, Raketentruppen und Artillerie: 39 Gefechtsstände sowie Personal und militärische Ausrüstung in 218 Gebieten.
Die taktische Luftwaffe der russischen Luftwaffe schoss zwei Su-25-Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe in der Nähe der Dörfer Schirokoje (Gebiet Dnipropetrowsk) und Archangelskoje (Gebiet Cherson) ab und zerstörte einen Buk-M1-Boden-Luft-Raketenwerfer in einer Feuerstellung in der Nähe von Odessa sowie eine Radarstation des Luftabwehrsystems S-300 in der Nähe der Ortschaft Slawgorod (Gebiet Dnipropetrowsk).
Russische Luftabwehrkräfte schossen ein Su-27-Flugzeug der ukrainischen Luftwaffe in der Nähe von Sofijiwka (Volksrepublik Donezk) und neun unbemannte ukrainische Luftfahrzeuge in der Nähe von Berestowoje, Petowenka (Volksrepublik Donezk), Schowtnewo, Bayrak, Hetmanowka, Iwantschukowka, Peremoga (Region Charkiw) ab.
Darüber hinaus wurden fünf Mehrfachraketenwerfer in der Nähe von Stachanow in der Volksrepublik Luhansk und in der Nähe der Schlangeninsel abgefangen.
Insgesamt wurden seit Beginn der militärischen Sonderoperation 224 Flugzeuge, 134 Hubschrauber, 1.400 unbemannte Luftfahrzeuge, 353 Boden-Luft-Raketensysteme, 3.859 Panzer und andere gepanzerte Kampffahrzeuge, 698 Kampffahrzeuge mit Mehrfachraketenwerfern, 3.059 Feldartilleriegeschütze und Mörser sowie 3.916 spezielle Militärfahrzeuge zerstört.
(Übersetzt mit deepl.com)

• Das britische Intel Update:

Ukrainian forces continue to hold their positions in the city of Lyschansk following their withdrawal from Sieverodonetsk.
Russian forces continue to pursue an approach of creeping envelopment from the Popasna direction, removing the need to force a major new crossing of the Siverskyi Donets River in this sector.
Current ground combat is likely focused around the Lyschansk oil refinery, 10km south-west of the city centre.
At the operational level, Russian forces continue to make limited progress as they attempt to encircle Ukrainian defenders in northern Donetsk Oblast via advances from Izium.
It is highly likely that Ukrainian forces’ ability to continue fighting delaying battles, and then withdraw troops in good order before they are encircled, will continue to be a key factor in the outcome of the campaign.

• Das Morgenbriefing des ukrainischen Generalstabs:

Operational update regarding the #russian_invasion as of 06:00 on June 30, 2022
The one hundred twenty seventh (127) day of the heroic resistance of the Ukrainian people to a russian military invasion continues.
In the Volyn and Polissya directions, units of the Armed Forces of the republic of belarus continue to be in the border areas of the Brest and Gomel regions. According to available information, the military commissariats of the specified regions are studying the possibilities of covert mobilization of the population.
There are no significant changes in the Siversky direction.
In the Kharkiv direction, the enemy continues to defend the previously occupied positions. It carried out shelling from tanks, mortars, barrel and jet artillery in the districts of the city of Kharkiv, the settlements of Pytomnyk, Ukrayinka, Peremoha, Dementiyivka, Prudyanka, Korobochkyne and Rubizhne.
The defenders resolutely suppressed an attempt of enemy assault in the area of Dementiyivka settlement. The occupiers left. Airstrikes were carried out near Prudyanka and Verkhniy Saltiv.
In the Slavic direction, the enemy is regrouping troops and defending. Fired artillery of various calibers in Mazanivka, Dibrivne and Krasnopill districts.
In the Donetsk direction, the enemy, with the support of artillery, tries to block the city of Lysychansk and take control of the section of the highway Lysychansk – Bakhmut. Fired at civilian infrastructure in the areas of the settlements of Lysychansk, Verkhnyokamyanka and Siversk. Made an airstrike near Vovchoyarivka. Conducts an offensive near Verkhnyokamyanka and assaults in the area of the Lysychansky Oil Refinery, hostilities continue.
In the Kramatorsk direction, the enemy did not conduct active hostilities, shelling our positions with artillery.
In the direction of Bakhmut, shelling was recorded near Berestovo, Pokrovsky and Zvanivka, and an airstrike in the Pokrovsky area. Ukrainian soldiers stopped the offensive and inflicted significant losses on the occupiers in the areas of Klynove and Novoluhanske settlements, as well as repulsed the assault in the direction of the Vuhlehirskaya TPP. In both cases the enemy withdrew.
In Avdiyivka, Kurakhivka, Novopavlivka, and Zaporizhzhia, the enemy shelled Vodyane, Avdiivka, Maryinka, Vuhledar, Poltavka, Novoukrayinske, Novosilka, and Orikhov districts. Delivered airstrikes on our positions near Avdiivka and Shcherbaky. Tried to conduct assaults in the Pavlivka area, was unsuccessful, and withdrew.
In the South Buh direction, the enemy continues to systematically shell civilian and military infrastructure and is regrouping troops. Delivered missile and air strikes in the districts of Knyazivka, Potemkyny and Bereznehuvaty. Conducted aerial reconnaissance. The threat of missile strikes on the region’s critical infrastructure continues.
Two „Calibre“ sea-based cruise missile carriers are in readiness for the use of missile weapons in the waters of the Black Sea.

• Beim NATO-Gipfel in Madrid kündigte der britische Premierminister Boris Johnson weitere Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von einer Milliarde Britische Pfund an. Interessante Aussage dabei: Das soll den ukrainischen Streitkräften nicht nur die Verteidigung ermöglichen, sondern auch darüber hinaus offensive Operationen gegen russische Bodentruppen, um die Souveränität der Ukraine wiederherzustellen. Aus der offiziellen Mitteilung:

The UK will provide another £1 billion of military support to Ukraine, the Prime Minister has announced at the NATO Leaders’ Summit today (Thursday 30th June).
This uplift to funding will herald a new phase in the international community’s support to Ukraine. It will go towards capabilities including sophisticated air defence systems, uncrewed aerial vehicles, innovative new electronic warfare equipment and thousands of pieces of vital kit for Ukrainian soldiers.
It represents the first step in enabling Ukraine to go beyond their valiant defence against the illegal Russian invasion to mounting offensive operations against Russian ground forces in order to restore Ukrainian sovereignty. (…)
UK defence companies are stepping up to provide the vital support Ukraine needs. We have provided £100 million worth of Unmanned Aerial Vehicles through a company based in Berkshire. These orders have allowed the company to significantly upscale their production and have used the lessons from the conflict in Ukraine to inform development of their products, advancing several years of development which will directly benefit both the UK and the defence industry.
The MoD has also launched a £25 million innovation fund to harness niche technologies within UK small & medium size enterprises. The fund will accelerate the development of equipment for the Ukrainian armed forces with the competition focusing on bolstering the existing provision for artillery, coastal defence and aerial systems.

• Auch Frankreich kündigte weitere Waffenlieferungen an – unter anderem weitere sechs CAESAR-Haubitzen und gepanzerte Fahrzeuge. Da schien allerdings in Paris etwas durcheinander gekommen zu sein, im ersten Tweet des französischen Präsidenten Emmanuel Macron

war noch von einer signifikaten Zahl Panzer die Rede. Der Tweet wurde dann schnell gelöscht, nunmehr sollen es gepanzerte Fahrzeuge werden:

• Das Abendbriefing des ukrainischen Generalstabs (mit der Bestätigung für die Schlangeninsel):

Operational update regarding the #russian_invasion as of 18:00 on June 30, 2022
The one hundred twenty-seventh (127) day of the heroic resistance of the Ukrainian people to a russian military invasion continues.
There situation is without changes in the Volyn and Polissya direction. It is expected to rotate one of the special units that performs tasks in the area of Pinsk. Also, units of the Armed Forces of the republic of belarus use electronic warfare systems in the border areas with the Volyn oblast.
In the Siversky direction, the enemy continues to hold units of the armed forces in the border areas of Bryansk and Kursk regions. The enemy fired artillery at our positions. Conducted aerial reconnaissance of UAVs near the village of Kysla Dubyna. The deployment of electronic warfare complexes near the settlement of Oleshnya in the Kursk region is also noted.
In the Kharkiv direction, the enemy is defending previously occupied positions. Inflicted air strikes near Prudyanka and Odnorobivka and a missile strike on the city of Kharkiv.
The attempt of hostile assault actions in the direction of Kochubeyivka – Dementiyivka was immediately suppressed by Ukrainian soldiers.
The enemy fired artillery at the areas of the settlements of Pytomnyk, Dementiivka, Ivanivka, Rubizhne, Yavirske, Petrovka, Ruski Tyshky, and Kutuzivka. It also conducted Orlan-10 UAV air reconnaissance near Prudyanka and Ruska Lozova.
Enemy units are regrouping in the Slovyansk direction. The assault in the direction of Dovhenke – Mazanivka was successfully repulsed by our soldiers. The enemy retreated. It carried out assault operations in order to take full control of the village of Bohorodychne, had no success.
Enemy shelling was recorded in the areas of the settlements of Bohorodychne, Krasnopillya, Kurulka, Vernopillya and Chervona Polyana.
The enemy did not take active action in the Kramatorsk direction. It struck an air strike near the village of Tetyanivka.
In the Lysychansk direction, the enemy fires on the positions of our troops near the city of Lysychansk. Conducts assault operations in the area of Lysychansk Oil Refinery, has partial success, maintains the north-western and south-eastern parts of the plant.
It carried out assault operations in the areas of the north-eastern part of the Lysychansk refinery, the settlement of Topolivka and the northern part of the settlements of Vovchoyarivka and Maloryazantseve.
The enemy’s offensive in the direction of Loskutivka – Lysychansk gelatin plant was stopped by Ukrainian soldiers and the occupiers were forced to withdraw.
In the Bakhmut direction, the enemy launched a missile and air strike near the village of Soledar. It carried out artillery shelling in the Belogorovka, Pokrovsky, Klinovey and Novolugansky districts.
Our defenders successfully stopped all attempts of offensive and assault actions of the occupiers in the directions Mykolayivka – Spirne, Volodymyrivka – Pokrovske, Dolomitne – Vuhlehirska TPP.
In the Avdiivka, Kurakhiv, Novopavliv and Zaporizhzhia directions, it fired at positions from barrel and jet artillery along the line of contact. He fired a missile at the outskirts of Avdiivka. Conducted air reconnaissance UAV type „Orlan-10“.
In the Pivdenny Buh direction, the occupiers continued shelling in the areas of the settlements of Trudolyubivka, Knyazivka, Vesely Kut, Chervonyi Yar, Kobzartsi, Lyubomyrivka, Posad-Pokrovske, and Lupareve. Conducted air reconnaissance. The work of electronic warfare devices near Velyka Oleksandrivka has been recorded.
Three carriers of naval-based cruise missiles of the „Caliber“ type are ready for the use of missile weapons in the Black Sea.
Unable to withstand the fire of our artillery, missile and air units, the russian occupiers left Snake Island. Thus, the Odesa oblast was completely liberated.

• Ich füge das auch hier mal ein: Zur Frage, wie sich die deutliche Erhöhung der Zahl der schnell einsatzbereiten NATO-Truppen auf die Bundeswehr auswirkt, hat der Deutsche Bundeswehrverband eine interessante Übersicht veröffentlicht (danke für den Leserhinweis):