Blick nach Mali: Die Verbindung nach Russland
Der Krieg in der Ukraine hat die Lage an vielen anderen Brennpunkten in den Hintergrund gedrängt – das gilt auch für Mali, wo die Bundeswehr (noch?) im Einsatz ist. Aktuelle Meldungen sind allerdings auch deshalb auffällig, weil es um die Verbindungen des westafrikanischen Landes zu Russland geht. Als Merkposten:
Der malische Verteidigungsminister Oberst Sadio Camara war am (heutigen) Freitag zu Besuch in Moskau, wie das russische Verteidigungsministerium mitteilte:
Der stellvertretende Verteidigungsminister der Russischen Föderation, Alexander Fomin, hat ein Arbeitstreffen mit Oberst Sadio Camara, dem Minister für Verteidigung und Veteranenangelegenheiten der Republik Mali, abgehalten.
Beide Seiten erörterten eingehend bestehende Projekte der Verteidigungszusammenarbeit sowie regionale Sicherheitsfragen in Westafrika.
Generaloberst Alexander Fomin wies auf die Bedeutung der russisch-malischen Zusammenarbeit hin und bekräftigte die Bereitschaft des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation, den konstruktiven Dialog fortzusetzen.
(Übersetzt mit DeepL.com)
Das allein ist nicht ungewöhnlich (zumal Camara auch in Russland ausgebildet wurde). Allerdings ist die Kooperation zwischen den beiden Ländern nicht unproblematisch: Während Mali betont, es sei eine übliche militärische Zusammenarbeit zwischen der Regierung in Bamako und der Regierung in Moskau aufgrund bilateraler Verträge, nicht anders als mit anderen Ländern auch. Die westlichen Länder, vor allem die Europäer, werfen Mali dagegen vor, Söldner der russischen Gruppe Wagner engagiert zu haben und als Ausbilder der malischen Armee einzusetzen.
Dieser Vorwurf hat nun zusätzlich an Brisanz gewonnen. Anfang März gab es Meldungen über ein Massaker der malischen Streitkräfte, bei dem in Zentralmali mindestens 30 Menschen getötet worden sein sollen. Die Armee Malis wies diese Vorwürfe zurück.
Nun gibt es eine neue, möglicherweise brisante Wendung: Wie die afrikanische Zeitschrift Jeune Afrique berichtet, sollen bei diesem Massaker auch russische Söldner anwesend gewesen sein. Das gehe aus einem internen Bericht der UN-Mission MINUSMA in Mali hervor.
Dabei geht es noch nicht einmal um die Frage, ob die Russen an den Tötungen beteiligt waren – vermutlich nicht. Aber sie sollen auch nichts getan haben, um die malischen Soldaten davon abzuhalten.
Die Lage in Mali ist in Berlin unter besonderer Beobachtung, weil das derzeitige Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an MINUSMA sowie an der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali im Mai ausläuft. Ob sich Deutschland weiterhin militärisch in dem Land engagiert, muss in den nächsten Wochen entschieden werden. Bisherige Aussagen aus Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium deuten darauf hin, dass die Beteiligung an der EU-Ausbildungsmission beendet werden könnte – aber die Bundeswehr weiterhin rund 1.000 Soldaten oder möglicherweise auch mehr in die UN-Mission entsendet.
Nachtrag: Dazu passt diese Meldung von Reuters:
France will still give aerial military support to Malian troops battling an Islamist insurgency in the Sahel even after its counter-terrorism mission has withdrawn, but only where Russian fighters are not present, the force’s commander said on Friday. (…)
But the commander of Operation Barkhane, General Laurent Michon, told a press briefing in neighbouring Burkina Faso that France would continue to offer aerial support in areas free of „Russian mercenaries“.
„We will continue to help via air by training people on the ground who are capable of calling planes, of guiding them,“ he said, adding that similar support would be offered to soldiers in Burkina Faso and Niger, which also shares a border with Mali.
(Foto: Screenshot aus dem Video des russischen Verteidigungsministeriums vom Treffen Fomins mit Camara)
Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die UN-Mission dort in naher Zukunft ein Ende finden könnte. Truppen mehrerer „westlicher“ Länder wurden ja in den letzten Wochen quasi rausgeworfen.
Es sei denn die UN-Truppen nützen ihnen mehr, wenn sie diese unter Kontrolle halten und weiterhin z.B. geplante Aufklärungsflüge via UAV ablehnen oder verzögern, oder gar Patrouillen beeinträchtigen.
Man sollte eine Party verlassen, bevor man vom Gastgeber vor die Tür gesetzt wird.
Zitat:“Anfang März gab es Meldungen über ein Massaker der malischen Streitkräfte, bei dem in Zentralmali mindestens 30 Menschen getötet worden sein sollen.“
Aus Mali nichts neues, also. Amnesty International und andere NGO’s haben in den letzten Jahren mehr als einmal ähnliche Vorwürfe gegen die Soldaten der Armee von Mali erhoben. Ohne das deswegen ein Zusammenhang mit den ausländischen Truppen in Mali hergestellt wurde. Das schließt natürlich nicht aus, dass es einen Zusammenhang mit der Anwesenheit der Wagner Söldner gibt. Leider ist das alles recht vage.
Wenn überhaupt, dann belegen die jüngsten Vorwürfe lediglich die Wirkungslosigkeit von EUTM. Es ist naheliegend, dass die Regierung von Mali die Ausbildung durch Wagner vorzieht, weil deren Methoden besser zu dem passen, was die Armee von Mali schon immer praktiziert hat.
Der Abzug aus Mali wurde an dem Tag unvermeidbar, an dem Mali aufhörte, eine Demokratie zu sein. Nach dem fluchtartigen Abzug aus Afghanistan, und der damit verbundenen miesen Presse, wollte man das aber lange nicht einsehen.
Ich bin ja doch schon immer wieder ein wenig irritiert darüber, wie naiv wir teilweise die Situation in Mali, das Verhalten der dortigen Machthaber, aber auch unser dortiges Engagement kommentieren und verallgemeinern.
Wenn man das Vorhandensein eines demokratischen Systems zum Gradmesser unseres Engagements macht, hätte man sich 2013 gar nicht in Mali engagieren dürfen. Erstens gab es zu dieser Zeit keine gewählte Regierung und zweitens machen Wahlen noch lange kein legitimes, demokratisches System aus; und das ist es, was wir zu häufig in diesem Kontext vergessen. Wahlen sind nur ein Baustein eines demokratischen Systems. Ein wichtiger, aber keinesfalls der einzige. Und mit Wahlen 2022 hätte Mali rein gar nichts gewonnen, sondern sich vermutlich nur für einige Jahre Luft bei den internationalen Gebern geschaffen, ehe der nächste Putsch/Rebellion vor der Tür gestanden hätte. Ohne grundlegende Reform des gesamten administrativen Systems wird es keine Verbesserung geben. Ob dafür das Militär der geeignete Akteur ist, steht auf einem anderen Blatt. Nicht missachten sollten wir aber auch, dass zumindest Teile der malischen Bevölkerung das glauben. Und es steht uns aus meiner Sicht nicht zu, dies zu kritisieren.
Auch sehe ich nicht, inwieweit sich die Berichte über das Vorgehen der malischen Armee in Kooperation mit russischem Personal von den Berichten aus den vergangenen Jahren unterscheiden. Erinnern wir uns: 2020 sollen malische Sicherheitskräfte nach Zahlen des ACLED für mehr zivile Opfer verantwortlich gewesen sein als die jihadistischen Gruppen. Mehr Opfer gingen nur auf das Konto von sonstigen nichtstaatlichen Konfliktakteuren. Ergo könnte man sagen, ja, die Ausbildung der EUTM Mali hat hier wohl nicht gefruchtet. Aber auch das ist zu kurz gegriffen. Wir arbeiten dort ja nur mit dem Personal, das uns auf den Hof gestellt wird. Auch wollen wir die ausgebildeten Kräfte ja nicht mit ins Feld begleiten; eine deutsche Auflage. Seit 2013 gibt es Vergehen der malischen Kräfte an Teilen der Zivilbevölkerung. Das ist jedem bekannt. Wir haben aber auch nur einen begrenzten Einfluss darauf. Und viel wichtiger: wir haben uns bisher auch nicht großartig darüber echauffiert. Das sollten wir jetzt also auch nicht tun, wo neue Akteure im Raum stehen. In diesem Zusammenhang übrigens ein wichtiger Punkt: Wenn die malischen Streitkräfte professionell, effektiv und effizient arbeiten würden, dann bräuchte es unser Engagement gar nicht. Es hat ja Gründe, weswegen es eine Ausbildungsmission gibt. Also sollten wir nicht immer verwundert sein, dass viele Dinge problematisch sind und nicht so funktionieren, wie man sich das in einer perfekten Welt gerne vorstellt.
Zudem, die malischen Machthaber haben bisher kein einziges VN-Kontingent vor die Tür gesetzt. Die VN-Mission wird vermutlich auch unverändert weiterlaufen. Kritik geübt wurde vornehmlich an Barkhane und speziell an Takuba; einen Missionen-Pluralismus, den die Franzosen/Europäer selbst inszeniert haben. Unser europäisches Problem ist in diesem Zusammenhang, dass wir immer „national ownership“ fordern. Hier möchte ein Akteur mal wirklich „owner“ sein und uns passen die Bedingungen nicht. Ich finde beides vollkommen legitim, nur sollte man sich auch entsprechend verhalten.
Generell täte es uns nämlich gut, mal auf die Kritik der malischen Machthaber zu hören. In vielen Punkten kann die nämlich gar nicht bestritten werden. Wir Europäer messen halt häufig mit zweierlei Maß [auf dem afrikanischen Kontinent]. Gucken wir uns nur die französische/deutsche/europäische Haltung gegenüber dem Putsch im Tschad und denen in Mali an oder das Schweigen gegenüber den „dritten Amtszeiten“ diverser Präsidenten nach einer erfolgten Verfassungsänderung, durch die die Begrenzung von nur zwei Amtszeiten kurzerhand gestrichen wurde. Dieses Glaubwürdigkeitsproblem der EU wird gerade in populistischer Weise von den malischen Machthabern ausgeschlachtet. Hier sollten wir uns als Deutsche/Europäer aber erst einmal selbst an die Nase fassen und fragen, wieso es überhaupt zur aktuellen Situation gekommen ist und nicht einfach beleidigt die Party verlassen und so tun, als ob wir die Heiligen auf Erden wären.
Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis eine Entscheidung getroffen wird.
Was muss denn noch alles passieren, bis man endlich den Einsatz beendet?
@Abdul Iyodo sagt: 13.03.2022 um 7:24 Uhr
Naiv ist der treffende Begriff, den Sie verwendet haben.
Und DEU war so naiv, FRA zur Hilfe zu eilen, ohne eigenes Konzept und ohne vernünftige EU-aussenpolitische Leitlinien. Wir haben da militärisch nichts zu suchen, daß ganze Engagement war und ist von hinten bis vorne ein Flop.
Ohne einen eigenen Vorteil davon zu haben braucht man sich in Afrika militärisch nicht mehr zu engagieren. Und zwar einen messbaren wirtschaftlichen Vorteil. So wie CHN es macht. Alles andere ist Teilnahme am Bullshit-Bingo für Gutmenschen.
@Abdul Iyodo sagt: 13.03.2022 um 7:24 Uhr
„Wenn man das Vorhandensein eines demokratischen Systems zum Gradmesser unseres Engagements macht, hätte man sich 2013 gar nicht in Mali engagieren dürfen. Erstens gab es zu dieser Zeit keine gewählte Regierung und zweitens machen Wahlen noch lange kein legitimes, demokratisches System aus; und das ist es, was wir zu häufig in diesem Kontext vergessen. Wahlen sind nur ein Baustein eines demokratischen Systems. Ein wichtiger, aber keinesfalls der einzige.“
Ich stimme Ihnen zu. Wahlen alleine sind kein Allheilmittel. Die gewählte aber unfähige und korrupte frühere Regierung ist ein Beweis dafür.
Und nachdem was ich gehört habe, ist die Putschregierung zumindest administrativ relativ gesehen auf einem besseren Weg.
Andererseits kann DEU und kann EUR als demokratische Organisation auch nicht einfach einen Putsch begrüßen und stillschweigen weitermachen.
Schwierige Lage…
„Im Rahmen der militärischen Ausbildungs- und Beratungsmission der Europäischen Union (European Union Training Mission, EUTM) in Mali sind bislang rund 16.000 malische Kräfte ausgebildet worden“
So weit so gut. Was machen die jetzt, auf welcher Seite stehen die nunmehr unter der Putschregierung?
„EUTM hat wesentlich zur Stärkung der malischen Streitkräfte beigetragen“, tatsächlich?
http://www.bundeswehr-journal.de/Themen/aus-den-streitkraften/veteranen/