Generalinspekteur nimmt Abschiedsappell der Bundeswehr in Afghanistan ab
Noch ist der deutsche Einsatz in Afghanistan nicht beendet – aber Generalinspekteur Eberhard Zorn hat den Abschiedsappell des Bundeswehrkontingents am Hindukusch schon mal abgenommen. Das teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr am (heutigen) Freitag via Twitter mit, zunächst ohne weitere Einzelheiten:
(wird absehbar ergänzt; das kann es ja nicht gewesen sein)
Nun endet der aufwändigste Einsatz der Nachkriegsgeschichte noch unwürdiger als gedacht. Was für ein Zufall, eine klägliche, übereilt wirkende Twitter Notiz. Na sicher kommt noch etwas, aber gute Kommunikation seiht anders aus. Man ist halt auf der Flucht.
Die Bundeswehr hat beim Truppenabzug aus Afghanistan auch Zehntausende Dosen Bier und Alkohol aufgeflogen, dazu reichte es doch dann noch. Eine Peinlichkeit reiht sich an die andere.
Nach fast zwei Jahrzehnten ziehen die NATO-Truppen beschämend fluchtartig aus Afghanistan ab. Damit endet der verlustreichste und teuerste Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr. Der Konflikt mit den islamistischen Taliban endete mit einer Niederlage, deren politischen und strategischen Folgen noch gar nicht überschaubar sind und den Westen bald einholen könnten.
Die Taliban sind dabei das Land wieder übernehmen. Je mehr die Taliban nun wieder Gebiete einnehmen, desto mehr wird alles, was man aufgebaut hat, wieder zunichte gemacht.
Dies untermauert den fundamentalen Bedarf an größerer Effizienz, vollständigem Engagement und einer dauerhaften Verpflichtung bei solchen Einsätzen.
Doch wir lernen ja nicht. Mali zeigt es deutlich.
Für das afghanische Volk ist die Niederlage eine weitere, tragische versäumte Gelegenheit. Die Geschichtsschreibung kann festhalten, dass die Unverwüstlichkeit dieses Volkes und seine Anstrengungen zum Wiederaufbau der Nation nach 30 Jahren des Konflikts nicht von der internationalen Gemeinschaft getragen wurden, die zu viele Versprechen gab und zu wenige Versprechen einlöste, nun das Land schmählich im Stich läßt.
Der Rückzug nach der Niederlage der Sowjetunion hätte eine Lehre sein können, doch der Westen hat damals (noch) großspurig gelächelt.
Nun muß man selbst eine Niederlage schön reden und mit Worthülssen zukleistern.
Nun sagte die Ministerin kleinlaut:
„in diesen Jahren aus Afghanistan einen modernen Staat im Sinne eines europäischen Levels zu machen … sich nicht realisiert hat, und von der man auch ganz ehrlich sagen muss, das waren auch Ziele, die einfach von Anfang an so nicht realistisch waren.“ Deutschlandfunk, Interview der Woche, 25.04.2021
Auslöser des Einsatzes in Afghanistan waren die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington. Da die Terrororganisation Al-Qaida damals auch unter dem Schutz des in Afghanistan herrschenden Taliban-Regimes operierte, setzte sich eine internationale Koalition unter Führung der USA zum Ziel, das radikalislamische Regime zu stürzen.
Nachdem die Taliban aus der Hauptstadt Kabul vertrieben waren, sollte die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF – mit deutscher Beteiligung – Sicherheit gewährleisten und der neuen afghanischen Regierung helfen, Streitkräfte und Verwaltung aufzubauen. Das übergeordnete Ziel lautete:
Von Afghanistan soll nie wieder eine terroristische Gefahr für die Welt ausgehen.
Wie es weiterging, wissen die Fristen hier.
Was bedeutet das für uns mit Blick auf wiederaufkommende Terrorgefahr – das war ja offensichtlich der ursprüngliche Grund des Einsatzes?
Am Rande:
Wieder einmal eine schwere Niederlage der USA in der Nachkriegszeit. Diese Niederlage in Afghanistan verringert die Glaubwürdigkeit und das Prestige der USA als Weltmacht erheblich! Das der NATO auch.
Das nur mit Blick auf „neue Herausforderungen“ Auf dem NATO-Gipfel wurde die strategische Neupositionierung verkünde nicht nur die Bedrohung durch Russland in unmittelbarer Nachbarschaft, sondern auch weiter draußen im Indo-Pazifik.
Ob Deutschland weiß, worauf es sich einläßt? Ok, das ist OT, ich weiß.
Wie Mali, auch OT.
@Ludwig Klein sagt: 18.06.2021 um 9:18 Uhr
„Nach fast zwei Jahrzehnten ziehen die NATO-Truppen beschämend fluchtartig aus Afghanistan ab.“
Der Termin war seit über einem Jahr bekannt, Flucht ist da etwas anderes. Aber für viele kommt Weihnachten ja auch immer ganz überraschend.
„Für das afghanische Volk ist die Niederlage eine weitere, tragische versäumte Gelegenheit. Die Geschichtsschreibung kann festhalten, dass die Unverwüstlichkeit dieses Volkes und seine Anstrengungen zum Wiederaufbau der Nation nach 30 Jahren des Konflikts nicht von der internationalen Gemeinschaft getragen wurden, die zu viele Versprechen gab und zu wenige Versprechen einlöste, nun das Land schmählich im Stich läßt.“
Empfinden Sie das so ? Mir fehlt da die Anstrengung des „afghanischen Volkes“ (das es ja so nicht gibt), auch wirklich etwas zu verändern. Oder glauben Sie wirklich, Die Taliban hätten irgendeine Chance, wenn nicht große Teile der Bevölkerung sie tragen würden? Und wie lange will man so eine Chance geben? 20 Jahre haben nicht gereicht, auch weitere 20 Jahre würden nicht reichen. Die religiösen Fanatiker sterben nicht aus, was in erster Linie ein Bildungsproblem ist. Die Bevölkerung hatte Chancen in Massen, und diese ungenutzt verstreichen lassen.
Ich sehe das nicht als Niederlage, sondern als reine Vernunftsentscheidung, die viel früher hätte kommen müssen. Gott sei Dank ist dieser Einsatz jetzt beendet.
@ Ludwig Klein
Danke.
Ich teile Ihre Einschätzungen. Ein weitgehend beschämendes Zeremoniell für ein Ende eines Einsatzes deutscher Streitkräfte außerhalb der bündnisbezogenen Landesverteidigung. ISAF und RS müssen dringend vorbehaltslos und schonungslos bilanziert werden.
Aber Regierungshandeln kann nicht durch Regierungskommissionen bilanziert werden. Das ist wie immer „Schönreden wie ehemalige Fortschrittsberichte“.
Gewaltenteilung ist ein gutes Prinzip. Da in der Causa „AFG“ die Regierung nicht nach Karlsruhe zitiert werden kann und ein Untersuchungsausschuss kein geeignetes Instrument bezogen auf diese Causa sein kann, bietet es sich an, dass die Legislative eine Unabhängige Kommission dafür einrichtet.
Mali ist ein UN Einsatz in Blau als MINUSMA. Das ist nicht ISAF. Trotzdem ist eine ähnliche Entwicklung wie in AFG absehbar.
By the way.
Die Bundesministerin der Verteidigung war nahezu zeitgleich in der Türkei und musste an der Führungsakademie und zuvor bei der NATO ein „Saufgelage“ kommentieren. Der GI in Afghanistan. Warum kann dieses Ministerium nicht irgendwie die Reisen so koordinieren, dass ein schaler Beigeschmack nicht entsteht? Außer, die Reise in die Türkei wäre angeordnet gewesen?
Nun gut. in 100 Tagen sehen wird weiter.
Jajaja, nichts machen die da oben richtig.
Hätte man ein großes Zeremoniell veranstaltet, wäre es eine „Ablenkung und Gefährdung des Auftrags“ gewesen.
Wäre der GI gar nicht geflogen, hätte man der Führung Undankbarkeit nachgewiesen.
Wäre man früher gefolgten, wäre es zeitlich unpassend gewesen, würde man später fliegen wäre es ein peinlicher Rest.
Nichts könne die richtig machen, aber die Kommentatoren von der Seitenlinie wissen natürlich wie gute Kommunikation geht…
@Josef König
Sie übersehen bei Ihrem Kommentar völlig, das die seinerzeitige Begründung für den Beginn des Einsatzes die Auslösung des Art 5 NATO-Vertrags durch die USA war. Und jetzt kommen Sie.
[Äh, nein. Ich werde das alles wohl noch mal aufarbeiten und aufschreiben müssen… Art. 5 war Beginn für die Operation Enduring Freedom. Nicht für ISAF. Getrennte rechtliche Grundlagen, getrennte Bundestagsmandate, getrennte Missionen. T.W.]
Und auch zum Abschluss nochmal der Standardspruch vom „Zeit kaufen“.
Dahinter liegt das Kernproblem des Einsatzes:
Die eigene Rolle würde nie verstanden.
Es ging bei ISAF darum die Gegenseite mit offensiver Gewaltandrohung und -anwendung zum Einlenken zu bringen.
Das ist auch „Zeit kaufen“, aber eben nicht mit Präsenzpatrouillen, Einigeln im Feldlager und völlig ungeeigneten RoE.
Auch der GI befördert erneut die (Dolchstoß-)Legende, dass die Bundeswehr eigentlich alles richtig gemacht hat, nur die anderen „Player“ (Politik, EZ, etc.) haben versagt.
Es sollte vielleicht jeder erstmal seinen Hof kehren. Da hat die Bundeswehr im eigenen Bereich genug aufzuarbeiten (siehe COIN-Debatte und deutsche Reaktion).
Pio-Fritz sagt:
18.06.2021 um 10:12 Uhr
„[…] Die Bevölkerung hatte Chancen in Massen […]“
Irgendetwas sagt mir, dass es sich für den Großteil der Betroffenen nicht so angefühlt hat.
@ Koffer
Auch ich halte die strategische Kommunikation bezüglich des Auftrittes des GI für ausgesprochen schlecht. Weder die einsame erste Twitter Nachricht, noch nachgereichte Details, wie das Video sind dem Anlass angemessen.
Es geht für mich ebenfalls um das Eingeständnis einer Niederlage in Afghanistan
Einer Niederlage mit weitreichende Folgen.
Der Afghanistan-Krieg hat in aller Härte sowohl materielle als auch personelle Defizite der NATO offen gelegt, und der Druck wächst, dies zu der Bevölkerung zu erklären.
Der Rückzug der NATO erinnert an den Rückzug der Sowjets 1989: eine Schmach.
Auch da gut es viel zu erklären, Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
BMVg und Bundeswehr sind um Gesichtswahrung bemüht, hinterlassen aber ein ungelöste Probleme. Auch dazu muß man etwas erklären.
In der Bundeswehr sprechen selbst Veteranen, dass die Taliban mit einem Sieg vom Platz gehen und fragen nach dem Sinn. Von kopf- und hilfloser Strategie wird schon seit einiger Zeit gesprochen.
Der Kommunikationsraum ist für mich eine Domäne der Sicherheitspolitik und genau für so etwas zu nutzen.
Wenn wir möglicherweise übereinstimmen, den Rückhalt der deutschen Bevölkerung für die Aufgaben in LV/BV aber auch Auslandseinsätze der Bundeswehr vergrößern zu wollen, müssen wir über (bessere) strategische Kommunikation nachdenken. Sonst werden die Lehren, die derzeit aus dem Afghanistan-Krieg gezogen werden, zu kurz greifen.
Von offizieller Seite wurden bereits Fehler in der Informationspolitik beim Afghanistan-Einsatz eingeräumt.
Gut war, dass Annegret Kramp-Karrenbauer nach vorn trat und Fehler beim Afghanistan-Einsatz einräumte:
„Die Fragen insbesondere, was haben wir daraus gelernt, was müssen wir für die nächsten Einsätze auch besser machen.“
„Die Hinterbliebenen, die Familien der Getöteten, die haben es verdient, dass dieser Auftrag aufgearbeitet wird und dass wir vor allen Dingen Lehren daraus ziehen und Dinge, die nicht gut waren, für die Zukunft besser machen.“
Da passt dieser abschließende Fehler in der Kommunikation des GI leider nicht, es wirkt, als ob man nichts gelernt hätte. Wirkungsvoll war seine Kommunikationsstrategie für mich nicht!
—-
Zu ihrer oft harschen Art, Kritik anderer Foristen als unangemessen, gar unzulässig abzuwerten.
Ich zitiere sie aus aktuellem Anlass : „….Nichts könne die richtig machen, aber die Kommentatoren von der Seitenlinie wissen natürlich wie gute Kommunikation geht…….“
Man muss nicht selbst kochen können, um zu beurteilen, ob mir das Essen schmeckt.
Da sie ja offensichtlich gern „die da oben“ verteidigen, meist unabhängig der Argumentation im Blog, einige Anregungen zum Umgang mit Kommunikation.
Mit Blick auf das BMVg schätze ich ein, dass die notwendige Verwurzelung mit der Basis schwindet und eine verstärkt zu beobachtende Entfremdung zwischen Basis und „Überbau“ tritt zu erkennen ist.
Die Kritik an militärischer Führung und politischer Leitung kommt i.d.R. nicht von ungefähr. Fehler werden genügend gemacht. Nicht zu allen wird gestanden.
Fehler, auch die in der Wahrnehmung Unterstellter, sind durch Führungskräfte im BMVg sehr ernst zu nehmen.
Gute Selbstführung erzeugt einen Sog, der Unterstellte mitreißt, dazu gehört auch der Grundsatz,
dass Geführte verstehen und nicht „mal schnell abgefertigt“ abgefertigt werden wollen.
Führungskräfte müssen Risiken schneller erkennen und bekämpfen sowie Chancen rascher identifizieren und ergreifen. Der entscheidende Faktor innerhalb des komplexen Systems Bundeswehr ist dabei Kommunikation.
Führungskompetenzen und eine wirkungsvolle Kommunikation gehören also zusammen.
Führung soll auch Zufriedenheit herstellen – und ist damit mit keiner Reduktion auf Effizienz, Leistung oder sogar Leistungssteigerung um jeden Preis notwendigerweise verbunden. Leider wird letzteres im BMVg noch immer gedacht.
In unübersichtlichen und schweren Zeiten (und da steht die Bundeswehr mittendrin!) sollte also mehr erklärt werden – Kritik auch zugelassen werden. Kommunikation wird noch wichtiger werden.
@park.7 sagt: 19.06.2021 um 8:55 Uhr
„Es geht für mich ebenfalls um das Eingeständnis einer Niederlage in Afghanistan“
Sorry, aber wenn Sie wirklich glauben, dass es Aufgabe des GI ist und das es klug sein soll bei einem Appell in AFG für die derzeit tätigen Kameraden eine „Niedererlage“ einzugestehen, dann haben wir beide sehr, sehr unterschiedliche Bewertungen dessen was die Aufgabe eines Appells für Soldaten ist und was die Aufgabe des GI ist.
Jetzt könnte man alleine schon über Ihre Behauptung streiten, dass es eine Niederlage war.
Aber ich will mich auf diese Diskussion hier gar nicht einlassen.
Der Appell war für die Kameraden vor Ort da.
Und DAS ist die strategische Botschaft.
„Die Fragen insbesondere, was haben wir daraus gelernt, was müssen wir für die nächsten Einsätze auch besser machen.“
Weshalb hat man nicht während des laufenden Einsatzes nachgesteuert? Daß es ohne Änderungen so ausgehen würde war doch bereits seit mehreren Jahren absehbar und wurde wohl bewußt in Kauf genommen.
@park.7 sagt: 19.06.2021 um 8:55 Uhr
„Man muss nicht selbst kochen können, um zu beurteilen, ob mir das Essen schmeckt.“
Wer nicht alle Informationen hat, kann
„Da sie ja offensichtlich gern „die da oben“ verteidigen, meist unabhängig der Argumentation im Blog, einige Anregungen zum Umgang mit Kommunikation.“
Ich verteidige nicht nur „die da oben“, ich kritisiere sie auch (z.B. wie derzeit wegen des Verhaltens mit Blick auf die Vorfälle im Baltikum) und ich verteidige auch „die da unten“, und ich kritisiere auch „die da unten“.
Mein Mantra ist: wo immer möglich ausgewogene Beleuchtung der jeweiligen Frage. Nicht das veröffentlichte mit den Tatsachen des Falls gleichsetzen.
Wenn Sie sich dadurch abgewertet fühlen, bedaure ich das, kann Ihnen aber nicht helfen.
Streiche „Wer nicht alle Informationen hat, kann“
Setzte „Wer nicht alle Informationen hat, kann auch nicht umfassend bewerten und sollte noch viel weniger umfassend abwerten.“
@park.7
„Der Afghanistan-Krieg hat in aller Härte sowohl materielle als auch personelle Defizite der NATO offen gelegt, und der Druck wächst, dies zu der Bevölkerung zu erklären“.
Mit derzeit 30 Mitgliedsstaaten, welche personellen, welche materiellen Defizite „der“ NATO, also querschnittlich im Bündnis, identifizieren Sie. Träfe Ihre Aussage zu, kämen auch „in aller Härte“ mat/pers Defizite der U.S. Kräfte zum Vorschein. Unzureichendes einzelner Staaten bilden aber nicht ein „der NATO“ ab.
Die deutsche Bevölkerung, soweit ich diese betrachte, sorgt sich um vieles, Sommerurlaub z.B., nicht aber Afghanistan. An Erklärungsdruck fällt mir rein gar nichts auf, selbst die Wahlkampfgranden aller Parteien fassen das Thema kaum an, mit bescheidener Abweichung bei Frau Hennig-Wellsow.
@T.W.
Ich sprach vom Beginn des Einsatzes, und das war nun mal OEF. ISAF kam erst später.
Ohne OEF und dem sog. „Bündnisfall“ wäre die Zustimmung zu diesem Einsatz und den darauf folgenden ISAF und dann RS politisch wesentlich schwerer gefallen.
Wenn man schon fordert, den AFG-Einsatz durch eine Kommission aufzuarbeiten und von zwei Jahrzehnten spricht, dann bitte komplett.
[Sehr viel ist über den deutschen Beitrag zu OEF in Afghanistan ja nie öffentlich geworden. Am meisten noch hier:
https://dserver.bundestag.de/btd/16/106/1610650.pdf
T.W.]
@KPK u. park.7:
Afghanistan offenbarte vorallem die intellektuellen Defizite der NATO.
Diese Art von Krieg wurde nie wirklich verstanden. Die NATO hatte nur konventionelle Antworten auf unkonventionelle Fragen.
So ähnlich erging es den Franzosen in Indochina und Algerien und den Sowjets in Afghanistan.
Den gleichen Fehler machen nun EU und VN in Mali.
Wer aus der Geschichte nicht lernt…
Aber das wird ja nun alles ausgewertet -sagen BM und GI.
Auch ich frage mich warum erst jetzt? Bisherige Einsatzauswertung gab es ja aber eben maximal auf taktischer Ebene.
Es macht dafür keinen Unterschied darauf zu warten wann die letzten Mentoren und Selbstverwalter aus dem Einsatz zurück kehren.
Wer wertet das denn nun aus?
EinsFüKdo, ZMSBw, GIDS, Arbeitsgruppe im BMVg?, UniBw? Alle zusammen?
Die Bundeswehr hat in Afghanistan nur wenig erreicht. Umso wichtiger wäre es, aus Afghanistan Lehren für künftige Einsätze zu ziehen.
Mit der im Grunde katastrophalen Niederlage der USA/der NATO in Afghanistan beginnt nun für die Bundeswehr die Aufbereitung.
Danke und Respekt für Leistungen der Bundeswehr haben höchste Priorität.
„Mission accomplished“ allein reicht aber nicht.
Es muss eine frühzeitige, offene und ehrliche Kommunikation bezüglich dieses Einsatzes geben.
Die Vorstellung, man habe „rein“ militärisch alles richtig gemacht, sollte sich nicht allzu lange halten.
Auch nicht bei Zeremonien und Rückkehrerappellen.
Eine umfasssende, ehrliche und ernsthafte interne Aufbereitung hat es nie wirklich gegeben.
Allein die Zerrbilder vom „guten“ Auftrag ISAF und dem zwiespältig gesehenen Kampfeinsatz amerikanischer, britischer und deutscher Einheiten zur Jagd auf Al Qaida geben einen Eindruck, wie Einsätze auch von Soldaten gesehen werden.
Beispielsweise einige Fragen:
Hat Deutschland die Fähigkeit für Counterinsurgency?
Wie steht es um die vergleichsweise geringe Beteiligung deutscher Soldaten an größeren militärischen Gefechtsoperationen?
Welche Erkenntnisse gibt aus den Einsätzen der Bundeswehr zur „internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung“und der Entwicklung des dafür künftigen Fähigkeitsspektrums?
Brauchen wir neue Konzepte für die Ausbildung „Konfliktverhütung und Krisenbewältigung“?
Dies vor dem Hintergrund der neuen Schwerpunktbildung LV/BV.
Vieles kommt hinzu.
Wenn man hier aufmerksam liest, haben sich ja führende Politiker von CDU bis Grüne (Kanzlerkandidaten) für mehr(!) „Auslandseinsätze“ und „internationales Engagement“ der Bundeswehr ausgesprochen. Ja, auch Frau AKK selbst und das im Wissen um den Zustand und den Umbau der Bundeswehr.
Theoretisch wissen wir ja, dass solchen Einsätzen immer eine politische Gesamtstrategie zu Grunde liegen müsste. Fangen wir doch einmal damit an.
Die mediale Aufbereitung der Wirklichkeit hat schon begonnen. Die Bundeswehr sollte besser die Initiative behalten.
@Memoria
Wer macht Einsatzauswertung?
Nach kurzem Suchen, das Ergebnis verblüfft mich. Wirklich das Planungsamt? Es sorgt sich um die Auswertung von Einsätzen der Bw, also um die strategische Ebene?
https://www.bundeswehr.de/de/was-bringt-denn-die-auswertung-von-einsaetzen-der-bundeswehr-im-planungsamt-der-bundeswehr–150996
Dass die taktische Auswertung pro Einsatz/Kontingent/Rotation akribisch funktioniert, ist mir aus eigenem Mittun bekannt.
Aber oberhalb davon, operativ? Die Auswertung strategischer Gesichtspunkte, die immer auch staatliches Handeln betrifft, lautet: „Strategie ist ein Bestandteil der Kriegskunst, … Die (Militär-) Strategie ist Teil der (Militär-) Politik des betreffenden Staates“.
Diesem Anspruch soll das PlA doch sicher nicht entsprechen müssen. Hier beginnt die Zuständigkeit des Kanzleramtes unter Zuarbeit der Streitkräfte und betroffener Ministerien.
Abwarten, einiges ist angekündigt.
@Klaus Hich
Die mediale Aufarbeitung wird noch weniger nützliche Resultate produzieren als die politische. Die wenigen Experten beider Branchen haben nicht die Reichweite, die sie verdient hätten. Die meisten Zeitungen ergehen sich also nur in dem, was Popper als das Elend des Historizismus bezeichnete.
„Graveyard of Empires“…
@ Memoria @ Klaus Hich
Vor fast Jahren begann mit den Anschlägen vom 11. September 2001 der „Kampf gegen der Terror” und damit auch der deutsche Einsatz in Afghanistan. 2010 wurde das erste Mal von einem Kriegseinsatz der Bundeswehr gesprochen. Der Afghanistan-Einsatz veränderte die Debatte um die Bundeswehr und die Rolle der Sicherheitspolitik in Deutschland. Themen wie geeignete Strategien, operative Konzepte, Taktiken aber auch Ausrüstung, Bewaffnung bis hin zu Veteranen und der Umgang mit zivilen Opfern sind bis heute nicht geklärt, besprochen oder gar entwickelt. Wir haben nicht begriffen, wie der Afghanistan-Einsatz die Bundeswehr verändert hat.
Hier im Blog wurde dies über Jahre bereits angesprochen.
In Politik, Gesellschaft und unserem Militär passierte nichts. Immer wieder wurde dies angeregt, doch es verschwand als Thema. Bei der Bundeswehr galt „weiter so!“ und „wird schon!“
Was bedeutet der Einsatz für die Zukunft der deutschen Sicherheitspolitik, was für die Bundeswehr selbst?
Oder sollten wir besser von den „unlearned lessons“ sprechen?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. nun, im zwanzigsten und letzten Jahr des Einsatzes, soll endlich eine Aufarbeitung erfolgen. Das hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mehrfach und medienwirksam zugesagt.
Hoffentlich bleibt es nicht wieder nur eine Ankündigung.
Das sind wir den Kameradinnen und Kameraden welche noch Afghanistan sowie in den anderen Einsatz bzw.- Missionsgebieten Dienst leisten schuldig
Sie sollen nicht nur heil an Körper und Seele zurückkehren, sondern auch das Gefühl gestärkt bekommen, nicht umsonst ihren Dienst geleistet zu haben oder gar Teil einer verfehlten Strategie gewesen zu sein. Denn, ganz ehrlich, die Worte Niederlage und Rückzug treffen ja wohl für AFG zu. Noch ziert man sich bei den Verantwortungsträgern, dies zuzugeben.
@ Memoria
„Wer wertet das denn nun aus?
EinsFüKdo, ZMSBw, GIDS, Arbeitsgruppe im BMVg?, UniBw? Alle zusammen?“
Berechtigte Frage und ein Antwortversuch von mir dazu:
Es sind v.a. die Bundesministerien des Äußeren, der Verteidigung und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die jeweils auf ihre Anteile in ISAF, mit dessen Ende und infolge RS eigentlich nur noch in erster Linie BMVg, die Verantwortung für deren jeweiligen Anteile die Verantwortung hatten. Ingesamt waren es die Bundesregierungen, die die jeweiligen Anträge im Deutschen Bundestag stellten und, weil eine Regierung immer eine eigene Mehrheit im Parlament haben (muss), praktisch nicht auf die Stimmen der Opposition angewiesen waren.
Kontrolle der Exekutive ist, im Sinne der Teilung der Gewalten, die Legislative, natürlich auch die Judikative. In unserem Falle, und bezogen auf eine Bilanzierung, ist die Judikative wohl nicht notwendig. Auch bringt ein Untersuchungsausschuss zur Bilanzierung nicht viel. Auch hier hat die Regierung immer eine gesicherte Mehrheit.
Mit scheint, dass jetzt eine Initiative aus dem Parlament gefordert ist, denn Regierungshandeln kann nicht vorbehaltslos durch Regierungskommissionen bilanziert werden.
Sobald am 26. September das Ergebnis der Wahlen zum 20. Deutschen Bundestag feststeht und sich mögliche Koalitionen abzeichnen und es dann eine Koaltionsvereinbarnung zur Regierungsbildung kommt, ist zu wünschen, dass in dieser Koalitionsvereinbarung festegschrieben ist, dass eine „Unabhängige Kommission zur Bilanzierung des Afghanistanengagement“ im Deutschen Bundestag eingerichtet werden soll. Sofern es dazu kommt, und dies wäre wünschenswert, wird es natürlich um deren Besetzung, Arbeitsweise und Dauer gehen.
Es bedarf dringend einer eigenen Bilanzierung des AFG Engagements, Und dies nicht nicht im Interesse der steuerentrichteten Bürgerinnen und Bürger, sondern auch und gerade in Interesse der Soldatinnen und Soldaten und der vielen Beteiligten in Nichtregierungsorgansiationen.
Letztendlich geht es um die Glaubwürdigkeit von Regierungshandeln im demokartischen System. Und das hat viel mit Akzeptanz mit Blick auf deren Entscheidungen zu tun.
@Josef König
Nach wie vor das Planungsamt.
Siehe 19.06.2021 um 23:36 Uhr
Die Bilanzierung auf zwei Ebenen, politisch und militär-strategisch. Die taktische Ebene funktioniert überzeugend.
@KPK:
Die Rolle des Planungsamtes in der Einsatzauswertung würde ich Mal nicht überbewerten.
Es wurde ja angekündigt, dass der Auswerteprozess unmittelbar nach dem Einsatzende beginnen soll.
Egal welche der vielen Dienststellen der Bundeswehr das dann federführend macht, die Bundeswehr aus sich selbst heraus wird eine ehrliche und grundlegende Auswertung nicht hinbekommen.
Notwendig ist dafür eine wissenschaftliche Arbeitsweise ohne die üblichen Denkverbote („politisch nicht gewollt“) und Denkmuster („wir kaufen nur Zeit“).
Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt am 20.06.2021 um 13:03 Uhr zu @Josef König „Die Bilanzierung auf zwei Ebenen, politisch und militär-strategisch. Die taktische Ebene funktioniert überzeugend.“
Taktische Ebene ÜBERZEUGEND?
Das lasse ich so nicht stehen. Das Aufzählen einiger, vermeintlich erfolgreicher Gefechte bzw. ganz weniger echter Operationen kann es ja wohl nicht sein. Auch nicht beschönigende Erfahrungs- und Kontingentberichte. Bei manchen könnte man denken, einige taktische Kommandeure sehen sich irückblickend n der Rolle von erfolgreichen „Feldherren“.
Ich vermisse z.B. die gesamte Ebene der taktischen und operativen Führung.
Wo ist denn die abgestimmte, systematische(!) Einsatzauswertung und die Auswertung von Qualitätsindikatoren? Im Panungsamt? Nicht im Ansatz, das wissen sie doch.
Nur eine zeitnahe bundeswehrgemeinsame Einsatzauswertung,mit dem Ziel der Identifikation von Änderungs-/Verbesserungsbedarfu. a. in Organisation und Planung, Ablauf und Durchführung, Material und Ausstattung unter Mithilfe aller Beteiligten,ist zielführend.
Nur eine solche, ganzheitliche Einsatzauswertung bringt wichtige, mehr nich erforderliche(!) einsatzbezogene Impulse in die Zielbildung und das Fähigkeitsmanagement ein. Emotionale Erinnerungen an ein vermeintlich großes „Meisterstück“ sind verständlich, bedürfen aber einer Auswertung mit ruhiger Hand.
Es geht um konkrete und ehrliche Wirkungsanalysen, z.B. hinsichtlich Taktik, Verfahren, Ausstattung, Ausbildung. Es geht um auch um SOLL – IST Vergleich zu den Zielsetzungen des Mandates.
Was gibt es strategisch zu verbessern?
Hat sich das Verfahren bewährt?
Die strategische Planung für einen Einsatz erfolgte bisher BMVg, Abt Strategie und Einsatz (SE) in Absprache mit anderen Bundesressorts sowie unter Beteiligung des Einsatzführungskommandos (EinsFüKdoBw) und betroffener Dienststellen im nachgeordneten Bereich. Die Kommando MilOrgBerTSK stimmten mit dem EinsFüKdoBw die sogenannten operativen Fähigkeitsforderungen (OFF) ab. Etc, etc,
Ja, es geht auch um politische Schlussfolgerungen. Gab es klare und erfüllbare Mandate, umfassende Mandate, die neben den militärischen auch zivile und polizeiliche Aufgaben benannten und dafür entsprechende Fähigkeiten? Gab es abgestimmte, also kohärente und operationalisierte Ziele im Kontext einer ressortgemeinsamen Strategie? Usw, usw.
Koffer 19.06.2021 um 9:40 Uhr
„….Sorry, aber wenn Sie wirklich glauben, dass es Aufgabe des GI ist und das es klug sein soll bei einem Appell in AFG für die derzeit tätigen Kameraden eine „Niedererlage“ einzugestehen, dann haben wir beide sehr, sehr unterschiedliche Bewertungen dessen was die Aufgabe eines Appells für Soldaten ist und was die Aufgabe des GI ist.
Jetzt könnte man alleine schon über Ihre Behauptung streiten, dass es eine Niederlage war.
Aber ich will mich auf diese Diskussion hier gar nicht einlassen.“
Ich würde schon gern etwas zum Begriff der Niederlage sagen wollen.
Im Moment der bittersten Niederlage der Bundeswehr kann man eben nicht von Erfolg sprechen. Umgang mit Niederlagen gehört dazu, wenn man sich in solche Einsätze begibt! Was also tun, wenn das Ziel nicht erreicht wurde?
Lobegemeinschaft oder Wahrheiten ansprechen?
Eingestehen, Kopf hoch behalten, nächster Versuch?
Mali?
Indo-Pazifik?
Soldaten können Wahrheiten vertragen!
Getreu dem alten Grundsatz folgend:
„Der Beweis von Heldentum liegt nicht im Gewinnen einer Schlacht, sondern im Ertragen einer Niederlage.“
Zur Niederlage selbst:
Mit dem fluchtartigem Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan erlischt für mich der letzte Funken Hoffnung, dass es möglich ist, weltweit das Ideal von Demokratie und Rechtsstaat zu verbreiten – nötigenfalls mithilfe militärischer Gewalt. Was bleibt, ist fast immer ein Scherbenhaufen.
Als die Russen aus Afghanistan abzogen, wurde auch im Westen das Sprichwort verwendet: „„Wenn Gott eine Nation bestrafen will, dann lässt er sie in Afghanistan einmarschieren.“ Die sowjetische Führung war schockiert von dieser Tragödie, der Generäle des Westens überboten sich von von „systematischen Fehlern“ zu sprechen. Hohn war unverhohlen, die Russen, die können es nicht!
Der nun fast vollzogen Abzug der Bundeswehr an der Seite von US und NATO Truppen aus Afghanistan ist nun ebenfalls Ausdruck einer eindeutigen Niederlage – der Vereinigten Staaten und des Westens. Ja, auch der Bundeswehr!
Auch ein „systemischer Fehler“? Kann der Westen es auch nicht?
Man vergleiche dazu:
Parteichef Gorbatschow im November 1986 auf einer Sitzung des Politbüros der Kommunistischen Partei:
„Wenn das so weitergeht, müssen wir noch 20, 30 Jahre kämpfen. In sechs Jahren haben wir nicht gelernt, einen Krieg zu führen. Zu Recht taucht die Frage auf: Machen wir ein Ende oder wollen wir uns militärisch vollkommen blamieren?“
Was der Präsident der USA sagte, ist nicht bekannt. Wer Trump erlebt hat, kann sich denken, dass dies so ähnlich war.
Wie sich nun die Bilder gleichen:
General Gromow (1987 wurde er im Rang eines Generalleutnants Kommandeur der sowjetischen 40. Armee in Afghanistan. Gromow führte den am 15. Februar 1989 abgeschlossenen Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan durch.) sagte viele Jahre nach dem Abzug der Sowjetunion aus Afghanistan:
„Wir haben es sogar geschafft, Beziehungen zu einigen unserer Gegner aufzunehmen, wie dem verstorbenen Ahmad Schach Massud, zur Gewährleistung eines sicheren Abzugs unserer Soldaten“
„Zum Zeitpunkt unseres Abzugs war die Regierung imstande, autonom die Ordnung in Afghanistan aufrechtzuerhalten unter der Bedingung, dass sie weiterhin Finanz- und Wirtschaftshilfen aus der Sowjetunion bekommen wird“
Was bei den Verhandlungen mit den Taliban konkret gesagt wurde, werden wir bald in den Geschichtsbüchern lesen.
Zur Finanz- und Wirtschaftshilfe aus den USA, der EU, vglw.
Also, ein Fiasko Afghanistan! Wenn wir Mut hätten, würde nun Gründe und Folgen der gescheiterten Intervention aufbereitet werden.
Für die zahlreichen Freunde der USA: Den Krieg um Afghanistan hat der Westen verloren – wieder einmal, wie schon die Kriege in Vietnam und im Irak.
Nun steht der Westen ziemlich schlecht da!
Lernt der Westen nie dazu?
Westliche Werte als Exportgut?
Andere Länder und Kulturen werfen der westlichen Gesellschaft vor, dass sie die Vorstellungen und Werte ihrer Geschichte, die Ideen von Toleranz, Freiheit, Individuum, Menschenwürde der ganzen Welt aufzwingen wolle.
Wie bewertet Deutschland im Lichte dieses Vorwurfes also sein militärisches Engagement in Afghanistan?
Nach der Niederlage im Irak-Krieg, der Niederlage des Afghanistan-Einsatzes und angesichts eines prekären „Arabischen Frühings“ frage ich:
Wo sind nun die westlichen Werte in in diesen Regionen, aktuell Afghanistan und mit welchem Recht lassen sie sich zukünftig unter Verwendung militärischer Gewalt in andere Regionen und Kulturen „exportieren“?
Nun wir hören ja schon wieder in Sonntagsreden vom „wertegebundenen“ Akteur NATO im Ringen mit China. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer warnt vor den Ansprüchen Chinas. China ist für sie gleichzeitig eine systemische und strategische Herausforderung. Da sind wir wieder bei „systemisch“.
Am Ende des Afghanistan – Einsatzes wird es emotional, vor allem da zunehmend dessen Sinnhaftigkeit hinterfragt wird. Der Westen zieht ab und entlässt Afghanistan in eine unsichere Zukunft.
Das Ziel, Al Qaida zu zerschlagen, sei erreicht worden, sagt unsere Verteidigungsministerin zum Ende des Afghanistan-Einsatzes. Einige Vorstellungen für das Land seien jedoch von Anfang an unrealistisch gewesen.
Zu ersten Aussage der Verteidigungsministerin:
Al Qaida stand damals unter dem Schutz der Taliban-Regierung in Afghanistan. Deutschland erklärte sich nach den Anschlägen in den USA bereit, im Rahmen der NATO und der Staatengemeinschaft einen Beitrag zu Befriedung und Wiederaufbau Afghanistans nach der Vertreibung der Taliban zu leisten.
Kampf gegen Terrorismus war primär der Auftrag der OEF in Afghanistan.
Der Angriff auf Afghanistan erfolgte, indem man eine Koalition aus regierungsfeindlichen Kräften (‚Nordallianz’) durch Spezialkräfte und die amerikanische Luftwaffe unterstützte. Die NATO selbst wurde zu diesem Zeitpunkt nicht involviert bzw. nur sehr peripher, indem sie bestimmte Überwachungsaufgaben in einigen NATO-Staaten übernahm. Die Nordallianz siegte nach wenigen Wochen; die Taliban wurden als „vertrieben“ und „geflüchtet“, wie man heute weiß, eine unwahre Behauptung. Al Qaida wurde aus Afghanistan vertrieben und agierte von anderen Zufluchtsorten
Auf der Grundlage des Beschlusses des Deutschen Bundestages hatte die Bundeswehr der Anti-Terror-Koalition die Möglichkeit einer Beteiligung mit bis zu 100 Spezialkräften am OEF Einsatz in Afghanistan angezeigt. Dies ist erfolgt. Details sind kaum zu finden.
Das Ziel, Al Qaida zu zerschlagen, wurde offiziell rasch erreicht. Es gäbe ja keine Ausbildungslager der al-Qaida mehr in dem Land – das nannte man schon 2002 ein Erfolg.
Nun zum zweiten Teil der Aussage derVerteidigungsministerin, den unrealistischen Vorstellungen.
Ich habe mal versucht Zielstellungen und Entwicklungen zusammenzuführen. Es bleibt wohl mein persönliches Chaos
Nach dem vorläufigem Sturz des Taliban-Regimes durch die OEF wurde im November und Dezember 2001 auf der „Petersberger Konferenz“ in Bonn die Grundlage für den Isaf-Einsatz geschaffen. Die größten ethnischen Gruppen Afghanistans einigten sich bei diesem Treffen auf eine „Vereinbarung über provisorische Regelungen in Afghanistan bis zum Wiederaufbau dauerhafter Regierungsinstitutionen“
Die OEF wurde allerdings erst nach 13 Jahren am 28. Dezember 2014 beendet. Auch nach dem formalen Ende der OEF finden weltweit weiterhin Anti-Terror-Operationen mit ähnlicher Zielsetzung statt, meist in nationaler Verantwortung. Eine klare Zuordnung welche „Antiterroroperation“ welchem Mandat diente, viel selbst Experten schwer.
Im Auftrag der Vereinten Nationen griff parallel die „Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe“ ISAF gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften gegen militante oppositionelle Kräfte durch,die den Wiederaufbau durch afghanische und internationale Helfer mit Gewalt verhindern wollen.
ISAF war ein sog. „robustes Mandat“. D.h. die Truppen hatten das Recht auf militärische Gewaltanwendung, wenn nötig auch in Form von Präventivschlägen. Die Bekämpfung der Aufständischen durch die Bundeswehr blieb bis auf wenige Ausnahmen erfolglos.
Mit der Übernahme des Regionalkommandos Nord durch die Bundeswehr 2006 stiegen die Verantwortung für Deutschland, das Risiko für die Soldaten und die Kritik am Einsatz. Die Kanzlerin und ihre Kabinette reagierten auf die aufkeimenden Zweifel am deutschen Engagement mit immer größeren Versprechen. Sprach man zunächst bloß davon, Brücken zu bauen und Lazarette einzurichten, so ging es schließlich um ein leistungsfähiges Bildungssystem, Gleichberechtigung und Demokratie.
Nach Übernahme des Regionalkommandos Nord gelang es durch intensivere Einsätze der Bundeswehr, die Taliban zurückzudrängen, aber nie nachhaltig zu vertreiben. Generell wirkte das Agieren unserer operativen als auch der taktischen Einsatzführung wenig zielgerichtet. Die Reaktion auf Vorschläge weiterer Verstärkung des deutschen Kontingents verhalten allzu oft in Berlin und Potsdam.
Union, SPD und FDP haben das Isaf-Mandat stets mit großer Mehrheit verlängert. Sie haben nie wirklich Antworten auf die Fragen der Wähler und der Soldaten gefunden. Zunehmend blumiger werdende Formulierungen verdeckten fehlende Strategie. Auffällig positive Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Lage in Afghanistan kursierten in Berlin, während in Afghanistan kaum Erfolge spürbar waren. Ein Widerspruch von dem eigentlich jeder wusste.
Die NATO, die seit 2003 vom UN-Sicherheitsrat mit der Führung dieses ISAF-Einsatzes beauftragt war, entschloss sich zu der Folgemission RS (Resolute Support). Die Mission begann am 1. Januar 2015 mit dem Ziel, durch Ausbildung, Beratung und Training die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen.
Dieser Einsatzbeschluss der NATO erfolgte am 2. Dezember 2014, nachdem die afghanische Regierung nach langwierigen Verhandlungen im September 2014 dem für den Einsatz erforderlichen Truppenstatut zugestimmt hatte.
Bei der Ausbildung und Unterstützung afghanischer Sicherheitskräfte hat man nun wenig Positives vorzuweisen. Der Auftrag der Mission, die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu befähigen, ihrer Sicherheitsverantwortung nachzukommen, ist unzureichend erfüllt worden.
Fast zwanzig Jahre Aufbau der afghanischen Armee zeigen also nur wenig Erfolge. Doch um diese zu sichern und auszubauen, hätten die NATO-Partner noch lange bleiben müssen.
Nach Abzug entfällt das Korsett. Ohne Korsett wird es nicht lange gut gehen.
Die afghanische Armee zerfällt bereits. Absetzbewegungen beginnen, teils mit Waffen und Material.
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler fast zusammen:
„Niemals wurde so viel in den Wiederaufbau eines zerfallenen Staates investiert und zugleich ein so unbefriedigendes Ergebnis erzielt.“
Afghanistan ist noch immer eines der ärmsten Länder der Welt. Seit 2002 hat sich die afghanische Wirtschaft – ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau – anfänglich gut entwickelt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen ist jedoch weniger angestiegen als erhofft. Besonders auf dem Land bleibt die Armut weiter groß. Noch immer fehlt es in vielen Teilen des Landes an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie, Trinkwasser und Bewässerung. Gleichzeitig wächst die Einwohnerzahl Afghanistans rasant. Diese schnell wachsende und junge Bevölkerung fordert vom Staat angemessene Lebensperspektiven für sich ein. Hierzu gehören neben Sicherheit unter anderem Schul- und Hochschulbildung, Arbeitsplätze, Infrastruktur, bezahlbarer Wohnraum und Trinkwasserversorgung.
Das übergeben wir die Lebensperspektiven dieser Menschen jetzt den Taliban? Lesen wir doch noch einmal nach, was dem Deutschen Bundestage zu unseren Zielstellungen gesagt wurde. Alles vergessen? Haben wir gar eine neue Flüchtlingswelle zu erwarten?
Die Sowjets und ihre Verbündeten hinterliessen ein zerrüttetes Land, in dem schliesslich die Taliban die Macht übernahmen. Geschichte wiederholt sich nicht, sagt man. Oder gerade doch?
Immer optimistisch bleiben, oder? Afghanischer Islamismus der Taliban ist ja in den Augen der ewigen Optimisten im AA und BMVg mittlerweile „etwas gemäßigter.“
@B. Nölte
Bei „Im Moment der bittersten Niederlage der Bundeswehr kann man eben nicht von Erfolg sprechen“.
Welche Niederlage „der Bundeswehr“?
Der Unterlegene in einem bewaffneten Konflikt streckt die Waffen nach Hinnahme der Kapitulation (absolute, bedingungslose, Teil-). Die Kapitulation wird definiert mit „endgültiges Sichbeugen vor überlegener Gewalt“. Bestimmungen zur Kapitulation sind in der Haager Landkriegsordnung (HLO) zwischen fechtenden Kriegsparteien festgelegt und völkerrechtlich mit mehreren Folgebestimmungen anerkannt.
Kämpfte die Bundeswehr in Afghanistan, ja, mit Teilen durch die „Operational Mentoring and Liaison Teams (OMLT)“ bis Ende 2014. Nachdem zum 01. Januar 2015 „Resolute Support (RS)“ die ISAF- Folgemission für die NATO wurde und Ausbildung und Beratung begann, kämpfte jedenfalls keine deutsche Truppe mehr. Ausnahmen für das KSK sind möglich.
Wer an bewaffneten Konflikten nach HLO, bzw „nicht erklärten internationalen Konflikten“ (https://globalhistory.de/kriege/index.aspx ) unbeteiligt ist, erleidet bei Abzug der Truppen, zudem nach sechsjähriger Pause von Kampfhandlungen, keine Niederlage in o.g. Definition.
Kann dennoch von einer Niederlage gesprochen, bzw. dies so gesellschaftlich empfunden werde, ja, unbedingt.
Mit dem Ende alliierter Truppenpräsenz, nach merkwürdigen Verhandlungen in Doha, merkwürdig, da ohne Beteiligung der betroffenen offiziellen Kabuler Regierung, werden die Waffen gestreckt. Es sind dies die politischen, moralischen und auch völkerrechtlichen Waffen demokratischer Staaten aufgrund innerer Schwäche gegen Gruppierungen die eine „wirkliche islamische Republik“ anstreben. (Sprecher Taliban gestern auf Twitter).
Bei moralischer Schwäche stellen Betroffene fest, dass „man nicht tun kann, wovon geglaubt wird, dass es getan werden sollte.“
Edit/“Im Moment der bittersten Niederlage …“? Welche weiteren militärischen (!) Niederlagen sprechen Sie an?