Streit um neues Sturmgewehr: Auswahlentscheidung gegen die technisch bessere Waffe? (Korrektur)
Bei der Entscheidung über die Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr soll die technisch überlegene Waffe abgelehnt worden sein. Das berichtet das Magazin Business Insider unter Berufung auf einen als vertraulich eingestuften Bericht der Erprobungsstelle.
Das Ministerium hatte am vergangenen Montag angekündigt, das Vergabeverfahren für die neue Standardwaffe der Bundeswehr teilweise neu zu beginnen und dazu einen externen Patentanwalt als Gutachter hinzuzuziehen. Damit ist keine neue technische Untersuchung der von den beiden Waffenherstellern Heckler&Koch und C.G. Haenel angebotenen Sturmgewehre geplant, sondern eine rechtliche und wirtschaftliche Bewertung der Angebote. Unter anderem geht es dabei auch um die Frage, wie sich ein Patentstreit zwischen den beiden Firmen auf die Angebote auswirkt.
Im öffentlichen Teil des Berichts betonte das Ministerium, dass alle auf die Ausschreibung letztendlich angebotenen Sturmgewehre – neben dem MKK556 von Haenel das HK416 und das HK433 von Heckler&Koch – die technischen Forderungen an die neue Standardwaffe der Bundeswehr erfüllt hätten. Damit stünden grundsätzlich drei marktverfügbare Gewehre zur Auswahl, die die sehr hohen technischen Präzisionskriterien für die Nachfolge des G 36 erfüllen.
KORREKTUR*: Allerdings soll es jenseits der rechtlichen Fragen auch technische Probleme geben, die aus dem Erprobungsbericht der Wehrtechnischen Dienststelle hervorgehen, die die angebotenen Waffen untersuchte. Nach Angaben von Business Insider (Link aus bekannten Gründen nicht) schnitt das von Heckler&Koch angebotene Gewehr HK416 in den technischen Untersuchungen teilweise besser ab als das von Haenel angebotene MK556, das nach Abschluss der Untersuchungen als künftige Bundeswehr-Waffe ausgewählt worden war.
So gehe aus dem Bericht hervor, dass das HK416 treffsicherer gewesen sei als das Konkurrenzprodukt MK556. Das habe sowohl für die Grundpräzision gegolten als auch für die Schussabgabe unter heißen oder kalten Bedingungen. Zudem habe es beim Gewehr von Haenel öfter Fehlfunktionen gegeben als bei der Waffe von Heckler&Koch. Diese und weitere technische Probleme des MK556 seien jedoch aufgrund der Vorgaben der Tests nicht in die Bewertung der angebotenen Waffen eingeflossen.
Das Thema Sturmgewehr steht am kommenden Freitag als einziger Punkt auf einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses. Vom Ministerium selbst gab es zu den Aussagen keine Stellungnahme.
*Korrektur: In der ersten Version war ich fälschlich davon ausgegangen, dass das Medium aus dem als vertraulich eingestuften Bericht für den Bundestag zitiert hatte. Tatsächlich scheint es sich aber um den technischen Abschlussbericht der Wehrtechnischen Dienststelle 91 zu handeln und nicht um den Bericht des Ministeriums.
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In der Anlage zur Pressemitteilung des BMVg stand doch bereits drin, dass bezüglich des Schienenpreises sowohl Haenel als auch H&K um Aufklärung gebeten/aufgefordert wurden.
Zitat Wehrbeauftragter Barthels:
Unsere Bundeswehr, wie ich sie im Moment erlebe, leidet an Unterbesetzung und gleichzeitig an Überorganisation.“ Zu viel Arbeit werde doppelt getan oder gegeneinander. Das Beschaffungsamt in Koblenz sei überlastet und mit Verantwortung in der Vergangenheit überfrachtet worden. Die Bundeswehr blockiere sich oft selbst. „Einfaches wird verkompliziert, Bewährtes verschlimmbessert“, heißt es im Bericht des Wehrbeauftragten. Bartels spricht von einem „Bürokratielabyrinth“, selbst Soldaten würden ihm mittlerweile sagen: „Wir verwalten uns zu Tode.“
Wen wundert es, wenn die Beschaffung eines Gewehrs erstmal in die Hose geht.
Wie sollen denn zukünftige Projekte durchgeführt werden?
Muss hier nicht grundsätzlich angesetzt werden, anstatt immer nur Symptome zu bekämpfen?
Das ist ganz sicher kein einfaches Terrain, aber schnelles Handeln ist aus meiner Sicht das Gebot der Stunde.
Ich schlimmsten Fall muss die Bw einen Krieg führen, allerdings wie das aktuell funktionieren soll, keine Ahnung.. .
Kleiner juristischer Exkurs: Para. 160 Abs . 3 normiert die Rügeobliegenheit. Einfach ausgedrückt ein Bieter muss Rügen sobald er positive Kenntnis von einem Umstand hat, der eine rechtskonforme Vergabe verhindert. Damit soll verhindert werden, dass ein unterlegener Bieter Umstände sammelt und am Ende eine Vergabe kippt. Der Auftraggeber soll damit Gelegenheit haben, mögliche Fehler während einer Vergabe zu heilen. Hier erfolgte die Rüge nach der Vergabe, obwohl die Patentrechtsverletzung schon Jahre bekannt war. Vermutlich hätte die Vergabekammer eine Präklusion erkannt und die Beschwerde zurück gewiesen. Warum also geht man freiwillig einen Schritt zurück?
Geht es hier vielleicht gar nicht mehr um die Vergabe eines Sturmgewehrs sondern um etwas ganz anderes, größeres? Ist das der Grund warum so vorsichtig agiert wird?
Wenn wie hier geäußert die Over the Beach Fähigkeit Stand der Technik ist, kann sie nicht patentiert werden (para 3 PatG )und kann auf Antrag (Para 22 PatG) für nichtig erklärt werden.. Der Antrag erfolgt (para 81 PatG) auf dem Klageweg.
[Danke – aber wir sollten vielleicht noch wissen: alle genannten Paragraphen beziehen sich aufs Patentgesetz? T.W.]
Sorry, 160 bezieht sich auf GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung)
@Q: Spannend! Soll das heißen, dass H&K schon viel früher hätte rügen „müssen“? Und dass damit jetzt evtl. im Raum steht, dass die Rüge – „aufgrund Verspätung“ – hinfällig ist?
Bzw., dass der gerügte Gegenstand („Over the Beach-Patent“) nicht mehr schützenswert ist?
Ich würde gerne eine Einordnung dessen lesen, was sie hier erst einmal sehr vorsichtig in den Raum geworfen haben.
Vergaberechtlich ist das so, wie Q ausgeführt hat. Aber zu einem Nachprüfungsantrag käme es jetzt vermutlich gar nicht mehr, weil ja die Vergabestelle das Verfahren in einen vorigen Stand zurückversetzt hat.
Fällt die Entscheidung dann wieder gegen Heckler und Koch wäre aber für die Betrachtung der Patentangelegenheit in der Tat wichtig, ab wann dort bekannt war, dass das angebotene Gewehr angeblich ein Patent verletzen könnte. Die Rügefrist ist kurz. Und Heckler und Koch sollte man im Bereich der Handwaffen sicherlich als vergabeerfahrenen Bieter einstufen (für die Frage, ob eine komplizierte Rechtsfrage vergaberechtliche Relevanz hat).