Nach Jahrzehnten der Schwulen-Diskriminierung: AKK nennt Eckpunkte für Rehabilitierungs-Gesetz
Gut zwanzig Jahre ist es her, dass homosexuelle Soldaten in der Bundeswehr nicht mehr per Erlass von bestimmten Dienstposten und Beförderungen ausgeschlossen sind – aber noch im vergangenen Jahr lehnten es die Streitkräfte ab, sich für die frühere Diskriminierung von Homosexuellen zu entschuldigen. Mit einem Gesetz, dessen Eckpunkte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt vorstellte, sollen die Betroffenen solcher Diskriminierung rehabilitiert und entschädigt werden.
Am 3. Juli 2000 war unter dem damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping der Erlass aufgehoben worden, der in den Jahrzehnten zuvor die diskriminierende Personalführung für homosexuelle Soldaten festgelegt hatte, die auch nach Aufhebung des entsprechenden Strafrechtsparagraphen 175 für homosexuelle Männer in der Bundeswehr weiter galt. Kramp-Karrenbauer hatte zu diesem Stichtag im Juli dieses Jahres die Pläne für eine Rehabilitierung angekündigt.
In einer Veranstaltung zur Vorstellung der Studie Tabu und Toleranz. Der Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität von 1955 bis zur Jahrtausendwende des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZSMBw), noch von der früheren Ministerin Ursula von der Leyen in Auftrag gegeben, nannte Kramp-Karrenbauer am (heutigen) Donnerstagabend Eckpunkte des geplanten Gesetzes:
• Aufhebung aller Urteile der Truppendienstgerichte, die ausschließlich aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen ergingen
• Rehabilitierung der Soldaten, die von personal- oder disziplinarrechtlichtlichen Maßnahmen wegen ihrer sexuellen Identität vor Aufhebung des Erlasses 2000 betroffen waren; dabei geht es vor allem um Entlassungen oder Nicht-Beförderungen
• Glaubhaftmachung der erlittenen Nachteile, weil nach Jahrzehnten Beweise teilweise nur schwer beizubringen sind
• pauschale Entschädigungszahlungen für erlittene Nachteile
Im Juli hatte das Ministerium den Gesetzentwurf noch für September angekündigt; das dürfte sich vermutlich etwas verschieben.
Wie langfristig sich die Benachteiligung auswirkt, schilderte bei der Veranstaltung der frühere Matrose Dierk Koch, der 1964 nach Bekanntwerden einer homosexuellen Affäre innerhalb weniger Tage vom Gefreiten zum Matrosen degradiert und unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen wurde. Noch Ende 2019 habe er ein Schreiben der Bundeswehr erhalten, dass sich die Streitkräfte nicht für dieses Vorgehen entschuldigen würden.
Kramp-Karrenbauer entschuldigte sich nicht nur im Namen der Bundeswehr bei den Betroffenen – sondern verwies auch darauf, dass die Bundeswehr in diesem Punkt eine besondere Verantwortung habe: Sie sei die einzige (staatliche) Organisation gewesen mit einer Erlasslage, die das Unrecht manifestierte.
Der vor fast 60 Jahren aus der Bundeswehr geworfene Matrose Koch ist einer der Zeitzeugen, die dem ZMSBw-Autor Oberstleutnant Klaus Storkmann über ihre Erfahrungen als homosexuelle Soldaten berichteten. Die umfangreiche Studie, ein fast 400 Seiten starkes Buch, steht als Pre-Print zum Herunterladen auf der Seite Zentrums zur Verfügung:
Tabu und Toleranz. Der Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität von 1955 bis zur Jahrtausendwende
Ein interessantes Fazit zur jahrzehntelangen Diskriminierung findet sich auch, für Eilige, in der Zusammenfassung von Storkmanns Studie: Dass der Erlass zum Umgang mit homosexuellen Soldaten vor zwanzig Jahren aufgehoben wurde, hatte nicht in erster Linie mit der Durchsetzung der politischen Haltung des damaligen Verteidigungsministers zu tun – und war nicht die Absicht der damaligen militärischen Führung. Im Gegenteil:
Entscheidend für den weiteren Verlauf in der Bundeswehr war die Verfassungsbeschwerde eines 1998 von seinem Dienstposten als Zugführer abgelösten späteren Oberleutnants. Um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu vermeiden, vollzog Verteidigungsminister Rudolf Scharping im Jahr 2000 die Kehrtwende. Das für die Betroffenen revolutionäre Papier kam denkbar unaufgeregt mit einem Kernsatz aus. Unter dem Betreff »Personalführung homosexueller Soldaten« wurde am 3. Juli 2000 darin festgelegt: »Homosexualität stellt keinen Grund für Einschränkungen hinsichtlich Verwendung oder Status und somit auch kein gesondert zu prüfendes Eignungskriterium dar«. Scharping hatte den Kurswechsel nach anfänglichem Zögern gegen den erklärten Willen und hartnäckigen Widerstand der militärischen Führung der Streitkräfte durchgesetzt.
(Foto: Kramp-Karrenbauer im Screenshot des Videostreams der Veranstaltung am 17. September im Verteidigungsministerium)
Schön, dass es wichtigere Themen als Gender-Dienstgrade gibt und hier offensichtliche Diskriminierung entschädigt wird.
Gewisse Ressentiments sind nach meiner Erfahrung leider auch heute noch erlebbar und damit wird ein wichtiges Zeichen gesetzt.
Mit „damit“ meine ich die die Eckpunkte des Gesetzes.
Und wieder betreibt die Ministerin reine Symbolpolitik, die keines der aktuellen Probleme der Bundeswehr löst und statt dessen darauf angelegt ist, ein positives Medienecho zu erzeugen. Leider geschieht dies auf dem Rücken von Soldaten, die der der vorgestellten Studie zufolge eben nicht diskriminierend handelten, sondern transparent und im Einklang mit geltenden Gesetzen Anforderungen an Vorgesetzte auf der Grundlage dessen definierten, was damals allgemeine gesellschaftliche Erwartungshaltung war. Das Personalwesen soll auch heute die Leistungsfähigkeit der Truppe sicherstellen und nicht Gesellschaftspolitik betreiben.
Die Studie ist ansonsten trotz der heute umgekehrten gesellschaftlichen Erwartungshaltung bemerkenswert ausgewogen, was die Gründe für das damalige Vorgehen angeht, und stellt auch wiederholt heraus, dass man in der Bundeswehr unabhängig von seiner sexuellen Orientierung seit Jahrzehnten mit allgemeiner Toleranz rechnen kann. Ein Grund dafür, dieses Thema jetzt aufzumachen, geht aus der Studie nicht hervor.
[Schon ein bisschen zynisch, diesen Nick zu wählen, oder? T.W.]
@Kießling: 1. Der Nickname ist schon grenzwertig, 2. ist das keine Symbolpolitik, sondern wissenschaftliche Aufbereitung rechtlich fragwürdiger Handlungen, die endlich juristisch zu korrigieren sind, und 3. ist ihr Kommentar sprachlich doch sehr verquast.
Bemerkenswert finde ich eher den Hinweis vom Hausherrn, warum BM Scharping sich gegen die militärische Führung stellte bzw. dass er das eben tat.
Es handelt sich hier mit Sicherheit um kein aktuelles Problem der Bundeswehr, aber um ein sehr altes, welches nie abschließend geklärt wurde.
Ausgetragen wurde es dabei auf dem Rücken der betroffenen Soldaten. Welche auch mit Sicherheit keine allgemeine gesellschaftliche Erwartungshaltung diesbezüglich hatten.
Solche Sachen strahlen immer in die Zukunft, unsere Gegenwart, und verursachen Stirnrunzeln bei nachfolgenden Generationen.
Ich finds Super von Frau Kramp-Karrenbauer und allen daran Mitwirkenden.
> Sie sei die einzige (staatliche) Organisation gewesen mit einer Erlasslage, die das Unrecht manifestierte.
Man darf davon ausgehen, dass die Judikative während der Rechtsgültigkeit des § 175 StGB das Recht in Form von Urteilen manifestiert hat, die dann von der Exekutiven (straf)vollzogen wurden. Man darf auch davon ausgehen, dass sie dies nicht mehr tat, nachdem die Legislative die Norm außer Kraft gesetzt hat. Das Frau K. hier von „Unrecht“ als Mitglied einer Bundesregierung spricht, ist eine unerhörte Anmaßung gegenüber ihren Vorgängern und deren Untergebenen, die nur noch von ihrer zur Schau gestellten Missachtung der Grenzen ihrer rechtstaatlichen Kompetenzen übertroffen wird. So sehr man ihr in der Sache zustummen mag, so lächerlich wirkt das besondere Hervorheben der „Erlasslage“ gegenüber den nach § 175 StGB Verurteilten (die materiell übrigens nur sehr geringfügig entschädigt wurden).
[Lesen hilft. Also noch mal lesen: Auch nach Abschaffung des §175 hat die Bundeswehr an der Praxis festgehalten. Ihre Behauptung „Man darf auch davon ausgehen, dass sie dies nicht mehr tat, nachdem die Legislative die Norm außer Kraft gesetzt hat“, ist damit unzutreffend. Dieses „man darf davon ausgehen“ ist ohnehin eine ziemlich nichtssagende Formulierung. T.W.]
Es mag seltsam klingen, aber ich halte sowohl die Haltung der Bundeswehr ggü. Homosexuellen bis in die 90er für richtig, als auch die jetzige Entscheidung zur Rehabilitierung und Entschädigung.
Das damaligen Vorgehen war ja gerade in den 80er und vor allem in der Endphase dieser Regelung in den 90er über die Frage der tatsächlichen Vorgesetzteneignung begründet. Nicht über die charakterliche Eignung, sondern über die Frage, ob eine Erpressbarkeit gegeben war und ob der durchschnittliche Untergebene und Kameraden den möglicherweise Vorgesetzten bzw. Gleichgestellten weniger leicht bereit war zu folgen oder zu vertrauen.
Das war damals schon falsch vom jeweils einzelnen, der einen Vorgesetzten oder Kameraden nicht bereit war aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung zu folgen oder zu vertrauen. Aber es entsprach den damals noch weit verbreiteten Ressentiments in der Bevölkerung (und damit in der Truppe).
Es ging bei der Regelung also (und das haben die Gerichte immer wieder bis hoch zum BVerwG bestätigt) einzig und allein um die Führungs-/Einsatzfähigkeit der Truppe. Und die hat Verfassungsrang. Das mit gesellschaftlichem Wandel diese Regelung nicht mehr haltbar war, ist erfreulich und richtig. Aber es war halt ein gradueller Prozess.
Nachdem die Regelung aber jetzt schon so lange entfallen ist und das gesellschaftliche Klima (und vor allem das in der Truppe) jetzt nun schon lange über diese Einstellung hinweggekommen ist, macht es nun aber angemessen und richtig sich nun dem persönlichen Leid zu widmen, was die Kameraden erlitten haben. Es war damals leider notwendig, aber das macht es nicht gut und moralisch auch nicht richtig. Deswegen ist die Rehabilitierung und Entschädigung jetzt auch angemessen.
@Heiner Möllers
Haben Sie die Studie überhaupt gelesen? Dort ist nirgendwo die Rede von „rechtlich fragwürdigen Handlungen“, zumindest nicht in dem Sinne, den Sie unterstellen. In der Studie heißt es z.B. dass die „die Toleranz in der Truppe viel größer war als es die Vorschriften eigentlich zuließen“ (S. 337). Wer die (auch heute noch von Soldaten unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung geforderte) „private geschlechtsbezogene Zurschaustellung“ vermied, konnte laut der Studie „erstaunlich ungehindert“ seinen „Weg in der Armee gehen und Karriere bis in höchste Verwendungen machen“ (S. 340).
Leider hat auch die Ministerin die Studie scheinbar nicht gelesen. Die Bundeswehr hat sich hier als Ganzes nichts zu Schulden kommen lassen und muss sich somit auch für nichts entschuldigen.
@Kießling aka. Ex-Kießling
Haben sich in Ihren Augen der Lagerkommandant, der SS-Wachmannschafter oder der Mauerschütze auch nichts zu schulden kommen lassen? Die waren ja genauso von den jeweils geltenden Gesetzen gedeckt.
@“Grundkurs Gewaltenteilung“:
In Ergänzung zu dem, was bereits moderierend von Herrn Wiegold Ihrem Kommentar angehängt wurde, scheint es an der Einsicht zu mangeln, dass geltendes Recht Unrecht darstellen kann. Die Feststellung und Umsetzung der vorgesehenen Rechtsfolgen in Anwendung des §175StGB – in anderen Worten die Anwendung damals geltenden Rechts – war stets Unrecht. Für den in Rede stehenden Erlass, der das Unrecht des §175StGB auch nach dessen Streichung weiter fortgesetzt hat, kann nichts anderes gelten.
Falls die Zusammenhänge nicht durch scharfes Hinsehen einleuchten empfehle ich, den „Grundkurs Gewaltenteilung“ nochmal zu wiederholen. Möglicherweise ist zur Veranschaulichung auch bereits die Lektüre einschlägiger Wikipedia-Artikel, beispielsweise zu den Nürnberger Rassegesetzen, ausreichend.
Es ist erschütternd festzustellen, dass die Aufarbeitung dieses Unrechts überhaupt in Frage gestellt wird.
[Der Nick „Luftikus“ ist hier von einem anderen Leser schon länger in Gebrauch; deshalb habe ich Ihren Nick zu „Luftikus2“ verändert. T.W.]
Leider gibt es auch heute noch ganz offene Diskriminierung in der Truppe. Und das wird teils sogar von der Vorschrift gedeckelt. Seien es lange Haare, Tattoos, teilweise sogar ostdeutsche Abstammung oder vieles mehr. Die damalige Diskriminierung von Homosexuellen wird genau wie heute damit begründet dass diese Gruppen stereotypisiert werden. Alle mit langen Haaren sind linksextrem, alle tätowierte sind kriminell, alle „Ossis“ sind zu einfach gestrickt, nicht intelligent genug und maximal für den mittleren Dienst geeignet… Selbe Geschichte nur 30 Jahre später mit anderen Themen… Ich bin gespannt wann es in unserem Verein endlich mal nach Leistung und nicht nach Auftreten geht…
@Luftikus
> was bereits moderierend von Herrn Wiegold Ihrem Kommentar angehängt wurde
Danke für die Korrektur. An der Unangemessenheit des Begriffs „Unrecht“ ändert es nichts. Sie kann den nicht die Erlasse ihrer Vorgänger für verfassungswidrig erklären und um nichts anderes geht es hier.
> Die Feststellung und Umsetzung der vorgesehenen Rechtsfolgen in Anwendung des §175StGB – in anderen Worten die Anwendung damals geltenden Rechts – war stets Unrecht.
Wie kommen Sie zu dieser Aussage? Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich die Auslegung – auch von Grundrechten – ändert. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass die neue Auslegung früheres Unrecht erzeugt. Oder sind Sie der Ansicht dass nun ehemalige Richter nur dank Verjährung einer Strafbarkeit entgehen? Wer trägt denn die Schuld am Unrecht?
> dass geltendes Recht Unrecht darstellen kann
Damit verabschieden Sie sich von der Herrschaft des Rechts. Jener der obiges festzustellen vermag, ist nicht daran gebunden. Um diese Überhöhung geht es – die Nürnberger Rassengesetze sind nur insoweit vergleichbar, als dass sie der im Ursprung gleichen Geisteshaltung einer Überhöhung derer entsprangen die sich nicht an damals geltendes (!) Recht gebunden sahen. Selbstverständlich waren sie daher schon damals Unrecht.
Die Aufarbeitung und Rehabilitation war 2017 übrigens auch ohne Feststellung des „Unrechts“ möglich.
@T. Wiegold
Der Nickname „Luftikus“ wurde bisher nur von mir genutzt.
Ich erhebe hier keinen Anspruch auf meinen Nickname (ist mir egal), aber ich frage mich jetzt persönlich, ob ich ein Schlafwandler bin oder ob eine andere Person den Nickname benutzt hat.
(könnte man an der E-Mail Adresse sehen)
[Yep, stimmt, ich mache bei dem anderen Luftikus mal einen Luftikus2. T.W.]
@Bundesbürger sagt:
„Haben sich in Ihren Augen der Lagerkommandant, der SS-Wachmannschafter oder der Mauerschütze auch nichts zu schulden kommen lassen? Die waren ja genauso von den jeweils geltenden Gesetzen gedeckt.“
Wer nicht dazu in der Lage ist, eine verbrecherische Diktatur von einem demokratischen Staat und Massenmord von (zweifellos diskussionswürdigen) Maßnahmen der Personalauswahl zu unterscheiden, disqualifiziert sich als Diskussionsteilnehmer.
P.S. Es disqualifiziert sich im Übrigen auch eine Moderation, die solche Relativierungen des Nationalsozialismus durchgehen lässt. Interessant, was für ein Ton hier vom Betreiber widerspruchslos geduldet wird.
[Schon interessant, dass ausgerechnet jemand, der zynisch mit einem bestimmten Nick spielt, solche Vorwürfe erhebt… Sie wissen natürlich, dass der entsprechende Kommentar nicht auf die Relativierung des Nationalsozialismus abzielt, sondern auf die Ansicht „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“. Ansonsten: Hier wird niemand gezwungen, mitzudebattieren. T.W.]
@Ex-Kießling
Das mag Gesetzeslage gewesen sein, war aber unethisch und menschenrechtswidrig und damit Unrecht.
Gibt es irgendeinen akzeptablen Grund solches Unrecht JETZT nicht wieder Gut zu machen?
@Grundkurs Gewaltenteilung
Sie dürfen davon ausgehen, das selbst vor 5 Jahren es noch Personen gibt die dies immer noch diskriminieren würden nach deren Aussagen.
Nichts für ungut, aber der Vergleich mit Gesetzen aus der Zeit des Nationalsozialismus ist unerträglich.
Sollen Gesetze, die in einem Unrechtsregime zustande gekommen sind und zur Ermordung von Millionen Menschen geführt haben, ernstlich mit einem Gesetz verglichen werden, das durch ein frei und geheim gewähltes Parlament beschlossen und vom Staatsoberhaupt, das ebenjenes noch prüfen muss, inkraft gesetzt wurde und bei dem es die Möglichkeit zur Überprüfung durch ein (unabhängiges) Verfassungsgericht gibt? Den Vergleich finde ich auch äußerst unpassend – dass hier eine Weiterbildung in Gewaltenteilung angemahnt wird, währenddessen man diesen unsäglichen Vergleich anbringt, hat schon eine gewisse Komik.
Dieser Vergleich trägt letztlich nicht zur Versachlichung bei, sondern zum Gegenteil, weil eine vermeintliche Moral aufgeführt wird, gegen die man gar nicht sachlich argumentieren kann. Damit wird der Diskurs einseitig aufgekündigt, was ich für schlechten Stil halte.
@all
Die Debatte entwickelt sich in eine sehr unschöne Richtung. Können wir uns darauf verständigen, dass keine Gleichsetzung der Homosexuellen-Gesetzgebung mit dem NS-Unrechtsregime beabsichtigt war? Mein Verständnis ist, dass der entsprechende Kommentar zum Ausdruck bringen sollte, dass allein die Legalität eines bestimmten Vorgehens zu einer bestimmten Zeit nicht dauerhaft dieses Vorgehen entschuldigen kann. Ich bitte dringend darum, diesen Streit jetzt nicht weiterzuführen, weil das vom Kern dieses Themas wegführt.
/edit: Es scheinen manche noch nicht verstanden zu haben: Unter dem Vorwand, ich würde NS-Vergleiche aktiv verteidigen, wollen manche hier das Derailing weiterbetreiben. Findet nicht statt.
Leider sind viele der Köpfe, die damals eine gezielt diskriminierende und ausgrenzenden Kultur geschaffen haben, immer noch an entscheidenen Stellen. Als mir (Lt) 2014 im BAAINBw ein Major vor zwei weiteren Stabsoffizieren sagte „im Heer haben wir eine Redewendung: Besser Tot als Schwul“ hat keiner der Beistehenden daran Anstoß genommen. Schlimm genug, dass offensichtlich dieser Major nicht verstanden hat, welche Rechte er mal gelobt hat zu Verteidigen. Dass aber auch sonst keiner es für Anstößig hielt, dass solches Gedankengut von unwertem Leben so offen zur Schau getragen wird, ist noch viel erschreckender.
Obwohl sich sehr viel getan hat, werden Menschen mit solchen Überzeugungen immer noch viel zu häufig gedeckt.
@ThoDan
„… war aber unethisch und menschenrechtswidrig und damit Unrecht.“
Das Problem ist, daß damals Homosexualität als sicherheitserhebliche Erkenntnis galt und i.d.R. auch als Sicherheitsrisiko bewertet wurde. Dies – im Rahmen der Gefahrenabwehr – ist aber sicher (noch) nicht unethisch oder menschenrechtswidrig.
Und eine strafrechtliche Verurteilung (bzw. sogar Ermittlungen) werden auch heute dem MAD gemeldet.
Heiner Möllers sagt:
17.09.2020 um 21:27 Uhr
Zur rechtlichen Fragwürdigkeit: Es gab eine sachliche Notwendigkeit und zwar die Tatsache, daß Homosexualität lange Zeit gesellschaftlich geächtet war und daher von gegnerischen Nachrichtendiensten als Druckmittel (sprich: Erpressung) genutzt werden konnte, um an geheime Informationen zu kommen. Das mag heutzutage befremdlich erscheinen, damals war das aber so.
Ich hoffe das dies nicht unpassend ist
Auch positive Rechtsstaaten, ob Demokratie oder nicht können Unrecht begehen bzw. durch ihre Repräsentanten begangen werden in dem diese irren
Error of Judgement not of intent frei nach U.S. Grant
@Stecher
Ähnliches habe ich über Beschwerden von weiblichen Soldaten über männliche Vorgesetzte gehört = automatisch Verleumdung.
Danke Herr Wiegold. Diesen Vergleich habe ich zu keinem Zeitpunkt herstellen wollen.
Zur Geschichte des § 175 sollte man wissen:
Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches (§ 175 StGB) existierte vom 1. Januar 1872 (Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches) bis zum 11. Juni 1994.
Zum Weiterlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/%C2%A7_175
Eine Gesellschaft entwickelt sich immer weiter was ihre Normen und Werte betrifft.
Eine Anpassung des geltenden Rechts ist dabei unabdingbar.
Dies sollte auch innerhalb eines bestehenden Staates im Laufe der Zeit möglich sein.
In diesem Zusammenhang würde ich auch gerne auf Gewalt in der Ehe verweisen.
@Koffer +1
@Thomas Melber
Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, die Umstände warum dies ein Sicherheitsrisiko darstellte machen es aber dazu.
Wenn Erpresste problemlos hätten sagen können, go on make my day, wäre das Sicherheitsrisiko nicht existent gewesen
@Koffer
Interessant mangelndes Vertrauen aufgrund einer ethischen sexuellen Orientierung ist hinzunehmen incl. Ablösung, wegen Zweifeln an der Kompetenz/Eignung aber nicht.
Auch um die Debatte mal in das Grundsätzliche zurückzuführen:
Nach der 1950 in Kraft gesetzten Europäischen Konvention für Menschenrechte war nach Art 14 – so wie ich sie lese – die Diskriminierung wegen Hautfarbe etc. pp und „politischen und sonstigen Anschauungen“ untersagt. Nach Art. 3 Grundgesetz – Gleichheitsgrundsatz – war dieses ähnlich zu verstehen.
Die Übernahme des § 175 Reichsstafgesetzbuch in das Stragesetzuch der Bundesrepublik Deutschland hat aber eben diese Diskriminierung in der vom NS-Regime verschärften Fassung wieder implementiert. Kurzum: dem Verfassungs- und Chartagebot stand das Strafrecht und die Rechtsprechung eklatant entgegen – bis hin zur unsäglichen Praxis in der Bundeswehr, finde ich als Nichtjurist.
Auffällig ist auch, dass es in den einschlägigen Gesetzen immer nur um Männer ging.
Insofern stellt die Liberalisierung, wie sie BM Scharping dann 2000 – nolens volens – für die Bundeswehr anordnete, auch eine Angleichung an die verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Grundlagen dar, die die Rechtsprechung in der Bundeswehr jahrzehntelang zu ignorieren schien. Dass dabei ohne Ansehen der Person und häufig nicht einmal auf der Grundlage der Artikel 1ff. des Grundgesetzes Männer diskrimiert wurde – von staatswegen! – und heute zu Recht rehabilitiert werden müssen, ist für viele Konservative nur schwer zu verdauen. Aber die Republik hat sich halt liberalisiert. Und die Zeiten der Rosa Winkel sind nun einmal vorbei. Gottseidank!
@Thomas Melber
Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen.
Dass bei einem homosexuellen Soldaten u.u. eine Erpressbarkeit gegeben war, ist eine Sache. Aber es sind nicht nur Männern der Zugang zu sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten verwehrt worden sondern generell der Zugang zu vielen Laufbahnen und Tätigkeiten. Und das auch bei Soldaten, die offen zu ihrer Sexualität standen obwohl in diesem Fall ja gar keine Erpressbarkeit gegeben ist.
Gleichzeitig wurde unterstellt, dass homosexuellen Soldaten z.B. die Integrität und Andere notwendig Eigenschaften für den Soldatenberuf fehlen würden. Hierfür gab und gibt es keine Belege und auch damals keine Rechtsgrundlage. Siehe z.B. den Fall von OLt Stecher.
Und jetzt versuchen Sie Homosexualität und eine strafrechtliche Verurteilung nach §175 gleichzusetzen. Der 175er stellte bestimmte homosexuelle Handlungen unter Strafe, nicht homosexualität an sich. Und anders als Sie es versuchen darzustellen, wurden eben nicht nur verurteilte Straftäter aus sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten entfernt, sondern sehr gezielt benachteiligt.
Schon erstaunlich was sich für eine Debatte über die sexuelle Ausrichtung von Menschen entzündet, die nichts aussagt außer welches Liebesleben bevorzugt wird. Akademische juristische Diskussionen, NS-Vergleiche und ach was sind wir betroffen. Angesichts der Zahlen, ist es eher ein kleines Problem. Je nachdem welche Statistik man bemüht, handelt es sich um ca. 2,5% bis 7,5% der Menschen in Deutschland. also 92,5% bis 97,5% sind es nicht. In der Truppe dürfte es also irgendwo in diesem Bereich liegen. Also haben ganz viele gar keine Berührungspunkte und der Ein oder Andere ist vielleicht auch verunsichert wenn es doch mal so sein sollte. Solche Debatten führen häufig, im Sinne der politicial correctness, zu Sprechverboten. Bestimmte Worte oder Sätze sagt man einfach nicht mehr. Das ist allerdings ein Auswuchs, der aus meiner Sicht, nicht zu einer Demokratie passt. In einer Diktatur völlig ok, da gehört es ja zum Standard denn es fängt, in dieser Regierungsform, immer damit an das Worte verboten werden.
Übrigens auch Heteros werden diskriminiert.
Zitiere da gerne mal frei nach Herbert Feuerstein: Auch Schwule haben ein Recht auf Verarschung!
[Hm. „Bestimmte Worte oder Sätze sagt man einfach nicht mehr. Das ist allerdings ein Auswuchs, der aus meiner Sicht, nicht zu einer Demokratie passt.“ – mit anderen Worten: Wenn man Minderheiten nicht diskriminieren darf, ist es keine Demokratie? Ich würde diese Argumentation noch mal überdenken. T.W.]
@ThoDan: Das Kernproblem aber trotzdem eines der Haltung. Soldaten die glauben, dass eine bestimmte Gruppe in der Bevölkerung kein Recht auf Leben hat, gehörten nicht in die Bundeswehr. Und dies zu decken ist ein falscher Corpsgeist.
@T.W. [Hm. „Bestimmte Worte oder Sätze sagt man einfach nicht mehr. Das ist allerdings ein Auswuchs, der aus meiner Sicht, nicht zu einer Demokratie passt.“ – mit anderen Worten: Wenn man Minderheiten nicht diskriminieren darf, ist es keine Demokratie? Ich würde diese Argumentation noch mal überdenken. T.W.]
Das ist aber sehr weit hergeholt. Ich hatte davon gesprochen, was bei solchen Diskriminierungsdebatten häufig heraus kommt. Das Diskriminierung, egal welcher Art, kein Kavaliersdelikt ist, ist offensichtlich mit meinen Worten nicht rübergekommen. So ist es eben, Richtig ist nicht was A sagt, richtig ist was B versteht. Also ihre anderen Worte kann ich nicht unterschreiben. Bitte um Entschuldigung wenn das so rüber gekommen ist.
@Kehrt
Also ist nach Ihrer Ansicht ist ein Unrecht zu akzeptieren solange die betroffene Gruppe nur klein genug ist? Wo ziehen sie die Grenze? Ab 10% der Bevölkerung? Wie ist es bei einer bestimmten Demographie? Nur Kinder dann 11%, nur Erwachsene dann 8%? Und wenn nur 1% mit erheblicher Diskriminierung leben muss, ist das nach Ihrer Ansicht noch unter der Schwelle oder darüber? Und wer teilt diese Gruppen ein, Sie? Man kann jede Gruppe klein genug definieren um diese nach den eigenen Wünschen einzuschließen oder auszuschließen.
So eine Einstellung kann in einer Demokratie gerade nicht von einem Uniformträger oder Beamten akzeptiert werden. Wer die Grundwerte derart negiert und Menschenrechte unter Vorbehalt stellt, kann diese nicht verteidigen. Jetzt können Sie wieder Diktatur schreien aber niemand verbietet Ihnen ihre Meinung nur weil man sie nicht teilt und kritisiert.
Frau Verteidigungsministerin hat im Gegensatz zu Ihnen mit ihrer Entschuldigung Haltung bewiesen und den zu Unrecht diskriminierten etwas Würde zurückgegeben.
Hetzt gegen Grundrechte und Minderheiten werden durchgelassen, Kritik daran zensiert. Na danke. Bisher hatte ich einen besseren Eindruck von diesem Blog.
[Was soll das jetzt? Sie feuern hier unter verschiedenen Nicks Kommentare ab, und wenn Sie nicht innerhalb von ner Stunde freigeschaltet werden, ist das Zensur? In welcher Welt leben Sie eigentlich? T.W.]
@Stecher
Das ist dieselbe Haltung nur mit anderem Opfer
@ThoDan: Ich sehe da schon einen Unterschied. Ein Soldat beeidet die Rechte und die Freiheit des dt. Volkes zu verteidigen. Das sind die im Grundgesetz verbrieften Rechte wie z.B. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Wer der Meinung ist, dass homosexuelle, andere Ethnien oder andere Teile der Bevölkerung von Grund- und Menschenrechten ausgenommen sind, kann diesem Eid und dem damit verbundenen Auftrag nicht entsprechen (Auf dieser Grundlage werden Rechts- und Linksextremisten aus der Bundeswehr entfernt). Menschen mit dieser Haltung jetzt als Opfer darzustellen… naja, TW hat wohl Recht, ich lebe in einer anderen Welt.
Meiner Meinung nach werden hier von einigen Kommentatoren unzulässig verschiedene Argumentationsebenen verknüpft und daraus sprachlich und inhaltlich unzutreffende Ableitungen getroffen.
Wie ich bereits weiter oben schrieb, sind unstrittig durch die damalige Vorschriftenlage Einzelpersonen emotional belastet worden.
Nach heutigen Maßstäben wäre das nicht mehr hinzunehmen und schon damals war es aus menschlicher Sicht bedenklich, zumindest aber bedauerlich.
Aber es war niemals „Unrecht“ im rechtlichen Sinne.
Mit Blick auf das Unrecht zweier deutscher Diktaturen hat sich sind sehr feinziselierte und sehr gefestigte Rechtssprechung in DEU etabliert unter welchen Umständen formal richtiges Recht irgendwann zu Unrecht wird.
Als Handhabe hierfür gilt die 1946 entwickelte und durch die Mauerschützenprozesse zeitgemäß in den 90er+ weiterentwickelte „Radbruchsche Formel“, danach wird aus Recht erst dann Unrecht, wenn es als „unerträglich ungerecht“ anzusehen ist oder due Gleichheit aller Menschen aus Sicht des Interpreten „bewusst verleugnet“.
Beides bist aber nach stehender höchstrichterlicher Rechtsprechung bis hinein in die 90er eindeutig nicht passiert.
Rechtliche Kategorien wie „Unrecht“ etc. sollten also in der aktuellen Diskussion nicht angewandt werden.
Das ändert nichts daran, dass persönliches Leid erfahren wurde, für welches der Staat und die Gesellschaft nun die Pflicht haben abbitte (verbal und wo notwendig auch finanziell) zu leisten.
Aber die Verknüpfung zweier unverbundener Themenkreise bringt niemand weiter und verunsachlicht eine sowieso schon emotionale Diskussion.
@Siegfried Anton sagt: 18.09.2020 um 7:24 Uhr
„Leider gibt es auch heute noch ganz offene Diskriminierung in der Truppe. Und das wird teils sogar von der Vorschrift gedeckelt. Seien es lange Haare, Tattoos, teilweise sogar ostdeutsche Abstammung oder vieles mehr. Die damalige Diskriminierung von Homosexuellen wird genau wie heute damit begründet dass diese Gruppen stereotypisiert werden.“
Diese Argumentation lehne ich nicht nur in Gänze ab, sondern empfinde sie gerade zu als absurd und das Leid welches die homosexuellen Kameraden erfahren haben.
Lange Haare und (unzulässige) Tattoos werden mit Blick auf soldatisches Auftreten untersagt und haben nichts mit „Diskriminierung“ zu tun und eine pauschale Herabwürdigung von Ostdeutschen ist zwar unstrittig unkameradschaftlich durch diejenigen die es im Einzelfall machen, aber es ist zum einen individuelles Fehlverhalten und nicht Weisungslage und kommt zum anderen noch nicht einmal annähernd an das heran, was eine Diszplinierung wegen Homosexualität rechtlich, persönlich und finanziell mit einem homosexuellen Kameraden in den 80er und 90er gemacht hat.
@ThoDan sagt: 18.09.2020 um 13:18 Uhr
„Interessant mangelndes Vertrauen aufgrund einer ethischen sexuellen Orientierung ist hinzunehmen incl. Ablösung, wegen Zweifeln an der Kompetenz/Eignung aber nicht.“
Wenn Sie mit Eignung/Kompetenz die persönlich/charakterliche meinen, dann stimme ich Ihnen zu. Aber ich glaube das war auch nur noch in den 70er die Rechtsmeinung.
In den 80er und definitiv in den 90er ging es nicht mehr um einen „Charakterfehler“ aufgrund Homosexualität, sondern um die „praktische“ Eignung zum Vorgesetzten aufgrund Erpressbarkeit und Ablehnung durch den „durchschnittlichen“ als Untergebenen.
Jetzt kann man sich auf das hohe Ross begeben und aus heutiger Sicht sagen, dass das falsch war, aber die Gerichte, bis hin zum Bundesverwaltungsgericht haben immer und immer wieder betont, dass aufgrund der noch bis in die 90er hinein vorhandenen gesellschaftlich weiterverbreiteten Ablehnung von Homosexualität eine zwar bedauerliche (so nach meiner Erinnerung sogar wörtlich das BVerwG in seinem letzten diesbezüglichen Urteil Mitte der 90er!), aber objektiv nachweisbare Ablehnung von Vorgesetzten durch Untergebene erwarten ließe. Und mit Blick auf den eindeutigen Verfassungsauftrag zur Aufstellung von einsatzbereiten (!) Streitkräften, wurde konsequent und immer wieder geurteilt, dass jemand, der von seinen Untergebenen nicht akzeptiert wird nun mal keine „Eignung“ zum Vorgesetzten hat.
Das war teilweise fast schon unmenschlich sachlich, aber es ist nunmal eine Tatsache gewesen und das es nicht „Unrecht“ war, haben die Gerichte immer wieder bestätigt.
Glück für uns alle (und vor allem für unsere homosexuellen Kameraden!), dass wir zumindest diesbezüglich heute in einer besseren und liberaleren Gesellschaft leben, als noch vor 20 Jahren.
@Stecher
Sicher gibt es da einen Unterschied, nur wie groß der in der Praxis ist und ob der mehr als nur Unterschiede und in welcher Richtung in der Skala sind?
Von der Tatsache mal abgesehen, das in beiden Fällen der Diensteid gebrochen wurde und wenn ein Soldat den gegenüber Kameraden bricht, wie kann man dann erwarten er würde ihn in anderen Fällen einhalten.
@Koffer
Persönlich, fachlich etc. ich kann nicht nachvollziehen, das ein Vorgesetzter dem seine Untergebenen ob zu Recht oder Unrecht nicht vertrauen/akzeptieren ein höheres Recht hat im Einsatz zu führen als seine Untergeben auf gute Führung.
@Koffer sagt: 18.09.2020 um 17:28 Uhr
„In den 80er und definitiv in den 90er ging es nicht mehr um einen „Charakterfehler“ aufgrund Homosexualität, sondern um die „praktische“ Eignung zum Vorgesetzten aufgrund Erpressbarkeit und Ablehnung durch den „durchschnittlichen“ als Untergebenen.“
Die Erpressbarkeit entsteht auch aus der Tabuisierung selbst. Während das BVerwG in den 70ern einvernehmlichen homosexuelle Handlungen eben nicht mehr grundsätzlich als Dienstvergehen wertete, wurde trotzdem sehr lange quasi automatisch sexuelles Verhalten mit Erpressungspotential durch die Bundeswehr selbst unterstellt. Viele haben sich nicht gewehrt und aufgegeben. Später haben sich wenige gewehrt und manche recht bekommen. Die Taktik ging lange auf – zu Lasten derer, die sich nicht wehren konnten oder wollten. Von rechtlicher Seite mag das in großen Teilen korrekt abgelaufen sein aber durch dieses Klima hat man sich einen Teil der Sicherheitsrisiken auch selbst geschaffen, denn ohne dieses Damoklesschwert hätten viele nichts zu verbergen gehabt. Das mag die Ablehung durch Untergebene nicht ändern, die Erpressbarkeit aber schon. Und wenn die Schnittmenge hier auch groß ist, sind diese eben nicht identisch. Und an der Stelle sollte man auch nicht übersehen, dass einige dies auch gerne ausgenutzt haben.
@ThoDan sagt: 18.09.2020 um 18:13 Uhr
„Persönlich, fachlich etc. ich kann nicht nachvollziehen, das ein Vorgesetzter dem seine Untergebenen ob zu Recht oder Unrecht nicht vertrauen/akzeptieren ein höheres Recht hat im Einsatz zu führen als seine Untergeben auf gute Führung.“
Es ging hier (und auch das haben die Gerichte wieder und wieder klar herausgestellt) nicht um das Recht des einen oder das Recht des anderen.
Es ging einzig und allein und die faktische Frage, was der Erfüllung des Verfassungsauftrags zur Aufstellung einsatzbereiter Streitkräfte faktisch diente.
Wie gesagt, fast schon schmerzlich sachlich, aber eben auch nicht zu Wiederlegen.
Weil es aber nun so schmerzlich sachlich, fast schon unmenschlich sachlich war, ist es ja nun jetzt auch angemessen, sich bei den Betroffenen zu entschuldigen.
@Stecher sagt: 18.09.2020 um 18:54 Uhr
„Die Erpressbarkeit entsteht auch aus der Tabuisierung selbst. Während das BVerwG in den 70ern einvernehmlichen homosexuelle Handlungen eben nicht mehr grundsätzlich als Dienstvergehen wertete, wurde trotzdem sehr lange quasi automatisch sexuelles Verhalten mit Erpressungspotential durch die Bundeswehr selbst unterstellt.“
Nicht unterstellt. Auf der Basis von Empirie erkennen und annehmen müssen. Es kann nicht bestritten werden, dass in den 80er und auch noch anteilig in den 90er eine gesellschaftliche Stigmatisierung von Homosexuellen erfolgte. Diese Tatsache, die auch und gerade die LGBTQ+ Community damals öffentlich (zu Recht) beklagte, reichte vollkommen aus um ein entsprechenden Epressungspotential zu bieten.
Auch hier wieder (genauso wie bei der Frage nach der objektiven Führungsfähigkeit) schmerzlich sachlich, aber leider eine Tatsache.