Feiertag und langes low ops Wochenende
Der morgige 8. Mai ist als Tag der Befreiung in diesem Jahr ein gesetzlicher Feiertag in Berlin, zum 75. Jahrestag des Kriegsendes. Ich nutze das für ein langes low ops Wochenende.
(Aus dem Grund könnten auch Kommentare eine Weile vor Freischaltung liegen bleiben.)
Zu dem Anlass aber noch gewichtiger Lesestoff: 35 Jahre später ist es vielleicht nicht schlecht, noch mal die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 8. Mai 1985, des damaligen 40. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges, nachzulesen.
Allen ein schönes Wochenende!
Ihnen ein schöner Feiertag. Doch 35 Jahre nach der Rede von Weizäcker hat sich an dem Streit um den 8. Mai nichts geändert. Gerade wird wieder um die Frage gestritten, ob es ein Tag der Befreiung oder ein Tag der Niederlage war. Ich denke es war beides. Aber jeder, der kein Fan der Weizäcker-Rede ist, wird gerade als angeblicher Nazi hingestellt, womit eine freier Meinungsaustausch unterdrückt wird.
Natürlich zielt ein gewisser AfD-Politiker mit seinen Äußerungen auf rechten Beifall, gerade auch von Nazis und soll unser System damit angegriffen werden. Aber zur Meinungsfreiheit gehört, daß über Sinn oder Unsinn eines Feiertages oder des 8. Mai selbst gestritten werden darf. Und da es um das Datum der Deutschen Kapitulation geht, hat der Streit auch was mit Sicherheitspolitik zu tun.
Die Deutsche Einheit ist gekommen, der Kalte Krieg zu Ende gegangen, wenn man sich die Wünsche am Ende der Rede anschaut, leider wird der Hass zwischen den Völkern und Menschen – seit ein paar Jahren – wieder gezielt geschürt um der Macht und der Herrschaft willen, so daß ich mich frage, ob die Welt sich seit 1985 nicht verschlechtert hat, rückständiger geworden ist, als sie 1985 war.
Der 8. Mai als „Tag der Befreiung“ ein Feiertag für Deutschland?
Am 8. Mai 1945 trat um 23:01 Uhr Mitteleuropäischer Zeit die am Tag zuvor durch Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht in Reims unterzeichnete Bedingungslose Kapitulation aller deutschen Streitkräfte in Kraft. Damit endete der II. Weltkrieg in Europa. Auf Stalins Befehl wurde die Unterzeichnungszeremonie am 9. Mai um 00:16 Uhr durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und die Oberbefehlshaber von Kriegsmarine und Luftwaffe in Berlin vor dem Oberkommandierenden der Roten Armee in Deutschland und Vertretern der amerikanischen, britischen und französischen Streitkräfte wiederholt.
Am 8. Mai gingen bis 23:00 Uhr die Kampfhandlungen an einigen Fronten weiter, vor allem im Bereich der Heeresgruppe Kurland in Lettland. Und Truppenteile, die gegen die Rote Armee gekämpft hatten, versuchten am 8. Mai unverändert sich durch Märsche nach Westen der Gefangennahme durch die Rote Armee zu entziehen und sich amerikanischen oder britischen Kommandeuren gefangen zu geben.
Im Reichsgebiet fanden kaum noch Kampfhandlungen statt, die Alliierten hatten ihren Luftkrieg ausgesetzt.
Für die Alliierten war und ist dieser Tag der Tag ihres Sieges, den sie feiern dürfen und sollen, auch wenn die Art und Weise wie dieser Sieg von der Sowjetunion und heute von Rußland begangen und instrumentalisiert wird in Deutschland zumindest befremden hervorrufen sollte.
Aber war und ist dieser 8 Mai nun für die Deutschen ein Tag der Befreiung, den es zu feiern und als gesetzlicher Feiertag zu begehen gilt?
Befreit waren die Häftlinge der Konzentrationslager, soweit sie diese überlebt hatten, befreit waren die Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam, auch wenn diese Freiheit für die Soldaten der Roten Armee mit ihrer Zwangsrepatriierung in die Sowjetunion schnell wieder im Gulag enden sollte. Befreit waren auch die Zwangsarbeiter, die Deutsche überall in den besetzten Gebieten rekrutiert und zur Arbeit unter harten Bedingungen nach Deutschland verbracht hatten. Und befreit durften sich auch alle fühlen, die vor den Schergen des Nazi-Regimes in den Untergrund abgetaucht waren oder als Soldaten in den letzten Tagen des Krieges für sich persönlich den Krieg hatten beenden können.
Aber was hieß dieser Tag für die übergroße Mehrheit der Deutschen? Ja, das Schießen und das Bomben hatte aufgehört, aber ansonsten? Weite Teile des Landes lagen in Schutt und Asche, die Lebensmittelversorgung war wenn nicht teilweise zusammengebrochen so doch höchst fragil, Wohnraum war knapp, die Truppenteile der Siegermächte beschlagnahmten Gebäude und anderes für ihre eigenen Zwecke und zur Unterbringung und Versorgung der freigelassenen KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen. Im Norden Deutschlands waren Hunderttausende unterzubringen und zu verpflegen, denen die Flucht aus Ostdeutschland vor der Roten Armee gelungen war. Und schließlich gingen mit der Bedingungslosen Kapitulation Millionen deutscher Soldaten und Kriegsgefangenschaft, aus der sie teilweise überhaupt nicht oder erst nach Jahren, zum Teil vielen Jahren zurückkehren sollten. Die Schilderung läßt sich fortsetzen, aber zweifellos war das Elend vieler Deutscher am 8. Mai nicht auf wundersame Weise beendet.
Das alles traf die Deutschen nicht schuldlos, hatten doch die allermeisten bis zum Schluß mehr oder weniger mitgemacht oder zumindest zugeschaut. Von nichts gewußt zu haben, war zwar eine nach dem Krieg weit verbreitete Schutzbehauptung, aber die ist mittlerweile durch die historische Forschung hinlänglich widerlegt. Kaum jemand konnte alles über die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes wissen, aber die allermeisten konnten genug wissen und wußten genug, um zu der Erkenntnis gelangen zu können und zu müssen, daß dieses Regime verbrecherisch war.
Um an dieser Stelle nicht mißverstanden zu werden: ich weiß nicht, wie ich mich in dieser Zeit verhalten hätte und werfe deswegen auch keine Steine auf die Menschen, die diese Zeit durchleben mußten, ich weiß nur was ich hoffe in einer solchen Lage getan und vor allem nicht getan zu haben!
Die Schuld der einzelnen Deutschen war sehr unterschiedlich schwer, von den Folgen waren alle mehr oder weniger hart betroffen, als Tag der Befreiung haben die wenigsten den 8. Mai empfunden. Schuld ist etwas höchstpersönliches und nicht vererbbares, gleiches gilt für Erinnerung. Was sollte uns Nachgeborene also berechtigen, mit einem gesetzlichen Feiertag „Tag der Befreiung“ die Erinnerungen unserer Vorfahren umdeuten zu wollen?
Daher muß der 8. Mai für uns Deutsche ohne Frage ein Tag des Gedenkens sein an dem wir uns immer wieder neu vergegenwärtigen welche Folgen ein menschenverachtendes Regime und ein Krieg hat. Zu feiern gibt es da für mich allerdings nichts.
Würde man den 8. Mai zum gesetzlichen Feiertag machen – deren wir in dieser Jahreszeit ohnehin genug haben – würde ihm ziemlich schnell das Schicksal der 17. Juni beschieden sein, der ja in der alten Bundesrepublik als Gedenktag an den erfolgslosen Volksaufstand in der DDR gegen das kommunistische Gewaltregime im Jahr 1953 eingeführt wurde, aber spätestens Ende der 60er Jahre für die meisten Bundesbürger zum reinen Sommerfeiertag mit Ausflug und Picknick im Grünen degenerierte. Da halfen auch Gedenkfeiern mit ernsten Reden und Kranzniederlegungen nichts.
Also, nachdem ich hier sehr ausführlich war – aber der Jahrestag erlaubt das vielleicht heute:
Für mich ist der 8. Mai ein Tag des Gedenkens und der Mahnung, nicht des Feierns, für viele Menschen in Deutschland war er ein Tag der Befreiung, für die allermeisten Deutschen war er das in ihrer Wahrnehmung nicht.
Mögen die Siegermächte ihren Sieg feiern, wie auch immer, es sein ihnen von Herzen gegönnt. Uns Deutschen hingegen steht es gut an, diesen Tag auch zukünftig als ernsten Gedenktag zu begehen, vielleicht so ähnlich wie den 20. Juli. Einen weiteren gesetzlichen Feiertag einführen zu wollen halte ich für nicht sachgerecht und sogar kontraproduktiv.
@ OTL
Zitat:
„Aber war und ist dieser 8 Mai nun für die Deutschen ein Tag der Befreiung, den es zu feiern und als gesetzlicher Feiertag zu begehen gilt?“ und
„Die Schuld der einzelnen Deutschen war sehr unterschiedlich schwer, von den Folgen waren alle mehr oder weniger hart betroffen, als Tag der Befreiung haben die wenigsten den 8. Mai empfunden. Schuld ist etwas höchstpersönliches und nicht vererbbares, gleiches gilt für Erinnerung. Was sollte uns Nachgeborene also berechtigen, mit einem gesetzlichen Feiertag „Tag der Befreiung“ die Erinnerungen unserer Vorfahren umdeuten zu wollen? “
In ihrer ausführlichen Schilderung zum Kriegsende kommt ein Punkt zu kurz. Der 8.Mai war auch das Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, mit Sippenhaft für die Familien von Soldaten, die aus moralischer Überzeugung anders handelten als ein dem Wahnsinn naher Führer am Ende des Krieges befahl. Es war das Ende von kleinen nationalsozialistischen Emporkömmlingen in den Dörfen, die kurz vor Kriegsende noch standrechtliche Erschießungen durchführten und 15 jährige Hitlerjungen in den sicheren Tod geführt haben („Die Brücke“).
Was Sie schildern ist eben nur die Darstellung der überzeugten Nazis in der fdeutschen Zivilbevölkerung. Die Menschen in den deutschen Städten, die Nacht für Nacht in den Luftschutzkellern ausharrten (begonnen hat bekanntlich Hitler und die Wehrmacht den Luftkrieg gegen Zivilisten in England !), für die war es ein „Tag der Befreiung“. Eine Hoffnung, dass sie diesen mörderischen Krieg und das menschenverachtende Regime in Deutschland überstanden haben und jetzt frei leben konnten.
Fragen Sie doch einfach die normalen Menschen in der ehemaligen DDR ob sie den Fall des „Stasi-Apparates“ mit der permanenten Bespitzelung als einen „Tag der Befreiung“ erlebt haben oder schauen Sie sich die historischen Filmaufnahmen von der Erstürmung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße durch unterdrückte Bürger der DDR an und beurteilen Sie ob diese Leute den Tag als „Befreiung“ oder als „Niederlage“ erlebt haben. Eine Niederlage war es nur für die rund 10 % der Bevölkerung die haupt- und nebenamtlich für die Stasi gearbeitet haben. Hier haben sie die Parallele zu dem Kriegsende am 08. Mai 1945. Eine Niederlage war es nur für die sicherlich mehr als 10 % der deutschen Bevölkerung umfassenden Nazis im Deutschen Reich !
Das diese ehemaligen Nazis dann noch am 08. Mai 1985 gegen die Rede des Bundespräsidenten Weiszäcker protestiert haben macht das Bild rund, genauso wie die ehemaligen Nazis in den Jahren nach dem Krieg alle deutschen Institutionen fest im Griff hatten und deren Protest am 08. Mai 1985 der Schlusspunkt einer Generation darstellte (40 Jahre nach Kriegsende, die 20 – 30 jährigen im Mai 1945 hatten 1985 das Pensionsalter erreicht und sind aus dem Staatsdienst ausgeschieden).
Ein Versuch die Ansicht eines „Durchschnitts“ franzosen darzustellen. (Nicht meine persönliche, bin ja eine Importprodukt)
Der zweiten Weltkrieg ist Vergangenheit, im Idealfall Geschichte aus der Lehren gezogen wurden.
Das Verhältnis zu Deutschland wird von aktuellen Ereignissen und Verhalten geprägt, darauf einzugehen wäre OT, bestimmt aber unsere Zukunft!
Und wie die meisten Menschen, erinnert sich der Franzose lieber an die „guten“
– französische resistance , die Liberation
– selbst Dietrich von Choltitz, der Paris nicht angesteckt hat
und nicht an die Schattenseiten.
Für diese Epoque wird hier nicht von Deutschen, sondern von Nazis gesprochen.
Hört endlich auf Euch selber für die Vergangenheit zu geißeln , es gibt genug Probleme in der Gegenwart zu lösen
@Georg am 08.05.2020 um 12:59 Uhr
Sie schreiben:
„Was Sie schildern ist eben nur die Darstellung der überzeugten Nazis in der fdeutschen Zivilbevölkerung.“
Sofern Sie mir damit unterstellen wollen, ich verträte in meinen Überlegungen Nazi-Positionen, weise ich das in aller Schärfe zurück!
Weiter schreiben Sie
„Die Menschen in den deutschen Städten, die Nacht für Nacht in den Luftschutzkellern aus-harrten (begonnen hat bekanntlich Hitler und die Wehrmacht den Luftkrieg gegen Zivilisten in England !), für die war es ein „Tag der Befreiung“. Eine Hoffnung, dass sie diesen mörderischen Krieg und das menschenverachtende Regime in Deutschland überstanden haben und jetzt frei leben konnten.“
Natürlich war das Ende des Bombenkriegs für die Menschen eine Befreiung, keine Frage, und auch daß die Nazi-Bonzen, die bisher das sagen gehabt hatten, nun nichts mehr zu sagen hatte, wurde sicher als Befreiung empfunden. Nur ging völlig unabhängig davon der – sofern Sie mir diesen Ausdruck hier gestatten – Kampf ums tägliche Überleben weiter, um die Organisation von Lebensmitteln, um Wasser, um Nachrichten von der Familie, dem Ehemann, Vater, Bruder, Sohn usw. der in der Wehrmacht gedient hatte, von Familienangehörige die im Osten vor der Roten Armee geflohen waren, usw. usw. Das hatte sicher für die allermeisten Menschen in der Wahrnehmung weit größeres Gewicht als das Ende der Naziherrschaft. Und am 8. oder 9. Mai und in den Tagen und Wochen danach für die Deutschen davon zu sprechen, daß sie nun „frei leben konnten“ geht an der damaligen Wirklichkeit nun wirklich weit vorbei. Was den Alltag der Menschen zunächst bestimmte, und zwar völlig unabhängig davon, ob sie nun überzeugte Nazis, Mitläufer oder auch sogar Regimegegner gewesen waren, das waren Ausgangsbeschränkungen, Einquartierungen, Zwangsräumungen von Häusern und Wohnungen, fortbestehende Lebensmittelknappheit und Besatzungssoldaten, die ihnen mit Waffen gegenübertraten und in Sprachen Anweisungen erteilten, die die meisten Deutschen nicht verstanden und die ihre Anordnungen ggf. auch mit Waffengewalt durchsetzten. Und da rede ich noch gar nicht von den Übergriffen von Soldaten auf Frauen und Mädchen, die in allen Landesteilen grade in den ersten Wochen wenn auch in unterschiedlicher Intensität zum Lebensalltag gehörten.
Nun hinkt bekanntlich jeder Vergleich, aber der Vergleich des Kriegsendes 1945 mit der friedlichen Revolution in der DDR hinkt ganz besonders stark. Die Menschen in der DDR, die die friedliche Revolution durchgesetzt hatten, haben sicher sowohl die Tage des Mauerfalls als auch des Sturms auf die Stasizentrale als Tage der Befreiung empfunden und das mit vollem Recht. Und sicher waren es für sie keine Tage der Niederlage wie für Partei, Stasi und deren Akteure. Übrigens habe ich auch nirgendwo in meinen Überlegungen etwas davon geschrieben, der 8. Mai solle als ein Tag der Niederlage in Erinnerung bleiben.
Wir können uns als Nachgeborene alle nicht oder kaum in die Situation der Menschen hineinversetzen, die den 8. Mai selbst und die Zeit danach bewußt erlebt und durchlebt haben. Um-so weniger dürfen wir unsere heutigen Wertvorstellungen zum alleinigen (!) Maßstab dafür machen, wie dieses Tages zu gedenken ist.
Erstaunlich ist ja auch dass die usa den sieg über Nazis in der Propaganda allein für sich beanspruchen. Der russische winter und weitere Randbedingungen (wie die rote Armee) kommen garnicht vor.
@Georg, sie liefern sich den Widerspruch selbst, die DDR ist letztendlich die von der Roten Armee eroberten Gebiete und sie ist sogar nur eine light Variante von 1945. 1949 (Gründung der DDR) und 1953 (Tod Stalins) wurde die Verhältnisse jeweils moderater.
Wenn Deutschland einen „Tag der Befreiung“ haben soll, dann kann das in meinen Augen nur der 9. November sein.
Auch Weizsäcker hat nicht Befreiung gesagt und Punkt, sondern das in seiner Rede deutlich relativiert und die Widersprüche herausgearbeitet.
Wenn man diesem Tag einen Namen geben will, dann Tag der Erleichterung oder Stunde Null.
Last not least, ich finde es äußerst problematisch, so was im Nachhinein im eigenen Gusto zu werten. Am 8. Mai 1945 wollten die einen nicht befreien, sondern besiegen und die anderen wollten nur in Teilen befreit werden. Ja der Bauer im ländlichen Rheinland, dessen Sohn desertiert im Wald auf die Amerikaner wartete, hatte eine andere Perspektive als die jungen Frauen in Berlin. (kenne beide Perspektiven aus persönlichen Erzählungen)
@Georg sagt: 08.05.2020 um 12:59 Uhr
„Was Sie schildern ist eben nur die Darstellung der überzeugten Nazis in der fdeutschen Zivilbevölkerung.“
Ich denke nicht, dass man sich das so einfach machen sollte. Angesichts der Schwere des Themas empfände ich ein bißchen mehr differenzierte Betrachtung als angemessen.
„genauso wie die ehemaligen Nazis in den Jahren nach dem Krieg alle deutschen Institutionen fest im Griff hatten“
Auch hier wieder… Das ehemalige Nazis erheblichen Einfluss in der Nachkriegszeit hatten ist glaube ich unstrittig. Das sie „alle deutschen Institutionen fest im Griff“ hatten, mach es sich doch etwas sehr einfach.
@Dante sagt: 08.05.2020 um 16:18 Uhr
„Erstaunlich ist ja auch dass die usa den sieg über Nazis in der Propaganda allein für sich beanspruchen. Der russische winter und weitere Randbedingungen (wie die rote Armee) kommen garnicht vor.“
Ist das so?
@ OTL
Nein, ich unterstelle Ihnen keinesfalls Nazi-Positionen. Wie Sie selber sagen, kommt es auf die eigene Position, das eigene Umfeld an, wie man diesen Tag erlebt hat. Man darf auch nicht vergessen, dass die Nazis auch Angst in der Zivilbevölkerung vor den Besatzungstruppen geschürt haben um den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu stärken. Das die Angst vor den Besatzungstruppen teilweise und im Einzelfall berechtigt war, ist unbestritten.
Trotzdem war der 08. Mai 1945 sowohl für das Bauernkind in Süddeutschland (meinen Vater) das Ende der amerikanischen Tieffliegerangriffe, die zum Teil einzelne Personen auf den Feldern „gejagt“ haben, als auch für die Städter das Ende der Bombennächte in den Luftschutzkellern der Städte und auch das Ende der Kämpfe der Wehrmacht, die zum Stand Juli 1944 pro Monat 300 000 gefallene deutsche Soldaten „produziert“ haben.
Ich kann mir deshalb niemanden vorstellen, der nicht froh war, dass die Kämpfe aufgehört hatten, der Krieg zu Ende war und ich denke für viele Menschen in Deutschland war es eben nicht nur der Tag der Niederlage sondern auch die Befreiung vom Krieg und von einer verbrecherischen, menschenverachtenden Diktatur, die die eigene Bevölkerung repressiv unterdrückt hat.
Ob man dies jetzt mit einem eigenen Gedenktag feiern soll sei dahingestellt. Mir ging es um die Rede vom Bundespräsident Weiszäcker am 08. Mai 1985, die ich als Oberfähnrich gehört habe, sehr berührt war und ebenso von der Kritik der „alten Säcke“ im Parlament entsetzt war.
@ Koffer
Eine Diskussion lebt eben auch von der Zuspitzung der Argumente, damit Unterschiede erkennbar werden. Ich neige nicht zum Relativieren wenn ich einen Mißstand erkenne. Eine sofortige und eindeutige Handlung beendet den Mißstand bevor er sich festsetzt und macht meine eigene Position eindeutig deutlich.
Am meisten verloren haben bei Kriegsende die Funktionäre der NSDAP und deren Günstlinge. Darin sind wir uns hoffentlich einig. Bedauerlich ist es, dass diese Personen nach relativ kurzer Zeit wieder in entscheidenden Funktionen in DEU eingesetzt wurden. Dies betrifft vor allem die Kriminalpolizei und die Beamten des jungen deutschen Staates. Es gab eben nach 1945 keinen Steuerinspektor mittleren Alters, der nicht vor oder während des NS-Regimes nicht auch Steuerinspektor gewesen wäre. Als Beamter hatte er auch die Nazi-Ideologie mitzutragen, die Enteignung der jüdischen Bevölkerung mitzuvollziehen und hat sicherlich die Günstlingswirtschaft der NSDAP-Bonzen auch mitbekommen. Daher meine Aussage, dass alle Instituionen des jungen Nachkriegsdeutschlands mit Fachleuten besetzt waren, die ihre „Vordienstzeiten“ im Dritten Reich hatten.
Ich habe bewusst ein Beispiel eines „harmlosen“ Steuerinspektors gewählt. Wie dies bei Kriminalpolizei, Geheimdienste, Staatsanwälten usw. ausgesehen hat und wie dort der Korpsgeist war, das können Sie sich selbst ausmalen.
@Koffer – 17:18
+1 Etwas weniger Emotion wäre angesichts des Themas angebracht.
Die spannende Frage dabei ist doch: Warum war die Bundesrepublik eigentlich in ihren frühen Jahren so eine beeindruckende Erfolgsgeschichte (Wirtschaftswunder, Westorientierung, Stabilität usw.)? Und da kommen die Zeitgeschichtler mittlerweile auf einen relativ einfachen Erklärungsansatz: Es gelang eben, die ehemaligen nationalsozialistischen Funktionsträger (Richter, Anwälte, Lehrer etc.) in ein demokratisches System einzubinden und damit ein stückweit natürlich auch zu kontrollieren (übrigens im Gegensatz zu Weimar, wo die Monarchisten immer argwöhnisch im Abseits standen). Diese Eliten setzen sich im Umkehrschluss mit vollem Eifer und treuer Pflichterfüllung nun daran, ihre Aufträge unter einem neuen Dienstherren zu erfüllen – quasi so wie gewohnt. Von „Stunde Null“ spricht daher auch niemand mehr. Erst eine neue, nachfolgende Generation stellte diese Kontinuität zunehmend infrage – die Studenten der sog. „68er“.
Grundsätzlich finde ich es problematisch, das heutige Datum 75 Jahre später neu zu deuten und letztlich sogar aus einem Tag des Besinnens und Nachdenkens einen Feiertag zu wurschteln. Dies insbesondere deshalb, da beispielsweise die Generation Z (Geburtsjahr 2005+) so überhaupt gar nichts mehr an dem Thema findet, wie ich heute feststellte. Daher würde aus einem „Tag der Befreiung“ genau das, was weiter oben bereits beschrieben wurde: Ein Tag für BBQ, Bier & Bollerwagen und ohne einen Schimmer, warum eigentlich frei ist. Ob dies nun tatsächlich erstrebenswert ist, möge jeder selbst entscheiden.
@Georg
Danke!!! 100% Zustimmung. Deutschland ist von den Alliertenbefreit worden . Das einige oder vielleicht sogar viele das am 08. Mai anders gesehen mag sein, ist irrelevant und kann sicher auch nachvollzogen werden. Deutschland hat sich als einer der, wenn nicht sogar als der schlimmste Kriegsverbrecher in der Geschichte der Menschheit einen Namen gemacht. Das wir von den Nazis befreit wurden, duerfte ausser Frage stehen. Das Volk der Dichter und Denker hatte da in relativ kurzer Zeit seine Unschuld verloren (jedenfall was davon noch nach dem 1. Weltkrieg noch uebrig wahr). Schade ist nur, das wir scheinbar nichts aus all dem gelernt haben und sich jetzt schon wieder Antisemitismus (BDS ist ein wunderbares Beispiel wie A-S sogar im linken Spektrum soloanfaehig wird…) und ein beinah voelkisch anmutender Anti-Amerikanismus breit macht. Wir stehen auf arrogant auf dem Mauwurfhuegel unserer Selbstueberschaetzung und versuchen der Welt mal wieder klar zu machen, das nur am deutschen Wesen die Welt genesen kann.
Naja…jetzt ist erstmal Wochenende und am Montag sehen wir weiter!
@Georg
Sie irren sich, wer den Bombenterror gegen die Zivilisten begann. Erst nach der Bombardierung ziviler Städte durch Großbritannien hat auch die Luftwaffe die Strategie geändert und nicht mehr die militärischen Ziele angegriffen.
[Geschichtsklitterung mag ich nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Coventry#Luftangriff_1940
Von Ihren übrigen menschenverachtenden Äußerungen, die ich nicht freischalten werde, ganz zu schweigen. Kommentieren Sie künftig woanders.
T.W.]
@OTL
„Natürlich war das Ende des Bombenkriegs für die Menschen eine Befreiung, keine Frage, und auch daß die Nazi-Bonzen, die bisher das sagen gehabt hatten, nun nichts mehr zu sagen hatte, wurde sicher als Befreiung empfunden. Nur ging völlig unabhängig davon der – sofern Sie mir diesen Ausdruck hier gestatten – Kampf ums tägliche Überleben weiter, um die Organisation von Lebensmitteln, um Wasser, um Nachrichten von der Familie, dem Ehemann, Vater, Bruder, Sohn usw. der in der Wehrmacht gedient hatte, von Familienangehörige die im Osten vor der Roten Armee geflohen waren, usw. usw. Das hatte sicher für die allermeisten Menschen in der Wahrnehmung weit größeres Gewicht als das Ende der Naziherrschaft. Und am 8. oder 9. Mai und in den Tagen und Wochen danach für die Deutschen davon zu sprechen, daß sie nun „frei leben konnten“ geht an der damaligen Wirklichkeit nun wirklich weit vorbei. Was den Alltag der Menschen zunächst bestimmte, und zwar völlig unabhängig davon, ob sie nun überzeugte Nazis, Mitläufer oder auch sogar Regimegegner gewesen waren, das waren Ausgangsbeschränkungen, Einquartierungen, Zwangsräumungen von Häusern und Wohnungen, fortbestehende Lebensmittelknappheit und Besatzungssoldaten, die ihnen mit Waffen gegenübertraten und in Sprachen Anweisungen erteilten, die die meisten Deutschen nicht verstanden und die ihre Anordnungen ggf. auch mit Waffengewalt durchsetzten. Und da rede ich noch gar nicht von den Übergriffen von Soldaten auf Frauen und Mädchen, die in allen Landesteilen grade in den ersten Wochen wenn auch in unterschiedlicher Intensität zum Lebensalltag gehörten.
Was den Deutschen da fuer ein paar Wochen/Monaten/Jahren zugemutet wurde war ja bestenfalls eine „Light Version des Schreckens“ dem die Bewohner in den von Deutschen eroberten Gebieten ausgesetzt waren. Keine massenhaften Verschleppungen, keine KZs, keine Einsatzgruppen, keine Erschiessungen…abgesehen von dem einen oder anderen Nazi-Bonzen vielleicht. Und ob der franzoesische Weinbauer oder ukrainische Schweinezuechter immer genau verstand was der Deutsche der seinen Hof gepluendert hat von ihm wollte, wage ich mal zu bezweifeln. Und unsere Truppen haben sicher auch nicht ortsuebliche Mieten fuer die besetzten Haeuser gezahlt, bzw die Nationen fuer die gestohlenen Kulturgueter entschaedigt! Das Leid der deutschen Zivilisten die von den Russen geflohen sind oder von den Westmachten bombardiert wurden ist tragisch, aber letztendlich eine Konsequenz des deutschen Groessenwahns. Nicht vergessen das WIR den Krieg angefangen haben! Wir haben industriell organisiert Voelkermord betrieben! Wir koennen froh sein, dass uns die Allierten nicht mit dem Morgenthau Plan gekommen sind oder Deutschland komplett aufgeloest haben. Wir sollten dankbar sein!!
@Georg sagt: 08.05.2020 um 20:00 Uhr
„Eine Diskussion lebt eben auch von der Zuspitzung der Argumente, damit Unterschiede erkennbar werden. Ich neige nicht zum Relativieren wenn ich einen Mißstand erkenne. Eine sofortige und eindeutige Handlung beendet den Mißstand bevor er sich festsetzt und macht meine eigene Position eindeutig deutlich.“
Angesichts des hochsensiblen und hochkomplexen Sachverhalts stimme ich dem nicht zu.
Je komplexer ein Sachverhalt ist, desto differenzierter und ausgewogener sollte ein Kommentar sein.
Der 8. Mai 1945 sollte auch als Endpunkt jener primär auf die Ermordung ausgerichteten Maschinerie gesehen werden, die man als Standgerichte kennt. Unzählige Mörder wie zum Beispiel Walther Huppenkothen und Otto Thorbeck veranstalteten „Standgerichte“, die selbst nach den Vorschriften der SS grob rechtswidrig waren.
Mir ist schleierhaft, wie das ersehnte Ende dieses Mordens von manchen als Tag der Niederlage angesehen werden kann.
Eine Niederlage ist dagegen die spätere Rechtfertigung dieser Morde durch den Bundesgerichtshof unter seinem Präsidenten Hermann Weinkauff.
@ T.W. zu Wühlmaus
Zumal es inhaltlich zudem einfach Blech ist: Die Luftwaffe bombardierte bereits am 1. September 1939 auch nicht eindeutig militärische Ziele in Wieluń (nachzulesen z.B. bei DW) und später im September dann auch Warschau…
@koffer Ich sehe in der medialen und öffendlichkeitswiksammen Aufarbeitung in dem Massenmedien der USA der Bevölkerung gegenüber schon den Ansatz zu sagen WIR haben Nazideutschland befreit. Dass von der Wehrmacht 44 nicht mehr viel übrig war wird gerne übersehen.
@0300-Infanterie: Sie schreiben: „ Wenn Deutschland einen „Tag der Befreiung“ haben soll, dann kann das in meinen Augen nur der 9. November sein.“
Betrachtet man einige Aspekte dieses auch „Schicksalstag der Deutschen“ Datums, wie beispielsweise den Mauerfall 1989, die Absetzung Kaiser Wilhelms II. und Ausrufung der Republik im Zuge der Novemberrevolution 1918, Niederschlagung des Hitler-Putsches 1923, um nur ein paar der bekannteren Vorgänge zu nennen, möchte man Ihnen zustimmen.
Jedoch steht dieses Datum eben auch für die Reichspogromnacht 1938. Nachdem sich in den letzten Jahren leider die Anzahl der offen auftretenden Rechten deutlich erhöht hat, sehe ich den 9. November als ein ungemein problematisches Datum für einen Feiertag an. Ich möchte nicht erleben, dass da Feiern der Reichspogromnacht initiiert werden!
Wenn ich mich recht entsinne, wurde dies auch 1990 heftig diskutiert und man hat sich auch aus diesem Grund für den 3. Oktober entschieden.
Ich zitiere aus der Rede von 1985: „Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“ Das finde ich heute noch genauso zutreffend wie vor 35 Jahren. Der 8. Mai sollte für uns ein Gedenktag sein.
Aber diesen Keim der Hoffnung – ein friedliches Europa – am 9. Mai 1950, also nur fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, nicht nur anzudenken, sondern beginnend in die Tat umzusetzen, das ist eines Feiertages wert. Ergo: Schönen Europatag!
@Georg sagt: 09.05.2020 um 10:32 Uhr
„aber diese indifferente Haltung in all ihren Stellungnahmen zu rechtsradikalen bis hin zu rechtsextremen Vorgängen in der Bw kann ich nicht gutheißen.“
Wo ich Dinge für falsch halte, spreche ich sie klar und deutlich an, aber ich betrachte differenziertes und differenzierendes Abwägung und Vorgehen nicht als „indifferent“, sondern als angemessen. Es steht mir weder als Vorgesetzter noch als Kamerad und auch nicht als Staatsbürger zu andere zu pauschalisieren und abzuwerten.
Im konkreten Fall des hier anhängigen Blogeintrags über das Kriegsende geht es zudem noch um eine historisch hochkomplexe Situation. Hier zu behaupten es gäbe nur eine schwarz/weiß Betrachtung ist für mich schlicht nicht akzeptabel.
@werter Herr Georg …ich glaube, Sie verrennen sich da gerade ein wenig.
Wie Sie von dem durchaus differenzierten Kommentar des Herrn OTL zu „rechtslastigen“ , gar „rechtsradikalen“ Stellungnahmen kommen, erschließt sich nicht unmittelbar.
Schönen Sonntag noch und … calm down.
@Dante sagt: 09.05.2020 um 12:38 Uhr
„@koffer Ich sehe in der medialen und öffendlichkeitswiksammen Aufarbeitung in dem Massenmedien der USA der Bevölkerung gegenüber schon den Ansatz zu sagen WIR haben Nazideutschland befreit. Dass von der Wehrmacht 44 nicht mehr viel übrig war wird gerne übersehen.“
Hm, in der Tat hat Hollywood und viele Gedenkreden eine sehr stark USA-zentrierte Ausrichtung.
Aber das ist angesichts der erbrachten militärischen Opfer und angesichts der zentralen Rolle, die die USA auch bei massiven wirtschaftlichen und rüstungstechnischen Unterstützung der UdSSR (in Zeiten der Konfrontation oft vergessen) glaube ich nur menschlich.
Vergleichbares machen ja auch die RUS selbst wenn sie den eigenen Kampf medial überhöhen. Zumindest kenne ich US-Filme über den RUS Kampf. Gibt es eigentlich RUS Filme über den Kampf im Süden, Westen und Pazifik?
So oder so, würde ich das Ganze im Gegensatz zu Ihnen nicht als Teil einer „Propaganda“ bezeichnen, sondern als nationale Sichtweise.
Für mich als DEU ist das ehrlich gesagt aber auch eine Henne/Ei Problem. Der alliierte Sieg basierte auf beiden Pfeilern. RUS hat die Wehrmacht nicht ohne massive Unterstützung ausbluten lassen können und die USA hätten ohne den Zweifrontenkrieg und die RUS/UdSSR Erfolge in Stalingrad und Kursk im Westen vermutlich keine erfolgreichen Landungen in Sizilien und der Normandie durchführen können.
Zuerst: Die Rede Weizsäckers gefiel mir anfänglich auch sehr gut. Aber bei Seite neun bin ich dann ausgestiegen. Ich bin sehr froh darüber, dass ich sie damals nicht im „Stillgestanden“ verfolgen musste.
Zu Koffers Kommentar 10.05.20 10.13 Uhr: Nach einigem Überlegen wollte ich eventuell „Befreiung“ geltend machen. https://de.wikipedia.org/wiki/Befreiung_(Film)
Beim Nachschlagen sah ich dann: kein rein russicher Film. Außerdem bin ich mir nicht mehr sicher, besitze den Film nicht, aber meine, darin wurde in kurzen Szenen auch mal „rübergeschwenkt“. Was aber auch keinen ganzen Film ausmacht…
Damit sollten Sie also absolut recht haben, falls nicht noch ein Einwand kommt?
Auch Ihrem Fazit folge ich vorbehaltlos.
Beim stöbern stieß ich ebenso auf den hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Botschafter_in_Moskau
Da würde ich gerne mal reinschauen. Kann man sich Heute gar nicht mehr vorstellen.
Diese Opfermentalität bei der Beurteilung des 8.Mais geht für mich aber auch gar nicht.