Europas militärische Fähigkeiten: Begrenzt und nach dem Brexit kritisch weniger

Die derzeitige politische Debatte über eine strategische Autonomie Europas, eine Armee der Europäer oder gar eine europäische Armee entspricht auf der praktischen Ebene nicht den vorhandenen Fähigkeiten – schon jetzt nicht, voraussichtlich auch im kommenden Jahrzehnt nicht und nach dem Brexit noch weniger. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und des britischen International Institute for Strategic Studies (IISS), die am (heutigen) Mittwoch in Brüssel vorgestellt wurde.

Für ihre Untersuchungen legten die beiden Think Tanks die aktuelle Ausstattung der Streitkräfte in den EU-Ländern, die geplanten Rüstungsbeschaffungen und die von der EU theoretisch vorgesehenen Möglichkeiten für den Einsatz von Streitkräften zu Grunde – dabei geht es nicht um die Landes- und Bündnisverteidigung wie in der NATO, sondern um Missionen wie die Evakuierung von EU-Bürgern oder Konfliktverhinderung bis hin zu einer EU-Friedenstruppe mit robustem Mandat im Auftrag der Vereinten Nationen. Das Fazit:

As of 2018, EU strategic autonomy is limited to the lower end of the operational spectrum. The prospects for significant change are slim over the coming decade based on current government plans. Brexit will make it even more necessary to find a constructive combination of European partnerships and transatlantic engagement.

Die Wissenschaftler spielten dabei konkrete Szenarien durch und kamen zu dem Ergebnis, dass die EU zwar in der Lage wäre, militärisch weniger fordernde Missionen wie zum Beispiel eine Evakuierung ihrer Staatsbürger aus einem umsturzgefährdeten Südafrika zu leisten. Allerdings wäre schon eine nur humanitäre Unterstützungsmission für, so das Szenario, Bangladesch nach dem Brexit schwieriger – weil die maritimen Fähigkeiten der Briten fehlten.

Bei anspruchsvolleren Missionen wie dem Szenario eines Peace Enforcement, also einer EU-Truppe mit friedenserhaltendem Auftrag und der Trennung von Kriegsparteien – fiktiv – im Kaukasus wäre schon die derzeitige EU mit ihren 28 Mitgliedern überfordert. Ohne den Beitrag der britischen Streitkräfte wäre sogar ein Erfolg einer solchen Mission zweifelhaft, heißt es in der Studie.

Zwar würden einige Fähigkeitslücken der Europäer in den kommenden Jahren geschlossen, zum Beispiel durch die geplante Beschaffung neuer schwerer Transporthubschrauber (wie für die Bundeswehr vorgesehen). Allerdings würden alle bekannten Beschaffungspläne aller EU-Staaten und Großbritanniens nicht dazu führen, das die vorhandenen Lücken geschlossen werden könnten.

Die Studie hier zum Nachlesen:

Protecting Europe:
Meeting the EU’s military level of ambition in the context of Brexit

(Archivbild August 2017: Ein A400M der Royal  Air Force mit Sicherungssoldat bei der Übung Mobility Guardian in den USA – Nicholas Egan/RAF/MOD/Crown Copyright under MOD News License)