Russische Bomber über der Nordsee: Krieg der Worte
Die Royal Air Force schickt nicht nur immer wieder ihre Alarmrotte, um russische Militärflugzeuge in der Nordsee zu beobachten – sie berichtet auch immer wieder sehr schnell darüber. So auch am (heutigen) Donnerstag, als zwei russische Langstreckenbomber vom Typ Tupolew 160 über der Nordsee vom Radar erfasst wurden.
In diesem Fall kam es, das ist eher außergewöhnlich, zu einem Krieg der Worte: Das russische Verteidigungsministerium reagierte – unter anderem über die russische Nachrichtenagentur TASS – auf die britische Mitteilung.
Zur Dokumentation beide Veröffentlichungen – zunächst die des britischen Verteidigungsministeriums:
UK FIGHTER JETS INTERCEPT RUSSIAN BOMBERS APPROACHING UK AIRSPACE
Today (20 September), RAF Quick Reaction Alert (QRA) Typhoon fighter aircraft scrambled from RAF Lossiemouth to monitor two Russian planes approaching UK airspace. The Russian Blackjacks long-range bombers were not talking to air traffic control, making them a hazard to all other aviation.
Defence Secretary Gavin Williamson said:
“Russian bombers probing UK airspace is another reminder of the very serious military challenge that Russia poses us today.
“We will not hesitate to continually defend our skies from acts of aggression. Once again the rapid reactions of our RAF have demonstrated how vital our Armed Forces are in protecting Britain.”
The RAF worked closely with NATO partners to monitor the jets as they passed through a variety of international airspace, before they were intercepted by the RAF over the North Sea. Subsequently, our fighters escorted the Russian Blackjacks north, out of the UK’s area of interest. At no time did the Russian bombers enter UK sovereign airspace.
RAF QRA was launched today because the Russian Military aircraft were not talking to air traffic agencies. The RAF routinely intercept, identify and escort Russian aircraft that transit international airspace within the UK’s area of interest and continue to be on call; 24/7, 365.
… und nur wenig später die russische Agenturmeldung (im englischen Dienst von TASS), mit den zielgerichteten Aussagen gegen die Briten:
Two Russian Tupolev-160 bombers make planned flight over northern seas
Two Russian Tupolev-160 ‘White Swan’ [NATO reporting name BlackJack] bombers have performed a planned flight over the international waters of the Barents, Norwegian and North Seas, the Russian Defense Ministry said. (…)
By tradition, UK’s Royal Air Force scrambled its Eurofighter Typhoons and F-16’s to shadow the Russian jets at separate sections of the route.
Die britischen Meldungen kommen schon immer recht schnell; diese Art der öffentlichen russischen Reaktion scheint mir aber recht neu. (Da die Briten meines Wissens keine F-16 fliegen, dürften die aus einem anderen NATO-Land gekommen sein…)
(Foto: Russischer Tu-160-Bomber und britischer Eurofighter – Foto MoD/Crown Copyright)
Die TU- 160 ist das gleiche, als wenn die USA eine B2 losschicken würden… Wie groß wäre denn die Aufregung dann? Das ist doch keine Drohne, bzw. Spionage.
Das sind nicht nur Worte, sondern ist richtiges Säbelrasseln.
Darüber zu informieren ist jedoch auch wichtig, eine Spur zu blumig ist es aber auf jeden Fall.
Seit der Skriptal-Affaire haben sich doch GB und Russland richtig „gefressen“, da findet eine immense Progamdaschlacht statt. Wenn es keinen Trump gäbe, wären die USA schon fast uninteressant…
Die F-16 werden wohl die Norweger gewesen sein.
( OT nur damit es nicht in den Progamdaschlachten untergeht, mal das Eurofighter Abkommen zwischen Deutschland und GB erwähnt
http://www.idlw.de/eurofighter-abkommen-zwischen-luftwaffe-und-royal-air-force/
OT Ende)
[Einen OT um des OTs willen bitte nicht. Und das andere Thema hier anzuflanschen, ist auch nicht besonder sinnvoll… T.W.]
Bei der Route kommen da norwegische oder dänische F-16 infrage, die haben auch in der Vergangenheit schon die Flieger der RAF abgelöst/an diese übergeben. Sie sprechen zwar vom Krieg der Worte, allerdings muss man auch sagen, dass das Britische Verteidigungsministerium in einem Satz dann doch deutlich deeskaliert hat:
Was das ganze ja schön zusammenfasst: Man mag das nicht, aber verboten ist es nicht, höchstens unschön.
Sehe in den beiden Meldungen keinen Widerspruch.
Laut den britischen Angaben kam es zu keinem Eindringen in den UK-Luftraum (nur einer Annäherung „…aproaching UK airspace“); und die Russen betonen, der Flug sei geplant („planned flight“) gewesen. Wobei sie natürlich nicht sagen, wer von dieser Planung Kenntnis gehabt hat – möglicherweise NICHT die örtlichen Luftsicherheitsbehörden, sondern eben nur die russische Luftwaffe. ;-)
Das ist standardmäßiges Testen der NATO Luftabwehr. Passiert seit Jahren so. Die Fotos von deutschen Phantoms über der Nordsee neben TU-95 „Bear“ aus den 80ern und 90ern sind doch bekannt.
Dass der Flug von russischer Seite „geplant“ war, heißt doch tatsächlich nur, dass die Besatzungen nicht einfach in ihre Flugzeuge gehüpft und losgeflogen sind. Wie Fussgaenger richtig anmerkt, werden solche Flüge nicht zwangsläufig überall angemeldet.
Die Frage ist aber, warum das nicht passiert. Und da stellen sich schon Fragen nach der eigentlichen Intention. Es braucht ja nur irgendwann mal einer weiterfliegen und den Luftraum verletzen, ein NATO-Pilot feuert eine Rakete und schon haben wir einen ausgewachsenen internationalen Zwischenfall.
Die russische Meldung, die dann über den Äther geht, kann ich jetzt schon schreiben: Es wird die Rede sein, von bedauerlichen Navigationsfehlern, von unvorhergesehenen Funkausfällen an Bord, von schießwütigen NATO-Abfangjägern und ungerechtfertigter Aggression gegenüber friedlichen Übungsflügen…
Wäre alles wesentlich entspannter, wenn die Russen vorher einfach mal sagen würden, dass sie kommen und nicht den Funkverkehr boykottieren. Aber die scheinen dort immer noch kalten Krieg üben zu wollen.
Im Vergleich zu früher hat sich der Tonfall der Meldungen eher umgekehrt.
Die Briten klingen heute hysterisch, die Russen nüchtern.
Die Briten scheinen ihre Bevölkerung wieder für eine Aufrüstung der Streitkräfte gewinnen zu wollen. Das lässt sich aus dem Duktus durchaus herauslesen. Hysterie würde ich das allerdings noch nicht nennen. Allenfalls der Satz „We will not hesitate to continually defend our skies from acts of aggression“ liest sich ein wenig merkwürdig in einer Meldung über einen Routineabfangeinsatz ohne Verletzung des eigenen Luftraums.
Es war schon schlimmer (und passiert ist damals nichts):
https://www.airspacemag.com/history-of-flight/secret-casualties-of-the-cold-war-180967122/
http://www.talkingproud.us/Military/AirborneRecce/AirborneRecce.html
„of the Barents, Norwegian and North Seas“
Icjh denke mal, die Rus-Flieger kamen von Kola ums Kapp, Norwegen könnte die als erste auf dem Schirm gehabt (Radar bei Vardø). Ob norwegische Flieger oder andere sie begleitet?
@ Metallkopf | 21. September 2018 – 9:51
Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass in beiden Cockpits Profis sitzen, die auf der einen Seite erst einmal dafür sorgen, dass sie gar nicht erst irgendwo reinfliegen, wo sie nicht rein fliegen dürfen und auf der anderen Seite schauen, ob das nicht ein Versehen sein kann, bevor sie den Abzug betätigen.
Das ist zumindest der Eindruck, den ich von deutschen EF-Piloten gewonnen habe, wenn man beispielsweise in Berlin auf der ILA oder anderswo mal die Gelegenheit hat, mit den Jungs ins Gespräch zu kommen. Die packen mit Sicherheit auch nicht alle Einzelheiten aus, die sie im Baltikum und anderswo erleben, aber Heißsporne sind das nicht.
@Metallkopf
Das sehe ich genauso und spare mir daher das Wiederholen der Argumente. Eine Ergänzung habe ich noch: Für mich ist das alles ein Machtgehabe der Russen.
„The bombers have performed a planned flight over the international waters of the Barents, Norwegian and North Seas“, the Russian Defense Ministry said.
Davon: „They were escorted by MIG-31 fighters“, haben die Briten nichts vermeldet.
Manchmal kommt es mir so vor als wären die Briten verzweifelt bemüht einen Konflikt zwischen Russland und dem Westen herbei zu schreiben.
Warum? Bestimmt nicht deswegen weil sie sich um Kontinentaleuropa sorgen. Es müssen rein britische Interessen sein die dahinter stehen. Welche das auch immer sein mögen.
Wenn jeder Flug von NATO Kampfflugzeugen in der Ostsee oder im Schwarzen Meer von den Russen so ausgeschlachtet würde, dann kämen die aus dem Schreiben nicht mehr raus.
So langsam muß man doch mal die Luft raus lassen aus dem Herbeischreiben und- reden von Konflikten die es real nicht gibt.
@Metallkopf:
„Es braucht ja nur irgendwann mal einer weiterfliegen und den Luftraum verletzen, ein NATO-Pilot feuert eine Rakete…“
Na, ganz so schnell geht das dann doch nicht. Ist ja nicht wie in/über Syrien momentan. Hat ja nicht der Pilot zu entscheiden.
Es sei denn, ein wahnsinniger Pilot (und Copilot) egal auf welcher Seite hat einen eigenen Plan.
Ich glaube sogar, dass eine (!) Tu-160 mal locker in den britischen Luftraum reinfliegen könnte und eskortiert wieder abdrehen könnte ohne das in diesen Moment etwas passiert.
Die politischen und diplomatischen Folgen wären natürlich eine andere Sache, aber die Tu-160 schießt dann keiner ab und auch mehr als Warnschüsse (wenn überhaupt) würde es nicht geben.
@Metallkopf | 21. September 2018 – 9:51
& Co
Ich verstünde Euch (und Presse/Regierungen) ja, wenn Ihr *immer* so argumentiertet.
Aber was ist, wenn NATO-Flugzeuge in internationalem Luftraum über der Ostsee (idR nahe RU) agieren? Oder was ist, wenn ein freiheitlicher US-Verband die internationalen Gewässer im Süden Chinas durchquert? etc. pp.
Deshalb halte ich Deine/solche ‚Argumentation‘ für reine Propaganda. Die Kontrahenten nehmen sich wenig und die Propagandisten machen auf ihrer Seite ihren (dirty) Job…
@Pete:
Die russischen Jets sind inzwischen wieder ohne aktive Transponder unterwegs, damit für Zivilflugzeuge nicht mehr einschätzbar und kommunizieren nicht mehr mit der zivilen Luftraumüberwachung. Das ist etwa so, als würde ein Auto Nachts ohne Beleuchtung über die Autobahn fahren. Das ist zwar im internationalen Luftraum nicht verboten, aber ein Unsicherheitsfaktor und fordert damit den Einsatz der zuständigen Luftpolizei geradezu heraus.
Die RAF nimmt eine solche Gelegenheit für Eigen-PR natürlich gerne wahr.. Kein Grund, sie als Kriegstreiber darzustellen.
@Langnase
„Die RAF nimmt eine solche Gelegenheit für Eigen-PR natürlich gerne wahr.“
Darauf können wir uns einigen. Ist aber in meinen Augen nicht professionell solche Vorgänge PR- mäßig auf zu bauschen.
„Die russischen Jets sind inzwischen wieder ohne aktive Transponder unterwegs..“
Wie ist das mit den NATO Flugzeugen im internationalen Luftraum im Schwaren Meer, in der Ostsee? Auch so, oder sind deren Transponder immer an?
„Kein Grund, sie als Kriegstreiber darzustellen“
Von „Kriegstreiber“ habe ich nie geschrieben. Ich habe aber eben subjktiv nicht den Eindruck, dass die Briten sich gegenüber Russland um Deeskalation bemühen. Ist eben mein subjektiver Eindruck.
Mal so als Tipp zum Thema Transponder (man mag mich aber verbessern bei Unstimmigkeiten):
Die Russen haben zwar ihre Transponder ausgeschaltet, allerdings ja alle anderen zivilen Flugzeuge nicht.
Die russischen Flieger sehen also jedes andere Flugzeug mit Transponder und können ausweichen. Gute Ausbildung vorausgesetzt, aber wer die Tu-160 fliegt wird wohl einer der besten Piloten in Russland sein.
Nur die Flieger, die keinen Transponder haben können natürlich nicht so leicht erfasst werden. Diese sind aber in diesen Gegenden eigentlich nicht vorhanden oder fliegen niedrig (glaube unter 10.000 Fuß).
Und auf dem Bild sieht es eher nach weit über 10.000 Fuß aus.
Die Flüge mit russischen Langstreckenbombern (und -aufklärern) sind in der Tat nicht ungewöhnlich. Nach der Modernisierung der russischen Streitkräfte haben sie in den letzten Jahren wieder zugenommen.
Die Reaktionen der NATO-Alarmrotten darauf sind genauso normal. Sie dienen nicht nur dazu, „Flagge zu zeigen“, sondern erhöhen auch die Sicherheit des Luftverkehrs, da die Flugsicherung die Abfangjäger „sehen“ kann.
Dass die russischen Luftfahrzeuge von der Flugsicherung nicht erfasst werden können, ist bereits geschrieben worden. Genauso wenig können sie aber von den Kollisionswarngeräten (TCAS) der zivilen Luftfahrzeuge erkannt werden. Das Prinzip „Hoffnung“ (darauf, dass die russischen Piloten schon ausweichen werden) ist im Luftverkehr weit unter den Sicherheitsanforderungen.
Außerdem geht es nicht nur um die Position zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern (fast noch mehr) um die Absicht, sprich: den (geplanten) Flugweg – sowohl vertikal als auch horizontal.
Man sollte dabei auch bedenken, dass zwischen Kontinentaleuropa und den britischen Inseln erheblicher Flugverkehr besteht – einschließlich der Transatlantik-Verbindungen (nicht nur aus Europa). Die starke Auslastung der Flugsicherungsorganisationen und die Komplexität des Flugverkehrs erfordern genaue Planung und ein oft „auf Naht“ abgestimmtes Luftraummanagement. Da stellen „unsicht“- und vor allem unberechenbare Luftfahrzeuge ein erhebliches Risiko dar.
Die norwegische Internetseite aldrimer.no meldet übrigens, dass norwegische F-16 die Blackjack _nicht_ abgefangen haben. Blieben noch die dänische Alarmrotte – oder „fake news“ der Russen ;)
Schließlich: die MiG-31 haben die Blackjacks nicht zwingend (bzw. wahrscheinlich nicht) auf dem ganzen Flug begleitet, da ihr Einsatzradius wesentlich kleiner ist. Wahrscheinlich waren sie also gar nicht mehr dabei, als die britischen EF die Tu-160 abgefangen haben.
Gestern von Estland aus, wo derzeit sechs Eurofighter stationiert sind:
Deutsche und belgische (F-16 ) Kampfjets „identifizierten“ bei einem Abfangmanöver über der Ostsee zwei russische Überschall-Bomber.
Die Flugzeuge vom Typ Tupolew Tu-160 „Blackjack“, die auch Atomwaffen tragen können, seien am Dienstag im Überwachungsgebiet der Nato nahe dem Baltikum unterwegs gewesen, sagte ein Bündnissprecher.
Die Bundeswehr bestätigte den Einsatz.
(Welt)
[Ja, gab es in der vergangenen Woche auch schon, wie die NATO schon mitgeteilt hatte:
https://ac.nato.int/archive/2018/mission-update-for-german-eurofighters-at-amari–estonia
Aber jeden Start der QRA werden wir hier nicht mitprotokollieren. T.W.]
@Whataboutist: Ich argumentiere immer so. Der große Unterschied zwischen den Flottenoperationen der Amerikaner und ihrer Verbündeten ist die im Gegensatz zu den Russen routinemäßig gegebene Transparenz. Die NATO meldet ihre Truppenbewegungen in aller Regel öffentlich an. NATO-Flugzeuge sind auch eher selten auf direktem Kurs in den russischen Luftraum mit ausgeschalteten Transpondern.
Klingt, als sei Ihre Strategie, wesentlich ungleiches Verhalten gleichsetzen zu wollen. Fliegt nicht, die Nummer!
„Pete | 23. September 2018 – 15:12
@Langnase
„Die RAF nimmt eine solche Gelegenheit für Eigen-PR natürlich gerne wahr.“
Darauf können wir uns einigen. Ist aber in meinen Augen nicht professionell solche Vorgänge PR- mäßig auf zu bauschen. “
Wieso aufbauschen? Wer bauscht auf? Ist das denn nicht ein Informieren der Öffentlichkeit? Wenn die RAF es nicht veröffentlichete, denn wäre es wohl ein Verschweigen gegenüber der Öffentlichkeit. Und warum sollte die RAF etwas verschweigen? Und wenn britische Medien ala Bild das als Headline bringen, na und?
Aufbauschen, weil in der Meldung „intercept“ und „approaching UK Airspace“ steht.
Es hätte auch vollkommen gereicht „escort“ und „International Airspace north of UK Airspace“ zu schreiben.
Wenn ich nämlich von Hamburg nach Danzig fliege „approaching“ ich auch den Russischen Luftraum (Kaliningrad).
„We will not hesitate to continually defend our skies from acts of aggression.“
Jetzt muss nur jemand noch definieren, dass „approaching UK Airspace ohne Transponder“ ein „act of aggression“ ist und schon haben wir den Salat.
@ QWERTZ:
Nur zum Verständnis:
Sie fliegen mit einem militärischen Flugzeug, das Atomwaffen tragen kann, ohne Anmeldung / ohne eingeschalteten Transponder von Hamburg nach Danzig ohne mit der Flugsicherung zu sprechen?
Problem erkannt? Wenn der Transponder eingeschaltet ist, das Gespräch mit der Flugsicherung gesucht wird und der Flug ggf. sogar planäßig ist, steigt nämlich erst gar keine QRA Rotte auf – das ist „business as usual“.
Und dann zeigen Sie mit bitte Meldungen, über RUS QRA Rotten, die bei einem vergleichbaren Verhalten von NATO Flugzeugen aufsteigen …