Der Schoko-Osterhase ist nur die Spitze des Eisbergs
Erst mal entschuldige ich mich für den hinkenden Vergleich das schiefe Bild das Wortspiel oben; zur Sache: Nachdem ich kürzlich die über entschiedene Korruptions-Abwehr des Verteidigungsministeriums angesichts des rechtswidrigen Sponsoring mittels Osterhasen für den Einsatzgruppenversorger Bonn berichtet hatte, hat der Wehrbeauftragte des Bundestages einen weitaus umfangreichen Fall aufgedeckt. In seiner monatlichen Kolumne für das Magazin der katholischen Soldatenseelsorge griff Hans-Peter Bartels nicht nur den Schokohasen auf, sondern verwies auf einen Sponsoring-Versuch des Fußballclubs Hertha BSC Berlin beim Einsatzgruppenversorger Berlin:
Ein Soldatenvertreter hatte mir zuvor schon von einem anderen Geschenk für eine andere Besatzung, diesmal die des Einsatzgruppenversorgers „Berlin“ erzählt. Die Fußballbundesliga- Mannschaft von Hertha BSC wollte den Soldaten auf dem Berliner Patenschiff eine Freude machen mit ein paar Trikots für die Besatzung und Freikarten für das nächste Hertha-Spiel. Nette Geste? Von wegen: Bestechungsgefahr! Und Ungleichbehandlung!
Die 15 Freikarten wären, wenn schon, dann allen 180.000 Bundeswehrsoldaten in einem transparenten Verfahren zugänglich zu machen! Irgendwie haben die Besatzung und Hertha dann eine Truppenlösung gefunden, die man den Kontrolleuren als rechtlich korrekt verkaufen konnte, und kamen zueinander.
(Die Juni-Ausgabe des Kompass, in der der Text erschienen ist, gibt es hier komplett zum Herunterladen; die Kolumne des Wehrbeauftragte steht auf S.17)
Immerhin, die Spende von zwei Tischkickern (Spielfiguren in Hertha-Trikots!) durfte die Besatzung irgendwie annehmen und auch gleich ausprobieren (Foto oben), wie die Marine auf ihrer Webseite berichtete*.
Der Wehrbeauftragte verband den Hinweis auf diesen Fall mit einem Appell:
Keine Organisation kann funktionieren, wenn alle ihre Glieder nichts anderes tun, als nur die geschriebenen Regeln buchstabengetreu zu befolgen. Dienst nach Vorschrift führt zum Kollaps! Auch beim Militär.
Jede Organisation braucht eine formale Regelungsstruktur und genauso auch ein lebendiges informelles Zusammenwirken, kollegial, kameradschaftlich, manchmal ein kleines Stück neben der hundertprozentigen Korrektheit, aus Erfahrung klug.
*Da die Bundeswehr-Webseiten in absehbarer Zeit auf ein anderes System umgestellt werden und Links dann ins Leere laufen, hier der Text als pdf:
(Foto: Bundeswehr/PIZ Marine/Marcel Kröncke)
Kann dieses Engagement von externen Vereinen/Förderern und Partnern nur begrüßen, auch wenn sowas natürlich medial gut verkaufen kann, so nehme ich den Beteiligten ab, dass ihr Interesse zum Wohle der Soldaten ist und eine nette Geste darstellen soll.
Gab es seitens von Hertha nicht mal eine Aktion wo die Familien gefallener Kameraden zum Heimspiel eingeladen wurden und die Kinder mit den Profis eingelaufen sind?
Ich frage mich welche Bestechungsgefahr von einem Fußballverein ausgehen soll? Die Soldaten müssen Fan von Verein X werden? Das ist einfach lachhafte Haarspalterei und ein juristischer Exzess seinesgleichen. Denn wie in dem „Fall“ mit dem Schokoosterhasen steht dahinter kein Rüstungskonzern oder die Baufirma XY die sich einen neuen Auftrag erhofft.
Willst du den Soldaten eine Freude machen, so wendet man sich in Zukunft gleich besser an die Rechtsabteilung des BmVg. Auch hier teile ich die Auffassung des Wehrbeauftragten.
Herr Bartels bringt die Sache auf den Punkt und legt den Finger in einige Wunden. Mit seinem Hinweis auf die Gorch Fock (die Liste lässt sich sicher allein im Bereich des BMVg schier endlos erweitern) werden wieder einige „plakativ-populäre“ (ich könnte auch sagen „populistisch“ – ist aber auch nicht korrekt) Aussagen/Sprüche bestätigt:
– Die Kleinen fängt man,…
– Wenn zwei das Gleiche tun…
– Oder mit George Orwell: „All animals are equal, but some are more qual than the others.“
Es ist erfreulich, dass Dr. Bartels diese Punkte so aufgreift. Doch ich würde mir manchmal von den Kontrollorganen etwas mehr „Trump-Mentalität“ wünschen, bei der es mal ordentlich „rappelt im Karton“. Steife Brise statt laues Lüftchen. Ja ich weiß, für den Diplomatischen Dienst bin ich nicht geeignet. Aber der Begriff „brauchbare Illegalität“ wird für mich das Wort der Woche.
Der Zuständige RB im vorgesetzten Bereich sollte sich mal Fragen, ob er für die Soldaten oder gegen sie ist. Beim Vorgang des „Osterhasen“ hatte er ebenfalls seine Finger im Spiel, so sagt es die Küstenklatschwelle.
Diesen Vorgang unter dem Begriff „Bestechlichkeit“ zu Bearbeiten, ist blanker Hohn. Welchen Vorteil erhofft sich denn der Verein, wenn sich die Herren Bootsmänner, Obermaate oder Mannschaften ein Spiel ansehen?
Da bekommt man als BW mal wieder die Chance medial positiv auf sich Aufmerksam zu machen und sich mit einem bekannten Verein medial zu präsentieren und was macht man? Man zückt die Sammlung an Regelungen und haut dazwischen.
Als alter Fernmelder, kommt mir immer wieder eine Textstelle aus der ACP 127 in den Sinn. Unter Nr. 102 b Satz 3 heißt es so schön: „If the procedures prescribed herein do not cover specific operating requirements, resorting to initiative and common sense should suffice. “
Diese Passage, wurde in der deutschen Übersetzung der Vorschrift, ausgelassen …
Beste Grüße
ABSURDISTAN – mit solchen absurden, möglichst häufigen Geschichten will m. E. die interne Opposition im Ministerium UvdL zu Fall bringen. Und ich darf dieses geschätzte Forum erneut bitten, sich nicht (unabsichtlich und ungewollt) zum Werkzeug geheimdienstlich geschulter Provokateure machen zu lassen. Gruß JoFi
@JoFi
Das ist Ihre ständige Behauptung. Mit der Bezeichnung der Soldatenvertretungsgremien und des Wehrbeauftragten als Werkzeug geheimdienstlich geschulter Provokateure haben Sie allerdings jetzt eine Grenze überschritten und werden Ihre Agitationstätigkeit anderswo fortsetzen.
Ich habe im Rahmen meines ersten Gebirgsmarsches in Reichenhall von einer netten älteren Dame frische Äpfel bekommen (genau wie die anderen Teilnehmer des Marsches).
Nicht das jetzt die Rechtsabteilung um die Ecke kommt und uns vorwirft wir wären korrupt und würden die alte Dame nun bevorteilen. (bei was auch immer)
Es ist unklar ob die hiesigen Juristen im BmVg nicht aus ihrer Haut können oder aber aus Prinzip kleine Gesten und Nettigkeiten blockiert, um ja die Vorschrift zu befolgen.
@JMWst Der Terminus der „brauchbaren Illegalität“ ist gerade in einer Organisation wie der Bundeswehr von Nöten. Man stelle sich vor jeder GrpFhr/ZgFhr/KpChef würde sich immer an jede Vorschrift halten. Wir könnten nicht einmal den Wolf von A nach B bewegen, wenn er denn überhaupt da ist.
Echt jetzt?
Fordert da der Wehrbeauftragte die Soldatinnen und Soldaten zu Dienstvergehen auf?
Zumindest der Anfangsverdacht eines Handelns entgegen §7SG (u.a. Pflicht zur gewissenhaften Dienstausübung) ergibt sich ja schon, wenn jemand entgegen der Regelung handelt.
Den Sonderfall, das die Regelung evtl. Befehlscharakter hat (in der Folge Verstoß gegen §11 SG und evtl. WStG – je nachdem welchen Fall man konstruieren möchte), lasse ich noch unbetrachtet.
Ernsthaft, ich kann die Meinung nachvollziehen und ich weiß, dass es ohne „Augen zudrücken“ nicht immer auf dem Niveau laufen würde auf dem es läuft. Aber es ist nicht der beste Ansatz, wenn Herr Barthels (der sich mit der Äußerung keinen Ermittlungen aussetzt) zu diesem Vorgehen rät.
Das ist Bekämpfung der Symptome an Stelle der Ursachen. Als würde man einem Krebspatienten zu Muntermachern raten anstatt einer Chemo-/Bestrahlungstherapie.
@ Christoph Engelhardt | 29. Mai 2018 – 13:48
Was sind denn ihrer Meinung nach die Ursachen?
Da kann ich nur den Kopf schütteln.
Dienst nach Vorschrift führt zum Kollaps? Gut erkannt, nur leider wieder mit falscher Schlussfolgerung!
Unbequeme Vorschriften umgeht man nicht, die _ändert_ man! Der Aufruf zur Vorschriftenbefolgung nach Lust und Laune ist unredlich. Wenn die vorschriftenwidrige Entscheidung ins Auge geht, steht der Kamerad alleine im Regen.
Dann funktioniert nichts mehr? Gratulation, das ist das Ergebnis von jahrzehntelangem Zurechtbiegen. Sollte man schleunigst ändern.
Das ist doch nur konsequent das Ganze.
Nachdem man mit dem unsäglichen Mehrbesatzungskonzept schon die Verbindung von Schiff und Besatzung zu Grabe getragen hat (unsere Messe war unser Wohnzimmer und nicht irgendeine temporär zu nutzende Betreuungseinrichtung) wird jetzt auch noch ein Keil zwischen Schiffe und Patenstädte (bzw. die Freundeskreise, Sportvereine vor Ort usw.) getrieben.
Dann können wir bald auch unsere die MKS 180 „ALFA“ „BRAVO“ usw. nennen….
Aber bitte nicht beschweren, wenn keiner mehr die Bundeswehr wahrnimmt oder gar unterstützt.
Eine sehr nahe Verwandte 1. Grades bietet mir (Soldat) seit Jahren an verschiedenen dienstfreien Festtagen, sog. „Feiertagen“ den „bunten Teller“ (umgangsprachlicher Ausdruck) an, der eine Vielzahl an Schokoladenhohlgussfiguren und „Gummibärchen“ enthält. Diesem Versuch mich mit dieser ungewünschten materiellen Sonderfesttagszuwendung zu korrumpieren, kann ich mich auf Grund der engen familiären Bindung seit Jahren kaum entziehen. Auch die Allergene insbesondere der Gummibären sind nicht eindeutig ausgewiesen.
Ein herzlichen Dank an das Referat ES, dass ich nun eine rechtsichere juristische sachlich nüchterne Handreichung und Argumentationshilfe an die Hand bekomme haben, um mich diesem Kalorienteufelskreis zu entziehen und den Familienfrieden zu wahren
Sie leisten wirklich großartige Arbeit!
Herzlichen Dank für diese Berichterstattung!
Ich wünsche mir, dass an entscheidenden Positionen – endlich – eine saubere und eindeutige Regelung geschaffen wird und die Arbeit der ehrenamtlichen Zivilbevölkerung für die Soldatinnen und Soldaten weitergeführt werden kann und darf!
Jetzt macht doch bitte mal langsam!
Im vorherigen Thread ging es in den Kommentaren hauptsächlich darum, doch mal den gesunden Menschenverstand zu gebrauchen.
Jetzt wird genau das vom Wehrbeauftragten auch verlangt, und schon gehen einige steil.
Sind wir gem. Eid nicht auch zur Tapferkeit verpflichtet?
Meine Einschätzung dieser Pflicht war immer, auch notfalls meinem Dienstvorgesetzten entgegenzutreten wenn seine Befehle scheiße waren.
Und notfalls wäre ich (das ist nur von hinterher, ich bin lange raus) bereit eine Entscheidung zu treffen und das Urteil der vorgesetzten Dienststellen abzuwarten.
Was wollten sie denn mit mir machen? Entlassen? Böser Fingerzeig? Schlechte Beurteilung?
Ich habe das übrigens selber auch wirklich so gehandhabt, angefangen von „Chef, gute Idee, machen wir aber nicht“ (nächtliche Wildschweinjagd im geplanten Gebiet für einen Nacht O-Marsch), bis hin zu „Chef, die Leute kommen aus einem Truppenübungsplatzaufenthalt, die haben keine Unterhosen mehr, sie jetzt für drei Wochen zum Hochwassereinsatz zu schicken ist nicht so die tolle Idee“.
Werferfehler
@Ha-Wa
„Ich frage mich welche Bestechungsgefahr von einem Fußballverein ausgehen soll?“
Ganz einfach:
Rüstungsfirma X oder Elektronikkonzern Y sponsort Herth BSC mit 150.000 Euro.
Herta BSC verschenkt Eintrittskarten für 120.000 Euro an Soldaten.
Natürlich werden sich jetzt viele Fragen: Na und? Keiner der Soldaten an Bord entscheidet doch über Beschaffungsvorhaben. Richtig. In diesem Moment nicht.
Aber so wird ein System etabliert und „Abhängigkeiten“ geschaffen.
Diese Korruptionssysteme fangen immer ganz klein an.
Wer selbst schon mal mit Korruption zu tun hatte, bestochen wurde oder Vorteile versprochen wurden, weiß wie schnell man moralisch am Wanken ist. Wir sind ja alle nur Menschen.
In Sachen „Brauchbare Illegalität“ spannt der Wehrbeauftragte den Bogen von einem Schokoosterhasen für den EGV Bonn über eine Erweiterung der Patenschaft für den EGV Berlin )mittels eines Partnerschaftsvertrag der Hertha mit dem Freundeskreis) bis hin zur „Runderneuerung“ der Gorch Fock.
Imho überspannt der WBdDBT damit den Bogen ein wenig, denn ein Blick in den einschlägigen WIKI-Artikel zeigt, dass auch „Brauchbare Illegalität“ in diesem unseren Land durchaus bekannt und „geregelt“ ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Brauchbare_Illegalit%C3%A4t) und zwar über eine Nutznieß-Betrachtung um einseitige, eigennützige Illegalität auszuschließen. Bei Patenschaftsmaßnahmen muß der Nutzennieß also für alle drei Partner transparent organisiert und erkennbar sein; im Falle EGV Berlin hat das ja imho fast schon beispielhaft funktioniert.
Im Falle EGV Bonn ging das eben voll in die Hose, imho nicht zuletzt auch deswegen weil hier weder Transparenz noch ein wirklich anteiliger Nutznieß für die Stadt, den FK und die Bonn erkennbar war, ist – da bleibe ich bei meiner Meinung aus dem anderen Faden. Professionelle Patenschaftspflege sieht anders aus – siehe Berlin.
@Christoph Engelhardt
Ist die Bundeswehr nicht der Verein, dessen Vertreter sonst immer laut rumweinen, dass ihnen aus der Bevölkerung bzw. der bundesdeutschen Öffentlichkeit bestenfalls freundliches Desinteresse entgegen gebracht wird? Wohingegen die Kameraden aus den USA oder GB oder auch FR es sooo viel besser haben, die werden immer sooo innig geherzt und bekommen Bier spendiert, etc.?
Am Ende dürfte der deutsche Soldat das Bier gar nicht annehmen, und müsste angesichts der freundlichen Geste einen taktischen Rückzug antreten? Am Ende ist in dem Bier noch Alkohol drin?
Ja, die zitierten Beispiele sind natürlich kafkaesk.
Doch ich spiele mal den advocatus diaboli und versuche mal darzulegen, dass darin auch eine gewisse Logik steckt, und dass die Lösungen keinesfalls dort zu suchen sind, wo der Wehrbeauftragte sie vermutet ;-))
Also: der Schokohase und die Fußballkarten sind seltene Anwendungsbeispiele von Antikorruptions-Regeln, die sich im Großen und Ganzen durchaus bewährt haben. Eine Regel ist wie jedes andere Werkzeug: Es ist geschaffen, um möglichst viele Standardfälle abzudecken. Da kann es schon sein, dass es in einigen Bereichen nicht optimal ist – aber Spezialanfertigungen wären nicht rentabel.
Was sind denn die sonstigen Optionen in diesem Fall:
(a) Klar, man könnte jetzt anfangen, die Regeln anzupassen, etwa Ausnahmen für Schoko-Osterhasen und Fußballkarten einführen. Diesen Weg ist das Steuerrecht gegangen – das Ergebnis ist bekannt ;-)) Wir brauchen definitiv keine 50-Seitige Fußballeintrittskartensponsoringverordnung.
(b) Natürlich könnte man die Regeln auch allgemeiner fassen und den Akteuren einen größeren Ermessensspielraum einräumen: z.B. bis 100€/Person entscheidet der Vorgesetzte. Doch Ermessen ist ein zweischneidiges Schwert: Es bedeutet nicht nur Freiheit und Flexibilität, sondern auch Aufwand bei der Entscheidungsfindung und Verantwortung für das Ergebnis. Klar, bei Osterhasen ist das einfach, aber wenn dann z.B. Reisen hinzukommen, wird es schwierig, die Grenze zu ziehen. Aber klar, man kann dies nach umfassender Würdigung des jeweiligen konkreten Falls schon machen – doch das bedeutet Aufwand.
(c) Und wer soll denn die Entscheidung übernehmen und dafür gerade stehen? Etwa der Kapitän? Ist es dafür ausgebildet? Und hat er denn keine anderen Aufgaben? Ein Kapitän ist doch ein Top-Entscheidungsträger, seine Arbeitszeit ist zu kostbar, um mit solchen Lappalien verschwendet zu werden. Da bräuchte man schon einen Fachmann, z.B. einen Schiffs-Justiziar – aber der hat gerade noch gefehlt … Und Sponsoring ist ein absoluter Randbereich, der nur mittelbar dem Kerngeschäft verknüpft ist – darauf sollten auch wenig Ressourcen (wie z.B. Zeit der Entscheidungsträger) aufgewendet werden.
(d) Und der Vorschlag des Wehrbeauftragten, ein Auge zuzudrücken, ist auf Dauer natürlich nicht praktikabel. Flexibilität in Organisationen wird gewährleistet durch Übertragen von Ermessensspielräumen an Personen, die zuvor im sinnvollen Ausüben dieses Ermessens ausgebildet worden sind – und nicht durch systematische (sic!) Missachtung der Regeln. Brauchbare Illegalität kann nur ein Ausnahmefall sein, der zur Reflexion und Änderung der Regeln anregt. Denn sonst erodieren nicht nur die unsinnigen, sondern auch die sinnvollen Regeln. Und man rutscht in Probleme hinein, die das BAMF gerade hat.
FAZIT:
Starre Regeln in Organisationen müssen nicht immer lähmend sein. Sinnvoll eingesetzt, können sie dazu führen, dass ganz schnell Entscheidungen getroffen werden, auch wenn einige davon suboptimal sind. Und in Randbereichen ist das ok, denn dann bleiben Ressourcen für die Kernbereiche frei – worauf es ja ankommt.
Zugespitzt: Ein Vorgesetzter sollte sich nicht um Schoko-Osterhasen und Fußballkarten, sondern um sein Schiff und den Auftrag kümmern. Und die Sponsoren sollten in die Regeln schauen und 150 kleine Hasen anstelle von einem großen spenden. Fertig.
Aber klar, das schließt natürlich nicht aus, dass die Öffentlichkeitsarbeit die dargestellten Fälle näher untersucht und ggf. sinnvolle Vorschläge zur Anpassung der Regeln zum Sponsoring erarbeitet.
Wie auch an anderer Stelle bereits geäußert, rate ich davon ab die buchstabengetreue Einhaltung von Verwaltungsvorgaben als zwingendes Verhalten zu bewerten.
Die Herrschaft des Rechtes ist wichtig, die Herrschaft der Paragraphen hingegen nicht.
Als Offiziere sind wir dafür da mit Sinn und Verstand dem Geist und Kern des Gesetzes zu Folgen und nicht nur dem reinen Wortlaut von diversen Verwaltungsvorschriften…
@Koffer +1 das trifft den Nagel sehr pointiert auf den Kopf.
An den Rest, der sofort anfängt zu geifern sobald das Wort „Illegalität“ auftaucht, der Dienstherr hat von diesem kleinen „Rechtsbruch“ auch einen erheblichen Vorteil. Denn nach Kühl, ist diese Illegalität nur brauchbar wenn Organisation, Individuum (in dem Fall Soldat) und die Aktion (zB Ausbildung) selbst einen Nutzen aus dieser Sache ziehen.
Damit ist nicht die Floskel berüchtigter UmP gemeint: „Das haben wir immer schon so gemacht Herr Olt/Hptm.“, sondern vielmehr praktikable Lösungen, welche aufgrund von Fehlern in der Aktionskette aufgetreten sind.
Wenn ich mit nem Zg auf den Platz fahren will und durch die traumhafte Materiallage nur 50% Ist-Zustand habe und dann noch ein Fahrzeug defekt ist, dann kann ich:
1. anfangen rumzuheulen und das geplante Ausbildungsvorhaben abbrechen
2. Eine sehr mangelhafte Ausbildung leiten/durchführen oder aber
3. ich frage bei einem anderen Zg nach, leihe mir Fahrzeug XY und führe die Ausbildung wie geplant durch und bedanke mich mit zwei Kisten Hopfenkaltschale.
Auch wenn der geneigte Jurist jetzt Schnappatmung bekommt, aber Punkt 3 funktioniert ohne Anforderungsformular und sonstigen Papierkram. Zwar liegt hier ein klarer (formaler) Rechtsbruch vor, jedoch haben alle drei Parteien aus ebendiesem einen klaren Vorteil erzielt.
Zum Glück hat man in diesem Fall eine Truppenlösung gefunden und hat den gordischen Knoten zumindest ein wenig gelöst.
Noch ein Aspekt, der zeigt, wie irrsinnig der Vorschlag des Wehrbeauftragten ist, es mit den bestehenden Regeln nicht so ernst zu nehmen – gerade im militärischen Bereich:
Wir erinnern uns – es ist schon mal ein Bundespräsident über eine den Verdacht einer Vorteilsannahme in Höhe von 600€ gestürzt. Politische Gegner und Medien haben den Fall hochgekocht. Später wurde er von allen Vorwürfen freigesprochen – doch da war es zu spät. (https://de.wikipedia.org/wiki/Wulff-Affäre)
Das zeigt, welches brisante Potential in scheinbar harmlosen Regelabweichungen liegt. Die Betreffenden machen sich angreifbar – und auch erpressbar. Und gerade in Zeiten hybrider Bedrohungen ist es ein Irrsinn, wenn Personen in militärischen Schlüsselpositionen erpressbar bzw. durch Kampagnen diskreditiert werden können.
Eine Organisation, die zum Funktionieren systematische Regelverletzungen braucht, ist somit leicht angreifbar.
Die Lösung bei dysfunktionalen Regeln kann daher nur sein: Anpassung, nicht Missachtung der Regeln.
@Walter Eucken | 30. Mai 2018 – 7:37
Ich teile Ihre Bewertung noch nicht einmal in Ansätzen!
Wer bedingungslos die Herrschaft von Paragraphen in Verwaltungsvorschriften vor der Nutzung von Herz und Verstand in einer Armee durchsetzen will schadet unmittelbar ihrer Einsatzfähigkeit und erzielt angesichts der zahllosen, häufig auch gar nicht jedem bekannten Verwaltungsvorschriften dadurch dennoch nicht mehr Gesetzestreue.
Er erzielt nur eines: Furcht vor dem eigenen Schatten.
@Ha-Wa: Das funktioniert, wenn alles glatt läuft. Aber wehe, es passiert was. Dann gibt es unangenehme Fragen. Und keinen interessiert, dass doch nur der Übungsbetrieb aufrecht erhalten werden sollte. Dann steht der Kamerad alleine da.
Absicherungsmentalität? Aber sicher. Warum? Weil das Vorschriften-Dickicht einen dazu nötigt. Abhilfe: Machete -> Dickicht.
Das gerade ein Angehöriger des Bundestags (Legislative -> die machen die Gesetze) sinngemäß sagt „Warum haltet ihr euch an den Blödsinn, den wir verzapfen? So kann das doch nichts werden!“, das ist schon starker Tobak.
Die Exekutive anzuhalten, gegen das GG zu verstoßen („[…] die vollziehende Gewalt [ist] an Gesetz und Recht gebunden“, Art 23 Abs. 3 GG), weil die Legislative regelmäßig bei der Erfüllung ihres Auftrages versagt (Marktstammdatenregister anyone?), geht in einem Rechtsstaat nicht.
Lockert die Regelungen, bereinigt das Dickicht, räumt Ermessensspielräume ein!
@Nur 2 Cent | 30. Mai 2018 – 9:01
Die buchstabengetreue und geistlose Befolgung von beliebigen Verwaltungsvorschriften hat NICHTS mit dem Grundgesetz zu tun!
Außerdem: was soll denn passiere?! Genau dafür gibt es Offiziere und vorgesetzte Offiziere.
Laws are to govern all alike — those opposed as well as those who favor them. I know no method to secure the repeal of bad or obnoxious laws so effective as their stringent execution.
Ulysses Simpson Grant
@ThoDan | 30. Mai 2018 – 10:50
„Laws are…“
Verwaltungsvorschriften sind KEINE Gesetze!
Oh Mann …
(auch wenn ich als „ewiggestriger“ eingestuft werde)
Ich kann mich noch gut erinnern, als die Bundeswehr auf s.g. „freilaufenden“ Übungen im Rahmen GDP disloziert auf mehrere Ortschaften/ Dörfer im bayrischen Hinterland eingesetzt wurde.
Man war froh, dass man Einrichtungen der Gemeinden (Sportheim, Schützenheim, usw.) und der Landwirte (von der Scheune bis zum Milchkühlhaus) nutzen durfte um so seinen Auftrag leichter und effizienter ausführen zu können. Natürlich hat man dann auch gerne mal den Leuten unter die Arme gegriffen und schnell mal mit (manpower) angepackt und geholfen. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen.
Und unterm Strich kam dabei raus:
1. Eine riesige Akzeptanz in der Bevölkerung mit entsprechender Reputation
2. Man durfte im Folgejahr ohne großes Getue wieder mit seinem Laden (MatGrp, Inst, …) die Einrichtung nutzen und die Oma brachte wieder ihren selbst gebackenen Kuchen für unsere Männer oder selbst Kleinigkeiten wie das benutzen der Duschen oder dass mal eben stark verschmutzte Kleidung von Soldaten gewaschen wurde.
Und was war daran schlecht oder korrupt?
Heute würde ich als TeFhr für sowas in der Bildzeitung aufs Titelblatt kommen.
Wo kommen wir denn dahin, wenn die Soldaten plötzlich bei der Bevölkerung beliebt wären?
@Nur 2 Cent
„Lockert die Regelungen, bereinigt das Dickicht, räumt Ermessensspielräume ein“
Der Ermessensspielraum heißt Verantwortung und wer nichts verantworten kann sollte Weisungsempfänger werden (nicht despektierlich) und nicht Vorgesetzter.
@ThoDan: Genau so isses! Schlimme Gesetze und Vorschriften muss man anwenden, damit sie geändert oder abgeschafft werden.
@alle, die hier lustig fordern, man sollte Dienstvorschriften, die man doof findet, einfach mal „kreativ auslegen“ und nicht buchstabengetreu: Wo sind Sie denn wohl, wenn so eine Sache mal hochkocht. Sei es, weil der Freundeskreis groß über den Mailverteiler posaunt, was er wieder tolles an die Kameraden verschickt hat, oder wenn einer zur indirekten Förderung der eigenen Karriere den Verantwortlichen auf dem EGV, der den Schokohasen angenommen und unter der Besatzung verteilt hat, wegen Verdachts auf Dienstvergehen anschwärzt?! Ein anhängiges Diszi kann immerhin den Anspruch auf Beförderung ausschließen; dass die Vorschrift nun einmal so ist, wie sie ist, stellt ja ernsthaft kaum einer in Abrede…
Was erzählen Sie da dem Kameraden, der sich „mal nicht so wegen eines Schoko-Osterhasen angestellt hat“, jetzt aber deshalb erstmal nicht befördert wird? Da stehen die hiesigen Ritter von der vorschriftswidrigen Gestalt vermutlich irgendwo abseits, mit den Händen in den Taschen und pfeifen betont unauffällig „La Paloma“, oder?
@Koffer: Doch, die exakte Befolgung auch von verwaltungsinternen Regelungen und Dienstvorschriften entspricht der rechtstaatlichen Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz nach unserer Verfassung. Denn der interne Verwaltungsaufbau ist genau deshalb so geregelt, damit auch die verwaltungsintern Beschäftigten wissen, wie sie sich in bestimmten Fällen richtig verhalten! Und da kommt es gerade nicht darauf an, ob man die Vorschrift blöd findet, ob ein entsprechender Disziplinarvorgesetzter seinerseits Vorschriften missachtet, wenn er Tatsachen aus denen sich ein Verdacht auf Dienstvergehen ergibt, so gar nicht nachgehen mag, weil ihm das zuviel Papierkram ist.
Daraus dürfte dann mal so ein richtig schöner Skandal werden. Wünsche gute Verrichtungen.
@Metallkopf | 30. Mai 2018 – 11:55
„Doch, die exakte Befolgung auch von verwaltungsinternen Regelungen und Dienstvorschriften entspricht der rechtstaatlichen Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz nach unserer Verfassung.“
Das habe ich (glücklicherweise) anders gelernt (sowohl von Offizieren, wie von Juristen) und anders durch meine Vorgesetzten vorgelebt bekommen.
Und auf die Frage wer sich vor seine Untergebenen stellen würde: hoffentlich jeder Offizier (zumindest derjenige mit einer guten Berufsauffassung)!
@ Koffer | 30. Mai 2018 – 11:10
“ Verwaltungsvorschriften sind KEINE Gesetze!“
Rechtsverordnungen und DV sind (oft leider) genau so bindend wie ein Gesetz:
„Rechtsverordnungen werden ….. nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber, sondern von der Exekutive (Regierung) auf der Grundlage einer durch ein förmliches Gesetz erteilten Ermächtigung erlassen. Die Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung finden sich in Artikel 80 Absatz 1 Grundgesetz. Danach können nur die Bundesregierung, einzelne Bundesminister oder Landesregierungen zur Verordnungsgebung ermächtigt werden. Wichtig: Inhalt, Ausmaß und Zweck der erteilten Ermächtigung müssen im förmlichen Gesetz hinreichend bestimmt sein. Diese zwingenden Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung als systematische Ausnahme vom Rechtssetzungsmonopol des Parlaments lassen sich sowohl auf das Demokratieprinzip (Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz) als auch auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) zurückführen.“ (BMJ)
Bei Uebertretungen kommt im Binnenbereich der SK dann allerdings unterschiedlich ein Straftatbestand oder nur ein Dienstvergehen heraus.
@MikeMolto | 30. Mai 2018 – 12:20
„Rechtsverordnungen und DV sind (oft leider) genau so bindend wie ein Gesetz“
Nur wenn wir sie uns selbst so bindend machen! Rechtlich gesehen nein.
@ Koffer | 30. Mai 2018 – 13:04
“ Nur wenn wir sie uns selbst so bindend machen! Rechtlich gesehen nein.“
Rechtlich gesehen gilt nicht. Die Frage ist, wird/kann/muss ein Verstoss (gegen diese Vorschriften oder Verordnungen) von den Verwaltungs“traegern“ sanktioniert (bestraft) werden ja/nein. „Bestrafung“ kann auch (oft sehr schmerzhaft) im Entzug einer Lizens (Kdt-Zeugnis, Patent, Pilotenschein, Jaegerschein, Fuehrerschein) bestehen.
Wird es nicht langsam zu einer detailverliebten und dennoch globalgalaktischen Debatte über das eigentliche Thema hinaus?
@T.W.: Vermutlich, daher steige ich jetzt aus.
Nur soviel: Wenn wir uns jetzt drüber unterhalten, dass Verwaltungsvorschriften keinen Gesetzesstatus besitzen, und folglich auch nach außen – für den einfachen Bürger – keine Verbindlichkeit entfalten, dann unterscheidet sich das sehr empfindlich von der internen Verbindlichkeit von Dienstvorschriften für Soldaten der Bundeswehr. Und die allein zählt hier.
1. Ohne diese brauchbare Illegalität wären so große Prestigeprojekte wie VJTF erheblich am Wanken.
2. Kein militärischer Vorgesetzter wird jemals einfach so Vorschriften außer Kraft setzen oder bewusst gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen.
3. Als Truppendiener muss man nunmal die Scheiße ausbaden, die andere hinterm Schreibtisch verzapft haben. Da kann ich nicht stumpf alles nach Vorschrift machen und beten das ein oder zwei geändert werden, denn dann können DP-Ausbildungen nicht durchgeführt werden etc. Ich glaube manchen Schreibern hier ist gar nicht bewusst, was da für ein riesiger Rattenschwanz dranhängt, vor allem im Hinblick auf Einsatz/einsatzgleiche Verpflichtung. Die Zeit die mir geklaut wird, bekomme ich dank SAZV nie wieder rein, von daher schreibe ich erneut:
Der Wehrbeauftragte hat vollumfänglich recht. Wenn kein militärischer Führer mehr den Schneid hat was zu verantworten, dann kann man den Verein aber wirklich dicht machen.
4. Entschuldigung für das Off-Topic