(Eigennütziger) Hinweis: Hamburg und seine Katastrophen
Am (morgigen) Dienstag wird in der Hamburger Bundeswehr-Universität, der Helmut-Schmidt-Universität, eine Ausstellung eröffnet, die über die Hansestadt hinaus von Interesse ist: Die Ausstellung und die begleitenden Vorträge befassen sich zwar mit den Großen Katastrophen in Hamburg – aber stellen zugleich die Frage, wie große Städte mit Bedrohungen in der Vergangenheit umgingen und künftig umgehen können.
Im Hamburger Bewusstsein sind, darauf weisen die Austellungsmacher zurecht hin, fünf große Ereignisse der vergangenen rund 200 Jahre präsent:
Fünf neuzeitliche Mega-Schrecknisse haben sich ins „Stadtgedächtnis“ eingeprägt: Die Vertreibung von 30.000 Unterverproviantierten, als die französische Stadt „Hambourg“ russisch belagert wurde (1813/14); der Große Brand (1842); die Cholera von 1892; die „Gomorrha“-Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg (1943); die 1962er Sturmflut.
Besatzung und Belagerung, Feuersbrünste, Epidemien, Bombardements, Überschwemmungen – allein aufgrund höherer Gewalt vom Himmel gefallen ist das alles nicht. Ein „Faktor Mensch“, vor allem an der Spitze des Stadtstaats, hat teils dazu beigetragen, dass jene Desaster entstehen konnten, teils, dass sie in ihrem Ablauf nicht stärker abgemildert wurden. Trugen – spiegelbildlich – meist minderbemittelte Teile der Bewohnerschaft das Hauptleid? – Häufig hatte man sie nicht ausreichend informiert und angeleitet.
Ich darf meinen kleinen Teil zu dieser nicht nur historischen Betrachtung leisten: Am 4. Juni werde ich im Rahmen der Vortragsreihe über das Thema Wenn der Krieg nach Hamburg kommt sprechen. Ausstellungskurator Helmut Stubbe da Luz hat mich schon dazu umfangreich interviewt (das Interview ist im Begleitband zur Ausstellung enthalten); an dem Abend wird es um die Frage gehen, wie eine Bedrohung einer Metropole in heutigen Zeiten aussehen könnte.
Spoiler Alert: Meine These ist, dass heutzutage nicht Bomberverbände oder Panzerarmeen, auch nicht Raketen die drängendste Gefahr für eine Großstadt bedeuten. Sondern Angriffe auf die Infrastruktur, die durchaus mit nicht-militärischen Mitteln (und von nicht-militärischen Akteuren) stattfinden können: Wenn ein paar Wochen der Strom ausfällt und als Folge der Rest der Infrastruktur, bricht auch ohne Luftangriff alles zusammen.
Ich bin gespannt auf die Ausstellung und auch auf die Zuhörerinnen meines Vortrags. Vielleicht treffe ich da ja auch den einen oder anderen Leser…
(Archivbild: Britischer Lancaster-Bomber über Hamburg während des Zweiten Weltkriegs – Imperial War Museum/Public Domain via Wikimedia Commons)
Sehr interessant!
Dass die Sturmflut von ’62 hätte vermieden werden können, ist erstaunlich ehrlich.
Die Deiche sind immer noch nicht auf dem erstrebten Niveau und es gibt teils ein deutliches Rattenproblem (was die Ausspülung des Sandkerns des Deiches begünstigt)!
Die Choleraepidemie von 1892 war auch nur ein Resultat hanseatischer Sparsamkeit, die damals preußische Stadt Altona hatte sauberes Wasser.
@Alex
Sturmfluten sind klimatologisch und/oder (kurzfristig) meteorologisch verursacht, vom Menschen somit nicht ad hoc verhinderbar.
Denkbare Folgen als Großschadensereignisse können in der Prävention positiv gehandhabt werden.
@ T.W.
Wird es von den Voträgen u.ä. Veranstaltungen auch Livestreams oder später abrufbare Aufzeichnungen geben?
[Hm, keine Ahnung, müsste man die Uni fragen. T.W.]
Wer sich für den Sturmflutschutz in HH interessiert:
http://lsbg.hamburg.de/contentblob/3281680/1822cf666737349331ec6e88b8e2ce58/data/sturmflut-in-hamburg-1.pdf;jsessionid=688AE87E67E3C4DB906E9ED806EF87E0.liveWorker2
Aktuell werden die Deiche wohl um 80cm erhöht.
Aber @TW hat recht: Angriffe auf die Infrastruktur – ggf. auch mit kriminellem Hintergrund – sind weitaus gefährlicher. Hier gibt es allerdings auch „Innentäter“ die mit einfachen Mitteln große Wirkung erzielen (s. u.a. Berlin).
Die Sturmfluten sind Naturereignisse. Trotz erhöhter Deiche kam es dann 1976 zu einer Flut die die 62 er Flut noch überstieg, jedoch kaum oder keine Menschenleben forderte.
Ich sehe aber gerade in Hamburg durch Binnentäter viele weiche und verkehrswichtige Ziele (die Liste werde ich nicht nennen) die durch einfache Mittel und etwas technischem Sachverstand gefährdet sind und z.B. die Nord-Süd Verbindung fast komplett kappen könnten.
Zusatz
@Uhlenspiegel
Die Inkompetenz und Gleichgültigkeit seinerzeit der Hamburger Behörden kann man deutlich an einem Stadtteil in HH belegen. In Finkenwerder, dem nördlichen Teil der zu HH gehörte betrug die Kindersterblichkeit etwa so 35%.
Im südlichen Teil (südlich des sogenannten Finkenwerder Landscheidewege) der zu Preußen gehörte betrug die Kindersterblichkeit nur etwa 15%.
Letztendlich kann man nur froh sein das bei der Cholera- Epidemie Preußen das Zepter in die Hand nahm
Zu KRITIS (kritische Infrastruktur) und Industriedesastern gibt es in dem Programm bereits am 03.05. einen Vortrag von Prof. Peer Rechenbach von der Hochschule für Angewandte Wissenschaft. Allerdings unter dem Blickwinkel neue Katastrophen-Szenarien.
Der Stromversorgung kommt dabei zentrale Bedeutung zu, man muss nur überlegen, wofür man ihn braucht und wie die Notstromversorgung aussieht.
Ein empfehlenswetes Buch zu den Luftangriffen auf Hamburg ist der Bericht von Hans Brunswig, damals Abteilungsleiter »Technischer Dienst« bei der Feuerschutzpolizei Hamburg: „Feuersturm über Hamburg: Die Luftangriffe auf Hamburg im 2. Weltkrieg und ihre Folgen“.
Er schildert die oft grausigen Erlebnisse als unmittelbar beteiligter Zeitzeuge.
@Pio-Fritz
Ja, Stromversorgung dürfte der Engpass werden.
https://m.youtube.com/watch?v=glrX-t79gm8
10. April 2018, 01:58 Uhr
Knotenpunkt-Probleme
Stromausfall drosselt deutsches Internet
Deshalb dezentral aufstellen und Energiemix ausbauen.
Ich bin am 4. Juni da, wer noch?