Angriff auf Syrien: Die militärische Seite

Der gemeinsame Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf syrische Militäreinrichtungen als Reaktion auf einen vermuteten Chemiewaffeneinsatz Syriens vor einer Woche wird vor allem unter politischen Gesichtspunkten debattiert (die wesentlichen Aussagen dazu hier). Deshalb hier ergänzend ein Blick auf die militärische Seite, wenn auch die Angaben in Details voneinander abweichen.

Die Angriffe mit mehr als 100 Marschflugkörpern galten drei Einrichtungen in Syrien, die dem Chemiewaffenprogramm des Landes zugerechnet werden: Ein Forschungszentrum in Damaskus und zwei vermutete Lagerstätten für chemische Waffen.

Neben bereits länger eingeführten Waffensystemen der USA, Großbritanniens und Frankreichs kamen dabei auch zwei neue Waffensysteme erstmals zum scharfen Einsatz: Die USA setzen von B1-Lancer-Bombern die luftgestützten Marschflugkörper Joint Air-to-Surface Standoff Missile (JASSM) ein; Frankreich nutzte erstmals die Marineversion des Scalp-Marschflugkörpers, die Missile de Croisière Naval (MdCN) von Bord der Fregatte Languedoc der Aquitaine-Klasse.

Die Angaben zu den insgesamt eingesetzten Kräften stammen im Wesedntlichen vom Direktor des U.S. Joint Staff, Generalleutnant Kenneth McKenzie, bei einem Briefing des Pentagon (Update: das Transkript dieses Briefings hier):

• USA:

Aus dem Roten Meer feuerte der Kreuzer Monterey 30 und der Zerstörer Laboon sieben Tomahawk-Marschflugkörper ab.

Aus dem Norden des Arabischen Meeres Persischen Golf (Korrektur) starteten vom Zerstörer Higgins 23 Tomahawk.

Das U-Boot John Warner feuerte sechs Tomahawk aus dem östlichen Mittelmeer ab.

Der Zerstörer Donald Cook, der im östlichen Mittelmeer kreuzt und in den vergangenen Tagen wiederholt als mögliche Startplattform für Marschflugkörper genannt worden war, war offensichtlich an dem Angriff nicht beteiligt.

Zwei B-1-Bomber, gestartet in Al Udeid in Katar, feuerten 19 JASSM-Marschflugkörper ab.

• Großbritannien

Von der britischen Luftwaffenbasis Akrotiri auf Zypern starteten vier Tornado-Kampfbomber, die jeweils einen Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow (weitgehend identisch mit dem französischen Scalp) abfeuerten. Die USA erwähnten auch den Einsatz von Eurofighter Typhoon Kampfjets, die in der Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums jedoch nicht erwähnt werden – möglicherweise flogen sie Geleitschutz für die Tornados. (Update: das ist wohl inzwischen bestätigt.)

• Frankreich

Die französische Luftwaffe setzte Rafale- und Mirage-2000-Kampfjets ein, die neun Scalp-Marschflugkörper abfeuerten. Zunächst hieß es, die Maschinen seien in Jordanien gestartet; vermutlich kamen sie aber – mit Luftbetankung – aus Frankreich

Die Fregatte Languedoc feuerte aus dem östlichen Mittelmeer drei Marschflugkörper ab.

Die bisherigen Informationen deuten darauf hin, das keines der Flugzeuge in den syrischen Luftraum einflog – und auch gar nicht einfliegen musste, weil die verwendeten Marschflugkörper mit ihrer Reichweite ein Abfeuern außerhalb des syrischen Hoheitsgebietes ermöglichten.

Gegensätzliche Angaben gibt es dazu, wie viele der abgefeuerten Waffen ihr Ziel erreichten. Der russische Generalstab gab an, gut zwei Drittel der eingesetzten Marschflugkörper seien von der syrischen Luftverteidigung abgeschossen worden – allerdings ist das mit einem Fragezeichen versehen, weil dafür nur die meist älteren russischen Systeme der syrischen Streitkräfte eingesetzt wurden. Die modernen russischen Flugabwehrsysteme, die die Russen selbst in Syrien stationiert haben, wurden bei diesem Angriff nicht aktiv.

Einige Details bleiben weiterhin unklar – insbesondere die Wirkung, die die eingesetzten Waffen tatsächlich erzielten. Das wird sich, wenn überhaupt, vermutlich erst später herausfinden lassen.

(Falls in dieser Übersicht, vermutlich unvermeidlich, sachliche Fehler sein sollten, bin ich bemüht, die zu korrigieren.)

Eine Randbemerkung: Die britische Beteiligung macht klar, dass die deutsche Haltung, sich nicht an diesen Angriffen zu beteiligen, ausschließlich eine politische Entscheidung ist (und das sinnvollerweise). Ungeachtet der Materialprobleme, die die Bundeswehr hat – zu einem solchen Angriff wären auch deutsche Tornados mit Taurus-Marschflugkörpern in der Lage gewesen. Dass die Bundeswehr sich nicht beteiligte, war also nicht eine Frage der Fähigkeiten, sondern der politischen Absicht.

Nachtrag 15. April: Eine Gegenüberstellung der Angaben der USA, Frankreichs und Großbritanniens zu denen Russlands gibt es hier.

(Foto: Start eines Tornados der Royal Air Force von der britischen Militärbasis Akrotiri auf Zypern am 14. April 2018 – Cpl L Matthews/UK MOD/Crown Copyright; Karte: U.S. Department of Defense)